Beiträge von Susina Alpina

    Alpina war froh, dass Licinus das Gespräch suchte.
    "Ja, danke der Nachfrage. Ich bin ja eigentlich immer gerüstet. Hier sind alle Kräuter, die man bei Erkältungen oder Erfrierungen brauchen kann. Natürlich hoffe ich, dass der Winter nicht allzu streng werden wird. Die Aussicht darauf knietief durch den Schnee zu einer Entbindung oder einer mit Grippe darniederliegenden alten Frau zu stapfen, ist nicht gerade berückend. Aber so ist es eben. Dich fragt ja auch niemand ob du ausrücken magst, wenn die Germanen plötzlich wieder einen Ausfall planen. Oder?"


    Sie zuckte schicksalsbewusst die Achseln.
    "Und wie ist es mit den langen Wintermonaten in der Castra? Was macht ihr da so im Winter? Nur Waffenübungen? Rüstungen polieren?"

    Natürlich war er gekommen um sie zu holen, doch hätte es ja immerhin sein können, dass ihn auch eine Unpässlichkeit plagte. Nachdem er auch aus dem sonnigen, warmen Süden ins kalte Germanien gekommen war.
    "Ich muss kurz sehen, ob ich Ursi bei ihrer Kinderfrau Neman lassen kann. Warte einen Augenblick bitte", kaum gesagt war Alpina schon im Haus verschwunden.


    Wenig später kehrte sie zurück. Sie schien erfolgreich gewesen zu sein, denn sie nickte Onasses zu.
    "Wir können. Ach, mir fällt gerade ein. Kann ich dir mit irgendetwas hier eine Freude machen? Ein Öl für die Haare oder die Haut? Ein Balsam für nach der Rasur? Oder ein Trank gegen Husten und Heiserkeit?"
    Alpina hatte das dringende Bedürfnis dem hilfreichen Geist Massas ein Geschenk zu machen.

    Alpina freute sich, Onasses zu sehen. Es bedeutete, dass sie auch Massa wiedersehen würde. Die Vorfreude hob ihre Siimmung. Sie begrüßte den Ägypter überschwänglich.
    "Salve, Onasses! Schön dich zu sehen! Geht es dir gut?"

    Es war schön zu hören, dass Esquilina ihr vertraute, denn Alpina hatte einen Narren an der Kleinen gefressen. Und es verwunderte sie kaum, dass das Mädchen mit manchen Sorgen lieber zu ihr kam als zu Licinus, aber nicht weil sie ihn nicht aufrichtig liebt oder ihm misstraute, aber manchmal war ein Außenstehender einfacher anzusprechen, der Zugang etwas leichter.


    Alpina machte sich an die Arbeit Zunächst begutachtete sie das Ohr. Cerumen - das Ohrenschmalz war nicht viel am Ohreingang zu erkennen. Aber es war ja durchaus möglich, dass es tiefer steckte als man sehen konnte. Deshalb tauchte sie den Ohrlöffel in das angewärmte Öl und ließ das Mandelöl Tropfen für Tropfen in Licinus linkes Ohr laufen. Für Licinus musste es sich anfühlen als versinke seine akustische Wahrnehmung in Watte. Er würde Geräusche zunächst nur ganz gedämpft wahrnehmen. Deshalb sprach Alpina nun nur zu seinem rechten Ohr.
    "Das Öl muss einen Augenblick einwirken. Geben wir dem ganzen die Zeit, die ein Ei kochen muss um hart zu werden. In der Zwischenzeit werde ich die Spülung vorbereiten, mit der wir nachher das Ohrenschmal ausspülen wollen. Dazu verwende ich eine ausgekochte Schweineblase, in die ich die lauwarme Kamillenlösung einfüllle. Ich setze dann einen Hühnerknochen als Röhrchen ein und binde es ganz fest, so dass der Inhalt der Blase nur durch die Röhre nach außen kann. Damit spüle ich dann später dein Ohr."


