Beiträge von Didia Servilia

    Ich hörte Hetepheres zu. Als sie von dem Ereignis begann zu erzählen, brach ich zusammen und suchte Trost in ihren Armen.
    Nachdem ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, fragte ich


    Wer ?, wer, Hetepheres ? Weißt du wie sie aussahen ? Woher sie kamen ?

    Nachdem wir uns eine Zeit lang in den Armen lagen, richtete ich mich auf, um Hetepheres den Grund meines Kommens zu sagen.


    Hetepheres, sicherlich weißt Du, warum ich den weiten Weg von Rom nach Alexandria auf mich genommen habe. Es geht um das Verschwinden meiner Mutter. Seit diesen Tage habe ich kein Auge zugekriegt, ohne an sie zu denken. Der Gedanke ihres Verschwindens quält mich sehr.
    Ich habe mich deswegen entschlossen, die Spur dort aufzunehmen, wo sie verloren gegangen ist.


    Du, Hetepheres, hast damals die Tragödie mitbekommen, als du anschließend sofort nach Hause kamst und davon berichtest. Kannst du dich erinnern und mir erzählen, wie es sich zugetragen hat ?

    Hetepheres, meine gute, alte Amme. Wie lange ist es her gewesen, dass wir uns sahen !


    Ich war sprachlos und emotional überwältigt. So viele Gedanken schossen mir durch den Kopf, soviele Fragen hatte ich, aber meine Lippen brachten keinen Laut hervor. Eine kleine Träne der Freude kullerte über meine Wange.

    Als ich an der Tür zu diesem Haus klopfte, war ich nervös. 'Wohnte sie überhaupt noch da ? War sie noch am Leben ?' Ich wartete. Es passierte nichts. Eine Stadtwache marschierte an uns vorbei. Das Scheppern und Klirren der Rüstung schreckte eine Katze auf. Ich klopfte erneut. Dann vernahm ich Schritte. Sie gingen zur Tür und wurden lauter. Von drinnen schob jemand einen schweren Riegel beiseite. Dann öffnete sich die Tür. Krixos stand einige Schritte hinter mir wie es sich für einen Sklaven gehörte. Im dunkeln Schatten des Raumes erkannte ich die Umrisse einer Gestalt. In einem kräftigen, etwas säuerlichen Ton, sprach sie


    Wer seid ihr und was wollt ihr ?!


    Ich erkannte die Stimme sofort und trat in die Dunkelheit des Eingangsbereichs. Dabei nahm ich mein Cape von meinem Kopf.


    Hetepheres ! Bist du es ? Ich bin es, Servilia !


    Doch die Frau, soviel erkannte ich schon, guckte skeptisch. Ihr Gesicht war ausgezerrt und dünn. Das Alter und die Armut hatten sie gezeichnet. Sie guckte mich ungläubig an. Ich guckte sie besorgt an. 'Kannte sie mich gar nicht mehr ? War sie es überhaupt ?!
    Sie schien mich zu mustern, sie berührte mich mit einer Hand am Hals. Die Hände waren kalt und sie hatte kaum genug Kraft den Hal zu halten. Ihre Augen wanderten prüfend über meinen Hals. Mir wurde das unangenehm. Krixos wollte schon auf sie zu gehen, als sie mich plötzlich losließ. Sie schien gefunden haben, was sie suchte. Ich tastete meinen Hals ab, um zu fühlen, was sie gesucht hatte. Ich spürte nur ein Mal, daß ich dort schon seit meiner Geburt hatte. Dann führte mich die Frau ins Haus.


