Beiträge von Servius Iulius Macro

    Das laute Krachen an der Tür ließ mich aus dem Schlaf hochfahren. Verschlafen rieb ich mir die Augen, bevor ich begriff, was los war. Anscheinend konnte es irgendwer nicht abwarten die Legionäre zu triezen. Eilig zog ich meine Tunika an und legte mir den Brustpanzer darüber an. Wie immer schnürten- mein Pritschennachbar und ich -wir uns gegenseitig die Lederbändchen auf dem Rücken zusammen. Wir achteten darauf, dass die Rüstung nicht zu fest saß, aber auch nicht lose am Körper herumwackelte. Im Kampf war das lebenswichtig- eine intakte Rüstung und dazu den perfekten Sitz, der den Großteil des Körpers verdecken sollte, um es dem Gegner so schwer wie möglich zu machen.
    Anschließend schnürte ich mir die caligae und setzte mir den Helm auf. Der Helmriemen war schnell geschlossen. Ich legte mir den Schwertgurt um, ließ Gladius in die Scheide gleiten und griff nach meinem Schild, der an das Fußende meines Bettes gelehnt stand. Dann begab ich mich Richtung Barackenausgang.
    Doch ich hielt im letzten Moment inne und drehte mich noch einmal um. Das Bett!
    Schnell hastete ich zurück richtete das Kissen und legte die Felldecke flüchtig zusammen. Nun aber schnellstens raus. Unter lauten Klappern der nagelbeschlagenen Sohlen der caligae durchquerte ich die Baracke, vorbei an den letzten Kameraden, die sich ankleideten und noch schnell versuchten irgendwas in Ordnung zu bringen.
    Ich trat nach draußen, wo die Sonne langsam versuchte den Himmel zu erklimmen. Ich reihte mich in die Unterabteilung meiner Zenturie ein und blickte umher. Der Großteil der Zenturie hatte sich bereits versammelt. Da waren Hispo, Antias ... und ein Unbekannter Mann der ganz vorn stand und ungeduldig seinen Optiostab schwang. Wer war dieser Optio nur und warum die frühe Stubenkontrolle?
    Den Schild stellte ich vor mir auf den Boden und legte meinen linken Unterarm auf die Oberkante des kalten Eisens, die Rechte auf den Schwertknauf gelegt.

    Torquata redet ungewöhnlich ausschweifend. Das war ich gar nicht von ihr gewöhnt. Sonst war sie doch immer so direkt und plapperte frei heraus. Doch wie lange war es schon her, seit ich sie täglich vor mir hatte? Jeder verändert sich schließlich einmal und anscheinend schien auch mein Schwesterchen an Reife gewinnen. So lauschte ich ihren Worten, den Blick fest auf sie gerichtet, trotzdem mit einem Schmunzeln auf den Lippen, als Torquata von Tante Agrippina erzählte. Bei ihr musste immer alles vorausgeplant sein und stimmen musste auch alles, ansonsten konnte sie auch mal ganz andere Zeiten aufziehen lassen.
    Als Torquata jedoch das Testament erwähnte, dass Vater wohl angefertigt hatte stieg in mir eine große Traurigkeit empor. Zwar war es natürlich schön, dass er sich um die Zukunft seiner Kinder Gedanken gemacht hatte, doch hatte es eben immer einen niederen Beigeschmack über den Tod hinaus über die Zukunft zu entscheiden. Und vor allem über den eigenen Tod hinaus. Langsam senkte ich den Kopf. Torquata trat einen Schritt an mich heran und fuhr fort. Doch in meinem Kopf drehte sich bereits alles.
    Was hatte Vater wohl in sein Testament über mich geschrieben? Hatte er überhaupt an mich gedacht? Mit diesen Gedanken im Kopf hörte ich nur beiläufig meiner Schwester zu, doch als sie die Worte 'Dienst als eine Vestalin' erwähnte, schrack ich nach oben und starrte sie mit großen Augen an. War das ihr ernst? Als hätte sie meinen Gedankengang lesen können fuhr sie schnell fort und legte den Rest ihres Vorhabens auf den Tisch. Soweit so gut, oder auch nicht?
    Wieder einmal brachte Torquata mich in eine heikle Gefühlslage. Zwar war ich froh, dass sie nach der mühseligen Ankunft in Rom auch eine sicher Unterbringung sowohl häuslich als auch wirtschaftlich, doch war es auch das, was sie wirklich wollte, oder hatte lediglich Vater darauf gedrängt, dass Torquata eine Vestalin werden sollte?
    "Also, ich bin gerade etwas überrascht, Torquata.", meinte ich mit einem etwas gequältem Lächeln zu ihr. Ich musterte sie eindringlich und fuhr langsam fort. "Nun, ist es wirklich das, was du für deine Zukunft möchtest? bist du dir ganz sicher, dass du diesen Schritt gehen möchtest?" Nachdem ich eine kurze Pause gelassen hatte, um meinen letzten Worten mehr Nachdruck zu verleihen, fuhr ich langsam fort. "Ich glaube nur schwer daran, dass wenn du erst einmal aufgenommen worden bist und es doch nicht das ist, was du dir vorstellst, so einfach wieder aus deiner Lage dich befreien kannst."
    Ich blickte sie an und legte meine Hand auf ihre Schulter.
    "Bist du dir ganz sicher?"

    Sim-Off:

    Ich steige einfach mal ab hier mit dazu. Bis hierhin hast du die Sache ja hervorragend allein gelöst. Sehr gut geschrieben!