    Was sie noch nicht sagte war, dass diese Spülung ziemlich sicher einen heftigen Schwindel auslösen würde. Das konnte sie Licinus kurz vorher auch noch sagen. Damit musste er sich jetzt nicht quälen.

    Alpina lächelt leicht errötend. "Ich bin doch keine Ärztin, Licinus. Ich bin eine einfache Hebamme und ein Kräuterweib, nicht mehr."
    Sie mochte den Praefectus sehr und es freute sie, dass er sie als gute Freundin bezeichnete.


    "Oh, Esquilina will auch noch vorbeikommen? Wie schön! Ich freue mich immer wenn sie kommt. Sie stört überhaupt nicht. Wenn ich hier bin, habe ich immer ein offenes Ohr für sie, so wie für alle anderen, die mit ihren Sorgen oder einfach dem täglichen Klatsch und Tratsch zu mir kommen. Das ist auch eine Seite, die ich sehr an meinem Beruf liebe - die Arbeit am Menschen. Mit all seinen Facetten. Ich sehe die Leute wenn es ihnen schlecht geht, aber manchmal auch wenn es ihnen gut geht und sie mir einfach etwas erzählen wollen. Es ist immer der ganze Mensch wichtig, nicht nur sein kranker Körper. Ich glaube Esquilina hat ein ebenso offenes Wesen. Sie ist ein sehr angenehmer Mensch und du hast deinen Anteil daran. Du bist ihr ein großes Vorbild."


    Die Vorbereitungen waren abgeschlossen. Zu recht fragte Licinus nach der Behandlung die anstand.
    "Ich brauche dich gleich im Liegen auf der Kline hier. Ich werde dir warmes Mandelöl in dein Ohr träufeln und dann müssen wir ein wenig abwarten, ob sich das Ohrenschmalz löst. Wir werden es dann mit diesem Kräutersud, der Kamille enthält aus dem Gehörgang spülen. Sollte es sehr fest sitzen habe ich hier so ein kleines Ohrlöffelchen mit dem ich eventuell widerspenstigen Rest, die aber noch weit außen und gut zugänglich sind, vorsichtig herauskratzen kann. Nur wenn es nötig sein sollte. Danach wissen wir ob das die Ursache deiner Hörschwierigkeiten ist. Leg dich bitte zunächst auf den Rücken und dreh den Kopf nach rechts."

    Als Licinus diese Mal in die Taberna medica kam, wusste Alpina wo der Schuh drückte. Sie beriet gerade eine Kundin, die das erste Mal schwanger war. Sie voller Ängste und Sorgen. Alpina beantwortete geduldig ihre Fragen, gab ihr eine Kräutermischung und versprach, dass sie jederzeit wiederkommen könne, wenn sie Rat suchte. Außerdem würde sie auch die Entbindung übernehmen und in den Wochen zuvor Hausbesuche machen, wenn es nötig wurde.


    Als die junge Frau gegangen war, wandte sich Alpina mit einem entschuldigenden Lächeln an den Praefectur castrorum.
    "Salve, Licinus. Es freut mich, dass du es einrichten konntest. Ich werde noch ein paar Vorbereitungen treffen, dann gehen wir in den kleinen Raum, in dem Esquilina während ihrer Krankheit lag. Da haben wir unsere Ruhe."


    Sie begann einen Kräutersud aus Kamille vorzubereiten. Dieser musste erst abkühlen, damit sie ihn in Licinus Ohr einbringen konnte. Desgleichen das Mandelöl, das zuvor das Ohrenschmalz lösen sollte. Alpina stellte eine Schlale in heißes Wasser, damit sich das Öl erwärmen konnte. Zum Glück war es bereits kalt draußen so dass der kochendheiße Kräutersud schnell auf Körpertemperatur abkühlte. Zuletzt legte sich Alpina einen Ohrlöffel bereit mit dem sie das eventuell sehr fest sitzende Schmalz vorsichtig entfernen konnte.

