Beiträge von Iunia Sibel

    Allmählich begannen auch die letzten Bedenken von ihr abzufallen, da sich das Gefühl einzustellen begann, es liefe doch alles gut. Avianus hatte schließlich damit begonnen, seiner Cousine von seinen Plänen mit Sibel für die nächste Zeit zu erzählen. Angefangen von ihrer baldigen Freilassung, weil die Anwesenheit einer Frau in der Castra auf die Dauer nicht gut war. Ganz nebenbei erwähnte er dann auch ihr Kind, so dass Sibel annahm, er habe die Iunia darüber doch schon in Kenntnis gesetzt. Umso mehr war sie nun überrascht, Iunias verdutzten Blick zu sehen und das scheinbare Entsetzen in ihrer Stimme. ‚Nun ist alles aus!‘ war Sibels erster Gedanke, deren Lächeln wie auf Kommando völlig erstarb und sie nun da saß und angespannt die Lippen zusammenpresste.


    Als Konsequenz zu ihrem Entsetzen, schlug die Iunia nun einen bedrohlichen Befehlston an, den Sibel noch von ihrer früheren Domina in Misnum her kannte. Doch als Iunias Worte, so bedrohlich sie auch klingen mochten, endlich auch bei der Lykierin ankamen, begriff sie langsam, dass sie nicht gegen sie gerichtet waren. Ganz im Gegenteil, Axilla mahnte ihren Cousin zu Eile, damit ihre Verwandten auch wirklich frei waren. Sibel glaubte nicht recht zu hören! Hatte sie wirklich soeben ‚ihre Verwandten‘ gesagt?
    Allem Anschein nach war ihr Cousin auf eine so heftige Reaktion nicht eingestellt, doch sie schien Wirkung zu zeigen. Aber auch er hatte sich natürlich schon informiert.


    Scheinbar hatte die Iunia Sibels überraschtes Gesicht gesehen, da sie sie nun wieder direkt ansprach und sich für ihr herrisches Auftreten entschuldigte, das offenbar nötig war, um den iunischen Männern im wahrsten Sinne des Wortes den Marsch zu blasen. Dabei zwinkerte sie ihr auch zu, was dann endgültig das Eis schmelzen ließ. Es war nur verständlich, dass sie nun alles über das Kind wissen wollte.


    Avianus war es dann, der zunächst herumrätselte, wie weit die Schwangerschaft den fortgeschritten sein. Doch viel wichtiger war, was er danach sagte. Nämlich dass es ihr Kind sein würde und dass es auch als solches aufwachen sollte, was immer das auch heißen sollte. Sibel wäre schon damit zufrieden gewesen, wenn sie einen sicheren Ort hatte, an dem sie bleiben konnte. Wenigstens solange das Kind aus dem Gröbsten heraus war.
    Endlich fand dann auch sie wieder ihre Sprache. Schließlich musste sie es ja am besten wissen. Zumal sie inzwischen auch eine Hebamme in der Stadt aufgesucht hatte, um sich von ihr untersuchen zu lassen. „Es ist ungefähr die zwölfte Schwangerschaftswoche. Langsam kann ich es nicht mehr verbergen.“ Dabei strich sie die Tunika über ihrem Bauch glatt und tatsächlich war der zarte Ansatz eines Bäuchleins zu erkennen.

    Natürlich hatte er alles! Wie hätte es auch anders sein sollen! Sibel überlegte kurz, ob sie lieber doch noch einmal nachhaken sollte, allerdings glaubte sie auch ein wenig Leiden in seiner Stimme gehört zu haben. Ganz ohne Frage, Avianus hatte sich wirklich meisterlich bei ihrem Einkaufsmarathon geschlagen! Er hatte das gewagt, was viele seiner Geschlechtsgenossen scheuten. Dabei war er sogar ganz gelassen geblieben und hatte sie niemals gedrängt, endlich nach Hause gehen zu wollen. Schließlich hatte sie Mitleid mit ihm und ließ es darauf beruhen, dass er tatsächlich nichts brauchte.
    „Ja wenn das so ist, dann sind wir fertig,“ meinte sie dann lächelnd. Sie war ja schon genug bepackt. Mehr hätte sie auch gar nicht tragen können. So spazierten sie gemeinsam zum Ausgang des Marktes hin. Gelegentlich ließ sie noch ihrer Blicke über die Auslagen schweifen. Doch nichts konnte mehr ihr Interesse erregen.


    Der Alte, der sie noch immer in einem gebotenen Abstand verfolgte, begriff langsam, dass er nun handeln musste, wollte er die Frau nicht entkommen lassen. Er beschleunigte seinen Schritt und während er versuchte, sich an Sibel vorbeizudrängen, streifte er sie so, dass ihr ein Päckchen, welches sie zwischen ihren Ellenbogen geklemmt hatte, zu Boden viel. Sibel blieb stehen und auch der Alte drehte sich zu ihr hin und begann sich vielmals zu entschuldigen. „Oh verzeih mir, ich wollte dich nicht anrempeln! Das tut mir ja furchtbar leid! Ich war etwas in Eile! Warte nur, ich hebe es auf, was du verloren hast.“ Der Alte bückte sich und hob das Päckchen auf. „Aber das macht doch nichts,“ begann Sibel. „Vielen Dank!“ Sie wollte schon weitergehen. Da rief der Alte: „Kenne ich dich nicht? Warst du nicht letztens an unserem Gewürzstand? Wir haben heute Morgen wieder frische Ware bekommen! Fenchelsamen und Anis. Und Ingwerknollen aus dem fernen Orient!“
    Sibel blieb unvermittelt stehen, als sie das hörte und sie hoffte, auch Avianus würde dafür Verständnis haben. Der Gewürzstand hätte sie tatsächlich beeindruckt und deshalb hatte sie auch einige Sesterzen dort gelassen, um Gewürze zu kaufen. Auch Avianus hatten die Gewürze in ihrem Essen geschmeckt. Schließlich wandte sie sich an ihren Liebsten, der ja eigentlich nach Hause wollte. „Sollen wir nicht schnell noch einmal zum Gewürzstand? Ich könnte uns dann heute Abend wieder etwas Leckeres zubereiten?“

    Noch saß Sibel weniger lässig neben Avianus. Man hätte sogar meinen können, sie hätte einen Stock verschluckt. Dafür war ihre Anspannung auch noch viel zu groß. Außerdem machte es vielleicht keinen guten Eindruck.
    Als man ihr dann einen mit Posca gefüllten Becher reichte, war sie froh, endlich etwas in Händen halten zu können, den Erfrischungseffekt des Getränkes einmal ganz außer Acht lassend. Eines schienen die beiden Frauen dann doch gemeinsam zu haben. Sie wählten das gleiche Getränk. Die Iunia wohl eher aus Gewohnheit heraus und Sibel wegen ihrer Schwangerschaft. Nur Avianus gab sich dem Genuss des verdünnten Weines hin und schenkte Sibel scheinbar einen entschuldigenden Blick dabei. In ihrem Gesicht blitzte ein kurzes Lächeln auf. Dafür musste er sich doch nicht entschuldigen. Schließlich war er ja auch nicht schwanger.


