Nachdem ich Scatos Stimme vernommen hatte, öffnete ich die Tür und trat ein. Wahrscheinlich wunderte er sich, dass ich ihn nun hier aufsuchte und ihn nicht einfach "zwischendurch" ansprach. Jedoch schien mir dieser "Besuch mit offiziellem Charakter" am geeignetsten zu sein.
Ich trat einige Schritte näher an seinen Schreibtisch heran und wartete, bis ich glaubte, seine Aufmerksamkeit gewonnen zu haben.
"Dominus, es geht um Iduna," begann ich und dachte nach, wie ich mein Anliegen gut formulieren kann. "Seit sie bei der Domina in Ungnade gefallen ist, geht es ihr nicht gut. Sie leidet jeden Tag. Und ich fühle mich verantwortlich dafür, weil ich es doch war, der sie..." Naja, das wusste er sicher. "Also, worum ich dich eigentlich bitten wollte, Dominus... äh. Ob sie vielleicht meine Gefährtin werden könnte, denn im Augenblick ist sie ja noch in der Obhut von diesem Gallier, dem Custos deiner Gattin."Ein Wort von ihm musste doch genügen, schließlich war er der Mann im Haus, der pater familias und seine Frau hatte zu gehorchen, ...hoffte ich zumindest.
Beiträge von Angus
-
-
Den ganzen Tag über hatte ich über meinen nächtlichen Zusammenstoß mit Iduna, der rothaarigen germanischen Sklavin nachdenken müssen. Es war eine surreale Begegnung gewesen, das stand fest. Ich hatte ein schweres Päckchen mit mir herumgetragen, weil ich sie auf Geheiß der Claudia hatte schänden sollen. Ich hatte auf Vergebung gehofft und nach allem, was letzte Nach passiert war, hatte sie mir Absolution erteilt. Abe vielleicht war es aber auch nur ein sehr real wirkender Traum gewesen, weil ich mich so sehr danach gesehnt hatte.
Dass es kein Traum gewesen war, wusste ich spätestens dann, als mir Iduna über den Weg gelaufen war. Wie immer war da zunächst ihr Argwohn mir gegenüber. Kein Wunder, noch immer war da ihre Angst. Aber ich hatte ihr keinen Anlass dazu gegeben, Angst vor mir zu haben. Doch neben der Angst war da noch etwas anderes. So eine Art Neugier, die sie trieb. Die sie sogar kurz lächeln ließ, als sie mir begegnet war. So kam es mir zumindest vor. Vielleicht bildete ich mir das alles ja auch nur ein.
Als der Tag dann zu Ende ging und es Zeit war, schlafen zu gehen, zog ich lieber wieder die Kühle der Nacht vor. Diesmal nahm ich mir den Ratschlag der Claudia zu Herzen und suchte mir einen Platz etwas weiter hinten im Garten. Nicht dass ich ihr am Ende wieder begegnete.
Schließlich fand ich einen netten Platz zwischen einigen Bäumen. Ich setzte mich auf eine steinerne Bank und sah zu gen Himmel zu den Sternen hinauf. -
Das hätte ich vielleicht nicht tun sollen, dachte ich, nachdem ich sie in de Arm genommen hatte. Sie fühlte sich an, wie ein Brett. Wahrscheinlich hatte sie immer noch Angst und sicher war es ihr auch unangenehm. Ich war aber auch solch ein Depp! Also ließ ich meinen Arm wieder verschwinden.
