Beiträge von Iunia Sibel

    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Sarah schrie auf vor Schmerz aber noch mehr vor Wut. Der Centurio hatte sie zu Boden gedrückt und sie konnte sich nun kaum noch rühren, geschweige denn sich wehren. Nur ein einziger Gedanke beschäftigte sie gerade in dieser auch so ausweglosen Situation: So würde es nun allen ihrer Geschwister gehen. Alle würden verhaftet werden. Der Untergang ihrer Gemeinde drohte!


    Dieses miese Aas! Er hatte sie und ihre Gutgläubigkeit nur benutzt, um ihrer Gemeinde zu schaden. Wegen ihm war sie zur Verräterin geworden. Nein, nein… sie hatte der Gemeinde geschadet, Sie ganz alleine! Sie hatte geglaubt, alleine entscheiden zu können, wer gut und böse war. Wer verfolgt und wer unbehelligt bleiben könne. Nun rächte sich alles!


    Der Centurio zog sie wieder nach oben und stellte sie auf ihre Füße. Sarah leistete nun keinen Widerstand mehr. Es war zwecklos, denn es würde dadurch für sie nur noch schmerzvoller werden. Sie nickte ihm nur stumm zu auf seine Frage und ließ sich von den Urbanern abführen.

    Ein seltsames Gefühl beschlich Sibel, als sie merkte, wie leicht ihr das Einritzen der Lettern von der Hand ging. Zwar wirkten die Buchstaben noch etwas ungelenk und sahen nicht gerade gleichmäßig aus, doch schien es, als habe sie bereits vor langer Zeit schon einmal etwas mehr Übung darin gehabt..
    „Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht so genau sagen. Doch ich erinnere mich, dass ich als Kind oft mit meinem jüngeren Vetter einige Zeit zusammen verbracht habe. Es gab, wenn ich mich recht erinnere, einen Hauslehrer für die Söhne meines Onkels. Vielleicht kommt es daher…aber richtig lesen und schreiben habe ich nie gelernt, glaube ich.“
    Einerseits fand sie es spannend, sich plötzlich wieder an gewisse Einzelheiten aus ihrer Kindheit zu erinnern. Andererseits wurde sie aber auch wieder damit konfrontiert, dass diese Welt, in der sie einst gelebt hatte und so viel Geborgenheit gehabt hatte, schon lange nicht mehr existierte.


    „Ja, alles in Ordnung!“, sagte sie und hatte dabei ein wehmütiges Lächeln parat. Natürlich hatte sie das alles sehr aufgewühlt und sie fühlte sich seltsam betrübt. Sie hatte nicht nur ihre Familie verloren, auch die Sicherheit eines wohlbehüteten und gutversorgten Heimes, in dem sie als Tochter, als Nichte und als Base geliebt worden war, in der sie frei vom Makel der Sklaverei gewesen war. Eine Tochter aus gutem Hause. Andererseits hätte sie so niemals Avianus kennenlernen können. Ihre Wege hätten sich wohl nie gekreuzt, denn sie wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit einem lykischen Mann versprochen worden und keinem Xenos!


    Sibel versuchte, sich wieder auf die Buchstaben zu konzentrieren, um nicht noch weiter gedanklich abzuschweifen. Ihre frühere Welt war eine verlorene Welt – unwiederbringlich verloren!
    „Ja, das … das kann ich machen. Ich versuche es… A wie Aulus, B wie … wie Beroe, C wie captivitate…“ Ihre Augen füllten sich plötzlich mit Tränen, doch sie wollte Avianus gegenüber nicht undankbar sein und zwang sich, ihren Emotionen keinen freien Lauf zu lassen und einfach loszuheulen.

    Die Pfeife probierte Beroe dann doch noch einmal und wurde dann Zeugin dessen, was nun geschah. Lag es am Opium, das ihre Sinne bereits benebelte oder nahm es Varia tatsächlich mit den vier Dreckskerlen auf? Zumindest einer von ihnen musste dann auf schmerzliche Weise erkennen, wie dumm es gewesen war, sich mit ihnen anzulegen. Letztendlich schlug Varia die Vier in die Flucht, so dass sie den Rest ihres freien Abends noch ungestört genießen konnten.


    Shani hatte dieses verträumte Lächeln auf ihrem Gesich und lobte die Amazone, als ob solche Kämpfe alltäglich waren. Wahrscheinlich hatte Beroe einfach noch zu wenig Opium intus, um ähnlich zu reagieren. Also ein Grund mehr, um noch einmal einen großen Zug zu nehmen. Vielleicht war der Zug doch zu groß gewesen, denn er endete damit, dass sie hüsteln musste. „Ganz großartig!“, stimmte sie nun auch in die Lobeshymnen mit ein.