    Die Inspektion durch das römische Schiff hatte keine Probleme ergeben. Ich war erleichtert gewesen, als der Kapitän das Zeichen gab, die Reise fortzusetzen. Wir nahmen wieder Fahrt auf und das Schiff der römischen Flotte wurde im Horizont hinter uns immer kleiner bis es ganz verschwunden war.
    Die Tage vergingen ziemlich schnell und wir kamen gut voran. Ein kräftiger Wind schob das Schiff kräftig an und bis auf ein einzigesmal in der Nacht blieb das Wetter ruhig. Es hatte gestürmt und geregnet und ich wurde in meiner Koje hin und her geworfen, wovon ich mir zahlreiche blaue Flecken holte. Ich hatte kein Auge zu getan und hoffte nur, der Meeresgott würde uns verschonen. Krixos hatte ein Deck unter mir gelegen und er erzählte mir wie die Wellen gegen den Bauch des Schiffes schlugen, erzeugte es einen unglaublichen Lärm.
    Über Deck zog und zerrte die Mannschaft an den Seilen und versuchte mit aller Kraft die Segel einzuholen. Dabei spritzte ihnen die Gischt unaufhörlich ins Gesicht. Der Geschmack von Salz lag in der Luft und auf der Zunge. Der Kapitän stand regungslos und standhaft auf der Brücke und trotzte den Windböhen und den Wellen. Sein glattes und elegantes Haar tanzte im Wind und zerzauste seine Frisur. Der Steuermann stimmte freudig erregt ein Kampflied an. Seine Augen funkelten. Man konnte den Wahn in seinen Augen deutlich erkennen.
    Ich verstand nur ein paar Brocken, aber das Lied muß ungefähr so geklungen haben.


    Neptun, Herrscher der Meere !
    Neptun, mein teuerster Feind !


    Im Kampfe trotze ich Dir,
    bei Wind, Wetter und Wellen !


    Komm her, verwegene Gestalt
    und nimm mich, aber nicht ohne Gewalt !


    Es war eine furchtbare Nacht. Ich lag, eng zusammengekauert, in meiner Koje. Aber Neptun hatte ein Einsehen und beendete diesen schrecklichen Sturm. Als ich am nächsten Morgen an Deck kam, bot sich mir ein Bild der Verwüstung. In eines der Segel hatte der Sturm ein großes Loch gerissen und einige der Matrosen saßen an Deck und flickten es, während ein guter Westwind das Segel wie ein letztes Aufbegehren herumflattern ließ und die Arbeit der Seeleute erschwerte. Überall auf dem Deck lagen Seile und abgesplitterte Schiffsteile. Aber schon am gleichen Tag, nachmittags, konnte unsere Reise ohne Probleme weitergehen. Mein gesundheitlicher Zustand hatte sich immer mehr verbessert je weiter südlich wir kamen und schließlich brauchte ich auch nicht mehr die Medizin nehmen und konnte Lukos in der Kombüse wieder unter die Arme greifen. Der arme Kerl hatte während meiner Rehabilitation alles alleine machen müssern.


    Jetzt blickte ich aus dem kleinen Bullauge aus der Kombüse und erkannte schon den Leuchtturm der Insel Pharos. Ich merkte wie sich das Klima veränderte. Die Luft schmeckte hier ganz anders und ich nahm einen tiefen Zug.
    Wir waren in Aegyptus.

    Ich merkte wie wir unsere Fahrt verringerten. Die Segel wurden gegen den Wind gestellt und das Schiff verlangsamte seine Geschwindigkeit bis es irgendwann nur noch von den Wellen des Meeres auf und ab schaukelte. Von dem anderen Schiff kam ein kleines Ruderboot auf uns zu. Darin saßen ein höherer Offizier, ihn erkannte man an dem flatternden Umhang und dem Federbusch auf dem glänzenden Helm, und einige Ruderer, sowie zwei weitere Soldaten. Die Matrosen an Bord ließen eine Strickleiter die Schiffswand hinab und der Kapitän kam aus seiner Kajüte, nachdem ihm einer der Männer Bescheid gesagt hatte. Er ging hinunter zum Deck, um die Gäste in Empfang zu nehmen. Dabei sprach er etwas zu einem Matrosen so schnell, daß ich nicht hinterherkam, es mir zu übersetzen.
    Das kleine Beiboot dockte an der Schiffswand an und ich hörte das Klopfen gegen die Schiffswand, als die Besatzung hinaufkletterte.