„Hm, warst du noch nie in der Subura?“ Die Subura war nicht nur das Vergnügungsviertel von Rom. Dort lag das Vergnügen und die Armut dicht beieinander. Aber wie sollte sie auch schon einmal dort gewesen sein? Wahrscheinlich kam sie eh nicht oft aus der Villa heraus… und aus gegebenen Anlass sowieso nicht. „Tja, so ist es eben. Aber daran werden wir auch nichts ändern können.“ Ich zog sie mit mir mit. Wie ich schon vermutet hatte, war sie noch immer putzmunter. Im Gegensatz zu mir. „Du etwa nicht? Komm, leg dich wieder hin. Ich werde auch noch etwas schlafen.“ Bis zur Tür ihres Schlafraumes hatte ich sie mitgezogen. Dann blieb ich stehen, sah auf sie herab und verzog mein Gesicht zu einem Lächeln. „Schlaf gut, Kleines!“
-
Gleich am nächsten Tag, nachdem auch der letzte von Scatos Klienten die Villa verlassen hatte und endlich Ruhe einkehrte, ging ich zu Scatos officum und klopfte
-
Langsam erhob ich mich wieder. Gleichzeitig zog ich Iduna mit nach oben. Wir hatten bereits lange genug hier auf dem Boden des Ganges gesessen. Auch wenn noch alles schlief musste das nicht bedeuten, dass sich keiner der Sklaven hinaus auf den Gang verirrte. Sachte nahm ich sie in den Arm. Ich empfand es als rührend, dass ausgerechnet sie sich um mich sorgte.„Sie haben vielleicht noch ihre Freiheit, aber viele müssen hungern und leben im Dreck,“ antwortete ich ihr lächelnd. Die kleine Germanin hatte wirklich noch nicht viel von Rom gesehen. Wahrscheinlich hatte man sie immer nur auf die Märkte geschickt, den Rest der Stadt war ihr dabei verborgen geblieben. Ihre nächste Frage ließ mich weiter schmunzeln. „Na, wenn du mich fragst, sind es eindeutig zu viele. Aber du hast recht. Gegenüber den vielen einfachen Leuten, seinen sie nun Bürger oder Peregrine, bilden die Reichen und Superreichen nur eine Minderheit.“ Mal ganz davon abgesehen vom dem riesigen Heer von Sklaven. Und dennoch konnten sich „die oberen Zehntausend“ halten, wie man erst kürzlich während der Aufstände hatte sehen können. Eigentlich war ich es müde, über Römer zu reden. Und überhaupt war ich inzwischen müde geworden. Nicht mehr lange und die Nacht war vorbei. Aber bei Iduna schien von Müdigkeit keine Spur zu sein. „Ach glaub mir, Kleines. Da verpasst du nicht viel. Für unsereins ist es nichts anderes, als wie hier in der Villa die Herrschaften zu bedienen. Manchmal wird man sogar einfach nur in der Culina oder beim Ianitor am Eingang geparkt und muss warten.“ Ich strich ihr sanft über ihre roten Locken. „Komm, lass uns jetzt schlafen gehen! Es ist schon spät!“, sagte ich schließlich und zog sie leicht mit.
-
„Mach dir um mich keine Sorgen, Kleines!“ Sanft streichelte nun ich ihre Wange. Meine Augen ruhten eine Zeit lang auf ihr. Ein wenig erinnerte sie mich an Morrigan. Wie ängstlich und eingeschüchtert sie gestern gewesen war. Und so ganz ohne Hoffnung. Doch irgendwie konnte ich spüren, dass es für Iduna vielleicht noch Hoffnung gab. Sie war noch so jung und voller Eifer. Sie hatte ihr Leben noch vor sich! Doch was war das für ein Leben? Ein Leben in ständiger Angst. Ob sie dieser Angst lange genug standhalten konnte? Ich hatte da meine Zweifel. Iduna war so zerbrechlich!
„Dürfen? Du bist gut! Nun, die einfachen Leute sind nicht besser als wir. Ehrlich gesagt, haben wir es um einiges Besser als diese armen Gestalten, die in der Subura den in kleinen stickigen Wohnungen der Insulae hausen müssen.“ Das sollte nun beileibe keine Rechtfertigung sein, für unsere Situation, denn letztendlich war unser Preis, den wir für diese „Annehmlichkeiten“ zahlen mussten, sehr hoch – unsere Freiheit! „Aber die anderen, diese Neureichen und Großkopferten… nein, sie sind alle gleich!“ Ja, ich hatte mir schon lange meine Meinung gebildet und die ließ sich nur schwerlich ändern. Daher verzog ich mein Gesicht angewidert. „Also ich habe ihn schon zu so manchen Anlässen und Festlichkeiten begleitet und natürlich zu alltäglichen Terminen. Einmal, vor einigen Jahren habe ich tatsächlich so einen Irren davon abgehalten, Scato einfach abzustechen.“ Ich war damals infolge dessen irrtümlich im Carcer der Urbaner gelandet und er hatte mich dort schmoren lassen!
„Natürlich werde ich mit ihm reden! Und weißt du, ich kenne ihn nun schon so lange, ich weiß, wie ich mit ihm reden muss!“ Endlich schien sie etwas Vertrauen zu fassen. Aber ich wollte das nicht ausnutzen, sonst machte ich alles gleich wieder zunichte. -
Ich musste mich einfach zügeln, den sie fürchtete sich. Das war wirklich das Letzte, was ich wollte. Schließlich hatte ich ihr schon so vieles angetan. „D u erzürnst mich nicht“, entgegnete ich milde lächelnd. „Wirklich nicht!“Vielleicht sollte ich auch nicht weiter auf sie einreden und sie dazu ermuntern, sich als menschliches Wesen zu sehen und nicht als nur eine Sache. Doch ich wollte sie aus der Lage befreien, in der sie sich seit ihrer Bestrafung befand. Vielleicht weil sie mir nicht egal war.
