Dieser Germanicer? Sibel brauchte erst eine Weile, bis ihr klar wurde, wen Morrigan meinte. „Du meinst doch nicht etwa den Optio?“ Natürlich waren die beiden recht unfreiwillig aneinandergeraten. Gleich schon an ihrem zweiten Tag in der Castra. Langsam begriff Sibel auch, weshalb er trotzallem ihr gegenüber so freundlich geblieben war. „Er und Apolonia? Das wusste ich gar nicht. Aber es ist schön zu hören, dass es ihr gut geht und hoffe für sie das Beste. Versteckt sie sich denn noch immer?“ Schließlich war Apolonia ja auch eine entflohene Sklavin gewesen und die Claudier würden sicher alles daransetzen, auch ihrer wieder habhaft zu werden. Es war ihr nur zu wünschen, dass die Liebe zwischen dem Optio und ihr auch so stark war, um noch einige Zeit zu überdauern. Irgendwann würde der Germanicer auch Centurio sein. Vielleicht würde er dann Apolonia dann auch zu sich holen.
Als ihr Gespräch sich dann wieder um Morrigan und ihre Zukunft drehte, wurde die Perserin sehr nachdenklich. Was sie dann sagte, zeugt nicht davon, dass sie gerade nur so vor Glück strotzte. Nein, wahre Liebe sah anders aus! Und als sie auf diesen Sklaven zu sprechen kam, wurde sie noch trauriger. „Was, das hat er gemacht? Erst schickt er dich in die Wüste und dann kommt er mit diesem schrägen Vorschlag? Das ist doch echt pervers!“, platze es aus ihr heraus. Andererseits war dieser Angus ja selbst Sklave gewesen und eigentlich hätte sie am besten wissen müssen, dass man in einer solchen Situation nicht so reagieren konnte, wie man gerne gewollt hätte. „Naja, er hat das vielleicht nur aus seiner Verzweiflung heraus getan, weil er dich liebt,“ meinte sie dann und relativierte damit ihre Empörung. Wenn man jemanden liebte, tat man manchmal Dinge, die nicht einfach zu erklären waren. „Du hast also Schluss mit ihm gemacht? Und, wie hat er das aufgenommen?“ Morrigan trank einen Schluck, als wolle sie die ganze Sache mit Angus ein für alle Mal hinunterschlucken. Offenbar waren da immer noch Gefühle für ihn da, was das alles so schmerzlich machte.Da war es wohl besser, das Thema zu wechseln.
„Das können wir gerne machen. Da würde ich mich freuen,“ entgegnete sie auf Morrigans Vorschlag, gemeinsam ein Buch zu kaufen und es dann zusammen zu lesen. Je mehr sie Übung hatte, umso schneller lernte sie.
Als sie dann auf ihren derzeitigen Zustand zu sprechen kamen, grinste Morrigan. Im Nachhinein schien es naiv gewesen zu sein, dass Sibel zuerst an eine Magenverstimmung geglaubt hatte. Denn die Anzeichen wurden von Tag zu Tag immer offensichtlicher. Sibel sah an sich herab. Ja, sicher hatte sie die Veränderungen an ihrem Körper wahrgenommen. Auch wenn sich ihr Bauch noch nicht zu wölben angefangen hatte, begannen nun ihre Brüste größer zu werden. Als dann noch Morrigan den Glanz in ihren Augen erwähnte, war Sibel nun ganz irritiert. „Ach echt? Hab ich den? Du meinst, man sieht es mir an, nur wenn man mir in die Augen schaut?“ Wenn dem so war, musste Avianus längst schon Bescheid wissen!
Morrigans Frage, die dann folgte, war dann mehr als berechtigt. „Ich weiß es nicht, wie er darauf reagieren wird. Nur, wenn ich es behalte, dann wird meine Zeit in der Castra bald zu Ende sein.“ Davor fürchtete sie sich am meisten.