    „Nein ganz und gar nicht!“, fügte Sibel auf Iunias Frage noch hinzu. „Er spricht von dir immer in großer Ehrfurcht. Du bedeutest ihm sehr viel.“ Manchmal hatte sie sogar geglaubt, so etwas wie Angst in seinen Worten wiederzufinden, wenn er über sie sprach. Die Angst, sie enttäuschen zu müssen. Aber natürlich war das ganz verständlich. Sie war eine der wenigen Verwandten, die er noch hatte und die Familie gab einem den nötigen Halt. Nach dem schrecklichen Unglück, bei dem ihr Vater damals gestorben war und Sibels Leben komplett auf den Kopf gestellte wurde, waren die Leute, deren Eigentum sie geworden war, zu ihrer neuen Familie geworden. Auch wenn es eine Familie war, die es an Güte und Freundlichkeit hatte missen lassen, war es dennoch eine Familie gewesen, die ihr Halt gegeben hatte. Spätestens als sie das Haus ihrer Herrschaften verlassen hatte und sich alleine durchschlagen musste, hatte sie gemerkt, wie schwierig es war, nur auf sich gestellt zu sein.


    Einerseits war Sibel ganz froh, dass die Iunia sie nicht gleich mit Fragen überschüttete. Wahrscheinlich wären es dann unangenehme Fragen gewesen zu Dingen, über die sie nicht gerne sprach. Dies verlieh ihrem Treffen vorerst noch einen legeren Charakter. So war es dann Avianus, der die Gelegenheit ergriff, um zum eigentlichen Thema ihrer Zusammenkunft vorzustoßen. Er unterrichtete Axilla von seinem Vorhaben, Sibel schon bald freizulassen. ‚dann hätte sie endlich ihre Freiheit‘ Seine Worte klangen noch lange in ihr nach. Über diese bevorstehende Freiheit hatte sie sich eigentlich gar nicht richtig freuen können. Bedeutete es doch für sie, nicht mehr täglich bei Avianus sein zu können. In der kurzen Zeit, die sie bei ihm in der Castra sein durfte, hatte sie ihre Freiheit nicht gemisst, da er ihr alle Freiheiten gelassen hatte. Aber natürlich sah sie auch ein, dass es so nicht hätte weiter gehen können. Zumal sie nun schwanger war und in einigen Wochen würde dies auch unübersehbar sein.
    Ihr Kind aber würde dann nicht mit dem Makel der Sklaverei zur Welt kommen. Mehr wünschte sie sich im Augenblick gar nicht. Avianus sollte wegen ihr keine Nachteile in Kauf nehmen müssen. Daher akzeptierte sie es, wenn er seine Beziehung zu ihr geheim hielt und sein Kind offiziell nicht als seines annahm.

    Dann kam er, der unausweichliche Moment. Der Grund, weswegen sie hier waren. Schritte nahten und nur kurze Zeit später erschien eine gut gekleidete Dame mittleren Alters. Sie lächelte und begrüßte Avianus auf herzliche und beschwingte Weise, ehe sie sich ihr zuwandte. Diese freundliche Begrüßung ließ Sibel hoffen. Das, was Avianus ihr immer wieder zu verstehen gegeben versucht hatte, stimmte also. Seine Cousine schien ihnen beiden wohlgesonnen zu sein. Auch wenn etwas in ihr sie noch immer zur Vorsicht mahnte. Sie hatte es selbst erlebt, wie schnell die gute Laune feiner römischer Damen in Unmut umschlagen konnte. Doch so, wie Avianus ihr seine Cousine beschrieben hatte, schien sie eher gradlinig und weniger wankelmütig zu sein. So lag es also an ihr selbst, die Iunia von sich zu überzeugen. Auch Avianus stellte sich diesmal nicht schützend vor sie, wie er es oft getan hatte, wenn die Situation sich etwas schwieriger gestaltete. Diesmal musste sie es selbst wagen und sich, in diesem Fall, der Iunia stellen.


    Nicht minder freundlich hatte sich die Herrin des Hauses ihr zugewandt und sie angesprochen. Nun blieb nicht mehr viel Zeit, um sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie sie die Iunia ansprechen sollte. Ob sie sich eher unterwürfig geben sollte, so wie es ihr Stand ihr eigentlich gebot oder ob sie ihr auf Augenhöhe begegnen sollte.
    „Salve Iunia,“ hörte sie sich dann schließlich selbst sagen. „Ja, genauso ist es. Ich bin Sibel. Und Avianus hat mir auch schon viel von dir erzählt,“ fügte sie freundlich lächelnd hinzu. All ihre Bedenken schien sie beiseitegeschoben zu haben, so dass nur noch sie selbst übrig geblieben war. Und genau so präsentierte sie sich nun, als sie selbst. Ob das ausreichte, um das Eis zu brechen würde sich noch zeigen. Durch Avianus‘ Vorschlag, sich zu setzen und etwas zu trinken, entwich noch etwas mehr die Anspannung in ihr. Gemeinsam mit ihm nahm sie Platz und ließ sich etwas Posca reichen.

    Viel zu schnell waren die Tage in den Albaner Bergen zu Ende gegangen. Die Ruhe und die frische Luft hatten besonders Sibel in ihrem Zustand gut getan. Sie hatte bei ihren Spaziergängen am Seeufer etwas Farbe bekommen. Am liebsten wäre sie noch länger dort geblieben und hätte weiter das Landleben genossen. Doch leider hatten sie sich Rom nicht ewig entziehen können.


    Wenige Tage nach ihrer Rückkehr hatte ihr Avianus eröffnet, dass noch immer der Besuch bei seiner Cousine Axilla anstand. Diese Begegnung war die Voraussetzung dafür, dass die Lykierin zumindest für eine Weile in der Casa Iunia unterkommen konnte. Sibel hatte diesen Pflichttermin bis dahin erfolgreich verdrängt. Doch nun schwebte er wieder über ihr wie ein Damoklesschwert. Avianus hatte natürlich versucht, sie zu beschwichtigen und ihr ihre Ängste zu nehmen. Trotzdem waren ihre Bedenken damit noch lange nicht alle beseitigt. Sie hatte die Vorkommnisse bei ihrem letzten Besuch in der Casa noch gut vor Augen. Diesmal aber sollte es nicht wieder auf diese Weise eskalieren. Sibel wollte versuchen, sich diesmal zusammenzureißen. Auch wenn sie sich bei der Frage, wie sie Axilla begegnen sollte, immer noch nicht ganz im Klaren war.


    In Gedanken versunken war sie neben Avianus hergelaufen und hatte kaum ein Auge für das, was vor, hinter oder neben ihr passierte, als sie sich auf den Weg zur Casa gemacht hatten. So sehr war sie mit dem, was nun unmittelbar vor ihr lag, beschäftigt. Ohne Frage, die Zeit drängte. Es musste bald eine akzeptable Lösung für sie und ihr ungeborenes Kind gefunden werden.
    Letztendlich aber schritten sie beide über die Schwelle der Casa und betraten das Atrium. Dort warteten sie nun auf das Erscheinen der Iunia.


    Sibel nickte Avianus auf dessen Frage flüchtig zu. Sie war so bereit, wie sie es im Augenblick nur sein konnte. Natürlich war sie nervös. Vielleicht noch mehr, als Avianus es war. Sie konnte kaum ihre Finger ruhig im Zaun halten. Lediglich sein Kuss, den er ihr auf die Wange hauchte, und auch sein Lächeln vermochten es, ihr wieder etwas mehr Halt zu geben.