    Krixos stand an der Reling mit dem Oberkörper vorn hinüber gebeugt und bemühte sich die Schiffswand von Algen und anderem Grünzeug zu befreien. Diese Art von Belag war nicht gut für ein Schiff. Es zerstörte das Holz und machte es morsch.
    Die letzten Tage ging es mit meiner Verfassung wieder bergauf. Lag es an der Brühe des Arztes oder an der Tatsache, das wir uns südlicheren Gefilden näherten, aber nachdem ich die ersten Tage seit unserem nächtlichen Aufbruch noch im Bett verbracht hatte, konnte ich jetzt wieder für einige Stunden aufstehen und auf dem Seck spazieren gehen. Ich wollte mich behilflich machen, hatte ich doch Lukos für lange Zeit im Stich gelassen, aber der Kapitän persönlich verordnete mir Ruhe. Seit diesen Tagen, wenn immer ich auf dem Deck entlang ging, hatte ich das Gefühl der Steuermann blickte noch grimmiger und säuerlicher drein, als er es sowieso schon tat. Ich versuchte ihn zu ignorieren, so gut ich konnte.
    Die Tage als ich ans Bett gefesselt war, kam Krixos beinahe jeden Abend zu mir in die Kajüte. Er spendete mir Trost und erzählte mir von seinen Abenteuern bevor er als Sklave in die Casa meines Onkels kam. Es war faszinierend ihm zuzuhören und ich war froh, daß er bei mir an Bord war.
    Wenn ich über die Planken des Schiffes schlenderte, spürte ich den Wind, der durch mein langes Haar fuhr. Wir kamen schnell voran. Ich konnte nicht sagen, wo wir jetzt waren. Ich war ein junges Mädchen und hatte von Cartographie keine Ahnung, aber wir mußten bereits ein gutes Stück der Strecke hinter uns gebracht haben.
    Die Fahrt verlief sehr ruhig. Wir begegneten kaum anderen Schiffen, erst recht nicht Schiffen der römischen Flotte.
    Doch dann eines Tages meldete der Matrose im Ausguck, daß sich ein Schiff aus entgegengesetzter Richtung uns näherte. Es war ein römisches. Das konnte man an dem Segel erkennen. In Syracus hatte ich viele solcher Bauart gesehen. Es kam auf uns zu.

    Ich lag die ganze Nacht wach in meiner Kajüte und konnte nicht einschlafen. Mir war heiß. Ich blickte duch das winzige Bullauge hinaus auf die Hafenausfahrt. Es mußte so um die sechste Stunde nach Mitternacht gewesen sein. Allmählich wurde es heller und ein grauer Schatten lag über dem Hafen, dem Meer und den Booten.
    Es war ganz still, beinahe eine gespenstische Ruhe. Es war so leise, daß man das Klatschen der Wellen an die Außenwand des Schiffes vernehmen konnte. Und weit weg hörte man wie sich die kleinen Wellen an den kleinen Fischerbooten brachen, die zu so früher Stunde hinaus segelten. Ich dachte an Aegyptus, an den Lärm und den Trubel von Alexandria. Diese Stadt hatte ein ganz besonderes Flair. Ich schmeckte die Luft, die aegyptische Sonne. Würde ich jemals diese Sonne, dieses Land wiedersehen ?
    Ich wußte es nicht. Doch während ich so in eine melancholische Grundstimmung verfiel, hörte ich von draußen vom Deck laute Rufe, anschließend trampelten zig Füße auf den Holzplatten des Oberdecks. Es wurde wild hin und her gerufen, Seemannslaute, die ich nicht verstand. Dann gab es einen Ruck. Das Schiff bewegte sich. Die Leinen waren losgemacht. Das Knarren des Ruders war zu hören und das Schlagen des Segels.
    Langsam bewegte sich das Schiff. Ich konnte aus meiner Kajüte durch das Bullauge erkennen, wie sich die Landschaft vor meinem Auge verschob. Die Hafeneinfahrt verschwand aus meinem Blickfeld und andere große Segelschiffe tauchten auf. Der hintere Teil der Hafenanlagen wurde sichtbar. Ich konnte es nicht glauben. Wir machten uns tatsächlich auf die Reise. Hatte Merkur mein Gebet erhört ? Langsam drehte sich das schwerfällige Schiff vom Pier weg. Ich war erleichtert und froh und dankte allen Göttern dafür.
    Ich dachte sogleich an Krixos. Wo würde er sein ? Seit ich ihn gestern abend damit beauftragt hatte, die Nachricht an Falco und Liliana abzuschicken, hatte ich ihn nicht mehr gesehen.