    Auch Beroe ließ sich wieder gemütlich und entspannt in die Kissen fallen und genoss es, einfach hier zu sein. Hier, mit ihren beiden guten Freundinnen. Wer hätte das gedacht, dass sie das einmal behaupten konnte!
    Wieder machte die Pfeife die Runde und sorgte für noch mehr Glückselichkeit. Schließlich war es die Nubierin, die wieder ein Gespräch anzuleiern versuchte. Das Thema allerdings war Beroes Betätigungsfeld, bevor sie in die Casa Helvetia gekommen war. „Ich war Lupa!“, stellte sie ganz selbstbewusst klar. „Weil Varus meinte, ich sehe unglücklich aus,“ fuhr sie fort und zuckte verständnislos mit den Schultern. „Hat der ´ne Ahnung!“

    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Auch wenn sie dem Frieden nicht recht trauen wollte, schritt sie zur Tür. Der Centurio begleitete sie schweigend. Er hatte mit seiner Fragerei nicht noch einmal nachgehakt und wollte nicht noch mehr und mehr wissen. Er hatte auch nicht darauf bestanden, ihm seine bereits gestellte Frage zu beantworten, obwohl diese Antwort doch so essentiell gewesen wäre für seine Nachforschungen. Spätestens jetzt hätte ihr klar sein müssen, dass sie die Castra an diesem Tag nicht mehr wieder verlassen würde.


    Als der Türgriff bereits zum Greifen nah war und sie sich schon in Sicherheit wog, geschah es. Er packte sie, riss sie zurück, griff nach ihrem anderen Arm und drehte beide auf ihren Rücken. „WAS?“, schrie Sarah, und begann sich zu winden. Doch je mehr sie sich wand, umso schmerzhafter wurde es für sie „Lass mich! Lass mich gehen! Du hast es mir versprochen!“ Nun, da ihre Hände nicht mehr frei waren, begann sie, heftig nach ihm zu treten und traf ihn auch einige Male. Doch dann stolperte sie und ihre Gegenwehr erstarb zwangsläufig.


    Inzwischen hatte der Centurio nach Hilfe gerufen. Es dauerte nicht lange, bis sich die Tür öffnete und der Soldat, der sie hergebracht hatte, im Türrahmen erschien.

    Natürlich flunkerte er nicht! Doch ihr machte es inzwischen Spaß sich auf seine Spielchen einzulassen. Und da es heute Abend einen ganz besonderen Anlass dazu gab, freute sie sich noch mehr.


    Nachdem sie Platz geschaffen hatte, setzte sie sich zu ihm. Die Tabula, die immer noch jungfräulich war, lag vor ihr. Bisher hatte sie keine Verwendung dafür gehabt, da sie ja nicht des Schreibens mächtig gewesen war- Doch das sollte sich von nun an ändern!
    Aufmerksam hörte sie sich seine Erklärungen an, über die verschiedenen Laute aus denen die Wörter zusammengesetzt waren und wie man sie sozusagen in Buchstaben einfing, um sie dann niederschreiben zu können. Anhand seines und ihres Namens gab er ihr nun Beispiele, so dass es ganz leicht war, zu verstehen, was er meinte.
    Als nächstes ritze er nun die Buchstaben des Alphabets auf die eine Seite der Tabula ein. Einige der Zeichen kannte sie bereits vom Sehen. Doch allmählich erinnerte sie sich daran, wie sie als Kind auch schon einmal diese Zeichen gelernt hatte. Es war so lange her. Damals, zu Hause in Myra… zusammen mit ihrem Vetter, der nur einige Monate jünger war, als sie. Das musste kurz bevor ihre Mutter ihrer Krankheit erlegen war gewesen sein. Da sie nur wenige Wochen später Opfer jener Katastrophe wurde, die von da an ihr gesamtes Leben bestimmen sollte, hatte sie ihre Studien nicht mehr fortführen können und das Gelernte schlichtweg wieder vergessen. Doch nun aber kamen die Erinnerungen schrittweise wieder zurück. Stück für Stück...


    „Ja, ich denke schon,“ antwortet sie und wirkte dabei fast etwas abwesend, was natürlich nicht daran lag, weil sie ihm nicht zugehört hatte. „Soll ich es auch einmal versuchen?“ Sie nahm den Stylos und ritzte Buchstaben für Buchstaben in den Wachs. Dabei schien sie nur wenig Schwierigkeiten zu haben. "Aulus, ich glaube, ich lerne das heute nicht zum ersten Mal..."

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus



    "Du sprichst ständig von anderen, die bei ihm sind. Wie viele sind sie? Eine grobe Schätzung wäre gut genug", fragte Avianus schon etwas besorgter als noch zuvor. Dass sich hinter dem Rücken der Cohortes Urbanae eine kleine Armee verrückter Christianer aufstellte, konnte er sich zwar kaum vorstellen, aber unmöglich war es ja nicht.
    Vollkommen egal, wie es auf der Seite der Christianer aussah, sie hatten einen bedeutenden Vorteil, und der saß ihm direkt gegenüber.
    Wenn sich diese Leute demnächst also wieder träfen, wäre es sicherlich das Beste, gleich zuzuschlagen, bevor sie mehr Anhänger fanden oder Wind davon bekämen, dass man ihnen auf der Spur war. Nur wie er mit Sarah umgehen sollte, da war er noch nicht ganz sicher. Immerhin war sie ein Risikofaktor, sie könnte genauso zur Gefahr werden, wenn sie plötzlich doch wieder die Seiten wechselte oder ein schlechtes Gewissen bekam. Groß war die Versuchung, sie hier und jetzt festnehmen zu lassen, allerdings so hatte er zumindest zu Beginn gesagt, sollte doch jenen, die mit den Urbanern kooperierten nichts geschehen, zwar immer mit dem Hintergedanken, schlussendlich doch noch einen endgültigen Schlussstrich unter den ganzen Ärger mit der Sekte zu ziehen, aber sein Zorn, den er damals noch gegen sie gehegt hatte, war zumindest ein wenig abgeklungen.
    "Könntest du meine Soldaten zu dieser Werkstatt, oder wo auch immer sie sich treffen, hinführen?"