    Einkaufen konnte ja so anstrengend sein! Doch als Sibel die Entscheidung ihrem Herzblatt in die Hände gelegt hatte, schien sie gleichzeitig den Bock zum Gärtner gemacht zu haben. Ausgerechnet Avianus sollte jetzt über das äußere Erscheinungsbild seiner Liebsten auf der bevorstehenden Hochzeit verfügen! Dabei waren Männer im Allgemeinen für solche Aufgaben kaum zu gebrauchen, da sie die dafür nötige Geduld meist nicht aufbringen konnten und in Sachen Farbenlehre nicht wirklich die Nase vorn hatten. Alleine seine Äußerung, es sei doch ‚nur ein Kleid! ‘, ließ nichts Gutes erahnen. Avianus würde den Weg des geringsten Widerstands gehen und das tat er dann auch. In solchen Situationen wären Frauen eben die wesentlich besseren Einkaufsberater gewesen. Aber Sibel gab sich auch damit zufrieden. „Na gut!,“ meinte sie und lächelte dankbar. Auf der Hochzeit würde sie also ihren Auftritt in Türkis und Gold haben. Doch wer nun geglaubt hatte, die Einkaufstour der beiden wollte sich nun langsam dem Ende zuneigen, der irrte auf ganzer Linie. Noch fehlten ein paar neue Sandalen. Und ganz zu schweigen von einer passenden Palla! Denn wie hatte Avianus bereits vor gefühlt etlichen Stunden bemerkt, ‚wenn du noch etwas benötigst, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt‘.


    Selbst der Alte, der sich vor einiger Zeit an ihre Fersen geheftet hatte, stellte bereits Überlegungen an, wie er zumindest die Frau nun endlich zum Stand seines Herrn locken könnte. Allerdings sah er da wenig Spielraum, in den nächsten Stunden erfolgreich zu sein.


    Dennoch schienen die Götter wenigstens ein wenig Mitleid mit allen Beteiligten zu haben, denn sie schenkten der Lykierin ein wenig mehr Entscheidungsfreudigkeit und etwas mehr Selbstvertrauen. So gelang es ihr zum Beispiel in relativ kurzer Zeit, sich selbst aus sieben verschiedenen Pallae, eine passende für sich auszusuchen. Sie war aus einem durchsichtigen Stoff, der leicht golden schimmerte und trotzdem das Türkis der Tunika durchscheinen ließ.


    Auch bei den Sandalen ging es recht flott voran, was wohl daran lag, dass der Sandalenmacher nur noch eine kleinere Auswahl an sommerlichen Sandalen vorrätig hatte und bereits mit dem Verkauf von herbstlichem und winterlichem Schuhwerk begonnen hatte.


    Sichtlich zufrieden mit ihrem heutigen Einkauf strahlte Sibel vor Freude. Zwar war sie voll bepackt mit den Errungenschaften ihres heutigen Einkaufs, doch überaus glücklich. Sie war heute von Kopf bis Fuß eingekleidet worden. Avianus hatte ihr den wunderschönen und (für ihre Verhältnisse) teueren Schmuck gekauft. Nicht zu vergessen waren die Bücher, die sie zu Anfang ausgesucht hatten. Außerdem wollte er sie mit zu der Hochzeit nehmen. Sie würden dafür für ein paar Tage aus Rom heraus kommen und es sich in den Albaner Bergen gut gehen lassen. Wenn das nicht traumhaft war! Doch halt! Plötzlich beschlich Sibel ein ungutes Gefühl. Was war denn eigentlich mit ihrem Liebsten? Benötigte er denn nichts? Wie hatte sie nur so selbstsüchtig sein können?! Mit einem schlechten Gewissen wandte sie sich schließlich an ihn. „Wir haben dich ja ganz vergessen! Hast du alles für die Hochzeit?“ Wahrscheinlich würde nun der Standardspruch eines jeden Mannes folgen, der wohl weltweit seine Gültigkeit besaß…

    Inzwischen war auch die Braut zu Aviaqnus und Sibel herangetreten und bekundete ihnen, ebenso wie Seneca zuvor, ihre Freude darüber, dass sie heute ihre Gäste waren und mit ihnen feierten. Sibel schenkte ihr dafür ein Lächeln, denn sie war einfach nur erleichtert, wie freundlich und zuvorkommend sie hier aufgenommen worden war. Ob Senecas Frau inzwischen über sie und ihren Stand eingeweiht war, konnte sie nur mutmaßen. Sie hatte es unterlassen, Avianus danach zu fragen. Mit solchen Fragen wollte sie ihre gemeinsamen Tage in den Albaner Bergen nicht belasten. Entweder die Decima wusste es und sah einfach darüber hinweg, oder sie wusste es noch nicht und würde es erst nach den Hochzeitsfeierlichkeiten erfahren.


    Als hätte Seiana Sibels kleines Dilemma geahnt, wies sie sie darauf hin, dass noch andere Getränke zur Auswahl standen, die weitaus besser für eine Schwangere geeignet waren. Säfte zum Beispiel. „Oh, das ist sehr freundlich,“ meinte Sibel mit einem verlegenen Lächeln. Ob Seiana vielleicht schon etwas ahnte? Frauen hatten ja bekanntlich dafür einen besonderen Blick. Morrigan zum Beispiel, hatte sie sofort durchschaut, wegen des angeblichen Glänzens in ihren Augen.
    „Dann werde ich am besten sofort auf Saft umsteigen.“ Dann wäre auch Avianus zufrieden und musste sich keine Sorgen mehr machen. Sibel winkte nach einem Sklaven in ihrer Nähe und ließ sich einen neuen Becher mit Traubenmost bringen.


    Mit ihrem Geschenk hatten Avianus und Sibel bei dem Hochzeitspaar direkt ins Schwarze getroffen. Die beiden freuten sich über alle Maßen. Seneca lud sie sogar zu sich in ihr neues Heim ein. Eine Reise nach Mantua war bestimmt auch sehr reizvoll. So hoch im Norden war sie noch nie gewesen. Sibels Freude wollte gar nicht abreißen. So viel Lob über ihre Idee mit dem Lararium hatte sie eigentlich gar nicht erwartet. Natürlich schloss sie sich nun gerne auch Avianus‘ Glückwünschen für das Paar an. „Auch von mir noch einmal alles Gute für euch beide. Auf dass all eure Wünsche in Erfüllung gehen mögen!“ Ihr größter Wunsch war ja am heutigen Tage in Erfüllung gegangen. Andere würden aber bestimmt auch noch folgen.


    Als Avianus dann plötzlich Germania als möglichen zukünftigen Wohnort für die beiden Frischvermählten ins Spiel brachte, stutzte Sibel kurz. „Germania? Ihr beide wollt nach Germania ziehen?“ Sibel assoziierte mit diesem Ort nichts Gutes, obwohl sie noch niemals dort gewesen war. Doch für sie hatte es schlimme Folgen gehabt, als Avianus damals dorthin geschickt worden war.

    Bisher war für Sibel nur die Zweckmäßigkeit und der günstige Preis ausschlaggebend gewesen beim Kleiderkauf. Doch nun wurde sie vom reichhaltigen Angebot an Kleidern fast erschlagen. Jedes Mal wenn sie geglaubt hatte, eine schöne Tunika gefunden zu haben, entdeckte sie eine noch Schönere. Sie hätte sich wohl noch etliche Stunden an dem Stand verweilen können. Andererseits wollte sie auch auf Avianus Rücksicht nehmen, der wirklich eine Engelsgeduld aufbrachte. Sie fühlte sie sich nicht besonders wohl bei dem Gedanken, hier noch viel länger nach einer passenden Tunika zu suchen, während er sich vielleicht langweilte.
    Doch nicht nur sie war mit der großen Auswahl etwas überfordert. Er war es auch, als sie ihn nach seiner Meinung fragte. Seine Antwort schmeichelte ihr natürlich auch wenn sie zunächst doch sehr diplomatisch ausfiel, was ihr aber nicht wirklich weiterhalf. Denn es war natürlich ausgeschlossen, dass sie alle drei Kleider nahm. „Aber…“, wollte sie deshalb schon einlenken.
    Avianus wurde dann doch etwas konkreter und beschränkte sich auf die rote und die blaue Tunika. Sibel schien aber auch noch nicht ganz überzeugt zu sein, denn die türkisfarbene Tunika hatte ihr eigentlich auch sehr gut gefallen, zumal in ihrem Schmuck ja auch schon kleine Türkise verarbeitet worden waren. Als er dann selbst meinte, sie solle sich doch an dem Schmuck orientieren, rückte sie mit ihren Bedenken heraus.
    „Zum Schmuck passt das da am besten“, meinte sie und deutete auf das türkisfarbene Kleid. „Aber das blaue Kleid und der goldene Schmuck… sieht auch gut aus. Oder?“ Tja, damit war ihr auch nicht wirklich weitergeholfen. „Ach, entscheide du, welches ich nehmen soll!“, bestimmte sie, denn schließlich musste er ja auch zahlen.