    Ein ermüdeter und heruntergekommener Sklave trat vor ein umso edleres und glänzendes Haus. Was hatte er hier gewollt.
    Er klopfte an der großen nußbraunen Eingangspforte und hinterließ bei Ianitor einen Brief für den Hausherrn. Er war wohl gerade nicht da.



    An
    Marcus Didius Falco und Didia Liliana
    Casa Didia
    Roma


    Von
    Didia Servilia
    Syracusae



    Salve Falco und Liliana,


    ich schreibe euch, um euch nicht in der Ungewissheit zu lassen, was mit mir passiert ist seit jenem Abend, als ich mich heimlich aus dem Haus geschlichen und auf einem Segler nach Aegyptus gelandet bin. Ich hoffe, ihr vergebt mir für mein Handeln und euer Groll ist ein wenig verraucht.


    Ich befinde mich jetzt schon drei Tage auf dem Meer. Der Kapitän sagte, daß mir morgen Syracusae erreichen wollen. Krixos ist bei mir. Aber das habt ihr euch bestimmt schon gedacht, als er plötzlich weg war. Er ist mir heimlich gefolgt auf das Schiff und sitzt zur Zeit unter Deck in den Vorratsräumen. Ich habe Angst vor der Reaktion des Kapitän. Was, wenn er ihn ins Meer schmeißen wird ?


    Ich werde mich hoffentlich bald wieder melden.
    Vale


    Didia Servilia

    Ich blickte auf. Krixos stand neben mir. Seine Stimme klang so warm und einfühlsam.


    "Mir dreht sich alles. Ich schwitze. Ich koche. O' es quält mich so. Warum kann es nicht aufhören ? Sag' mir, Krixos, was hat der Medicus gesagt. Werde ich wieder gesund werden ?"


    Ich schaute Krixos lange und tief an, berührte seine Hand. Sie war sanft und weich. Ganz anders als man sie sich vorstellen möge, wenn man ihn so sieht. Ein verwegener und rauher Kerl, gezeichnet durch harte Kämpfe. Jemand, der Römer getötet hatte, aber doch im Inneren einen weichen und liebevollen Kern hatte. Aber hatte nur getötet, um sich zu verteidigen, sich und seine Familie, sein Heim und Gut.
    Aber er hatte alles verloren. Und jetzt war er hier. Auf einem fremden Schiff, in einer fremden Stadt, völlig mittel-und rechtelos. Da fiel mir ein, daß es Krixos viel schlechter gehen mußte. Er hatte alles verloren. Sein Heim, seine Heimat. Seine Familie, Frau und Kinder. Und ich ?
    Ich hatte meine Mutter verloren. Aber ich hatte immernoch meinen Onkel und seine Tante. Einen Ort, wo ich geborgen war. Ich hasste mich aufeinmal, fühlte mich egoistisch.
    Ich sah wieder in die Augen dieses Mannes, der von außen stark und tapfer war, aber imgrunde im Inneren ein gebrochenes Herz hatte. Er war viel stärker, als ich, könnte mich dominieren und mich entführen. Stattdessen war er unterwürfig und las mir jeden Wunsch von Lippen ab.


    Krixos, würdest du mir einen Gefallen tun ? Versuch diese Nachricht von hier loszuschicken nach Rom. Es ist eine Nachricht für Falco und Liliana. Ich habe sie schon vor einiger Zeit geschrieben, als wir noch auf See waren.


    Ich reichte Krixos eine Schriftrolle und bat ihn mich alleinzulassen.
    Er tat so.

    Hinter Krixos entdeckte ich auf einmal noch einen Mann, klein mit zerzaustem Haar, den ich noch nie gesehen hatte. Er kam auf mich und schien irgendwie zu hinken. Jedenfalls schlurfte er bemüht zu mir an die Liege.
    Krixos machte etwas Platz, als er der Fremde sich daneben stellte.