    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    „Sie waren zu fünft. Narseh und noch vier andere Männer aus unserer Gemeinschaft. Doch wie viele es tatsächlich sind kann ich nicht sagen. Aber Narseh ist sehr beharrlich. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es inzwischen schon viel mehr sind.“ Das war natürlich alles nur Mutmaßung. Doch je länger sie darüber nachdachte, wie viele sich bereits aus ihrer Mitte dem Perser angeschlossen hatten, begriff sie langsam. welche Ausmaße diese „Sache“ bereits genommen haben konnte. Ihr fröstelte bei dem Gedanken, was die Urbaner tun würden, wenn dem so war. Im Prinzip konnte jetzt jeder verdächtig sein und wenn jeder verdächtig war, konnte auch jeder verhaftet werden…


    Der Kampf des Für und Widers, der bisher in Sarahs Innerstem gewütet hatte, schien nun entschieden zu sein. Ich überdachte alles neu und kam zu einen Entschluss. Nein, Sarah würde von nun an nichts mehr sagen. Nichts was ihre Geschwister in Gefahr bringen konnte. Warum hatte sie auch nur geglaubt, es könne von Vorteil sein, hierher zu kommen?
    „Ich … ich äh , ich kann es dir nicht sagen und ich glaube, ich will jetzt gehen.“ brachte sie stammelnd hervor und erhob sich. Wenn es dafür mal nicht schon zu spät war!

    Sibel griff nun auch zu. Sie füllte ihren Teller, zupfte sich auch ein Stück vom Brot ab und tunkte es als erstes in die Soße. Dann probierte sie den Fisch, der wirklich butterweich geworden war und ein wenig den Geschmack der Kräuter und Gewürze angenommen hatte, die sie am Morgen vom Markt mitgebracht hatte. Auch die Karotten und der Lauch, die dem Fisch während der Zubereitung im Kessel Gesellschaft geleistet hatten, harmonierten sehr gut mit dem Rest.


    Wieder sah sie zu ihm hinüber und grinste. Nicht nur weil er zwar einen guten Appetit hatte, sich aber zwang, den Fisch langsam zu essen und ihn nicht schnell hinunterzuschlingen, wie er es vielleicht am liebsten getan hätte. „a sicher! Ich kann es ja nicht überprüfen, “ entgegnete sie ihm auf seine nicht ganz so ernst gemeinte Frage. Als er ich dann ein Kompliment machte legte sie auf der Stelle ihren Löffel. „Na da haben wir´s doch! Schon wieder flunkerst du!“, empörte sie sich gekünstelt, grinste aber immer noch dabei.
    Doch endlich kam die Auflösung des Ganzen. Er wollte ihr Morrigans Brief nicht einfach nur vorlesen, sondern sich den Abend für sie frei machen. Dies würde sozusagen ihre erste Lektion werden im Lesen und Schreiben. Er hatte es ihr ja schon lange versprochen. Doch nun war endlich die richtige Gelegenheit gekommen.
    „Das willst du wirklich für mich tun?“ Diesmal lächelte sie dankbar und begann weiter zu essen. Nun konnte es an sich nicht mehr schnell genug gehen.
    Als sie zu Ende gegessen hatten, räumte sie das Geschirr weg und kramte aus ihren Sachen die Tabula hervor, die er ihr geschenkt hatte.

    Noch tat sie ahnungslos und verzog dabei keine Miene. Als Avianus jedoch hinter sie trat, ihre Tunika leicht über ihre Schulter zog uns sie dort küsste, zeigte sich ein breites Lächeln auf ihren Lippen. Vorsichtshalber hielt sie mit dem schneiden der Kräuter inne, denn sie kannte sich gut genug, um zu wissen, wie ungeschickt sie manchmal mit dem Küchenmesser in der Hand sein konnte.
    Sie hatte bereits eine Ahnung, das sein schelmisches Getue etwas mit dieser Tabula zu tun hatte, die erst vor wenigen Tagen für ihn abgegeben worden war. Zwar hatte sie nicht lesen können. worum es darin ging, doch hatte sie die Lettern des Namens, der am Ende der Tabula stand, wiedererkannt. Und nun, da er sie auf diese Art und Weise nach Morrigan gefragt hatte und dabei auch noch dieses verräterische Grinsen im Gesicht hatte, konnte Sibel eins und eins zusammenzählen. Und nun da er Stück für Stück die Katze aus dem Sack ließ und somit verriet, was er vorhatte war ihr eh alles klar
    Nachdem er sich zu ihr an den Tisch gesetzt hatte, stand sie auf, nahm die geschnittenen Kräuter und gab sie in den Kessel. Noch einmal umrühren, fertig! Bevor sie das Essen jedoch servierte, schmeckte sie es noch einmal ab.
    „Das ist aber kein guter Handel,“ meinte sie plötzlich. Mittlerweile konnte sie sich auch nicht mehr das Grinsen verkneifen. „Du kannst mir viel erzählen, was Morrigan geschrieben hat. Und das hier duftet nicht nur gut, es schmeckt auch so!“ Dann nahm sie die beiden Teller, die sie schon bereit gestellt hatte und füllte beide mit dem Fisch in Gemüse.
    „Lass dir´s schmecken!“, sagte sie und grinste ihn nun ganz ungeniert an.