    Dem älteren Mann, der sich an ihre Fersen geheftet hatte, war natürlich nicht entgangen, welche schwierige Frage die beiden gerade beschäftigte. Mit einem gewissen Abstand, verfolgte er ihr Gespräch weiter und zerbrach sich bereits den Kopf darüber, wie er die beiden zum Gewürzstand seines jungen Dienstherrn lotsen konnte.

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus
    Da stellte Sibel eine gute Frage. Posca? Hier? Vermutlich nicht. Aber irgendetwas anderes könnten die doch sicher ausschenken. Eine andere Alternative wäre, den Wein einfach komplett wegzulassen und schlicht und ergreifend Wasser zu trinken. Dabei war Avianus noch nicht einmal sicher, ob der Schluck Wein in ihrem Becher überhaupt ein Problem war. Unauffälliger war es auf jeden Fall, nicht mir Sonderwünschen daherzukommen, aber wenn es um ihr Kind ging ... Am besten zog er, wenn sie wieder in Rom waren, jemanden zu Rate, der sich mit solchen Dingen besser auskannte. Einen Arzt oder eine Hebamme eben.
    "Keine Ahnung … wir sollten Seneca fragen, wenn er sich mal blicken lässt", antwortete er einfach, warf noch einmal einen skeptischen Blick auf den Becher und beschloss dann, dass die Geschichte von ihm und der Tiberia bestimmt eine gute Ablenkung wäre, bevor ausgerechnet der verwässerte Wein die Stimmung ruinierte.
    "Also das mit der Tiberia ist eine längere Geschichte …" Trotzdem würde er natürlich versuchen, sie zu erklären. Während er dann weitersprach, senkte er seine Stimme ein wenig. Der Consular brauchte schließlich nicht alles zu wissen. "Damals nach dem Bürgerkrieg … du und ich, wir kannten uns noch gar nicht lange … kam einmal während meiner Schicht diese Patrizierin daher und hielt sich für so wichtig, dass sie glaubte, keine standardmäßige Durchsuchung zu brauchen. Durchsuchen lassen musste sie sich logischerweise trotzdem, wenn sie reinwollte. Irgendwann kam sie ein zweites und ich glaube, sogar ein drittes Mal. Bei Festlichkeiten zu Ehren der Concordia sind wir uns auch mal begegnet. Bei irgendeinem dieser Treffen ist mal das Thema Briefe gefallen und dass ich anscheinend viel zu wenige bekomme. Dann hat Lucia geheiratet und ihr war so fad, dass sie ausgerechnet mir einen Brief geschrieben hat. Wir haben uns eigentlich immer nur angegiftet oder dumme Scherze gemacht, als da plötzlich dieser Brief kam, wusste ich zuerst gar nicht, was los war. Aber ich konnte die Ablenkung brauchen, denn zu der Zeit warst du … weg, also habe ich zurückgeschrieben. Tja, und das ging das eine Weile so hin und her." ...


    Noch immer den Becher mit der prekären Mischung in der Hand, sah sich Sibel um. Alle anderen Gäste tranken fröhlich, ohne sich dabei auch nur den Funken eines Gedankens zu machen, was da gerade zu sich nahmen. Nur sie saß da und schaute inzwischen zweifelnd auf ihren Becher herab. Ihre Unsicherheit wuchs mit jeder Minute und damit auch ihre Gewissensbisse. Ganz zerknirscht darüber sah sie zu Avianus, als der meinte, man sollte Seneca fragen, wenn er denn vorbeischaue. Sie nickte nur und entschloss sich nun, nichts mehr davon zu trinken.


    Für ein wenig Ablenkung sorgte dann ihr Begleiter, als er ihr von seiner Beziehung zu der Tiberia berichtete und wie sie einander kennengelernt hatten. Scheinbar kannte er die Patrizierin fast schon solange, wie er sie kannte. Dabei hatte er in all der Zeit nicht ein einziges Wort über diese Frau verloren, was an sich doch schon seltsam war. Aber wahrscheinlich bedeutete sie ihm nichts oder er betrachtete es einfach als unwichtig. Und im Grunde hatte er nie viel über seine Arbeit erzählt, wenn er zu ihr gekommen war. Vielleicht war es ja gerade das, was ihn am Anfang, und vielleicht auch jetzt noch, zu ihr geführt hatte, weil er in ihren Armen für eine Weile davon Abstand nehmen konnte. Dennoch hatte er ihre Briefe aber erwidert, die sie im aus purer Langeweile geschrieben haben musste. Nein, in Sibel erwachte nicht die Eifersucht. Denn sie wusste, noch mehr als sie, war die Tiberia wohl unerreichbar für ihn. Niemand würde es zur Kenntnis nehmen, wenn er sich mit seiner Sklavin vergnügte. Doch wenn man ihm das Verhältnis zu einer Patrizierin nachsagen konnte, die zudem auch noch verheiratet war, dann konnte das weite Kreise ziehen. Zumal sie inzwischen ja durch ihren Gatten gewissermaßen in der Öffentlichkeit stand. Und Avianus war sicher nicht der Typ Mann, der sich wegen einer solchen Affäre unglücklich machen wollte. Sibel warf noch einmal einen flüchtigen Blick zu der Tiberia hinüber. „Und jetzt schreibt sie dir nicht mehr?“, wollte sie wissen.

    Sie wollte ihm noch sagen, dass sie ihm keine Schwierigkeiten bereiten wollte. Da sie doch wusste, dass er noch so manches Ziel anstrebte. Und dabei stand eine Frau wie sie ihm nur im Weg. Doch dazu kam es gar nicht mehr, denn für ihn schien es das Normalste auf der Welt zu sein, sie neben sich haben zu wollen. Das rührte sie fast zu Tränen, denn in gewisser Weise stand er ja dann zu ihr. Schließlich gelang es ihm, mit seiner Zuversicht all ihre Zweifel zu vertreiben. Aus seinem Mund klang es auch so plausibel. Niemand würde es kümmern, ob sie nun da war oder nicht. Wahrscheinlich würde sie mit der richtigen Kleidung unter diesen Leuten gar nicht auffallen. Sie würden einfach den Tag genießen. Und das war doch das Wichtigste!
    Am liebsten hätte sie ihn hier au der Stelle geküsst. Aber in der Öffentlichkeit schickte sich das wohl sicher nicht. So umarmte sie ihn lediglich kurz, alleine schon deshalb, da sie beide ja von dem Goldschmied beobachtet wurden. „Danke! Das bedeutet mir so viel! Das ist die größte Freude, die du mir machen konntest!“, raunte sie ihm zu, bevor sie sich wieder von ihm löste.