    Ah, die Patientin ist wieder wach ! Lange hast du geschlafen. Das ist gut...sehr gut ! =) So wirst du das febris schnell auskurieren. Aber steh nicht auf ! Bleib liegen.


    Der Fremde, der offensichtlich ein Arzt war, fasste mit seiner Hand an meine Stirn.


    Ja..Ja...;du solltest auf keinen Fall aufstehen. Das Fieber ist schon im fortgeschrittenen Stadium.
    Ich werde jetzt gehen. Vorher trinkst du aber noch das.


    Der Medicus reichte mir eine Schale.


    Das ist Tee aus den Blüten der Esche. Das wird helfen.


    Dann drehte er sich um, nahm seine Tasche und schlurfte hinaus. Er brauchte sich an der niedrigen Eingangstür nicht einmal bücken. Dann fiel die Türe wieder zu.


    Ich sah zu Krixos. Die Tränen waren mir nahe. Was wird mit mir passieren ? Ich vergrub mein Gesicht in das Kissen. ;(

    Ich hörte ein Klopfen, ein rythmisches Hämmern gegen die Schiffswand. Es war dunkel und warm. Das Klopfen der Hämmer wurde lauter und eindringlicher. Es traf mich wie ein Blitz in meinem Schädel. Ich öffnete die Augen. Alles war verschwommen. Ich lag in einem Bett in einem dunklen Raum. Der stechende Schmerz hörte nicht auf. Ich fasste mich an meinen Kopf. Er war extrem heiß. Ich schwitzte. So langsam erkannte ich Gegenstände und Umrisse im Raum. Wo war ich ? Waren wir schon in Aegyptus ? Auf dem Schiff ? Gegenüber vom Bett war ein kleines Fenster. Draußen war es schon dunkel. Ich ließ meine Augen weiter durch das Zimmer schweifen. Da stand ein Tisch mit einem kleinen Schemel. Jemand saß an dem Tisch in gebückter Haltung. Ich konnte nicht erkennen, wer es war. Die Gestalt erhob sich. In ihrer Hand hielt sie etwas. Wasser tropfte auf den faulen Holzboden. Die Gestalt kam auf mich zu, beugte sich vorn über mich. In der Hand hatte sie einen Lappen gewickelt, der mit Wasser durchnässt war. Die Tropfen fielen auf mein Gesicht. Sie waren kalt und erfrischend. Den kalten Lappen legte er auf mein Gesicht. Im schwachen Schein des Mondes, der durch das Fenster drang, erkannte ich die Person. Es war Krixos. Was war passiert ? Wie kam ich hierher ? Wo waren wir ? Ich war außerstande zu reden. Noch immer drehte sich alles in meinem Kopf. Was ging mit mir vor ? Ich hörte wieder diese Stimmen. Sie schienen mich zu verfolgen seit ich aus Aegyptus nach Rom gekommen bin. Sie flüsterten mir zu, drangen in mein Ohr. Ich verstand sie nicht. Was wollten sie ! Ich wollte gegen sie ankämpfen, doch ich war zu schwach. Ich war zerrüttet. Ich schrie innerlich nach Hilfe, aber es wollten keine Töne nach außen weichen.
    Ich sah wieder Krixos wie er mit dem nassen Lappen in meiner Hand über meine Stirn wischte. Für einen Augenblick als Krixos mich sanft berührte, schienen die Stimmen und dieser Schmerz wie vom Erdboden ausgelöscht. Er strahlte diese Wärme und Zuversicht aus. Ihn umgab eine großem Geborgenheit.

    Ja, wir werden früh genug erfahren, wie es weiter geht. Warten wir ab, bis der Kapitän wieder an Bord ist.


    Ich schaute Krixos stumm und apathisch an, als ich plötzlich eine Stimme vernahm, die nach mir rief.
    Es war Lukos, der Koch. Ich drehte mich um und sah ihn mit dem Kopf aus der Luke hervorragen. Dann wandte ich mich wieder zu Krixos.


    Wir sehen uns später wieder. Hoffentlich geht alles gut.


    Dann beeilte ich mich, zu Lukos zu gelangen und folgte ihm in die Küche.


    (...)