„Wenn Scato Manns genug wäre, dann würde er seiner Frau Einhalt gebieten!“ antwortete ich ihr, diesmal in einem beschwichtigten Ton, damit nicht gleich wieder die Panik sie erfasste. Doch ich sah, wie verkrampft sie war und voller Furcht. Die Claudia hatte ganze Arbeit geleistet, um sie einzuschüchtern. Vorsichtig ergriff ich ihre Hand, deren Finger sich in ihre Tunika verkrallten. „Wir sind Menschen!“ Meine Stimme versuchte erneut ruhig zu bleiben, auch wenn es in mir drinnen ganz anders aussah. „Ich weiß es nicht, Iduna. Diejenigen, die mir bislang begegnet sind, waren meist arrogant und überheblich. Eben so, wie Scato es ist.“ Nun ja, die meisten denen ich begegnet war, kannte ich nicht persönlich. Ich hatte sie nur erlebt, wenn ich Scato begleitet hatte.
Endlich trat dann zutage, was sie tatsächlich grämte. Die Drohung der Claudia, sie an ein Lupanar zu verkaufen. Für eine Frau musste das in der Tat sehr bedrückend wirken. Sie nun aufzumuntern, nach dem Motto ‚das sagt sie nur so daher‘, wäre glatt gelogen gewesen. Denn wir beide hatten die Claudia erlebt und wussten, dass sie ihren Worten unter Umständen auch Taten folgen ließ.
„Hör zu, wenn du willst, dann kann ich mit Scato reden. Ich genieße noch immer sein Vertrauen. Vielleicht kann er die Domina etwas beschwichtigen, damit sie dir nicht mehr so zusetzt.“ Das war wohl das einzige, was ich tun konnte. Dadurch konnte ich auch einen Teil von meiner Schuld wiedergutmachen. Eine andere Möglichkeit sah ich nicht, außer vielleicht... aber nein! Dieses Risiko wollte ich nicht eingehen. Noch nicht. -
„Doch es ist so!“, widersprach ich ihr, als sie sich plötzlich erhob und ich auf sie hinaufschaute. „Ich habe das, was mir im Leben wichtig war, auf mehrfache Weise verloren. Erst gestern wurde ich noch einmal daran erinnert.“ Ich war mir nicht sicher, ob ich ihr von Morrigan und mir erzählen sollte. An mein Rabenmädchen hatte ich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gedacht, bis zum gestrigen Tag, als ich ihr aus heiterem Himmel wieder gegenüberstand. Dabei war sie nur noch ein Schatten ihrer selbst gewesen.
Doch dann verließ Iduna wieder der Funke ihres Selbstbewusstseins und sie wurde wieder zu der kleinen unterwürfigen Sklavin, so wie ich sie eigentlich nur kannte. „Der Dominus hat vor seiner Frau den Schwanz eingezogen und hat dich verraten!“ Wenn Iduna ihm nur einen Quadrans wert gewesen wäre, hätte er das nicht zugelassen! Verdammt, warum wollte sie das nicht endlich begreifen, dass es nicht an ihr gelegen hatte? Sie starrte verlegen auf sich selbst hinab und wirkte so nur noch verlorener. Sanft hob ich ihr Kinn an, so dass sie mich wieder anblicken musste. „Nein! Sie werden immer einen Weg finden uns zu schaden, damit sie sich an unserem Schicksal ergötzen können!“, widersprach ich ihr erneut.
Doch dann brach wieder ein wenig ihres Selbst hindurch, durch die unsichtbaren Ketten, die man ihr angelegt hatte und ich musste unwillkürlich lächeln.