    Wieder machte er ihr ein Kompliment. Doch diesmal verfehlte er nicht sein Ziel. Gleichzeitig hatt ihr der Goldschmied noch einen Handspiegel gereicht, so dass sie sich noch selbst von ihrem Anblick überzeugen konnte. Sibel war geradezu überwältigt von dem Anblick. Die Ohrringe hatten ihr schon von Anfang an gefallen. Dass nun auch noch eine Halskette und ein passender Ring dazugekommen waren, hätte sie sich niemals träumen lassen.
    Der Goldschmied nahm dankend das Geld entgegen. Auch wenn er den Ring noch als kostenlose Zugabe abgegeben hatte, hatte er trotzdem noch in gutes Geschäft gemacht. Nachdem die junge Frau den Schmuck wieder abgelegt hatte, verpackte er die Schmuckstücke noch, so dass sie geschützt waren.


    Sie hatte nun eingesehen, dass es sinnvoll war, noch einige Sachen für sie einzukaufen. Deshalb wehrte sie sich nun nicht mehr, als Avianus fragte, wohin es nun gehen sollte. Sibels Blick blieb an dem Stand hängen, den er vorgeschlagen hatte und nickte dann. Offenbar schien es dort eine gute Auswahl an Kleidung zu geben.
    Diesmal sah sie sich sofort nach einer schönen Tunika um, ohne dass man sie erst bitten musste. Sibel fand im Nu Gefallen daran, herumzustöbern, einige mögliche Exemplare aus dem Angebot herauszufischen, diese dann anzuprobieren, um sie dann wieder zurückzubringen und weiterzusuchen. Avianus kam währenddessen nur eine Aufgabe zu: Bei jeder Tunika ein passendes Urteil abzugeben.
    Nachdem Sibel nun schon etliche Kleider in allen Farben anprobiert hatte, war sie immer noch ratlos. „Ich weiß nicht, welches ich nehmen soll. Was meinst du? Das Blaue hier oder das Rote oder doch lieber das Türkisfarbene?“

    Auch Sibel nahm sich eines der Häppchen, die von den Sklaven aufgetragen worden waren. Die kleinen Köstlichkeiten schmeckten vorzüglich, auch wenn sie manches gar nicht kannte. Die Wachteleier zum Beispiel. Natürlich hatte sie schon welche gesehen, aber sie noch nie zuvor gekostet. Gerade noch war eines in ihrem Mund verschwunden, als plötzlich Avianus‘ Name gerufen wurde. Etwas überrascht sie auch sah auf, und erkannte dann die Frischvermählten, die sich zu ihnen gesellt hatten. Die beiden strahlten gerade so vor Glück. Seneca, den sie bisher ja noch nicht so oft getroffen hatte, erlebte sie heute ganz ausgelassen. Sibel konnte gut nachvollziehen, wie glücklich sie heute sein mussten. Deshalb freute sich aufrichtig für die beiden, denn sie hatten heute das geschafft, was sie sich am meisten gewünscht hatten und wovon Sibel nur träumen konnte.


    Während Avianus mit seinem Cousin sprach, hielt sie sich dezent zurück, denn im Grunde antwortete er ja für sie. Erst als Seneca sie persönlich auf den Inhalt ihres Bechers ansprach, gab sie ihre Zurückhaltung für einen Moment auf. „Der Wein schmeckt bestimmt genauso gut, wie all die anderen Köstlichkeiten hier,“ meinte die lächelnd. „Doch ich bevorzuge es heute lieber, ihn sehr verdünnt zu trinken.“ Der wahre Grund musste nicht hier und heute erörtert werden.
    Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, ergriff Avianus wieder das Wort und sie schwieg wieder. Erst als er auf sein Hochzeitsgeschenk zu sprechen kam, verwies er wieder auf Sibel, die ihm den Vorschlag für das Lararium auf dem Markt gemacht hatte.
    „Ich dachte, es wäre eine gute Idee, wenn euch die Schutzgötter eurer Familie auch in der Fremde beistehen,“ erklärte sie Schultern zuckend und lächelte dabei.

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus
    ...
    Es blieb also dabei, dass er die Tiberia und ihren Mann – den kannte er zwar nicht persönlich, aber nur die Frau zu grüßen wäre doch ein wenig unhöflich – knapp begrüßte: "Salve, Consular Duccius Vala … Tiberia Lucia, gut …" … dass du überlebt hast? Dass du wenigstens für ausschweifende Feste Zeit findest? "… gut siehst du aus", endete er für seine Verhältnisse ziemlich einfallslos, aber zumindest ohne etwas Provokantes zu sagen. Ein schmales Lächeln folgte, dann wandte er sich wieder anderen Dingen zu, etwa der Toga, die bekanntermaßen so gerne verrutschte. Da half es auch nichts, wenn man als ehemaliger Praetorianer sogar darin kämpfen konnte, an seinem Platz blieb der Stoff trotzdem nicht immer freiwillig. Kurz rückte er sie zurecht und bedeutete Sibel, sich auf einem der Lecti niederzulassen, und wählte selbstverständlich einen Platz neben ihr auf derselben Liege. Nachdem er inklusive Toga halbwegs bequem lag, flüsterte er Sibel eine knappe Erklärung zu: "Die Frau des Consulars ist eine Bekannte von mir, muss du wissen, und der Consular wiederum Senecas Patron."
    Als er sich so zu ihr hinüber lehnte, roch er den Wein, den sie sich gegönnt hatte. Stirnrunzelnd blickte er sie an. Er hatte bemerkt, dass sie sich einen anderen Becher hatte reichen lassen, aber ... sie tauschte Wein gegen Wein? Das machte ja mächtig viel Sinn, vor allem, wenn man ein Kind in sich trug.
    "Posca wäre doch bestimmt besser gewesen …", meinte er vorsichtig.


    Eigentlich war doch alles perfekt! Dieser herrliche Tag und der besondere Anlass. Alleine schon die Tatsache, dass Avianus und sie hier gemeinsam waren, machte diesen Tag zu etwas ganz besonderem. Und nicht zuletzt das hübsche Kleid und der Schmuck, den sie heute trug, vervollkommnete alles. Nichts deutete darauf hin, wer Sibel wirklich war. Heute konnte sie es mit jeder der anwesenden Damen aufnehmen. Dennoch wirkte sie recht zurückhaltend, obwohl es dafür eigentlich keinen Grund gab. Es war die ungewohnte Umgebung und die Furcht, doch etwas falschzumachen.
    Als sie ihren Tisch erreicht hatten, blieb sie erst einmal neben der Liege stehen, statt sich zu setzen. Dabei beobachtete sie die anderen Gäste, die nun nach und nach auch ihre Plätze einnahmen. Dann wurde ihre Aufmerksamkeit wieder auf jene blonde Dame gelenkt, die nun Gesellschaft von ihrem Gemahl bekam, als Avianus die beiden grüßte. Natürlich kannte sie weder den Consolar noch die Dame, dennoch nickte sie ihnen freundlich zu, als sie den Eindruck hatte, sie würden sich zu ihr umdrehen.