    Sie glitt vom Pferderücken und spürte wie Massa sie auffing und herunterhob. Es fühlte sich gut sich, wie er sie fest hielt. Und das tat er. Er schien sie gar nicht loszulassen. Sein Blick brannte tief in ihrer Magengrube. Ließ dieses Gefühl von wimmelnden Schmetterlingen aufkommen. Alpina, nicht! Du bist dabei dich wieder in einen Legionär zu verlieben! Er wird irgendwann abberufen, nach Alexandria oder zum Ende der Welt (was für sie inetwa gleichbedeutend war) und dann? Dann siehst du ihn nie wieder. Reicht dir die Erfahrung mit deinem Vater und mit Corvinus nicht?
    Es war schon längst zu spät. Wie sehr sehnte sie sich danach, von ihm noch länger und inniger gehalten zu werden, wie schwer fiel ihr der Abschied? Und wie sehr freute sie sich über die Ankündigung sie in ein paar Tagen wieder abholen zu lassen!
    "Oh gerne!", schnell stieß sie die Antwort hervor. Sehr schnell.


    Der Moment des Abschieds war da. Ursi rüttelte schon ungeduldig an der Tür. "Komm, Mama, mach mir die Tür auf!"


    Alpina zog den Schlüssel hervor und öffnete die Tür. Liam kam um nach dem Rechten zu sehen. Ursi wollte schon ins Haus schlüpfen, als ihre Mutter sie noch einmal festhielt.
    "Wie? Einfach verduften ohne sich zu bedanken und zu verabschieden?"
    Eine strenge Zornesfalte zeigte sich auf Alpinas Stirn. Ursi machte kehrt. Sie stellte sich vor den Tribun und sah ihn von unten herauf mit großen Kulleraugen an.
    "Danke, Decimus Massa, dass ich reiten durfte und die vielen Pferde besuchen."
    Alpina knuffte sie, doch mehr kam nicht. Also ergänzte sie selbst.
    "Und natürlich für das leckere Essen und die Honigtaler, die Ursi geschenkt bekam."
    Die Kleine nickte und entzog sich dann ihrer Mutter. Sie schlüpfte schnell zur Tür hinein.


    Nun waren Alpina und Massa allein. Nein, nicht ganz. Liam stand hinter der Tür und wartete darauf, dass die Raeterin das Haus betrat. Der Abschied fiel ihr schwer. Peinliche Schweigesekunden, die ihr vorkamen wie eine kleine Ewigkeit.
    "Danke für den schönen Abend, Decimus Massa." Sie hätte ihn gerne nur beim Cognomen genannt aber traute sich das nicht. "Es war ein ganz besonderer Abend für mich. Der Schönste seit sehr langer Zeit."


    Ihre Hand berührte vorsichtig seinen Unterarm. Sie hatte das Bedürfnis etwas zurückzugeben für all die Freundlichkeit, die sie erfahren hatte. Zu mehr aber fehlte ihr der Mut.
    "Ich freue mcih auf ein Wiedersehen. Gute Nacht."

    Ursi bekam die übrigen Honigtaler eingepackt, was sie sehr zufrieden grinsen ließ. Alpina würde ihre liebe Not damit haben, dass die Kleine nicht alle auf einmal aß.


    Sie verließen das Haus. Es war bereits dunkel und Alpina hatte tatsächlich keine Ausrede mehr. Sie ließ sich von Massa aufs Pferd helfen. Es fühlte sich großartig an. So lange war sie auf keinem Pferd mehr gesessen. Die warme Haut, der eigentümliche Geruch und das Gefühl einen lebenden Organismus unter sich zu spüren waren beeindruckend Alpina streichelte das Fell des Tieres. Ursi wurde vor Alpina gesetzt, so dass sie ihre kleine mit einem Arm festhalten konnte. Konnte Massa sehen wie die Raeterin strahlte? Sie genoss den Ritt sichtlich.