    Nun konnte ich mir auch das Lächeln nicht mehr verkneifen. Zwar war der Abend bis jetzt der reinste Reinfall gewesen und das Wetter draußen beschrieb unsere Situation und Laune nur zu gut, aber was soll man sagen- schlimmer kann es doch nicht mehr kommen. Oder doch? Jedenfalls war der Wein mit dem gemischten Bier jetzt halb erträglich, wenn auch ein bisschen stark in seiner Wirkung. Garantiert war der Wein mit einem Großteil Wasser und was weiß ich noch was, verdünnt aber das Zeug pur saufen? Lieber eine Woche Latrinendienst! Wer weiß was das Zeug für Nebenwirkungen hatte- Nebenwirkungen, die erst am morgigen Tag auftreten und unsere Körper heimsuchen würden.
    So hatte ich auch schweigend beobachtet, wie die gesamte Mannschaft beim Anblick Sasernas vergass, dass es nicht nur dieses eine Weib hier in Rom gab und mit triefenden Mäulern beinahe die Hure im Schankraum zu verspeisen. Durchaus hatte auch sie mein Interesse geweckt, doch wollte ich mich nicht unbedingt auf die erstbeste Frau stürzen, die sich uns freizügig über den Weg lief. Wer weiß wohin uns der Weg heute noch führen würde- auch wenn der Weg bis jetzt ehr eine stinkende Sackgasse war. Ich nippte an meinem Becher und der feindselige Angriff des Wirts gegen Antias tat sein nächstes dazu bei, dass ich der Meinung war, hier wäre heute nicht mehr viel zu holen für uns.
    Ich blickte mich in der Runde um und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass der Rest der Truppe auch nicht gerade in guter Feierlaune war. Erneut nahm ich einen großen Schluck und merkte wie der Satz des Becherbodens sich löste und in meinem Mund gespült wurde. Meine Mine verzog sich zu einer ekligen Grimasse und so schnell wer der Satz in meinem Mund gelandet war, hatte ich ihn auch schon unter lautem Spucken auf den Boden der Taverne befördert.
    "Das Zeug regt meinen Würgereiz an, mehr nicht!", blaffte ich laut in die Runde. "Pfuiii!" Wütend donnerte ich den Becher auf den Holztisch, sodass er laut klappernd umfiel.
    Ich beugte mich zu Antias, der direkt neben mir saß und wohl schon eingenickt war.
    "Hee, komm' schon.", sagte ich laut zu ihm mit einem Schütteln an der Schulter. "Lass' dich von dem nicht unterkriegen. Für den Wein müsste der Spinner uns Asse geben. Da würde sicher noch Saserna besser schmecken, nachdem dort alle von uns dran waren.", sagte ich kichernd, um Antias ein wenig aufzumuntern. Ich blickte auf den Krug Wein und meinen Becher, die sich noch immer liegend leicht hin und her wippte. Den Gedanken mir noch einmal nachzuschenken, schob ich schnell weit von mir.
    "Willst du die ganze restliche Zeit hier verbringen?", fragte ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. "Lass' uns bloß das Weite suchen, wenn Hispo wieder alle beisammen hat. Hier werden wir heute garantiert nicht mehr glücklich und wer weiß, wann wir mal wieder Ausgang bekommen. Kann doch nur noch besser werden, oder was meinst du?"
    Vielleicht sollten sie es noch einmal etwas abseits der Castra probieren. Nicht zu weit, denn wer weiß wie der Wein in der nächsten Taverne schmecken mochte. So oder so hatte ich ein ungutes Gefühl, als ich an den Rückweg dachte. Was wenn sie sich in dem verzweigten Straßennetz vollkommen verlaufen würden- und das in ihrem Zustand. Was wenn am Morgen beim Wecken niemand auf unseren Pritschen zu finden sein würde. Dies wäre dann garantiert unser letzter Ausgang gewesen und an die Strafe mochte ich noch nicht einmal denken. Und eine Patrouille durch die Stadt hatten sie noch nicht, sodass zumindest ich keinen Durchblick hatte welche Straße wohin führte.
    "Das hier kann doch nicht alles sein, was Rom seinen Beschützern zu bieten hat!", meinte ich laut, sodass einige an unserem Tisch aufgeschreckt aufsahen.