    Avianus hatte ein wenig mit seiner Toga zu kämpfen.Kein Wunder, dachte sich Sibel, denn sie wusste, wie aufwändig es war, die einzelnen Falten der Toga zu richten. An diesem Tag aber war dies einem Sklaven der Decima überlassen worden. Avianus nun darin zu sehen war für Sibel so ungewohnt. Aber natürlich war es dem Anlass angemessen.
    Endlich nahm sie Platz, als ihr Liebster sie mit einer Geste dazu aufforderte. Wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie noch nicht oft auf einer solchen Liege gelegen und noch seltener darauf liegend gegessen. Avianus nahm neben ihr Platz genommen und raunte ihr nun zu ihrer Erklärung ins Ohr, um wen es sich bei der Dame und deren Mann handelte. Staunend sah sie sich noch einmal zu ihnen um. Beeindrucken, wen er alles kannte! „Eine Bekannte? Und woher kennst du sie?“, fragte sie leise.
    Dass er ihr nun einen Vorwurf wegen des Inhalts ihres Bechers machte, ließ sie erstaunen. Schließlich war die Menge an Wein so gering bemessen, dass man kaum noch von Wein sprechen konnte. Doch dass er sich solche Sorgen machte, war schon rührend. „Er ist sehr stark verdünnt, sonst hätte ich mir den Becher doch nie reichen lassen.“ meinte sie. „Meinst du, sie schenken auch Posca aus?“ Posca auf solch einem Fest? Nun ja, es waren ja genügend Soldaten unter den Gästen.

    „Ein Kompliment? Das..äh.. ach so…“ Sibel schaute ein wenig verlegen drein. Ihre Bescheidenheit wurde langsam lästig und verdarb ihnen den ganzen Tag. Jetzt tat es ihr wieder leid, so reagiert zu haben. Es war eben nicht leicht mit ihr, solange sie sich immer noch so schwer tat, ihre Bedürfnisse laut auszusprechen oder überhaupt welche zu haben. Sie tat ihm damit keinen Gefallen, sich selbst kleinzureden und sich unbedeutender zu machen, als sie es tatsächlich war.
    Dennoch wollte Avianus noch nicht aufgeben. Er appellierte an sie, im Hinblick auf die Hochzeit, zu der er sie mitnehmen wollte. Dabei sagte er dann etwas ganz entscheidendes, was sie wohl vorher so gar nicht bedacht hatte. „Du willst mich an deiner Seite haben?“ Beim letzten Wort drohte ihre Stimme zu versagen. Sie presste ihre Lippen aufeinander und hatte Mühe, keine Träne zu vergießen. Sie wusste, was das bedeutete, doch richtig vorstellen konnte sie es sich nicht. Trotzallem, in diesem Fall brauchte sie natürlich etwas Passendes zum Anziehen. Eine entscheidende Frage blieb jedoch: „Aber wie soll das gehen?“ fragte sie ihn leise. „Ich meine, was willst du den Leuten sagen, wenn sie nach mir fragen?“ Und vor allen Dingen was würden sie tun, wenn sie die Wahrheit kannten?


    Der Goldschmied hielt sich vornehm zurück, während die beiden ihren Disput führten. Langsam kamen in ihm Zweifel auf, dass sie vielleicht doch nicht seine Frau sein könnte. Aber im Prinzip konnte ihm das herzlich egal sein, solange er sein Geschäft machte. Und dir Zeichen dafür standen gut, denn schon zückte er seinen Geldbeutel und fischte ein paar Münzen heraus, nachdem er sich noch einmal wegen des Preises vergewissert hatte. Der Goldschmied sah sich bereits am Ziel und hielt dankend die Hand auf. Jedoch wechselten die Münzen noch nicht ihren Besitzer.
    „Noch ein Ring?“ fragte er entgeistert und wollte schon zu jammern anfangen, da er doch Frau und Kinder hätte, die er durchbringen müsse. Avianus aber überzeugte ihn mit einem Argument, das man nicht ausschlagen konnte! „Oh, ja sicher kann sie das! Hier schau nur,“ meinte er eifrig zu Sibel. „Der hier würde gut passen!“ Der Goldschmied nahm einen goldenen Ring mit einem eingefassten Türkis aus seiner Auslage und beutete ihr, sie solle ihn einmal auf ihren Finger ziehen. Sibel kam dieser Aufforderung anstandslos nach. Der Ring passte und komplettierte das Ganze. „Und, wie schaut es aus?“, fragte sie ein wenig kleinlaut?


    Ein älterer Mann, dessen Äußeres darauf schließen ließ, das er ein Peregrinus sein musste, hielt sich unbeachtet währenddessen am Nachbarstand auf, um dort die Ware zu begutachten. Hin und wieder versuchte er einen unauffälligen Blick auf die beiden zu werfen und ihr Gespräch zu verfolgen, was ihm bisher ganz gut gelang.

    Endlich waren sie gekommen, die langersehnten Tage in den Albaner Bergen! Am Tag zuvor hatten Avianus und Sibel vor den Toren der Stadt einen Reisewagen bestiegen, der sie dorthin bringen sollte. Er hatte alles Nötige veranlasst, dass es ihr an nichts fehlte und sie es so bequem wie nur möglich hatte. Seit Sibel ihn über ihren Zustand aufgeklärt hatte, war er noch fürsorglicher geworden und behandelte sie nun wie ein zerbrechliches Gefäß. Manchmal konnte das ganz schön anstrengend sein, denn schließlich litt sie ja an keiner unheilbaren Krankheit. Und noch sah man ja auch kaum etwas. Gut, ihr Unterleib war inzwischen ganz leicht gewölbt und zum Glück hatte auch die Übelkeit am Morgen ein wenig nachgelassen, seitdem sie morgens gleich nach dem Aufstehen eine Kleinigkeit Brot aß. Ansonsten stimmte es wohl, was ihr Morrigan gesagt hatte, sie habe den typischen Glanz einer werdenden Mutter in ihren Augen.


    Den Abend vor der Hochzeit verbrachten sie gemeinsam. Man hatte ihnen ein wunderschönes Zimmer zugewiesen, dessen Wände kunstvoll bemalt waren. Als die Hitze des Tages langsam dem herannahenden Abend wich, hatten sie auf Sibels Drängen noch einen kleinen Spaziergang gemacht. Ein bisschen Bewegung und die frische Luft taten gut, besonders nach der Fahrt im Reisewagen.


    Der Tag der Hochzeit hatte schon früh begonnen. Nach einem kleinen Ientaculum hatten sie sich mit Hilfe von zwei Sklaven einkleiden lassen. Sibel war für diese Hilfe dankbar gewesen, denn ohne sie hätte sie auf ihre aufwändige Frisur verzichten müssen. Sie trug ihre neue Tunika, die Sandalen und die Schmuckstücke, die ihr Avianus auf dem Markt gekauft hatte und sah damit wirklich bezaubernd aus. Als sie sich im Spiegel betrachtete, hätte sie sich kaum selbst wiedererkannt. So konnte sie sich an Avianus Seite sehen lassen. Dennoch hielt er einen gewissen Abstand zu ihr, was sie aber ohne zu klagen hinnahm. Anfangs mochte man ihr vielleicht noch ihre Unsicherheit anmerken, denn sie war das hier nicht gewohnt. Doch sie nahm sich fest vor, sich heute nicht wie eine kleine graue Maus zu verstecken, aber natürlich auch nicht sonderlich aufzufallen. So suchte sie stets die Nähe zu Avianus. Auch wenn er sie nicht bei der Hand nahm, fühlte sie sich bei ihm doch sicher.


    Die Zeremonie der Eheschließung war wohl der erste große Höhepunkt des Tages, der sehr eindrucksvoll war. Denn hier vereinigten sich nicht zwei Menschen, die aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen handelten. Nein es war die Liebe, die sie zusammengeführt hatte und die dieses Band nun besiegelte. Sibel rührte dies fast zu Tränen. Seit sie schwanger war, schien sie noch mehr von ihren Emotionen beherrscht zu werden. Sie wünschte dem Paar alles Glück dieser Erde. Etwas Wertvolleres als das, gab es wohl nicht.