    Seitdem Sibel in der Castra lebte, hatte sie sich zu einer richtigen Köchin gemausert. Am Anfang war ihr noch so manches Missgeschick passiert: Mal waren ihr die Zwiebeln angebrannt oder sie hatte das Garum vergessen. Es konnte natürlich auch sein, dass sie zu viel Garum benutzt hatte und ihre Speise davon heillos versalzen schmeckte.
    Inzwischen aber waren solche Fauxpas die Seltenheit geworden. Wenn Avianus abends nach Hause kam, duftete es meistens schon nach etwas leckerem. So war es an diesem Abend auch. Am Morgen war Sibel auf dem Markt gewesen und hatte frisches Gemüse und Fisch gekauft. Sie war auch wieder einmal beim Gewürzhändler hängen geblieben und hatte dort die Düfte der exotischen Gewürze eingesogen. Natürlich hatte sie dann auch einige Gewürze gekauft, um den Händler nicht zu verärgern.


    Nun saß sie am Tisch und hackte noch ein paar Kräuter fein. Über der Feuerstelle stand schon ein Kessel, in dem der Fisch mit samt dem kleingeschnittenen Gemüse köchelte. Das Fladenbrot, was sie dazu reichen wollte, hatte sie bereits zuvor gebacken.
    Als Avianus plötzlich in der Tür stand, sah sie überrascht auf. „Morrigan? Nein, wieso?“ Dann sah sie sein Grinsen und sie wusste genau, wenn er so grinste, dann führte er etwas im Schilde. „Wir können übrigens gleich essen,“ meinte sie dann und ließ sich nichts anmerken.

    Auch wenn sie soeben ihr Herz ausgeschüttet hatte und dabei ihr Inneres nach außen gekehrt hatte, so hatte dieses Gefühl der Befreiung nur kurz angehalten. Der Kummer, den sie noch immer empfand, hatte all das wieder schnell relativiert, denn dadurch hatte sich nichts grundlegendes verändert. Ganz gleich, wie sie es dreht und wendete, sie würde niemals aus ihrer Haut schlüpfen können. Dafür brauchte es einfach Zeit du vor allem Geduld.


    Avianus zumindest hatte damit aufgehört, sie mit Vorwürfen zu überschütten. Er hatte sich zu ihr hin gebeugt und trocknete nun sanft ihre Wangen. Auch die Schärfe in seiner Stimme war verschwunden. Wie er nun mit ihr sprach, war so rührend. Nach allem, was heute geschehen war, war das wie Balsam für Sibels geschundene Seele, auch wenn er ihr nicht sagen konnte, wie die Zukunft aussah. Doch gerade das verstärkte die Aufrichtigkeit, mit der er sich an sie wandte. Sie war für ihn wertvoll und sie habe mehr verdient, als er ihr geben konnte, sagte er ihr.
    Wieder hatten sich Sorgenfalten auf seiner Stirn gebildet. Dabei hatte sie ihm doch nicht noch mehr Kummer bereiten wollen.
    „Du hast mir doch schon so viel gegeben. Mehr als ich mir je erträumt habe.“ Noch einmal startete sie den Versuch und schob ihre Hand und der Decke hervor. Nach allem was vorgefallen war, wollte sie ihm eigentlich nur noch ganz nah sein. Denn beinahe hätte sie den größten Fehler ihres Lebens begangen.
    Dass er nun Zeit zum Nachdenken brauchte verstand sie. Im Augenblick war für sie sowieso nur wichtig, dass er sie nicht wegschicken würde. Auch wenn die Zukunft ungewiss war. Auch hierbei würde sie Geduld haben müssen und durfte niemals die Hoffnung aufgeben.
    Ihre Aussprache, die bitter nötig gewesen war, hatte ihr viel abverlangt. Erschöpft schloss sie die Augen. Wahrscheinlich würde der Medicus schon bald kommen.

    „Ich bin nicht so mutig wie du,“ gab sie zu bedenken und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Vielleicht war ich es an dem Tag, an dem ich von Misenum fort ging. Die Aussicht, alles hinter mir lassen zu können hat mir diesen Mut gegeben, der mich schließlich bis nach Rom gebracht hat.“ Sie erinnerte sich an die ersten Tage in ihrem neuen Leben. Sie war so voller Hoffnung damals, dass sie es hier schaffen würde, ein neues Leben aufzubauen. Doch nur kurze Zeit später war sie wieder in neue Abhängigkeiten geraten. Doch hier hatte sie auch etwas gefunden, was sie bis dato nicht gekannt hatte. Ja, damals war sie mutig gewesen, ausgerechnet dem Urbaner zur Hilfe zu kommen, der sie zuvor als entflohene Sklavin entlarvt hatte und am liebsten eingesperrt hätte. Von diesem Mut schien aber im Augenblick nichts mehr vorhanden zu sein. Überhaupt hatte ihr schon von jeher der Mut gefehlt, sich wirklich voll und ganz auf einen anderen Menschen einzulassen. Darauf zu hoffen, dass er sie auffing, wenn sie fiel. Das alte Thema, über das sie schon so oft gesprochen hatten. Immer wieder hatte sie ihm versprochen, sich zu bessern, voll und ganz auf ihn zu bauen. Nur hatte sie es nie richtig hinbekommen. Ab und zu waren einige Zweifel geblieben, und zu viele Gedanken, die sie verunsicherten. Und ständig diese verdammte Angst!