    Gespannt lauschte ich Torquatas Geschichte. In der Tat hatte sie in den letzten Tagen, Wochen und Monaten einige Strapazen hinter sich bringen müssen und so war es für mich umso erstaunlicher, wie sie nun lächelnd und anscheinenden ohne einen blassen Kummer vor mir stand. Sie- meine Schwester -war schon immer ein bewundernswertes Mädchen gewesen. Bei der Schilderung ihrer Geschichte, vor allem als sie von unserem gemeinsamen Unterricht erzählte, musste ich ebenfalls lachen. Ach, was war das für eine wunderschöne Zeit. Torquata hatte nun wieder meine tiefsten Erinnerungen geweckt und auch selbst ein wenig erschrocken darüber wie schnell man seine Vergangenheit doch vergessen konnte, lauschte ich weiterhin meiner Schwester. In der Tat hatte sie auch ein ziemliches Glück gehabt, dass sie über meinen Verbleib bei der Urbanerkohorte erfahren hat. Und nicht nur dies. Auch das unsere Verwandten sie aufnahmen und sich gut im sie kümmerten war ein glücklicher Umstand, den vielleicht nicht jedes Kind bekommen hätte. Die Götter hatten sich also nicht ganz von unserer Familie abgewendet, sondern hielten noch- oder wieder -schützend die Hand über uns.
    Nun, und wie war es mir ergangen? Ich hatte ebenfalls großes Glück gehabt. Nachdem ich nach Rom gekommen war, dauerte es nicht lange bis ich- wie auch Torquata -in der Casa Iulia untergekommen war. Auch ich hatte die Gastfreundschaft Dives' genossen, genauso wie eben in diesem Augenblick wieder. Von Tsuniro und Audata würde ich ihr jedoch nichts erzählen, soviel stand fest. Immerhin musste meine Schwester auch nicht gleich alles erfahren. Doch jetzt, wo mir wieder die Beiden in den Kopf kamen- was würde ich jetzt nicht alles für ein bisschen weibliche Zuneigung tun.
    Aber zurück zur Sache, bevor ich wieder in elendlich weiten Gedankengänge über die Weiblichkeit der Beiden philosophieren würde.
    "Da hast du aber großes Glück gehabt, Schwesterchen. Wirklich großes Glück! Aber umso erfreuter bin ich, dass du nun hier in Rom bist und damit auch nicht mehr von mir entfernt. Doch nicht nur du hattest Glück.", zwinkerte ich ihr zu. "Auf dem Weg hierher konnte ich auf dem Karren eines Weinhändlers eine beträchtliche Strecke zurücklegen und nachdem ich in Rom angelangt war gelangte ich nach ein paar falsch eingeschlagenen Straßenkreuzungen zur Casa Iulia, wo ich ebenfalls von Dives empfangen wurde. Nun, nachdem ich ihm meine Lage geschildert hatte erklärte er mir, dass es kein Problem wäre mich aufzunehmen."
    Ich erinnerte mich zurück und mir fiel wieder mit einem Lächeln ein, was für großer Stein der Erleichterung von da an von meinem Herzen abgefallen war. Schon mal im Wissen eine Bleibe zu haben, galt dann nur noch die Hürde der Aufnahme bei den Urbanern.
    "Ein paar Tage später habe ich mich dann auf den Weg hierher zur Castra gemacht, um einen Dienst bei der Urbanerkohorte anzutreten. Du weißt ja wie gerne ich damals mit meinem Gladius herum gesprungen bin und wieviel Spaß ich damit hatte Soldat zu spielen. Nun, und das Schicksal, dass uns ereilt hatte, tat ihren Rest dazu."
    Ich räusperte mich und machte mich einen Augenblick gerade- was bei Militär Strammstehen heißt -um Torquata zu zeigen, dass ich mich hier vollkommen wohl fühlte.
    "Die Aufnahme bei den Urbanern hatte ich erfolgreich absolviert und wie du siehst ... Bin ich nun hier im Dienste des Kaisers und Roms. Mir geht es also prächtig, Schwesterchen und mit dem Wissen, dass du ebenfalls hier bist, fühle ich mich noch besser." Ich blickte sie mit einem freudigen Lächeln an und strich ihr mit meinem linken Handrücken liebevoll über ihre weiche Wange.
    "Was gedenkst du nun hier in Rom zu tun, Torquata? Hast du dich hier schon eingelebt und sag', warst du noch einmal bei unserem alten Landgut bei Misenum?" Die letzten Worte hatte ich ehr vorsichtig gewählt, um nicht die glückliche Stimmung, die sich im Raum aufgebaut hatte, zu dämpfen. Und ersteres interessierte mich natürlich auch brennend.

    Ich hatte noch nicht einmal die Arme richtig ausgebreitet, als mir meine Schwester auch schon um den Hals fiel. Ich schloss sie fest in meine Arme und wünschte jetzt sie nie mehr gehen lassen zu müssen. Aber in diesem Punkt gab es natürlich kein Vorbei. Schließlich war ich nun ein Legionär und was meine freie Zeit anbelangte- die musste ich freilich in der Castra verbringen.
    Langsam lösten wir uns aus der Umarmung und meine Schwester schaute mir eindringlich eindringlich in die Augen. Verstohlen rannen ihr die Tränen über ihre sanften Wangen. Vorsichtig wischte ich die großen Kullertränen aus ihrem Gesicht. Bei ihren Worten durchstieß mich eine alte Zufriedenheit und auch zugleich Sicherheit. Auch wenn sie nur ein Mädchen sein mochte, hatte ich stets in ihrer Nähe das Gefühl einer gewissen Sicherheit. Das mag sich vielleicht etwas komisch anhören- vor allem wenn das von einem Legionär des Imperiums kommt -aber ich konnte es mir auch nicht so recht erklären. Im Moment fühlte ich nur Glück und Freude, die meinen ganzen Körper durchströmte.
    "pssst ...", meinte ich leise und beruhigend zu meinem Schwesterchen. "Jetzt ist ja alles gut. Mir geht es gut und dir auch, was mir sehr wichtig ist."
    Als sie die Geschehnisse um unsere Familie ansprach musste ich unweigerlich schlucken. Schnell schossen mir wieder die alten Bilder, die ich schon verdrängt geglaubt hatte, in den Kopf. Mutter, Vater ...
    Nein! Jetzt war kein geeigneter Augenblick in der Vergangenheit Trübsal zu blasen, immerhin stand Torquata hier vor mir.
    "Danke!", sagte ich auf ihr Kompliment hin, ich sehe gut aus. "Du wirst aber auch von Tag zu Tag schöner, Schwesterchen.", sagte ich Augenzwinkernd. Dann legte ich meinen Rücken etwas zurück und schaute sie noch einmal eindringlichst von oben bis unten an. "Gewachsen bist du wohl ein Stück, seitdem wir uns das letzte mal begegnet sind, wie?"
    Zwar war sie noch lang nicht so groß wie ich, aber auch Torquata war nun schon in die Höhe gewachsen.


    "Und sag'- wie geht es dir? Wie hast du mich gefunden?"
    Soviele Fragen hatte ich an sie, da war ich mir sicher, dass die gegebene Zeit, bis Dives wieder sein Officium für sich in Beschlag nehmen würde, sicher nicht ausreichen würde. Freudestrahlend lächelte ich meine Schwester Torquata an. Dann hatte sie es wohl auch unbeschadet nach Rom geschafft.

    Und da wollte ich mir Ärger vor der Unbekannten ersparen und dann so etwas. Da bin ich wohl in ein riesiges Fettnäpfchen getreten. Jetzt, nach genauerem und erschrockenem Hinsehen war es tatsächlich nicht der Tribun, der im Officium war, sondern der Cornicularius. Peinlich! Zeitgleich merkte ich, wie ich wohl im Gesicht rot anzulaufen begann. Doch zurück zum Gesprochenen.