    Ich stand in der engen Kombüse des Schiffes an einem Bottich mit lauwarmen Wasser und war dabei Teller und Gefäße abzuspülen. Dabei starrte ich die ganze Zeit aus dem kleinen Bullauge hinaus auf das Meer. Ich blickte zur Hafeneinfahrt. Kleine Segler passierten ununterbrochen diese Stelle. Auf den Wehrgängen der Hafenmauer kontrollierten Soldaten der Hafenverwaltung. Möwen flogen herum und ärgerten die Fischer, die ihren Fang vergeblich von den gierigen Tieren zu sichern versuchten.
    In mein Gedächtnis trafen sich tausend Gedanken. Ich schaute durch das Fenster und es war mir, als ob meine Mutter mir von draußen zuwinkte, ich solle zu ihr kommen. Noch weiter in der Ferne türmten sich auf einmal prachtvolle, große Gebäude, Tempel und pompöse Hallen. Ich sah ein mir vertreutes Haus. Die Casa meines Onkels Falco. Er stand davor zusammen mit Liliana und auch sie winkten. Ihre Münder bewegten sich, aber ich konnte sie nicht verstehen. Ihre Gesichter schienen zu sagen 'Komm wieder zurück !' und mein Kopf dröhnte, ich verspürte einen stechenden Schmerz. Ich konnte keinen Gedanken mehr fassen. Die Bilder verschwommen und verblaßten. Sie wurden immer kleiner bis sie verschwanden. Ich streckte meine Hand aus. Ich begann zu schreien. Der Schmerz ! Nein ! Ich hielt mich am Kopf. Ein Knall ! Die goldene Schale fiel aus meinen Händen und schlug auf dem Boden aus. Ich brach zusammen. Alles drehte sich. Lukos ? Irgendjemand beugte sich über mich, rüttelte mich. Wasser ! Hilfe, ich ertrinke ! Dann wurde es schwarz.

    Zitat

    Original von Krixos
    "Hast du an Land Neuigkeiten erfahren?"


    Ja Krixos. Ich entdeckte einen Aushang der Hafenverwaltung, indem von sämtlichen Fahrten nach Aegyptus abgeraten wird.


    Ich schaute ihn besorgt an.


    Wir müssen abwarten wie sich der Kapitän entscheiden wird. Vielleicht werden wir nie nach Aegyptus kommen.

    Wir steuerten auf einen Pier zu. Die Segel waren eingeholt und langsam trieben wir an die Kaimauer. Die Matrosen sprangen über Bord an Land, wickelten die riesigen Taue um die großen Poller und zogen sie mit enormer Kraftanstrengung fest an. Dann wurde eine Planke ausgefahren mit einem Geländer, über das man das Schiff betreten und verlassen konnte. Ein etwas dickerer, kahlköpfiger Mann in einer weiten Toga, in der Hand eine Schreibtafel und einen Griffel, kam an Bord. Der Syrier kam auf ihn zu und übergab ihn einen kleinen Lederbeutel mit Münzen, während der Fremde dies in seine Schreibtafel eintrug. 'Wahrscheinlich der Hafenmeister', dachte ich und sofort waren jede Menge Arbeiter am Pier und luden Waren auf das Schiff, die aus den Docks hergebracht wurden. Der Kapitän trat heraus aus seiner Kajüte, diesesmal ohne Umhang. Er trug nur eine einfache Tunika. Er beorderte zwei Mann zu sich, die ihn begleiteten als er das Schiff verließ.
    Auch ich beschloß, das Schiff zu verlassen und mich im Hafen ein wenig umzusehen. Ich ging auf der wackeligen Holzplanke und hielt mich an dem dünnen Geländer fest. Tief unter mir war das dunkle Meerwasser zwischen der Kaimauer und der Seitenwand des Schiffes. Das Schiff schaukelte und die Planke wankte. Ich blieb kurz stehen und klammerte mich an das Geländer. Dann machte ich ein paar Schritte und war auf der anderen Seite, den festen Steinboden der Hafenanlage unter meinen Füßen. Die Hafenarbeiter waren immernoch damit beschäftigt, das Schiff zu beladen. Fässer rollten über den harten Steinbelag, Säcke wurden getragen und Kisten verstaut. Ich stand inmitten der Masse und hatte Mühe darüber zu ragen.
    Ich sah die hohen Häuserfassaden der Hafenverwaltung und Lagerräume. Ich erblickte die Mastspitzen anderer Schiffe. Ich schob mich durch die Menge der Menschen in richtung der Hafengebäude. Nicht wenige Aegypter sah ich in der Menge und im Gewirr der Sprachen vernahm ich mir wohlbekannte Leute. Es war eine große Aufregung. Viele Leute schnatterten unaufhörlich, diskutierten und gestikulierten wild mit ihrem Armen. Es mußte etwas passiert sein, daß die Leute hier sehr aufregte. Ich kam zu den Lagergebäuden und stand vor einer Taverne. Ich blickte mich um. Ich entdeckte viele bewaffnete Legionäre. In einer Amtsstube konnte ich von draußen erkennen wie sich aufgebrachte Seefahrer echauffierten. Die armen Schreiber hinter den Tischen waren hoffnungslos überfordert. Sie konnten diesen aufgebrachten Händlern und Schiffern auch nicht helfen. Neugierig und gespannt ließ ich meinen Blick weiterschweifen, da fiel mir ein Anschlag ins Auge, den Hafenangestellte dort offenbar angebracht hatten. Viele Leute standen darum und schimpften. Ich drängelte mich durch die anstehenden Leute dorthin, um zu lesen, was dort geschrieben stand.