    „Glaub mir, ich habe es immer wieder versucht, allen Widrigkeiten zum Trotz mich fallen zu lassen und darauf zu hoffen, dass du dann da bist, um mich aufzufangen. Manchmal ist mir das auch gelungen und ich hätte eigentlich sehen müssen, dass es immer so sein wird. Nur manchmal haben mich einfach meine Gefühle und Ängste so sehr im Griff, dass ich nicht anders kann. Was soll ich denn dagegen machen? Ich weiß es nicht, was ich dagegen tun soll! Und dann ständig dieses Gefühl, dass ich nichts wert bin, dass ich es nicht wert bin, geliebt zu werden. Ich kann nicht anders, man hat mich so dazu erzogen, nur immer ja zu sagen und alles zu schlucken. Wenn ich doch nur endlich den Mut dazu finden könnte, einmal all diese Ketten abzuschütteln, die mich zu etwas zwingen, was ich eigentlich gar nicht will und wenn ich mich dann endlich auch nur auf das Jetzt konzentrieren bräuchte und heute nicht schon über das Übermorgen grübeln müsste, dann wäre mein Leben viel leichter und unkomplizierter. So aber verrenne ich mich jedes Mal in noch absurdere Situationen.“ Endlich hatte sie es einmal versucht, sich alles von der Seele zu reden, was sie so sein ließ, wie sie war und auf den ersten Blick hin fühlte sie sich dadurch auch etwas befreiter. Dennoch änderte dies nicht an der Sache als solches.
    „Ich weiß nicht, was für uns das Beste wäre,“ sagte sie nach einer Pause. „Wenn es denn noch ein „uns“ geben kann, denn ich habe dich ja schon wieder enttäuscht, wie so oft schon davor. Du hättest bestimmt etwas Besseres verdient, als mich.“ Wieder rann eine Träne an ihrer Wange herab. „Es war bescheuert von mir zu glauben, ich löse deine und meine Probleme, indem ich mich aus dem Staub mache.“

    Schon von jeher herrschte tief im Inneren Sibels die Angst vor dem Verlust, die bereits in ihren Kindheitserlebnissen begründet war. Schon von klein auf hatte sie zuerst mit dem Verlust der Mutter, dann mit dem Verlust des Vaters und nicht zuletzt mit dem ihrer eigenen Freiheit zurechtkommen müssen. Sie war noch ein kleines Mädchen gewesen, als sie plötzlich auf sich allein gestellt war, in einer fremden Umgebung, ungeliebt und mit fremden Menschen, die ihr das Recht abgesprochen hatten, ein freier Mensch zu sein und sie stattdessen zu einem Möbelstück degradiert hatten. Von da an hatte sie stets in Angst gelebt. Angst vor Bestrafung, Angst, etwas falsch zu machen oder auch einfach nur zur falschen Zeit am falschen Platz zu sein.


    „Du weißt nicht, wie es ist, alles zu verlieren. und wenn ich alles sage, dann meine ich auch wirklich alles. Du weißt nicht, wie es ist, niemanden zu haben, der dich liebt und auffängt, wenn du einmal stolpern solltest oder der dich vor allem Unheil beschützt. Du hast deine Familie, die dir Halt gibt und die dich immer wieder auffängt. Du hast niemals erlebt, wie es ist, wirklich unfrei zu sein. Die Zeit deiner Gefangenschaft während des Bürgerkrieges war nur eine kleiner Klax im Vergleich zu dem, was ich erlebt habe. Doch wenigstens konntest du dabei ein kleinwenig erahnen, wie es ist. Ich kann nichts dafür, wie ich bin und wie ich fühle und wie ich handle. Man hat mich dazu gemacht, ständig in Angst zu leben. Angst, noch einmal das Liebste und Wertvollste zu verlieren.“ Hatte sie ihm das nicht schon einmal erklärt? Konnte er sich nicht einen Moment lang in sie hineinversetzen? Einmal nur fühlen, wie sie fühlte? Fast ihr ganzes Leben war von Verzicht und Gleichgültigkeit ihr gegenüber geprägt. Nachdem er in ihr Leben getreten war, hatte sie zum ersten Mal nach sehr langer Zeit wieder das Gefühl, endlich wieder ein Teil von etwas zu sein, geliebt und gebraucht zu werden und selbst wieder jemanden zu haben, der sie auffing, wenn sie einmal stolperte.