    Stimmte es, was der Mann da sagte? War meine Schwester wirklich hier? Schnell wendete ich den Blick wieder auf das Mädchen. Langsam ging ich ein paar Schritte näher auf sie zu und musterte sie von oben bis unten- und das zwei mal. Mein Blick blieb auf ihrem Gesicht hängen. Diese Augen. Ja, diese Augen waren wohl im ganzen Imperium einzigartig.
    "Torquata! ...", sagte ich leise. Mir fehlten die Worte, so war ich von diesem Augenblick überrascht. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber mit meiner Schwester- niemals! Umso größer überkam mich nun die Freude. Ein breites Lächeln umspielte meine Lippen.
    "Ja, das ist meine Schwester Iulia Torquata.", meinte ich über die Schulter an den Offizier gewand.
    Wie lang war es schon her, seit ich sie das letzte mal gesehen hatte? Ich dachte nach und versuchte mich daran zu erinnern. Es muss wohl in Misenum gewesen sein, was nun schon einige Zeit her ist.
    Ich breitete begrüßend meine Arme aus: "Schwesterchen!".

    Wie befohlen fand ich mich also im Officium des Dives ein. Etwas aufgeregt, da ich nicht den Grund kannte, weshalb ich hier erscheinen sollte, klopfte ich an die Tür und trat ein. Trotzdem hoffte ich, dass die Bedenken meiner Kameraden unbegründet waren, was den Ausgang in die Stadt morgen betraf.


    "Tiro Servius Iulius Macro meldet sich wie befohlen, Tribun!", sagte ich laut und deutlich, in strammer Haltung- wie es eben üblich war. Mein Blick haftete, wie auch schon das letzte mal, erneut wieder über Dives' Kopf an der Wand. Doch dieses mal war etwas anders!
    Aus meinen Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung war und mit einem kurzen verstohlenen Blick stellte ich fest, dass wir dieses mal nicht allein waren. Hier im Officium war noch eine weitere Person anwesend- ein Mädchen.
    Doch schnell richtete ich wieder meine Augen geradeaus, schließlich wollte ich auf keinen Fall den Tribun verärgern und schon gar wollte ich vor einer fremden Person den Tadel des Vorgesetzten über mich ergehen lassen.

    "Ich habe keine Ahnung.", sagte ich etwas irritiert. Es war nun schon das zweite mal, dass ich mich beim Tribun zu melden hatte. Wenn es dieses mal nur keinen Ärger gab. Doch wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich mir nicht erklären warum mich Dives erneut sehen wollte. Wir hatten keinen Ärger bereitet und auch so waren wir meist pünktlich und taten dass, was man uns auftrug.
    "Ich kann mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass es wegen morgen ist, aber das werde ich dann schon herausfinden, habe ich das Gefühl."
    Ich verstaute also schnell meine aus der Kleiderkammer geholten Sachen und machte mich auf den Weg ins Officium.
    "Bis später dann!", verabschiedete ich mich von meinen Kameraden, in der Türe stehend, bevor ich sie hinter mir zuzog.

    Mit der Schulter gegen die Barackenwand gelehnt beobachtete ich schweigend die Szenerie. Der sonst so besonnende Hispo sprang wie ein kleines Kind durch die Gegend und freute sich auf die Ausführung des Plans. Auch ich hatte nichts dagegen einzuwenden, auch wenn ich noch nicht so oft mit dem Genuss von Wein in Berührung gekommen bin. Mein Vater sagte immer, dass man nicht saufen können musste, um ein Mann zu sein, sondern Verantwortung übernehmen. Eine Familie führen, beispielsweise, oder erst einmal auf sich selbst aufpassen können. Aber warum sich nicht einmal was gönnen. Von seinen Freunden in Misenum hatte er auch eigentlich nur gutes von Wein gehört, es sei denn, man übertrieb es. Achselzuckend stimmte ich also den Männern zu.
    "Von mir aus können wir ein wenig die Gegend um die Castra auskundschaften, ja. Nur sollten wir uns versuchen zu benehmen- fürs erste. Oder wollt ihr gleich eine Ausgangssperre oder Latrinendienst bekommen, wenn dem Zenturio zu Ohren kommt, wie sich die Männer aus seiner Zenturie in Rom benommen haben?"
    Es war sicherlich kein Geheimnis, dass es Strafen hageln würde, wenn sie sich beim ersten mal Ausgang daneben benehmen würden und von irgendwem angeschwärzt werden würden. Immerhin war ihre Kohorte sicher nicht die Einzige, die Ausgang haben würde. Ich hatte nicht sonderlich viel Lust eine Woche lang die Latrinen zu schrubben.
    "Lasst uns ein wenig die Örtlichkeiten um die Castra herum auskundschaften und uns etwas trinken gehen.", schlug ich vor.

    In unserer Unterkunft zurück aus der Kleiderkammer grüßte ich die bereits anwesenden Kameraden und huschte in den hinteren Teil der Baracke, wo ich mein Quartier bezogen hatte. Ich verstaute mein Donativum in der schweren Holzkiste, die an meinem Bett steht. Dann machte ich mich daran meine neuen Sachen anzuprobieren. Etwas aufgeregt legte ich meine alte Tunika ab und zog die Neue an. Mensch, die passte besser als gedacht!
    Mit etwas zupfen hier, etwas zupfen dort zog ich mir das Teil zurecht. Zwar würde ich die Tunika sicher noch ein bisschen 'ausleiern', aber was soll's. Größtenteils hatte man eh seine Rüstung darüber. Ich hatte also keine Probleme mit der Tunika und machte mich an die neuen Caligae. Naja, etwas eng und klein. Ich ging ein paar Schritte und rückte immer mal wieder meine Füße im Schuh zurecht. So richtig fühlte mich darin nicht wohl. Und ich war wohl auch nicht der Einzige, der mit den neuen Sachen seine Probleme hatte. Antias, der in der Kleiderkammer vor mir dran war hatte wohl anscheinend einen Fehlgriff in der Tunika gelandet. Das Ganze sah doch schon ein wenig aus wie ein Sack, den man ihm über den Körper gezogen hatte. Der Anblick hatte schon etwas lustiges, aber das hätte genauso gut mir passieren können. Daher schwieg ich und schaute nur mitfühlend zu meinen Füßen hinab. Er die Tunika, ich die Caligae.
    "Meine Tunika passt, Antias. hmm, da haste du ja einen wirklichen Fehlgriff gelandet.", sagte ich zu dem Tiro. "Meine Caligae wollen aber auch nicht so recht ... Etwas klein."
    Etwas betrübt schaute ich zu Antias, der nun mit der Tunika herumwedelte. Ich konnte ihm also schon mal nicht weiterhelfen. Wir hatten glaube auch gar nicht die gleiche Körpergröße, von daher würde das sowieso nicht passen. Aber vielleicht konnte dem Mann ja jemand anderes aus unserer Zenturie helfen.