„Ich werde mich hüten, dir zu widersprechen, denn ich hoffe darauf, dass sie wissen, was wir denken! Dann werden sie keine ruhige Minute mehr haben!“ Sie war mir in diesem Augenblick nähergekommen und auch ich verkürzte den Abstand zwischen uns beiden. -
Wieder berührten ihre kleinen zarten Finger meine Wange. Doch anscheinend hatte ich ihr Angst eingeflößt, als ich plötzlich aufbrauste, denn sie hatte schnell ihre Finger weggezogen. Dabei wollte ich sie doch gar nicht erschrecken. Vielmehr war es die Verbitterung über ihre und meine Lage. „Oh, bitte! Ich wollte dich nicht erschrecken! Es ist nur so, ich habe keine Angst mehr, Iduna. Ich weiß jetzt, das mein Leben nun endlich seinen Sinn verloren hat.“ Nach dem Zusammentreffen mit Morrigan hatte ich mich meiner menschlichen Seite erinnert, meinem früheren Leben, in dem ich einst noch Liebe empfinden konnte, bevor man mich zu einem willenlosen Haustier degradiert hatte.
„Hör zu, Iduna! Du bist ein Mensch! Kein Tier oder eine Sache! Dieses Weibsstück hatte nicht das Recht dazu, dich so zu behandeln!“Natürlich hatte sie das Recht dazu gehabt, denn in den Augen der Römer waren wir nichts weiter als beseelte Dinge, mit denen man verfahren konnte, wie man wollte. Doch für uns selbst war es wichtig, dass wir wussten, dass dem nicht so war. Alle, die sich dessen nicht klar waren, waren verloren. Sie glaubten dann am Ende selbst, dass sie nur der Staub unter den Schuhen ihres Herrn waren. So verloren, wie Morrigan. „Sie besitzen deinen Körper, aber deine Gedanken gehören dir, Iduna! Sei stark und denke immer daran! Diese Freiheit kann dir niemand nehmen!“ Ich war erstaunt über meine eigenen Worte, denn bis vor kurzem hatte ich Scato und die Claudia bis in meine Gedankten vordringen lassen. Vielleicht galten sie eigentlich mir selbst. -
Wie gutmütig sie doch war und so völlig selbstlos und voller Gnade, für einen wie mich. Ich hatte ihr ihre Unschuld genommen, hatte sie benutzt, wie es mir gefallen hatte, ohne auch nur einen Moment einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie doch ein menschliches Wesen war, dass sie hätte Aislin sein können...
„Die Domina! Verflucht soll sie sein, die Domina!“ Wieder kochte mein Groll gegen die Claudia hoch und in meinen Ohren klangen ihre Ratschläge immer noch wie der reinste Hohn. „Ich meine es ernst, Iduna! Dieses hinterhältige Weibsstück wird mir nie wieder befehlen, dir ein Haar zu krümmen!“ Ganz gleich welchen Preis ich dafür zu zahlen hatte. Mein Leben war sowie völlig wertlos geworden. Warum also weiterhin vor ihr buckeln, wenn sie befahl? Ja, warum? Draußen im Garten hatte ich es doch gerade wieder getan, vor ihr zu buckeln! Ein Feigling war ich! Ja, ein Feigling, der nur kleinen Mädchen Schmerzen zufügen konnte.
„Nein, du bist völlig unschuldig! Sie kann es nicht ertragen, dass du zwischen Scato und ihr gestanden hast. Es war ganz allein ihre Eifersucht, sonst nichts!“Gerne hätte ich sie jetzt in den Arm genommen, um ihr jetzt ein wenig Trost zu spenden, aber das traute ich mich nicht, nach allem, was gerade gesehen war. Sicher wären ihre Ängste dann sofort wieder präsent gewesen. -
Na komm schon, schrei endlich! Bringen wir´s hinter uns! Der Gallier wäre sicher gleich mit Freuden zur Stelle. Nichts dergleichen aber passierte. Voller Abscheu vor mir selbst wagte ich mich keinen Passus davonzuschleichen. Es sollte nun Iduna obliegen, was mit mir geschah. Wenn nur noch ein Funke Ehre in mir war, dann würde ich dafür geradestehen, für das, was ich getan hatte.