    „Die Angst, dich nicht mehr lieben zu dürfen und wieder allein da zustehen, von niemandem geliebt oder beachtet zu werden, war so groß. So sollte es niemals mehr in meinem Leben werden. Diesmal wollte ich das nicht noch einmal zulassen. Verstehst du..?“ Avianus hatte immer nur einen Blick für das jetzt und hier. Natürlich tat er alles Erdenkliche, dass es ihr gut ging. Dafür war sie ihm auch unendlich dankbar. Und dennoch schwang bei allem ihre latente Furcht mit, ein zweites Mal den Halt in ihrem Leben zu verlieren. Ein gebranntes Kind scheute eben das Feuer!
    Für sie klang es nun wie eine Drohung, dass sich etwas ändern müsse, da es nicht so bleiben konnte, wie es jetzt war. Aber was hätte sie denn machen sollen? Gerade nach solch schönen Tagen des Glücks, sah sie sich nun wieder direkt vor einem Abgrund stehen. Nein, Sibel war bei weitem kein einfaches Wesen. Wer sich auf sie einließ, brauchte viel Geduld mit ihr. Deshalb hätte sie es ihm nicht verdenken können, wenn für ihn nun dieser Punkt erreicht war, wo genug eben genug war.


    „Es ging doch nicht um einen Augenblick! Nein, du sagtest auch nicht, dass du mich fortschicken wirst, aber es ist doch die logische Schlussfolgerung daraus. Wenn du und ich zusammenbleiben, dann verbaust du dir damit alles und deine Familie wird dich dafür verachten. Die Familie ist es, die dir Halt im Leben gibt. Wenn du sie verlierst, dann fällst du ins Unermessliche.“ Keiner konnte das so gut wie sie selbst nachvollziehen. „Und glaube mir, die Frage lautete nie, ob ich wirklich bei dir bleiben will. Wenn es etwas gibt auf der Welt, was ich mir am meisten wünsche, dann ist es das! Bei dir zu bleiben, egal wie. Auch wenn ich dich nur aus der Ferne sehen kann, aber ich weiß, dass ich noch dort drinnen bin,“ sie deutete auf sein Herz, „dann wäre ich schon glücklich.“

    Ihre Hand griff ins Leere, weil er es nicht zuließ. Seufzend schloss sie kurz die Augen, als für sie die Gewissheit greifbar wurde, dass dies nun das Ende war. Das Ende von allem. Letztendlich aber hatte sie mit dem, was sie getan hatte, doch etwas bewirkt. Sie hatte ihm die Entscheidung leichter gemacht. Auch wenn es für ihn gerade schmerzlich war. Doch es bereitete immer Schmerzen, wenn der Medicus die Aufgabe hatte, eine Geschwulst zu entfernen. Diese Wunde die im Moment noch klaffte, würde heilen und nach einiger Zeit würde nur noch eine Narbe davon zeugen, was gewesen war. Diese Erkenntnis allerdings war für Sibel kein Trost. Denn für sie hingegen würde eine Welt zusammenbrechen. Sie würde daran zerbrechen, wenn er sie nun verließ. Jeder weitere Atemzug würde einer einzigen Tortur gleichkommen und das bis zu ihrem Ende. Die einzige Hoffnung, die sie dann noch hegen konnte, war die, dass der Kummer und Schmerz sie bald dahinraffen würde, um eine ersehnte Erlösung zu erfahren.


    „Ich tat es für dich. Um es einfacher zu machen… um dir eine Entscheidung abzunehmen,“ brachte sie schließlich als Begründung hervor. Ihre Stimme klang belegt, denn es fiel ihr nicht leicht, die richtigen Worte zu finden, die genau das ausdrückten, was sie fühlte und was sie zu ihrem Schritt bewogen hatte.
    „Allein der Gedanke daran, dass du mich fortschicken müsstest, hat mir alle Sinne geraubt. Auch nur einen Tag ohne dich leben zu müssen, hätte ich nicht ertragen können. Und dann plötzlich war es so einfach, sich hinunter gleiten zu lassen, um dieses fürchterliche Leben endlich abzustreifen zu können.“ Doch nun, da man sie dem Tod in letzter Minute doch noch entrissen hatte, war alles nur noch schlimmer geworden. Wenn er sich nun von ihr abwendete, war sie wieder einmal, wie schon so oft in ihrem Leben, auf sich allein gestellt. Sie gegen eine von kompromisslosen Normen geprägte Welt, in der kein Platz für ihre Träume war.


    „Nachdem du mich zu dir geholt hattest, glaubte ich, wir hätten es endlich geschafft. Uns stünde die Welt nun offen und es gäbe nichts mehr, was uns nun noch trennen könnte. Wie sich heute herausgestellt hat, war das von mir falsch gedacht.“ Immer würde der Makel ihrer Herkunft ihnen im Weg stehen und immer würde es jemanden geben, der an ihrer Beziehung zu einander etwas Anstößiges fand. Und nun war er es, der daran scheiterte.
    Er konnte nicht mehr, sagte er schließlich. Nicht dass er es nicht gewollt hätte, er hatte nun aber die Grenzen des Erträglichen erreicht. Diese Feststellung war für sie nun der endgültige Todesstoß, der ihr die an sich schon geröteten Augen wieder feucht werden ließ.