    "Danke, Optio!", sagte ich und griff nach dem Lederbeutel, der sich sofort meiner Hand anpasste. Trotz der Menge an Münzen, die sich darin befanden, hätte ich nicht gedacht, dass der Beutel so ein Gewicht aufweist. Leicht schmiegten sich die Münzen in meiner Handfläche. Wie lange hätte ich nur Dienst schieben müssen, um diese Summe zusammen zu haben? Und nun hatte ich sie mit einem male in meiner Hand. Schnell unterschrieb ich auf der Wachstafel in meiner Zeile, dass ich das Donativum erhalten hatte und wandte mich nach einem letzten Kopfnicken vom Optio ab, zum besagten Legionär, der meine Tunika und Schuhe bereits bereit hielt. Ich marschierte mit dem Lederbeutel in der Linken an der noch recht langen Schlange entlang und war mir sicher, dass mir andere Tirones neidische Blicke zuwarfen. Wohl zum einen, dass ich bereits an der Reihe gewesen bin, zum anderen, dass ich nicht mehr in der langen Schlange verweilen musste.
    Beim Legionär angekommen, wurden mir schon meine Sachen entgegengehalten. Wohl wollte auch dieser Mann nicht unnötig weiter Zeit verschwenden. "Dank!", an den Soldaten und dann schnell raus da. Mit meinen neuen Sachen unter dem Arm machte ich mich schnell auf den Weg zu unserer Baracke, um zu schauen, ob die Sachen auch wirklich passten- ansonsten hatte ich wohl ein Problem.

    Nachdem Germanicus Antias sein Donativum erhallten hatte, war ich nun endlich an der Reihe. Obwohl es recht zügig voran gegangen war, kam mir die Zeit, in der wir hier standen doch wie Stunden vor.
    Antias verließ mit einem freudigen Lächeln auf den Lippen den Tresen. Jetzt war ich an der Reihe! Ich trat zwei Schritte vor und machte in strammer Haltung Meldung.


    "Tiro Servius Iulius Macro! Dritte Zenturie, zwölfte Kohorte!"

    Schweigend lauschte ich den Worten des Tribun. Die Angelegenheit, die Dives und Aemilius angingen, hatten mich recht wenig zu interessieren, von daher schwieg ich. Aber natürlich hatte Dives auch recht- wenn er schon ein Schreiben aufsetzte, dieses auch Beachtung finden sollte. Aber wie gesagt, dies ging mich direkt nichts an, auch wenn es um die Einheit ging, in die ich kommen sollte.
    "In der Tat, ich bin in der zwölften Kohorte. Dort bin ich in der dritten Zenturie eingeteilt.", meinte ich zu Dives, als er sich nach meiner momentanen Truppe erkundigte, auch wenn es für ihn wohl ehr keine Frage, sondern viel mehr eine Feststellung war. Trotzdem wollte ich ihn in seiner Annahme noch einmal bestätigen.


    "Ich danke dir!", sagte ich mit einem Lächeln zu Dives, als er mir unsere Situation als Tiro-Tribun & Familienmitglied erklärte. Und so wie er es sich vorgestellt hatte, nein, wie er es befohlen hat, so soll es auch geschehen. Ich war vollkommen zufrieden damit, dass ich bei Fragen mich an ihn wenden konnte, aber wenn wir außerhalb der vier Wände seines Officums waren, ich ihn als 'Tribun' anzusehen hatte. Ich wollte natürlich nicht von Dives bevorzugt werden, nein. Schon gar nicht vor meiner Einheit. Dies würde letztendlich eh nur zu Zwist und Streit untereinander führen. Ich wollte mich nicht als etwas besseres sehen, sondern lediglich wie jeder andere Tiro auch behandelt werden.
    "Ich bin ganz deiner Meinung, Dives.", meinte ich in freundschaftlichen Ton und weniger eines Soldaten. Immerhin waren wir jetzt untereinander. "Ich bin froh, dass wir beide der selben Auffassung sind. Keinesfalls möchte ich in irgendeiner Weise bevorzugt werden. Das wäre zum einen nicht fair den anderen gegenüber und auch mir persönlich wird damit kein Gefallen getan. Immerhin möchte ich die Ausbildung und alles danach ohne fremde Hilfe erfolgreich meistern. In der Schlacht, naja, viel mehr im Ernstfall stet dann auch kein Dives neben mir und bringt mich durchs Leben. Du verstehst was ich meine?", fragte ich meinen Vorgesetzten, aber ich war sicher, dass er mit mir auf einer Wellenlänge war.
    Schlussendlich war für mich eigentlich alles geklärt. Fragen hatte ich bis dato noch keine oder sie fielen mir gerade nicht ein, was darauf schließen würde, dass es keine wichtigen Fragen waren. So rückte ich den Stuhl nach hinten, erhob mich und nahm Haltung an.


