Naja, ich hatte ja bisher wirklich nicht viel am Hut mit der Religion der Römer. Klar, die Namen von ein paar ihrer Götter waren natürlich auch mir geläufig. Zumal in den römischen Siedlungen in Britannia die Tempel und Heiligtümer wie Pilze aus dem Boden sprossen. Aber einen solchen Tempel hatte ich noch nie von innen gesehen. Umso interessanter fand ich es, als Scato mich sozusagen aus erster Hand aufklärte.
Anfangs wollte ich ihn noch mit dem Einwand unterbrechen, dass die Gräber meiner Verwandten oder die Asche meiner Frau und meines Sohnes unerreichbar für mich waren. Doch das ließ ich schön brav sein. Natürlich war mir schon längst aufgegangen, dass diese nächtliche Begegnung etwas ganz Besonderes war, die sich wahrscheinlich so schnell nicht wiederholen würde. Also tat ich gut daran meinen Dominus nicht zu sehr zu verärgern. Vielleicht stieß ich ja nebenbei auf ein paar gutverwertbare Informationen, die mir mein Leben als Sklave erleichtern konnten.
Als ich wieder auf der Steinbank Platz genommen hatte, hielt ich den Becher mit dem dampfenden Würzwein in Händen und wärmte mich erst einmal daran, bevor ich zum ersten Schluck ansetzte. Dieser Wein roch nicht nur gut er schmeckte auch einfach fantastisch. Die Römer wussten eben zu leben, das musste man ihnen schon lassen.
Und ich war auch erstaunt darüber, dass der Flavier meine kritischen Worte nicht unterbunden hatte oder mich gar dafür maßregeln wollte.
Auch ich musste unwillkürlich Grinsen, als er davon sprach, wie er unser erstes Zusammentreffen erlebt hatte. „Ja, ich muss zugeben, da war ich sehr zornig. Allerdings sollte man aber nicht vergessen, dass ich einige Stunden zuvor auf einem Holzpodest wie ein Stück Vieh zum Kauf angeboten wurde und man mich in Ketten durch halb Rom geschleift hatte.“ Dann erinnerte ich mich plötzlich daran, wie Aislin mich immer als besonders friedfertig beschrieben hatte…
„Dabei war ich einer der wenigen, der die Männer in meinem Dorf zur Besonnenheit aufgerufen hatte. Doch leider war ich damit nicht besonders erfolgreich, wie man sieht…“ Noch einmal führte ich den Becher zu meinem Mund und nahm diesmal einen besonders kräftigen Schluck, um die dunklen Gedanken, die sich schon wieder auszubreiten versuchten, hinfort zu schwemmen.
„Dennoch werde ich nie damit aufhören, meinem alten Leben nachzutrauern,“ gab ich nach einer Weile zu bedenken, um ihm ganz schnell klarzumachen, dass ich mich noch lange nicht damit abgefunden hatte, auf immer und ewig unfrei zu sein. Natürlich war das Leben in Rom ein ganz anderes. Alleine schon die Tatsache, dass ich in dieser riesigen Stadt gefangen war, verursachte in mir ein befremdendes Gefüh im Magenl. Mir fehlte das Grün der Wälder und Wiesen, das klare kühle Wasser des Flusses, der sich in der Nähe unseres Dorfes entlang schlängelte, um sich nach einem halben Tagesritt schließlich ins Meer zu ergießen.
Doch recht schnell richtete ich wieder meinen Fokus auf das, was er über seine Charakterzüge zu sagen hatte. Ich fand es sehr aufschlussreich, auch wenn ich wenig von Politik oder, wie er es nannte, der „hohen Gesellschaft“ verstand. Dass er von Ehrgeiz beseelt war, war unübersehbar. Und auch hier entdeckte ich plötzlich eine Gemeinsamkeit. Allerdings war mein Ehrgeiz von ganz anderer Natur geprägt.
„Auch ich habe in Ziel vor Augen, welches ich mit jeder Faser meines Körpers vorantreiben werde,“ meinte ich und ließ daran keinen Zweifel, wie ernst es mir damit war. „Du kannst dir meiner Loyalität sicher sein, wenn dies der Weg ist, um eines Tages wieder frei zu sein.“