    Sibel hatte die Augen wieder aufgeschlagen, als sie sich auf einer weichen Unterlage wiederfand, das sich als Bett entpuppte und seine vertraute Stimme hörte. Ihre geröteten Augen und der blasse Teint sorgten für einen bestürzenden Anblick, der allerdings nur das wiederspiegelte, wie sie sich gerade fühlte. Alles, was sie und Avianus sich über die Jahre erschaffen hatten und was sie sich erträumt hatte, wollte heute innerhalb kürzester Zeit in ihren Händen zerbrechen. So dass nur noch Enttäuschung und Trauer übrig geblieben war. Da war doch der Tod ein willkommener Ausweg gewesen. Nun aber, da sie überlebt hatte, kam zu allem, was sie belastet hatte, auch noch die Scham dazu.


    Sie fand ihn am Rand des Bettes sitzend, nachdem er ihr erklärt hatte, dass der Medicus gleich komme. Er hatte eine wärme Decke über sie geschlagen. Alles fühlte sich so angenehm und bequem an. Doch nun hier zu liegen, war nur ein weiterer Höhepunk dieses furchtbaren Tages.
    Nachdenklich lag sein Blick auf ihr, der scheinbar versuchte, zu ihr hindurchzudringen, um endlich eine Antwort auf die eine Frage zu erhalten, nach dem Warum?!
    Warum hätte sielieber den Tod in Kauf genommen, als eines Tages ein selbst bestimmtes Leben zu führen? Und warum hatte sie aufgehört, an ihre Liebe zu glauben?
    Sie schämte sich so, ihm Rede und Antwort zu stehen und sie fürchtete sich auch davor, was er ihr antworten würde, denn ja, es stimmte, der Tod hatte etwas Befreiendes für sie gehabt… vorhin im Bad. Ob er ihr Glauben schenken mochte, dass sie es aus Liebe getan hatte?
    Nein, sie musste eine einzige undankbare Enttäuschung für ihn sein. Nun hatte er wirklich allen Grund, sie endgültig fallen zu lassen.
    „Es tut mir so leid,“ schluchzte sie leise. Ihre Hand schob sich langsam unter der wärmenden Decke hervor, um nach der seinen zu suchen.

    Der Optio tat alles andere außer zu verschwinden. Kopfschüttelnd lehnte er sich gegen die Wand und sah ihr dabei zu, wie Sibel zur Tür ging. Jetzt nur nicht noch einen Fehler machen, sonst war der Tag heute endgültig gelaufen.


    Sie machte zwar einen gefassten Eindruck, als sie die Tür öffnete und dem Praetorianer gegenüberstand. Doch das war alles nur reine Fassade. In Wirklichkeit raste ihr Herz vor Aufregung. Zum Glück ging ihr Gegenüber auf sie ein, übergab ihr eine Tabula und verschwand dann auch sofort wieder. „Ja, danke. Ich wird´s nicht vergessen,“ rief sie ihm noch nach. Nein, vergessen würde sie von all dem sicher nichts, was heute passiert war!


    Sie schloss die Tür und wandte sich wieder dem Optio zu. „Das ist ja gerade noch mal gut gegangen,“ meinte sie mit einiger Erleichterung. Bei dem Glück, das sich ihr heute einmal wieder offenbarte, hätte diese Situation auch weitaus ungünstiger für sie ausgehen können.
    „Äh, ja… wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, die Tunika! Ich bringe dir die Tunika, sobald sie fertig ist,“ sagte sie, um wieder zum eigentlichen Thema zurückzufinden. „Aber ich glaube, es wäre wirklich besser, wenn du jetzt gehst. Nicht dass noch jemand plötzlich an der Tür klopft und diesmal aber um Einlass bittet. Dann bekomme ich nämlich richtig Ärger!“ Sie dramatisierte das Ganze noch mit einem ängstlichen Gesichtsausdruck, damit kein Zweifel entstand, dass sie, die arme Sklavin, sich vor den drakonischen Repressalien ihres Herrn fürchtete.

    Hey Hungi,


    deine Entscheidung hat mich zwar sehr berührt, aber ich kann dich verstehen, auch wenn ich deine Beweggründe für diesen Schritt nicht kenne.


    Ich möchte hier jetzt nicht in Rührseligkeit verfallen. Ich denke aber,es gibt im IR niemanden, der nicht traurig oder zumindest betroffen ist, über deinen (hoffentlich nur temporären) Weggang.


    Als Spieler bin ich ja nun auch schon ein paar Jährchen dabei und in diesen acht Jahren habe ich dich immer wieder als hilfsbereiten und toleranten Spielleiter kennengelernt, der immer ein offenes Ohr hatte, der auch mal Kritik üben konnte, auch wenn’s unangenehm war und der so ziemlich jeden Spaß mitgemacht hat. Dafür möchte ich dir Danke sagen!
    Wir werden dich alle sehr vermissen. Und ich hoffe, nachdem einige Zeit vergangen ist, wirst auch du merken, dass dir irgendetwas fehlt.


    Deshalb halte ich es genauso wie meine Vorposter und sage: Bis bald im IR!:wink:


    Ach ja, und auch für dich einen richtig schönen Sommer! =)

    Allein dass er sie die ganze Zeit über im Arm hielt, half ihr, wieder zu sich selbst zu finden. Immer wieder fielen ihr die Augen zu und sie wanderte zwischen wachen und schlafen. Dadurch hatte sie dem Gespräch zwischen Avianus und dem Jungen nicht richtig folgen können. Es ging wohl um Familiendinge, um die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den beiden. Für Avianus hatte dies schon immer einen hohen Stellenwert gehabt. Sie selbst hatte sich nie wirklich einer Familie angehörig gefühlt, außer ihrer eigenen natürlich, die sie aber verloren hatte. Manchmal hatte sie sich dabei erwischt, wie sie darüber nachdachte, ob es diese Verwandten auf Rhodus noch gäbe? Die Schwester ihre Mutter und deren Mann. Sie konnte sich kaum noch an ihre Namen erinnern.