    "Nein, Tribun. Keine Fragen meinerseits!", sprach ich nun wieder laut und im Ton eines Soldaten, doch war ich mir sicher, dass mir trotzdem ungeschickter Weise ein Lächeln über die Lippen gehuscht war. Dies wäre dann wohl auch vorerst das letzte Zusammentreffen der beiden Iulier gewesen ging es mir durch den Kopf. Aber man konnte sich ja auch täuschen.

    Ziemlich unsanft wurde ich aus meinem eh schon nicht gerade ruhigsten Schlaf gerissen. Die Betten der Legionen in ihren befestigten Lagern waren weit aus besser als die draußen im Felde, trotzdem waren sie ziemlich gewöhnungsbedürftig. Nachdem man uns dann mitgeteilt hatte, dass unsere Ausbildung beginne, sprang ich mit einem leichten Seufzen aus dem Bett. Schnell legte ich meine Tunika an und zog darüber meine Rüstung, die noch immer in sauberem Zustand war- so fand ich zumindest. Mit größter Eile band ich die Schnüre der caliga zusammen und bat einen Tiro, der ebenfalls in meiner Kohorte ist meine Rüstung hinten zu verschließen. Nachdem mir der Mann geholfen hatte, tat ich es bei ihm gleich und schnürte die Rüstung auf seinem Rücken zusammen, so das sie nicht zu eng war, aber auch nicht verrutschen konnte. Dann dankte ich ihm noch einmal mit einem Nicken und ich machte mich auf dem Weg, während sich der Tiro die Schuhe zu band. Der Hall der eisenbeschlagenen Schuhe, die wir trugen hallte von den Wänden der Baracke wider. Trotz der Hektik und Eile, die hier ausgebrochen war, seit der Offizier die Tür aufgestoßen hatte. Ich schlängelte mich durch die Reihen der Männer, die noch dabei waren sich anzukleiden und ihre Waffen zusammen zu suchen und trat ins Freie.
    Die Luft war noch kühl., sodass sich sogleich bei mir auf den Armen die Häarchen aufstellten. Der Tau hatte sich auf die Erde gelegt und nun alles in ein feuchtes Etwas verwandelt. Zur Seite des Barackenein- und ausganges stand ein Fass mit Wasser, dass ich immer nutzte ich mich zu waschen. So wie ich es auch heute tat. Ich legte meinen Helm nieder, den ich unter dem Arm geklemmt hatte und nahm eine Hand voll Wasser und klatschte es auf mein Gesicht. Dies zwei, drei mal und man war hell wach. Zum Schluß fuhr ich mit meinen Händen kurz durch mein Haar, um dies auch ein wenig in Position zu bringen, was zwar unter dem Helm sinnlos war, aber so fühlte ich mich besser und hastete dann anschließend auf den Exerzierplatz, als mir endlich wieder bewusst wurde, dass schon einige meiner Kameraden dorthin unterwegs waren. So rannte ich den Männern meiner Kohorte nach und fand mich nach kurzer Zeit auf dem eben gesagten Platz wider. Schnell verband ich den Helmriehmen und blickte mich um, nachdem auch mein letztes Rüstungsteil fest saß.


    Dann erschien der Centurio, wie man nur unschwer überhören konnte. Schnell stellten wir uns wie gefordert in einer Linie auf und achteten darauf, dass es auch wirklich eine Linie wurde und ein einheitliches Bild ergab. Vorsichtig schaute ich zu den beiden Tironen neben mir, um ja nicht außerhalb der Reihe zu stehen. Gut, soweit so gut. Dann noch Haltung annehmen- den Blick gerade aus, stramm stehen und ja keinen Mucks von sich geben. Jetzt begann das Militärleben mit all' seinen Plakereien.

    Auch ich stand- selbstverständlich wie befohlen -auf dem Appelplatz. Meine Rüstung, sowie Gladius, das in der Scheide steckte, und Schild hatte ich am gestrigen Tag noch einmal auf Hochglanz poliert. Wenn ich bis jetzt bereits eines gelernt hatte: Sauberkeit und Ordnung war in der Armee unabdingbar. Zwar hatte ich damit durchaus keinerlei Problem, nur war der Grad der Penibelität doch schon arg hoch angesetzt. Aber da musste man durch!
    So stand ich nun in meiner noch recht neuen Ausrüstung bei meiner neuen Einheit, der XII. Urbanerkohorte. Und mit Stolz stand ich hier. Immerhin hatte ich es bis hierher geschafft, was nicht das Normalste von der Welt war. Nichtsdestotrotz machte die Warterei einen noch verrückt. Ein bewegte den Kopf ein wenig, um das Lederband meines Helmes zu lockern, dass gegen mein Kinn drückte. Und auch der Stoff meiner Untertunika kratzte noch unabdinglich. Am schlimmsten war es, wenn einem der Schweiß den Rücken herunter lief. Aber was nutzte es zu meckern und maulen? Ich war jetzt schließlich ein Urbaner und Urbaner beschweren sich sicherlich nicht über die juckenden Stoffe unter der Rüstung. Man hätte ihn wohl dafür ein Leben lang ausgelacht. Nein, ein Urbaner beschwerte sich nie! Er führte die Befehle aus, die ihm aufgegeben wurden und stellte nichts in Frage- das war das Legionärsleben.
    Dann tat sich endlich etwas! Und lauter Ruf erklang über den Platz und im selbigen Augenblick betrat der Tribun das Holzpodium, von dem aus Reden gehalten wurden.