    WARNUNG
    AN ALLE HÄNDLER UND SEEFAHRER !!!



    Auf Anordnung der Regionalverwaltung
    wird für sämtlichen Seewege mit Fernziel Aegyptus
    die Gefahrenstufe VI
    ausgegeben.
    Sämtliche Reisen nach Aegyptus sind abzubrechen
    oder auf dem Landweg fortzuführen.
    Für die Sicherheit auf diesen Reisen wird nicht garantiert.




    Die Regionalverwaltung
    Der Comes der Regio Sicilia


    Als ich die Nachricht gelesen hatte, durchfuhr mich ein Schock. Was hatte das zu bedeuten ? Würde unsere Reise so abrupt enden ? Ich konnte es nicht fassen. Wie angewurzelt stand ich da und starrte auf den Aushang. Um mir herum fluchten einige und erhoben ihre Fäuste. Zum Glück stand ein paar Meter weiter ein Wachtrupp der Hafenkommandantur. Sonst wäre die Situation womöglich eskaliert.
    Geknickt und mit gesenkten Kopf schlurfte ich zu unserem Schiff. Wie würde Krixos reagieren ? Aber vorallem, was würde der Kapitän machen ? Würde er der Anordnung folgen und warten oder würde er das Abenteuer wagen ? Ich gelangte zum Schiff. Die Beladungsarbeiten waren größtenteils erfüllt, der Pier an unserem Schiff hatte sich geleert. An Bord begannen die Säuberungsarbeiten. Ich ging über die Planke und entdeckte Krixos an der gegenüberliegenden Backbordseite am hinteren Ende des Schiffes, wie er mit einem Lappen das Deck von Algen und anderem Unrat entfernte. Ich trat an ihn heran. Mein Gesichtsausdruck verriet, daß ich keine guten Nachrichten hatte.

    Der Schiffsverkehr steigerte sich. Viele verschiedene Schiffen aller Größen und Typen segelten mit uns. Manchmal so nah, das man die Hand ausstrecken und winken konnte. Wir erreichten Syracusae, die Hauptstadt Sicilias. Es war mitnichten ein so großer Hafen, wie Ostia. Aber wie in Ostia, traf man auch hier Menschen aus allen, verschiedenen Kulturen. Als Hafenstadt direkt am offenen Meer war Syracusae ein Knotenpunkt des Mittelmeers. Außerdem überwachte es die Meerenge von Messana, die Sicilia von dem Festland trennt. So hielt fast jedes Schiff, das aus dem östlichen und südlichen Raum kam und nach Rom wollte, in Syracusae. Für die Stadt und den Hafenmeister ein florierendes Geschäft. Syracusae war eine reiche Stadt. Das konnte man während der Hafeneinfahrt bestaunen.


