Ganz gleich, wie sie reagiert hätte, stets wäre sie die Verliererin gewesen. Sie hatte von Anfang an keine Chance. So ließ sie schluchzend die Beschimpfungen über sich ergehen, während ihre Tränen unablässig die Wangen benetzten, bis sie sich an ihrem Kinn sammelten, größere Tröpfen bildeten und dann vom Stoff ihrer Tunika aufgesogen wurden, nachdem sie zu schwer geworden waren und sich unwiderruflich der Schwerkraft beugen mussten.
„Ich habe nicht…“ versuchte sie immer wieder zu widersprechen, jedoch ließ ihr der Optio keine Möglichkeit, sich noch weiter zu rechtfertigen. Für ihn war sie Sache glasklar.
Schließlich ließ sie jämmerlich heulend den Kopf hängen und schlug sich die Hände vors Gesicht. Dies war der Tartaros, aus dem es kein Entkommen mehr gab. Je mehr sie versuchte, sich aus seinen Fängen herauszuwinden umso verfahrener wurde ihre Situation. Sie konnte nicht mehr. Sie hatte keine Kraft mehr. Ihr Kopf schmerzte furchtbar und ihre Kehle schien ausgetrocknet zu sein. Es sollte einfach nur noch aufhören, damit sie sich wieder in ihre Zelle verkriechen konnte und dort wieder eins werden konnte, mit dem Gemäuer.
Dann sprach der Tribun ein Machtwort. In der plötzlich aufkommenden Stille sah Beroe langsam wieder auf. Ihre Augen waren ganz verquollen. Schiefend wischte sie sich wieder die Tränen fort, als er zu ihr sprach und ihr mit einer „schönen“ Strafe drohte. Aber was konnte denn noch schlimmer sein, als das, was sie bisher erlebt hatte? Dennoch ließ sie diese Drohung nicht gleichgültig, denn sie ahnte, mit welcher Kreativität man daran gehen würde, diese Strafe zu vollstrecken.
Doch dann, wie aus heiterem Himmel, schlug der Tribun einen Deal vor. Beroe traute ihren Ohren nicht. Sie schaute ganz ungläubig drein. Das war bestimmt wieder nur ein mieser Trick, um sie noch tiefer in die Scheiße zu reiten. „Einen Deal?“ Ihr Misstrauen wuchs und wuchs. Gerade eben noch hatte er mit schwerer Strafe gedroht und nun wollte er sie freilassen, wenn… ja was wenn? Er fuhr fort und nannte seine Bedingung. Eine einzige Frage sollte sie ihm beantworten… wahrheitsgetreu. Und so wie er sich ihr gegenüber gab, hatte er genügend Möglichkeiten, um nachzuprüfen, ob sie auch die Wahrheit sagte. Er kam noch näher an sie heran, dann schickte er seine beiden Begleiter hinaus. Beroe sah ihnen noch nach und war in gewisser Weise erleichtert, vorerst einmal den Optio los zu sein.
Der Tribun sah ihr in die Augen und stellte seine Frage. Er fragte nach Aulus. Die Augen der Lykierin weiteten sich. Aulus? Woher wusste er von Aulus? Sie war völlig von der Rolle gewesen, als sie in höchster Not seinen Namen geflüstert hatte. Und der Tribun musste das mitbekommen haben! Nun wollte er seinen ganzen Namen hören. Als Beroe nicht sofort antwortete, wiederholte er seine Frage noch einmal. Um sein Angebot noch einmal zu bekräftigen, deutete er zur Tür. Ebenso wanderten Beroes Augen vom Tribun hin zur Tür. Es war so einfach. Sie musste nur seinen Namen preisgeben. Was hatte sie denn noch zu verlieren? Sollte der Iunier doch mit den Konsequenzen klar kommen. Schließlich hatte er sich nicht um sie gekümmert und sie hier vergammeln lassen. Andererseit aber sie hatte es ihm doch versprochen, Stillschweigen zu bewahren. Und sie liebte ihn doch noch immer…
„Aulus Iunius Avianus,“ sagte sie endlich mit tonloser Stimme. „Er ist… er war mein… Geliebter.“