    Sofort machte ich mich steif, reckte meine Brust heraus und stützte mich auf meinen Schild, der vor mir auf dem noch kühlen Erdboden stand. Alle Muskeln angespannt lauschte ich der Rede des neuen Tribun. Zwar hatte er das gleiche Blut wie ich in den Adern, doch wollte ich nicht wirklich, dass das hier eine Rolle spielen sollte. Ich wollte wie auch jeder andere Legionär behandelt werden- ohne Bevormundung. Trotzdem konnte ich es nicht vermeiden Dives zu mustern. Wie immer machte er einen äußerst eindrucksvollen Eindruck. Seine Rüstung glänzte und schien schon allein die Welt durch ihren Glanze zu erhellen. Wie schaffte man es nur immer wieder so zu glänzen- und das nicht nur äußerlich. Auch seine Redekünste zeugten von doch einem Talent, dass ihm vielleicht schon in die Kindesschale gelegt wurde. Zumindest hatte ich ziemlichen Respekt vor seinen Fähigkeiten des Dives und natürlich noch größeren Respekt vor seinen Fähigkeiten als Tribun. Nicht ohne Grund würde er sonst dort vorn stehen und zu seiner Kohorte reden.
    Gespannt verfolgte ich die Worte und sog sie förmlich in mir auf. Die Worte hatten etwas eigenartiges an sich. Irgendwie fühlte ich mich mit jedem Wort mehr zu den Männern hier verpflichtet und jeder Satz entfachte mehr und mehr eine Flamme in mir. Als der Tribun geendet hatte und ein lauter- man konnte es fast Schlachtruf nennen -los brach, machte mein Herz einen Sprung und ein Kribbeln durchfuhr meinen ganzen Körper.
    "Für den Praefectus! Für den Augustus! Für Roma!", stimmte ich mit ein und achtete darauf, dass ich einigermaßen im Takt mit den anderen blieb. Dabei schlug ich mit meinem Gladius, den ich eben gezogen hatte, auf den Rand meines Schildes und stampfte gleichmäßig auf den Boden.

    Mit einem freudigen Lächeln zog ich einen der Stühle etwas vom Tisch ab, um mich besser setzen zu können. Ich war froh mal wieder ein bekanntes Gesicht zu sehen.
    "Ich danke dir, Tribun!", sagte ich mit einem Nicken zu Dives, als ich mich setzte. Nun saß ich Dives gegenüber, der zurückgelehnt in einem Stuhl Platz gefunden hatte. Wie ich fand, sah er doch recht zufrieden und glücklich aus.
    "Du hast recht Dives ... ähm, ich meine Tribun!" Schnell korrigierte ich mich, denn ich war schon wieder drauf und dran zurück in den alten Plauderton zu fallen. Doch diesen hatte ich mir nun abzugewöhnen- hier nun also die beste Übung dafür. "In der Tat, lang ist unser letztes Treffen her.
    Nun, was meinen ersten Eindruck betrifft ..."

    Ich legte eine kurze Pause ein und überlegte einen Moment wie ich die ersten Tage hier erlebt hatte. Natürlich war das hier ein vollkommen neues und anderes Leben, als das vor den Mauern des Castra. Es herrschte ein strenger Ton und Befehle musste ohne Infragestellung und sofort ausgeführt werden. Nichts wurde praktisch dem Zufall überlassen und es gab immer eine strenge Richtlinie, die man zu verfolgen hatte. Angefangen beim Dienst, über die Exzerzierübungen bis hin zu normalen alltäglichen Sache wie den Nachtplatz am Morgen ordentlich zu hinterlassen.
    "Es war anfangs natürlich etwas gewöhnungsbedürftig, wenn man erst tun und lassen konnte, was man wollte. Aber damit kann, und werde ich, gerne leben können. Ich fühle mich hier wohl, Tribun. Was den besagten Optio betrifft, Tribun, so möchte ich sagen, bin ich dem Mann noch nicht begegnet. Ich hoffe doch, dass dein Brief Beachtung gefunden hat.", sagte ich abwehrend.
    So richtig wusste ich nämlich noch nicht einmal welcher Einheit ich angehörte- zumindest hatte sie mir niemand genannt. Und den Optio hatte ich auch noch nicht zu Gesicht bekommen. Hoffentlich, nein, vielleicht könnte sich Dives der Aufgabe noch einmal annehmen und herausfinden wohin ich gehörte.

    Während ich darauf wartete, dass ich empfangen werden würde überschlugen sich meine Gedanken. Zuerst hatte ich einen Optio sind der "Bürgersprache" begrüßt, dann wurde mir gesagt, ich sei beim Tribun geladen und nun wartete ich vor dem Arbeitszimmer des Iulius Dives, einem Verwandten, der mich in der Casa Iulia empfangen hatte. Es war ein eigenartiges Gefühl zu wissen, dass auf der einen Seite des Tisches ein Blutsverwandter stand, aber auch gleichzeitig der Vorgesetzte, den man stets mit Respekt und einer gewissen Vorsicht zu genießen hatte. Wie sollte ich Dives entgegen treten? Als Verwandter oder Soldat? Ich beschloss letzteres. So würde ich ihm sofort zeigen, dass ich mit meiner Laufbahn hier fest entschlossen war alles zu geben und zum anderen wollte ich nicht den gleichen Fehler wie eben begeben. Wobei mir immer noch nicht klar war, woran ich den Cornicularius hätte erkennen können und sollen. Egal.
    Als sich die Tür öffnete, und der Optio mit einer knappen Bewegung zum eintreten bewegte, zupfte ich meine Tunika zurecht, die ich trug, wenn ich keinen Dienst hatte. Hätte ich gewusst, dass ich beim Tribun der Cohortis Urbanaer vorsprechen müsse, hätte ich natürlich meine Rüstung angelegt. So ist mir jedoch keine Zeit geblieben und ehrlich gesagt, hatte ich daran zu diesem Zeitpunkt auch überhaupt keinen Gedanken daran verschwendet.
    Ich trat also in das Arbeitszimmer des Tribun, trat die Hacken, ein paar Schritte vor dem Tisch des Dives, zusammen und nahm Haltung an.
    "Tiro Servius Iulius Macro meldet sich wie befohlen, Tribun!", sagte ich laut und deutlich- die Augen irgendwo auf einen Punkt an der Wand vor mir gerichtet. Innerlich hoffte ich dieses mal keinen Fehler begangen und auch nichts vergessen zu haben. Doch freute ich mich genauso viel meinen Verwandten zu sehen, mit dem Wissen, dass er mein Vorgesetzter- im gewissen Maße -ist.
    Inwieweit das nun gut oder schlecht für mich war, konnte ich mir bis dahin noch nicht vorstellen.