    Ich stand an Deck. Es war ein schöner Tag, vielleicht der schönste auf der bisherigen Reise. Aber vielleicht war ich auch nur erleichtert, daß der Kapitän Krixos auf dem Schiff verweilen ließ.
    Die Sonne schien. Ein angenehmer Wind wehte und durchfuhr meine Stola. Die Besatzung hing in den Segeln und machte einen faulen Lenz. Auch sie genossen die angenehmen Temperaturen.
    Krixos war unter Deck. Der Kapitän hatte ihn zum reinigen der Kajüten eingeteilt. Schade, das er das nicht sehen konnte. Vor uns segelten lauter kleine Boote, Fischer, die an den Küsten der Insel unterwegs waren und jetzt zur Mittagsstunde zurück segelten. Möwen begleiteten sie und versuchten ihren Fang zu stehlen.
    Die Geschäftigkeit an den Piers und Docks war kaum zu überbieten. Wir fuhren in den Hafen ein und die Größe und Pracht des Hafens schlug uns entgegen. Die Segel wurden gerefft und der Steuermann lenkte das Schiff sicher seinem Bestimmungsort entgegen.

    Der Kapitän biß die Lippen zusammen, als er von dem Senator hörte und nach einem kurzen Zögern sagte er schließlich:


    Gut. Du bleibst an Bord. Ich erwarte aber, das du während der Überfahrt auf dem Schiff arbeitest. Im Lagerraum unter uns ist die Fracht durcheinander gekommen. Das muss beseitigt werden. Ein Matrose wird dich morgen anweisen. Und du schläfst in den Mannschaftsunterkünften. Rede nicht so viel mit den Männern. Sie sind sehr mißtrauisch und fremden gegenüber extrem argwöhnsich. Wenn du sie in Ruhe lässt, lassen sie dich auch in Frieden.
    Morgen früh erreichen wir Syracus. Dort werden wir anlegen, noch Waren aufnehmen. Bleib auf dem Schiff, hörst du, geh nicht an Land. Gut, das wars ! Ich wünsche eine geruhsame Nacht ;).


    Dann drehte sich der Kapitän um und stieg die Stiege hinauf und verließ den Vorratsraum.


    Meto ! Wir haben einen neuen Passagier. Er ist im Vorratsraum. Zeig ihm sein Quartier.


    Ich dreht mich zu Krixos, als der Kapitän uns verlassen hatte und guckte ihn erleichtert an. Mir war ein Stein vom Herzen gefallen.

    Ich stieg die hölzernen Stufen hinab in den Vorratsraum. Der Kapitän folgte mir. Ich ging zu den Wasserfässern, wo ich Krixos vermutete.


    Krixos ! Wo bist du ? Komm raus, der Kapitän möchte dich sehen !


    Ich sah Krixos hinter den Wasserfässern. Als er mich sah, kam er hervor. Der Kapitän ging auf ihn zu. Er hatte eine Kerze angesteckt und musterte Krixos genau.
    Dabei fiel ihm der Sklavenreif am rechten Arm auf. Er wurde stutzig. Dann sprach er zu Krixos:


    Sklave, sprich ! Wer ist dein Herr ? Und was tust du auf meinem Schiff ?


    Bevor Krixos antworten konnte, sagte ich:


    Krixos ist sein Name und gehört meinem Onkel, dem Senator Marcus Didius Falco.


    Bei dem Wort 'Senator' wurde der Kapitän hellhörig.


    Er ist mein persönlicher Beschützer und hat schon einiges Unheil vor mir bewahrt. Mein Onkel ist sehr fürsorglich. Er würde mich nie alleine auf eine solche Reise schicken. Deshalb ist Krixos hier. Bitte lass ihn nicht über Bord werfen !


    Mir wurde heiß und ich schwitzte, war es wegen der Tatsache, daß hier unter Deck, trotz der abendlichen Stunde, eine beinahe unerträgliche Hitze war, oder weil log, wie ich noch nie gelogen hatte.
    Ich blickte den Aegypter bittend mit großen Augen an und auch Krixos erwartete die Reaktion des Seemanns.