    Die wenigen Legionäre, die ihnen begegneten, guckten zwar neugierig und auch auf der Straße außerhalb der Castra folgten dem seltsamen Dreigespann mit Pferd einige interessierte Blicke, doch Alpina ignorierte sie. Der Wein hatte sie mutiger gemacht.
    Schließlich erreichten sie die Casa Helvetia. Seufzend reichte die Hebamme ihre Tochter an den Tribun weiter, damit er sie abstellen konnte. Nun war es an ihr vom Pferd zu steigen. Sie hielt sich an der Mähne fest und schwang ein Bein über den Rücken.

    Alpina versuchte Massa zu erklären wie bei ihnen die Saturnalien gefeiert wurden.
    "Nun, die Einheimischen feiern soweit mit, wie sie das an sich römische Fest für sich übernehmen möchten. Dass gezecht wird, es freizügig zugeht und man sich Geldgeschenke macht ist beliebt. Auch dass mal die Herren zu Dienern werden und umgehkehrt ist beliebt. Aber natürlich gibt es jede Menge Germanen, die überhaupt nichts mit den Saturnalien anfangen können, außer dass ein paar Tage frei sind", erklärte die Raeterin.


    Dann dachte sie über die Feste der Germanen nach.
    "Hier in Mogo wird das Fest des Apollo Grannus Mogontiaci sehr ausgiebig gefeiert. Man veranstaltet Theater, Circusspiele und eine große Parade der Legio und der Ala. Dazu gibt es noch andere Feste der Germanen, aber dazu müsstest du Runa, äh.. Duccia Silvana fragen. Sie kennt sich da hervorragend aus."


    Onasses brachte Konfekt. Alpina lief das Wasser im Munde zusammen. Honigtaler mit Nüssen. Wie lecker! Die Kanne mit dem Gewürzwein brachte Alpina in Bedrängnis. Sie liebte ihn, gerade im Winterhalbjahr, vertrug aber ohnehin nicht viel Wein und hatte doch schon genug getrunken. Es wäre ja wohl peinlich wenn Massa glauben würde, dass sie sich nicht beherrschen konnte. Was würde er dann von ihr denken? Auf der anderen Seite....
    "Oh, Gewürzwein... vielleicht nur ganz wenig. Ich habe eigentlich schon genug getrunken aber zu diesen leckeren Süßigkeiten von Onasses muss ich ja eigentlich Würzwein trinken. Also mir bitte auch nur einen halben Becher."


    Ursi erschien wieder. Sie stibizte sich einen Taler. Sie quengelte. Natürlich war ihr inzwischen langweilig. Kinder gab es schließlich keine hier. Alpina ließ den Honigtaler auf der Zunge zergehen. Er schmeckte hervorragend. Was für ein schöner Abend. Sie seufzte, denn wenn es nach ihren Wünschen ginge... nein, das traute sie sich nicht mal zu denken... sie würde gerne bleiben... noch einen Becher Würzwein lang, oder zwei...


    Das Quengeln wurde lauter. Die Raeterin sah Massa verzweifelt an. Erkannte er wie sehr sie sich eine Fortsetzung des Treffens wünschte? Sie würde Runa fragen müssen, ob sie auf Ursi aufpassen könne. Aber dann wäre ihre Tochter sicher sauer. Sie würde Cara keine Äpfel und Brot bringen können.
    Mit wehmütiger Miene ließ Alpina den letzten Tropfen Gewürzwein die Kehle herunterrinnen. Sie stellte den Becher ab. Leise sagte sie zu Massa.
    "Ich fürchte wir müssen gehen, Tribun. Es war ein sehr schöner Abend. Nicht wahr, Ursi? Es hat dir doch auch gefallen?"


    Die Kleine nickte. "Darf ich jetzt wieder reiten?"
    Ihre Mutter sah Massa an. "Ich denke ja, Ursi. Wenn du brav "bitte, bitte" sagst?"


    Tatsächlich legte Ursicina ihre Händchen aneinander und bettelte. "Bitte, Trubun!"