    Im Augenblick war sie einfach nur froh, dass er da war. Er war für sie zu einer Art Familie geworden. Daher war es für sie wichtig, ganz nah bi ihm zu sein. Vielleicht wäre Sibel nicht zum äußersten gegangen, wenn er bei ihr geblieben wäre. Dabei war sie es gewesen, die ihm nach der Unterhaltung mit Seneca die kalte Schulter gezeigt hatte. Sibel hatte mit dieser Situation nicht umgehen können, obwohl sie die ganze Zeit über gewusst hatte, dass dieser Tag irgendwann kommen würde…


    Ob sich dadurch irgendetwas für sie geändert hatte? Wahrscheinlich nicht. Doch vielleicht war dies der Anlass dazu, alles noch einmal zu überdenken.
    Irgendwann nahm er sie wieder auf und trug sie nach draußen. Inzwischen lag sie ganz entspannt in seinen Armen und vertraute auf ihn. Ganz gleich, wohin er sie nun brachte, es wäre gut für sie.

    Corinna, die Sklavin die den Medicus holen sollte, kam noch einmal zurück, nachdem sie das Rufen ihres Namens vernommen hatte. Jemand anders sollte ihre Aufgabe übernehmen und sie sollte sich den Rest des Tages frei nehmen. Sie dankte Atticus vielmals für seine Freundlichkeit, denn nach allem was geschehen war, hatte sie ein paar freie Stunden mehr als nötig. Sollte also Agnodice den Medicus holen.


    Von all dem hatte Sibel wenig mitbekommen. Sie lag noch auf dem Boden, frierend und zitternd. Endlich dann half Avianus ihr auf. Er legte ihr seinen Arm um die Schultern und hob sie auf. Ihr trauriger und schuldbewusster Blick traf ihn. Ihre Lippen zitterten. Sie versuchte Worte zu finden, fand aber keine.
    Es tat ihr alles so leid, was passiert war. Doch nun da er sie hielt, schmiegte sie sich an ihn und genoss die Wärme seines Körpers.
    Sie hatte nach einem Ausweg gesucht, aus ihrer aussichtslosen Lage. Ein Ausweg, der ihm hätte helfen sollen, von ihr loszukommen. Denn sie hatte fest daran geglaubt, dass nur der Tod sie trennen konnte. Ein Leben ohne ihn war undenkbar für sie. Deswegen hatte sie gar nicht anders gekonnt. Ihr Plan aber war nicht aufgegangen. Was sollte jetzt nur werden?


    Wie ein Häufchen Elend saß sie nun dich an ihn gelehnt, nachdem er sie auf einer Bank abgesetzt hatte. Ihre Arme klammerten sich inzwischen um ihn, denn sie wollte ihn um keinen Preis mehr verlieren. Sie schloss ihre Augen und erinnerte sich daran, wie glücklich sie noch gestern und die Tage davor gewesen war. Er war alles für sie, der einzige Halt, den sie im Leben noch hatte. Wenn sie ihn verlor, dann verlor sie ihren Halt… dann verlor sie alles und stürzte ins Chaos.

    Sibel hustete den letzten Rest des Wassers heraus und sog die lebensnotwendige Luft ein. Ihr Retter hatte sie inzwischen auf die Seite gerollt und klopfte ihr mehrmals auf den Rücken, um es ihr so leichter zu machen, ihre Lungen vom Wasser zu befreien. Nun, da sie wieder zurück im Leben war, konnte er von ihr ablassen. Das tat er, ohne ein Wort zu verlieren.
    Sibel lag nun da, nackt, nass und verloren. Sie begann allmählich zu frieren. Die Sklavin, die neben ihr gekauert hatte, löste sich langsam aus ihrer Starre. Die Götter mussten ihr und dieser Fremden heute wohlgesonnen sein!


    Die geröteten Augen der Lykierin fingen schließlich ein Bild ein. Avianus, dem der Schrecken noch in den Knochen steckte, war zu ihr heran getreten.
    Ja, sie lebte! Obwohl sie ihm soch eigentlich nicht länger zur Last fallen wollte. Das war es doch letztlich, was sie nach unten gezogen hatte. Und der Schmerz, der auf diese Weise nachgelassen hatte...

    Avianus bedeckte ihren Körper mit einem Tuch und strich ihr die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Nun, da sie doch noch da war, sehnte sie sich nach ihm. Wenigstens noch einmal bei ihm liegen und seine Nähe spüren. Das wünschte sie sich. Wie aber würde Avianus nun reagieren? Nachdem was sie gerade getan hatte? Würde er sich nun endgültig von ihr abwenden?


    Doch zunächst war sicher ein Medicus von Nöten. Die Sklavin neben ihr erhob sich, trocknete sich schnell ab und zog sich ihre Tunika wieder über. Dann rannte sie schnell aus dem Balneum.