Angus, flüsterte sie und strich mir sanft, genauso wie Aislin es auch schon früher getan hatte, wenn sie mich trösten wollte, über meine Wange. Endlich sah ich zu ihr hoch. Sie hatte sich neben mich gehockt. Auge in Auge saßen wir uns nun gegenüber. „Es tut mir so leid! Ich wollte dir nicht wehtun. Niemals! Es ist nur…“ Nein, keine Ausflüche mehr! Ich war es, der ihr Leid zugefügt hatte und gerade eben wollte ich es wieder tun, weil ich nicht mehr ich selbst gewesen war. Doch nun betrachtete ich sie für einen Moment sehr eindringlich. Sie war noch so jung und zart. Schließlich nahm ich ihre Hand, mit der sie mir gerade über die Wange gestrichen hatte und küsste sie sanft. „Ich stehe tief in deiner Schuld! Wenn du möchtest, dass ich jetzt verschwinden soll, dann gehe ich und werde dich auch niemals mehr berühren. Selbst dann nicht, wenn die Claudia oder Scato es befehlen. Lieber sollen sie mir die Haut von meinem Rücken peitschen!“ -
Lyciscus vermied es, weitere Details über die Beziehung zu seiner Herrin preiszugeben und auch ich hielt mich zurück, ihn weiter darauf anzusprechen. Eins war gewiss, ganz egal was er tat oder tun würde, er würde aus seinen Erfahrungen lernen müssen. Besonders bei einer solchen heiklen Beziehung zu der Aurelia. Die Flavier waren nicht pingelig im Umgang mit ihren Sklaven. Das hatte ich bereits am eigenen Leib erleben dürfen.
Viel besser als an die Zukunft zu denken, war das Leben im hier und jetzt. Wir mussten das Beste daraus machen, sonst würden wir zugrunde gehen. Die Aussicht auf eine gemeinsame Tour durch die Stadt, war wieder ein positives Licht, an dem man sich festklammern konnte.„Na dann wird es Zeit! Ich werde dir ein paar Ecken zeigen, die du mit deiner Domina niemals sehen würdest, das verspreche ich dir. Ich zeige dir das Rom der einfachen Leute, wo auch Unsereins seinen Spaß haben kann!“ Wenn das mal nicht zu viel versprochen war! Doch die Subura würde uns auch diesmal ganz bestimmt nicht enttäuschen!
Das Lachen des Thrakers ließ mich wieder aufblicken. Er hatte also die gleichen Zukunftspläne, nämlich keine! Meine Antwort war lediglich ein aufgesetztes Lächeln. Was glaubte er denn, wo er nach fünf Jahren Sklaverei stehen würde? Was würde er tun, wenn ihn seine Herrin plötzlich fallen ließ, wie ein Spielzeug, das mit der Zeit uninteressant geworden war? Das alles und wahrscheinlich noch viel mehr stand Lyciscus noch bevor. Sein Angebot jedoch ließ mich stutzig werden. Bei allem, ganz gleich was es war würde er mir behilflich sein? Wirklich bei allem? Nun, vielleicht war es nur eine Floskel, die er so daher redete… „Ich danke dir für dein Angebot, Lyciscus! Es ist immer gut, einen Freund zu haben! Das Gleiche gilt natürlich für mich!“ Mit diesen Worten erhob ich mich. Das Wasser wurde langsam kalt. Dann griff ich nach einem Handtuch und trocknete mich ab und zog eine frische Tunika über. „Wir sehen uns, Freund!“ Dann ging ich.
-
Ja, ich genoss es, ich wollte mehr. Meine Belohnung für diese verfluchte Nacht und dem Tag davor. Tief schnaufend zog ich mit einer Hand eilig ihre Tunika nach oben. Mit der anderen umfasste ich nun ihren Hals, um sicher zu gehen, dass sie nicht schrie. Sie konnte sicher spüren, wie erregt ich bereits war. Nur noch ein kleines Stück, dann war ich am Ziel. Mit ihrem kleinen Fausten versuchte sie mich abzuwehren. Ich konnte ihre Angst riechen. Sie hatte keine Chance gegen mich. Sie war ja fast noch ein Kind! Ihre grazile und zerbrechliche Gestalt hatte mich von Anfang an Aislin erinnert, wie sie damals war, als wir uns kennengelernt hatten.
„Aislin“, hauchte ich in ihr Ohr. Aislin? Was tat ich da gerade? Das war nicht ich! War ich zu einem Tier verkommen, dass nur auf seine Belohnung wartete? Wie verabscheuungswürdig war ich nur!
Ich ließ von ihr ab und sank langsam an ihr herab auf meine Knie, bis ich schließlich ganz vor ihr auf dem Boden kauerte, wie ein Häufchen Elend. Ich begann zu schluchzen und zu wimmern, wie ich es das letzte Mal getan hatte, als ich meine sterbende Frau in meinen Armen gehalten hatte.