    Leicht erschrocken über den Besuch, zumindest über den Rang des Mannes, denn dieser musste recht hoch sein in Anbetracht seines Auftretens trat ich, wie befohlen, vor. Ich bahnte mir einen Weg durch die Männer, die nun eine Art Spalier gebildet hatten. In der Baracke herrschte nun vollkommene Ruhe und alle beobachteten das Schauspiel zwischen dem Neuankömmling und mir.
    "Tiro Servius Iulius Macro meldet sich wie befohlen!", salutierte ich in strammer Haltung, um meinen Fehler wieder gut zu machen beziehungsweise zu lindern.
    Es konnte doch niemand wissen, dass ein hochrangiger Mann jetzt schon nach mir verlangte. Nun gut, jetzt war es so und mein Auftreten war nicht das Erwartete. Ab jetzt wusste ich jedoch auch, dass sobald mein Name erklingt, sage ich diese acht Wörter auf. Dann war ich schon einmal auf der sicheren Seite und ich lief nicht auf Gefahr mich vor den anderen Legionären zum Gespött zu machen.
    "Verzeih' mir meine Unaufachtsamkeit, Herr.", fügte ich noch leise, fast flüsternd, hinzu.
    Hätte ich gewusst, dass ein Offizier nach mir verlangt, hätte ich mich selbstverständlich entsprechend gemeldet, aber ich war schier zu überrascht.

    In meiner Baracke war einiges los. Vor ein paar Minuten ist eine Kohorte der Urbaner, mit der wir hier untergebracht waren. Laut redend wuselten die Legionäre durch die Gegend und werteten den heutigen Tag aus. Erst gestern war ich hier eingetroffen. Zu meinem Glück hatte ich ein Bett erwischt, dass nicht belegt war und so konnte ich meine Sachen dort lassen, wo ich sie verstaut hatte. Bekanntschaften konnte ich jedoch noch keine knüpfen. Die Kohorte, die eben erst- vor ein paar Minuten -die Baracke betreten hatte war zumeist unterwegs, sodass ich noch keine größere Gelegenheit finden konnte, mich näher mit den Männern vertraut zu machen.
    So saß ich nun auf meinem Bett und polierte mit einem Wolltuch mein Gladius. Zwar war es sauber, aber mir fiel nichts besseres ein. Vielleicht würde ich nachher noch meine Rüstung ein bisschen auf Vordermann bringen. Ich hauchte erneut die Klinge des Kurzschwertes an und polierte die Stelle mit meinem Tuch. Ab und an schaute ich verstohlen über die Schulter, um zu schauen was die Anderen machen, aber die quatschten und lachten noch immer über irgendwas, was wohl heute beim Dienst passiert sein muss.
    Plötzlich glaubte ich meinen Namen gehört zu haben. Nein, ich glaubte es nicht nur, sondern ich war mir ziemlich sicher. Irgendwer hatte meinen Namen gerufen!
    Ich legte das Schwert neben mir auf das Bett und erhob mich. Mein Blick huschte durch die Baracke, dorthin von wo ich glaubte meinen Namen gehört zu haben. Auch einige Legionäre hatten ihre Köpfe gewendet und waren in ihrer guten Laune unterbrochen.
    "HIER!", rief ich mit lauter, fester Stimme, damit mein Wort auch ja nicht in der Masse untergeht.
    Gespannt wartete ich auf denjenigen, der nach mit gefragt hatte. Was wollte man nur von mir? Ich war doch erst ein paar Tage hier. Etwas aufgeregt reckte ich den Kopf in die Höhe, um besser sehen zu können, wer nach mir verlangte.

    Mit meinem neuen Gepäck aus der Waffenkammer kommend, öffnete ich langsam, unter einem leichten Knarren, die Tür zu den Unterkünften, zu der ich gewiesen wurde. Der Lichtstrahl schoss an mir vorbei, ins Innere der Baracke. Nach drei Schritten fand ich ich im Innern wider. Der Boden bestand aus einfachen Holdielen, ebenfalls die Wände. Das Tageslicht drang nur durch kleine Fenster hinein, sodass es doch, trotz der grellen Sonne draußen, im Innern der Baracke dunkel war.
    Ich musste ein paar mal blinzeln, bevor sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ich stand nun in einem langen Raum, der mit Betten, Kisten und Schränken bestückt war. Zwar waren die Möbel wohl augenscheinlich nicht die Neusten, aber soviel hatte ich eh nicht vorgehabt, mich hier aufzuhalten.


    In der Mitte war ein schmaler gang, der von der Tür bis in den hinteren Teil des Gebäudes führte. Langsam schritt ich den Gang entlang, die Lanze mit dem Bündel über der Schulter und den Gladius in der linken Hand. Der Raum war vollkommen verlassen- für den Moment. Ein paar Betten sahen so aus, als wären sie vor nicht langer Zeit benutzt worden, doch größtenteils sahen die Betten alle gleich gemacht aus.
    Ich hatte vor mir eines im hinteren Teil des Gebäudes zu suchen. Ich mochte es nicht gerade direkt in Greifweite der Türe zu schlafen. Langsamen Schrittes und mich umsehend schritt ich also nach hinten, bis ich ein Bett erreicht hatte, dass unbenutzt aussah. Sollte ich mit meiner Annahme daneben liegen, würde ich mir hier wohl nicht die ersten Freunde bereiten. Ich legte meine Sachen ab, verstaute das zeug, was ich nicht brauchte in der Kiste vor dem Bett und nutzte den Beutel als Kopfkissen. Ich schmiss den Sack auf das Bett, stemmte die Hände in die Hüfte und sah mich noch einmal genau um.
    Die war nun also meine neue Heimat ...