    Als es dann zum Festmahl ging, versuchte Sibel nicht von Avianus‘ Seite zu weichen. Der frisch vermählte Bräutigam sprach ein paar Worte zu den Gästen. Derweil reichte ihr ein Sklave einen Becher Wein. Doch sie lehnte dankend ab und bat um einen Becher mit einer stark verdünnten Mischung des Rebensaftes. So konnte auch sie unbesorgt auf das Wohl des Hochzeitspaares trinken.
    Zusammen mit Avianus begab sie sich zu dem Tisch, den er vorgeschlagen hatte. Dort lag noch niemand. Lediglich ein paar Tische weiter, hatte bereits eine Dame mit blondem Haar Platz genommen, die sie allerdings nicht kannte. „Ja, gerne.“, raunte sie ihm leise zu.

    Im Gegensatz zu manch anderen Frauen, konnte man Sibel schon mit einfachen Dingen zufrieden stellen. Sie musste nicht haufenweise Schmuck, Kleider und Schuhe haben. Wozu massenweise Schuhe kaufen, wenn man doch eh nur zwei Füße hatte? Avianus aber hatte seine liebe Not mit ihr. Er musste sie fast schon drängen. Und dann war da auch noch dieser Goldschmied, der sich jetzt auch noch einmischte. Allerdings war Sibel zu sehr mit ihrer Abwehrhaltung beschäftigt gewesen, so dass ihr ganz entgangen war, wie der Goldschmied sie soeben bezeichnet hatte. Avianus hatte dies aber sehr wohl und er griff auch dessen Bemerkung auf und spielte das Spiel mit, indem er Sibels Schönheit lobte. Die jedoch verstand jetzt gar nichts mehr. „Was?!“, fragte sie irritiert und wurde den Gedanken nicht los, dass er sich gerade lustig über sie machte.

    „Na schön, von mir aus!“, rief sie schließlich und zucke verständnislos mit den Schultern. Schließlich wollte sie ihn ja nicht in den Ruin treiben. Wenn er unbedingt ein kleines Vermögen für sie ausgeben wollte, bitte sehr! „Eine Tunika, Schmuck, neue Schuhe und auch eine Palla! Ach ja, und wenn wir schon dabei sind, ich bräuchte auch noch ein wenig Kosmetik. Meine Vorräte sind leider alle aufgebraucht.“


    Der Goldschmied rieb sich bereits freudig die Hände und witterte ein gutes Geschäft, jetzt, da die junge Frau endlich zur Vernunft gekommen war. „Du kannst den Schmuck auch gerne einmal zur Probe anlegen, bevor du dich entscheidest,“ meinte er zu ihr und reichte ihr die Kette und die Ohrringe. E wartete erst, bis die Kette Sibels Dekolleté schmückte und sie die Ohrringe angelegt hatte, dann wandte er sich zu ihrem Begleiter, um ihm einen Preis für den Schmuck zu nennen. „Sieh nur, dieser Schmuck ist geradezu für deine Frau gemacht! Die Götter meinen es heute gut mit euch, dass sie euch zu meinem Stand geführt haben. Normalerweise müsste ich für die Kette 200 Sesterzen verlangen, doch weil du es bist bekommst du die Kette und die Ohrringe für 200. Na, was sagst du?“
    Sibel hielt die Luft an bei diesem Preis. Nein, sie würde nichts mehr sagen und sich schon gar nicht mehr dagegen wehren. Wenn Avianus meinte der Schmuck müsse sein, dann war es eben so. Sie hatte sich ja bereits in einem Handspiegel betrachtet. Der Schuck sah wirklich prächtig an ihr aus.

    „Iunia Axilla…“, echote sie nachdenklich. Wie einfach es doch schien. Sie konnte es gar nicht glauben, dass es so einfach ein sollte. Aber sie würde es schon richtig machen, meinte er. Sibel war allerdings davon noch nicht ganz so überzeugt. Sie musste nur an das Zusammentreffen mit Seneca denken, um zu wissen, dass sie es eben nicht immer richtig machte.
    Sie versuchte zu lächeln, aber das ging mächtig daneben. „Du wirst doch bestimmt dabei sein? Ich meine bei dem Gespräch.“ Die Vorstellung, sich allein seiner Cousine stellen zu müssen, machte ihr Angst. Natürlich würde alles davon abhängen, wie Iunia Axilla sich ihr gegenüber verhielt. Ob sie sie akzeptierte oder in ihr nur die Sklavin sah. Aber vielleicht machte sie sich auch einfach wieder viel zu viel Sorgen, wie immer, wenn eine Veränderung in ihrem Leben nahte. Außerdem war es schon spät. Wenn sie darüber schlief, sah es danach vielleicht anders aus.


    Doch vorerst stand noch ein anderes Thema im Raum. Offenbar hatte Avianus absolut nichts davon gewusst, dass es auch für den Germanicer jemanden gegeben hatte, der ihm viel bedeutet hatte. „Ja, hatte er. Ich hatte es vorher auch nicht gewusst, doch Morrigan hatte so eine Bemerkung gemacht, als ich sie kürzlich besuchte. Sie hatte sich so für uns gefreut und meinte dann, dass Apolinia, sie hat früher auch im Lupanar gearbeitet, und ihr Optio vielleicht auch eines Tages… so wie wir zusammenleben könnten.“ Wie traurig, dass daraus nun nichts mehr werden konnte. Wieder wurde ihr bewusst, welches Glück sie doch hatten und wie unbedeutend doch mache Probleme waren. Für Apolonia und Antias war dieses Glück heute Nacht feige ermordet worden.
    „Wir dürfen Apolonia nicht im Ungewissen lassen. Jemand muss es ihr sagen!“ So schwer diese Aufgabe auch war, doch sie sollte nicht warten und warten, um dann am Ende zu glauben, er hätte sie verlassen.

    Die Familie war doch das Wichtigste. Gerade dann, wenn man weit von zu Hause entfernt war. Wer, wenn nicht Sibel, hätte darüber klagen können, wie schwer es war, nirgends wirklich dazuzugehören. Erst seit sie Avianus kennengelernt hatte, empfand sie anders. Er war ein Stück der Familie geworden, die sie vor so langer Zeit in den Fluten des Mare Nostrum verloren hatte.
    Auch Avianus gefiel ihr Vorschlag, ein Lararium für das Hochzeitspaar zu kaufen. Er belohnte sie dafür sofort mit einem Küsschen, das wahrscheinlich niemand in dem Gewusel, welches auf dem Markt herrschte, aufgefallen war. Höchstens vielleicht dem Goldschmied, vor dessen Marktstand sie noch immer standen. Zumindest hatte er die Frage des männlichen Begleiters der jungen Frau mit angehört und sah nun seine Chance gekommen, heute vielleicht doch noch ein gutes Geschäft zu machen. Schließlich hatte er ja auch hervorragende Waren, die frau anziehen konnte.
    „Junger Herr, ich hätte hier noch etwas, was die Schönheit deiner Gattin noch um ein Vielfaches in den Vordergrund stellt.“ Mit diesen Worten hielt er den beiden ein fein gearbeitetes Geschmeide entgegen, welches durchaus seine Reize hatte.