„Bitte verzeih mir! Für alles, was ich dir angetan habe. Glaub mir, ich war früher nicht so! Sie haben mich zu diesem Scheusal gemacht.“ Wenn sie nun um Hilfe schrie und Ewen kam, um mich auseinanderzunehmen, dann sollte es so sein. Ich hatte es nicht anders verdient! -
Ich ging ein paar Schritte weiter. Das dumme Ding merkte nicht, wie sie mir direkt in die Arme lief. Ihren Duft konnte ich bereits riechen. Ich musste nur och die Hand nach ihr ausstrecken. Dann konnte ich sie packen, sie weiter in die Enge treiben und mit meinen Händen berühren. Auch wenn ich inzwischen verabscheute, was ich getan hatte, verursachte es immer noch etwas in mir. Ich hätte lügen müssen, wenn ich jetzt behauptete, dass es mir nicht gefallen hatte, nachdem man mich und Lupus solange hingehalten hatte. Das kleine Luder, was trieb sie sich jetzt überhaupt auf dem Gang herum? Warum war sie nicht bei diesem Gecken, der sie nun bespringen durfte, wie es ihm beliebte?
Ich machte noch ein paar Schritte auf sie zu, Gefahr zu laufen, meine Kontrolle über mich zu verlieren. Diese Nacht war der reinste Horror für mich gewesen. Es wurde Zeit, dass sich das änderte! Eine Belohnung, dachte ich. Ja, eine Belohnung! Meine guten Vorsätze, ich warf sie über Bord. Schließlich griff ich nach der kleinen germanischen Blume, die ich zum blühen gebracht hatte. Zeit sich um ihre Pflege zu kümmern! Ich zog sie an mich heran und schob sie gleichzeitig gegen die Wand. „Wenn du jetzt schreist, dann…“ Ich beendete meine Drohung nicht, sondern schob ihr stattdessen meine Zunge tief in ihren Mund.
-
Wenn da nicht Liebe im Spiel war, war mein erster Gedanke. Ob der Thraker wusste, was sie mit ihm anstellten, wenn herauskam, dass er und seine Herrin…? Ganz spontan fielen mir die flavischen Löwen ein, die bereits mehr als einmal mit dem Fleisch unliebsamer Sklaven gefüttert worden waren. Nein, ich entschied mich dagegen. Schließlich wollte ich ihm nicht die Illusion nehmen, etwas Besonderes zu sein. „Das ist schön, “ antwortete ich und lächelte vertrauensvoll. Eine Zeit lang betrachtete ich ihn mir von der Seite, wie er ins Wasser starrte. Ja, ich lag gar nicht so falsch mit meiner Vermutung.
Letztendlich war es doch keine so dumme Idee gewesen, sich zu dem Thraker dazuzusetzen. Vielleicht war das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Es war immer gut, Verbündete zu haben, auch unter den Sklaven!„Keine Ursache, Freund! Wenn du noch mehr Fragen hast, frag nur!“, meinte ich gönnerisch. Auch meine Anmerkung betreffend der Befehle, schien er verstanden zu haben.
Dann schenkte er mir einen Becher ein. Ich dankte du trank. Pah, Wasser! „Vielleicht sollten wir demnächst einen kleinen Stadtrundgang machen, wenn wir beide frei haben. Kennst du denn Rom schon?“Dann gab es mit Sicherheit Besseres als nur Wasser. Seine nächste Frage irritierte mich ein wenig. Die Frage nach der Zukunft hatte ich mir in meinen Anfangstagen auch immer oft gestellt. Einst hatte ich einen Traum! Morrigan und ich, wir beide. Ein freies Leben in den Weiten Britanniens, dort wo kein verdammter Römer einen Fuß freiwillig hinsetzte. Dieser Traum aber war vor langer Zeit zerplatzt, wie eine Seifenblase. „Pläne für die Zukunft? Tut mir leid, Freund. Die habe ich vor langer Zeit aufgegeben!“, antwortete ich verbittert. Nun starrte ich gedankenlos ins Wasser. -
Geduldig hörte ich mir Lyciscus‘ Geschichte an, nickte ab und an oder schüttelte leicht den Kopf. Kaum ein Sklave, der zuvor frei war, war wohl aus freien Stücken zum Unfreien geworden. Fast immer gingen dramatische Ereignisse voraus, an denen wir ein Leben lang zu knabbern hatten. Wir hatten schreckliche Bilder gesehen und widerliche Erniedrigungen hinnehmen müssen. Für manch einen endete das erst mit dem letzten Atemzug. All die anderen hofften auf den Tag ihrer Befreiung, der jedoch nur selten, wenn überhaupt kam. „Das tut mir sehr leid für dich!“ Meine Worte waren aufrichtig gemeint. Denn ich wusste aus eigener Erfahrung, wie lindernd etwas Mitgefühl sein konnte. Besonders in den Momenten, wenn der Schmerz am stärksten war.
Offenbar hatte er recht schnell das Vertrauen der Aurelia gewonnen, wenn sie ihn, kurz nachdem sie ihn gekauft hatte, bereits in ihrer Nähe duldete und sogar nächtigen ließ.
„Dann behandelt sie dich ganz gut, die Aurelia?“ Mit der Gemahlin des Gracchus hatte ich bislang wenig zu tun gehabt. Jedoch schätzte ich sie als recht umgänglich ein. Zwar war sie auch eine Römerin, doch lange nicht so verschlagen wie die Claudia, die Scato geheiratet hatte.Ich grinste, als er mich fragte, ob er sich vor mir in Acht nehmen sollte. „Glaub mir, ich bin deine geringste Sorge in dieser Villa!“ Noch einmal benetzte ich meine Haut mit dem warmen Wasser und diesmal befeuchtete ich auch mein Haar und kämmte es mit meinen Fingern nach hinten.
„Der Leibsklave des Gatten deiner Domina, Sciurus, vor dem solltest du dich in Acht nehmen oder auch vor diesem gallischen Hahn Ewen, der seit kurzem hier herumstolziert.“
Bei seiner letzten Frage wich mein Grinsen mir einem Schlag. Früher hätte ich nur herzhaft gelacht und die Antwort verneint, doch nun hätte ich lügen müssen. „Ja, das tue ich,“ gab ich verschämt zu und sagte nichts mehr weiter dazu. Doch kurz darauf grinste ich schelmisch. „Andererseits sind Befehle dazu da, dass man sie bricht und was ein Flavier nicht weiß, macht ihn nicht heiß! Solange sie denken, du stehst loyal zu ihnen, kannst du dir einige Freiheiten erlauben.“ -
Die Thermen? Sport treiben? Pah! Wenn auch nur noch etwas Mumm in meinen Knochen gewesen wäre, hatte ich dem Weibsstück gezeigt, wie man den Kopf frei bekommt. Doch diese Tage waren nun endgültig vorbei. Stattdessen war Buckeln angesagt. „Ja Domina, natürlich Domina! Danke, Domina! Gute Nacht, Domina!“ Dann raffte ich mich auf, schnappte meine Tunika und verschwand.
-
Nur noch missmutiger kehrte ich zurück zur Sklavenunterkunft. Die Begegnung mit der Claudia hatte mir den Rest gegeben. Zumindest für diese Nacht. Noch schlimmer konnte es kaum kommen. Oder doch? Ging da noch was?
Eigentlich hatte ich versucht, so leise wie möglich zu sein. Aber irgendein Depp hatte einen leeren Eimer auf dem Gang stehen lassen, der nur darauf gewartet hatte, von meinem Fuß getroffen und weggetreten zu werden. Wie man sich vorstellen konnte, hatte das einen ordentlichen Radau verursacht. Wie zur Salzsäule erstarrt blieb ich stehen und horchte hinein in die wiederhergestellte Stille. Bis ich plötzlich diese zarte Stimmchen hörte Hallo? Jetzt wusste ich, dass es noch schlimmer kommen konnte. Bevor ich mich wieder in Bewegung setzte, schloss ich kurz die Augen und sagte mir, dass ich auch durch diese Prüfung noch durchmusste. Ich wusste, dass die Konfrontation mit Iduna unvermeidlich sein würde. Aber dass sie unbedingt heute Nacht noch kommen musste, hätte ich gerne vermieden. Hoffentlich war nicht auch noch der dämliche Gallier in der Nähe!
„Hallo!“, antwortete ich sachlich. Ich wollte ihr ja nicht noch mehr Angst machen, als wohl ohnehin schon vor mir hatte. -
Ja, in gewisser Weise war es meist die gleiche Geschichte, in verschiedenen Facetten. Über meine Geschichte hatte ich schon lange nicht mehr nachgedacht. Ich hatte mich damit abgefunden und nachdem was damals alles passiert war, war dies auch gut so. Warum also jetzt wieder alte Wunden aufreißen? Also schob ich meine Erinnerungen wieder beiseite und wandte mich wieder Lyciscus zu. „Wie kamst du hierher? Du bist sicher nicht als Sklave geboren worden, nehme ich an.“ Er war nicht wie einer dieser Zuchtsklaven, die sich die Flavier heranzogen. In ihm glühte noch ein wenig der Funke der Freiheit, der in jedem von uns mehr oder weniger glühte. Meiner war fast schon gänzlich verglüht.