    „Etwas zum Anziehen?“ Sibel hatte auf Avianus Frage hin gerade noch au sich herabgeschaut, als wolle sie ihm damit sagen, dass sie natürlich etwas zum Anziehen hatte. Doch begriff sie, was er gemeint hatte, auch wenn sie bei der Erwähnung des Prefectus Urbi plötzlich etwas eingeschüchtert wirkte. Ob sie wohl unter all diesen feinen Leuten auffallen würdel? Nun, mit der richtigen Kleidung und den entsprechenden Accessoires wahrscheinlich nicht. Sozusagen genau im richtigen Moment platzte der Goldschmied mit seinen Schmeicheleien in ihr Gespräch und hielt ihr eben jene Halskette entgegen, die im Prinzip eine passende Ergänzung zu den Ohrringen gewesen wäre. Sie hätte gelogen, wenn sie behauptet hätte, der Schmuck sei nicht wunderschön gewesen und ein kleine Teil, tief in ihr hätte den Schmuck auch gewollt. Die Vernunft aber machte diesem Teil einen gehörigen Strich durch die Rechnung. „Ach nein, wenn es schon eine neue Tunika sein soll, dann nicht auch noch der Schmuck. Der ist zwar sehr schön aber…“ und damit wandte sie sich wieder an Avianus. „… der ist wahrscheinlich auch viel zu teuer.“ Viel zu teuer war genu das Stichwort, worauf der Goldschmied die ganze Zeit gewartet hatte. Zumindest hätte man das meinen können. Denn auch dafür hatte er die perfekte Antwort parat. „Oh, sag das nicht!“, entgegnete der Goldschmied. „Für euch mache ich heute einen Spezialpreis!“


    ~Derweil ein paar Stände weiter~


    Auch am Gewürzstand des Minos herrschte heute ebenso ein reges Treiben. Vor gut drei Wochen hatten er und seine Männer von Massilia kommend, in Ostia angelandet. Von dort aus waren sie über die Landstraße weiter nach Rom gereist, um auf dem Markt ihre feinen Gewürze und Kräuter feilzubieten. Nachdem sich sein Vater Tychon vor einigen Monaten zur Ruhe gesetzt hatte, übernahmen nun seine Söhne Stück für Stück das Geschäft, welches er und sein Bruder vor fast dreißig Jahren aufgebaut hatten. Minos hatte sich vorgenommen, ein würdiger Nachfolger zu werden. Bisher waren seine Geschäfte gut gelaufen und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er längst schon wieder sie Segel seines Schiffes gesetzt und wäre nach Hause gesegelt. Allerdings war dieses Vorhaben durchkreuzt worden. Schuld daran war eine Begegnung auf dem Markt gewesen. Gut zwei oder fast drei Wochen war das schon her. Doch eigentlich plagten ihn inzwischen die Zweifel, ob er nicht doch nur dem Hirngespinst seines Vaters nachjagte.


    „Minos! Schau nur!“, rief plötzlich sein Gehilfe, der eigentlich damit beschäftigt gewesen war, die Waren wieder aufzufüllen. Der Mann, der nur wenige Jahre jünger war, als sein Vater, hatte für einen Moment seinen Blick über dem Markt schweifen lassen. Dabei war ihm diese Frau wieder aufgefallen. „Da läuft sie! Die Frau von neulich.“ Der junge Kaufmann spähte nun auch in die Richtung und erblickte sie. Die Ähnlichkeit mit seiner Tante war wirklich frappierend. „Geh und versuche sie herzulocken! Aber lass sie nicht wieder entkommen!“, sagte er besonnen. Der Alte verließ den Marktstand und näherte sich langsam und unauffällig dem Paar, welches noch immer am Stand des Goldschmiedes stand.

    Sie waren schon wieder unterwegs auf dem Markt. Sibel sah schaute sich um, nach möglichen Geschenken oder um wenigstens ein paar Anregungen für ein mögliches Geschenk zu erhalten. Avianus hatte sich schon ein paar Gedanken gemacht. Allerdings kannte er die Braut kaum. Das einzige was er über sie wusste, war ihre Vorliebe für Bücher. Aber ob das ein passendes Geschenk für beide war? Avianus hätte es sich auch einfach machen können und dem Paar eine kleine Truhe mit Münzen schenken können. Doch wenn er das hatte machen wollen, dann hätte er es wohl kaum erwähnt, dass er noch ein Geschenk benötigte. Nein, er suchte etwas persönliches, etwas, das die beiden an Rom erinnerte, da sie offenbar demnächst in den hohen Norden umzogen.


    Sie schlenderten weiter, während Sibel die Marktstände, die vor ihr auftauchten, überflog. Da drüben war wieder der Gewürzstand. Manche Gewürze waren zwar sehr edel und auch teuer, dich als Hochzeitsgeschenk taugten sie wohl kaum. Und dort war auch wieder der Händler mit den schönen Ohrringen, die sie schon vor ihrem Besuch bei dem Buchhändler bewundert hatte. Sie lagen immer noch in der Auslage. Ihre Schritte verlangsamten sich. Schließlich bleib sie vor dem Stand stehen. Sie sahen noch immer wunderschön aus. Aber deswegen war sie nicht stehengeblieben. Vielleicht wäre ja ein schönes Geschmeide ein passendes Geschenk. Allerdings nur für die Braut? Doch dann erblickte sie einen kleinen filigran gearbeiteten goldenen Anhänger in Form einer kleinen weiblichen Gestalt – wahrscheinlich eine Göttin. So gut konnte man das nicht erkennen.
    „Was hältst du von einem schönen Hausaltar für die lares familiares?“ In der Caupona war ihr das einfache Lararium aufgefallen, das man einfach auf eine der Wände gemalt hatte und jetzt sah sie dieses kleine Figürchen als Anhänger. Für das Brautpaar wäre natürlich ein aufwendig hergestelltes Lararium aus Holz oder sogar aus Marmor gerade gut genug. Außerdem konnten so die Schutzgeister ihrer Familie in der Fremde gleich über sie wachen.

    Sibels Freude war groß über diese Neuigkeiten. Ihre Augen strahlten, als Avianus weiter sprach. Endlich gab es wieder etwas, worüber sie sich freuen konnte und ihre Sorgen wenigstens für ein paar Tage ausblenden konnte. Und tatsächlich schien es möglich zu sein, dass es gleich ein paar Tage wurden, denn Avianus dachte darüber nach, sich dafür ein paar Tage Urlaub zu nehmen. Natürlich lag es ihm auch am Herzen, dass sie seinen Cousin noch besser kennenlernte. Ihr letztes Zusammentreffen war alles andere als glücklich gewesen und hatte dazu auch noch ein doch recht peinliches Ende genommen. Auch Sibel war daran gelegen, den Eindruck, den sie bei ihm hinterlassen hatte, zurechtzurücken.
    Vor ihrem geistigen Auge stellte sie sich vor, wie es werden würde… ihre gemeinsamen Tage in den Albaner Bergen. Avianus und Sibel vor einer idyllischen Landschaft. Freilich verschwendete sie keinen Augenblick daran, welche Rolle sie während der offiziellen Feierlichkeiten spielen sollte. Aber das war im Augenblick auch mehr als nebensächlich, da ihre Freude eindeutig überwog.
    Als Avianus dann auch noch andeutete, man müsse sich Gedanken um ein passendes Hochzeitsgeschenk machen, beeilte sie sich mit dem Essen. Schnell tunkte sie den letzten Rest Moretum mit ihrem Brot und biss ein Stück ab. Mit dem Rest Posca in ihrem Becher spülte sie alles hinunter. Wenn Avianus auch aufgegessen hatte, konnten sie gehen. Von ihrer Müdigkeit war nichts mehr zu spüren. Sie freute sich darauf, nun weiter über den Markt zu schlendern.
    „An was hattest du denn gedacht? Was mögen denn die beiden?“, fragte sie, um sich ein paar Gedanken machen zu können. Im Prinzip war ihr noch nicht ganz klar, was man zu einem solchen Anlass verschenkte, zumal sie die Braut ja noch gar nicht kannte. Vielleicht etwas für den gemeinsamen Hausstand?