Wie es schien, war der Thraker noch nicht von „gewissen Leuten“ geimpft worden. Man hatte ihm nichts über die Sache mit Iduna erzählt und wie ich darin verwickelt worden war. Im Prinzip konnte er das auch nicht, da er nicht in der Sklavenunterkunft nächtigte, wie ich gehört hatte. „Du hast deine Unterkunft in der Kammer neben dem cubiculum deiner Herrin, nicht wahr? Wenn du die anderen Sklaven kennenlernen willst, musst du dich öfters hier im Sklaventrakt blicken lassen. Aber lass dir eines gesagt sein, nicht alle werden dir wohlgesonnen sein. Es gibt einige Sklaven, vor denen solltest du dich in Acht nehmen.“ Ich nannte keine Namen. Er sollte selbst seine Erfahrungen machen.
Wenn ich mir ihn so betrachtete, erinnerte ich mich an meine ersten Tage und Wochen. Damals war ich ein anderer gewesen. Freiheitsliebend und aufsässig, gegenüber allem was römisch war. Inzwischen hatte man mir die Flügel gestutzt.
„Tu, was man dir sagt. Dann hast du ein gutes Leben hier. Im Allgemeinen sind die Flavier zwar sehr streng gegenüber ihren Sklaven, doch dafür genießt du hier einige Annehmlichkeiten, die du woanders wahrscheinlich nicht haben wirst. Zum Beispiel dieses Bad hier.“ Der Thraker sah mich sehr eindringlich an. Offenbar lag ihm viel daran, ein paar hilfreiche Tipp zu erhaschen. Ich sagte ihm nur das, was Lupus mir damals gepredigt hatte. -
„Lyciscus, natürlich!“ Jetzt erinnerte ich mich wieder. Er war der neue Leibwächter der Aurelia, der Ehefrau des Flavius Gracchus. Die Dame hatte offenbar Geschmack, sich mit einem solchen Muskelpaket zu schmücken. Womöglich hatte er ja noch andere Vorzüge, die sie an ihm schätzte. Doch eines musste man ihm lassen, er war nicht so aufgeblasen, wie dieser gallische Hahn Ewen.
Nach meinem Gesicht benetzte ich nun auch meine Oberarme und meine Brust. Wasser war etwas wundervolles und warmes Wasser übertraf alles. Ich schloss meine Augen und ließ meinen Kopf nach hinten gegen die Wand gleiten. Lyciscus indes sprach weiter. Er stammte tatsächlich aus Thrakien. Ich hatte also richtig gehört. Thrakien konnte ich mir so gar nicht vorstellen. Eigentlich wusste ich auch nicht, wo dieses Land auf der Landkarte zu finden war. Die Frage, die er mir dann stellte, war vorprogrammiert.
„Britannien. Ich stamme aus Britannien. Oben im Norden. Aus einem Ort, den man Luguvalion nennt. Ich bin… nein, ich war ein Krieger der Carvetii. Doch ich wurde verraten und landete als Sklave in Rom und schließlich in diesem Haus.“ Erst jetzt wurde mir bewusst, wie lange ich schon nicht mehr über meine Heimat gesprochen hatte. Es war auch schon ewig her, seitdem ich das letzte Mal an zu Hause gedacht hatte. Mein Zuhause gab es nicht mehr. Meine Familie war tot, dafür hatten meine Feinde gesorgt. Aislin, sie war in meinen Armen gestorben. Nun war sie nur noch ein Schatten meiner Vergangenheit. Lyciscus hinderte mich daran weiter hinab zu driften in meine Vergangenheit, indem er mich weiter ausfragte. Im Grunde konnte ich ihm Dankbar dafür sein, nicht auch noch daran denken zu müssen.
„Ich bin einer der custodes des Flavius Scato. Vielleicht hast du schon von mir gehört?“ Ich tastete mich vorsichtig heran, um tatsächlich ausschließen zu können, dass ihm noch nichts von meinen Taten zu Ohren gekommen war.
„Ich bin nun schon seit über fünf Jahren in diesem Haus“ Eine lange Zeit, stellte ich fest. Viel zu lange. Niemals hätte ich mir träumen lassen, dass man mich so lange in Unfreiheit halten konnte. Und so wie es aussah, würden noch etliche Jahre dazu kommen. Falls ich überhaupt jemals wieder die Freiheit erlangen würde.