    Die Vorstellung eines gemeinsamen Waldausflugs gefiel Alpina sehr. Auch wenn Ursi fast noch ein wenig zu klein war, um davon zu profitieren, hatte sie doch sicherlich Spaß daran. Also stimmte sie begeistert zu. "Der nächste schöne Tag wird genutzt. Wenn sonst keine Geburt ansteht, versteht sich", fügte sie noch schnell hinzu. Alpinas Pläne wurden nicht selten von ihrer Arbeit durchkreuzt. Die Taberna Medica konnte sie zusperren, nicht aber eine Geburt "absagen".


    Erfreut vernahm die Hebamme, dass Licinus vorhatte Esquilina zu adoptieren. Ein guter Gedanke. Er war doch ohnehin eigentlich ihr Vater, denn Esquilina nahm ihn als solchen wahr und verehrte ihn. Wie schön, dass sie nun bald auch vor dem Gesetz seine Tochter sein würde.


    Sim-Off:

    Sorry, bin gerade aushäusig. Da dauern die Antworten etwas.

    Massa machte ihr das Angebot in ein paar Tagen wiederzukommen um zu sehen, welche Lieferung er aus Ägypten bekommen hatte. Es klang viel versprechend.
    "Ich komme gerne wieder vorbei. Dann kann ich dir gleich sagen, ob wir in der Casa Helvetia noch etwas benötigen um die Vorräte aufzustocken."


    Alpina freute sich sichtlich, dass sie ein Datum hatte, wann sie Massa wiedersehen würde. Denn er hatte angedeutet, dann bald unterwegs zu sein um die Villae rusticae in der Umgebung für die Versorgung der Castra abzuklappern.
    Sie sprachen über die Saturnalien. "Letztes Jahr hat Iunius Seneca in sein Landhaus eingeladen. Es war sehr turbulent."


    Alpina erinnerte sich noch lebhaft an die Feier. Der völlig betrunkene Kaeso, das Stelldichein, das er mit Phryne nahezu vor aller Augen gehabt hatte. Alpina stand der Sinn nicht nach einer Wiederholung eines solchen Exzesses. Massa erzählte von seinen Saturnalienfeiern. Auch das klang fröhlich und, wie sie sich bei Nautae vorstelllen konnte, nicht eben leise und zahm.
    "Noch wurde keine Einladung für dieses Jahr ausgespochen. Wenn nichts kommt, werden wir hier sicherlich in der Casa Helvetia miteinander feiern. Wie ist es bei dir? Bist du eingeladen worden?"
    Wie schön war die Vorstellung, die Saturnalien mit ihm feiern zu können. Alpina begann tatsächlich darüber nachzudenken, ihn öfter sehen zu können. Sollte sie ihn einfach einladen? Ohne Curio zu fragen? Das konnte sie nicht einfach auch wenn sie es wollte.

    "Übermorgen, gut", wiederholte Alpina Massas Wunsch über eventuell benötigte Vorräte informiert zu werden. Dann erst fiel ihr auf, dass sie "Schwager" gesagt hatte und die Familienverhältnisse nicht erklärt hatte. "Ähm, Helvetius Curio ist nicht wirklich mein Schwager. Ich bin... ich war... ja nicht verheiratet. Sein Bruder und ich haben ein gemeinsames Kind, aber er durfte als Legionär ja auch nicht heiraten. Naja, wie dem auch sei, ich bezeichne Helvetius Curio immer als meinen Schwager, denn dieses Kind ist ja der Grund warum ich noch hier wohnen darf. Ganz zu schweigen, dass er und seine Frau, Duccia Silvan, meine Freunde sind. Sie haben zwei Söhne."


    Hatte sie mit dieser Erklärung seine Frage und die dahinter stehende Sorge beantwortet? Sie wollte klarstellen, dass sie zwar eine Vergangenheit hatte aber so wie es schien für die Zukunft frei. Zumnindest wenn Corvinus nicht plötzlich wieder in der Tür stand und eine gute Erklärung für seine lange Abwesenheit ohne Brief oder Nachricht durch die Legio hatte.


    Massa erwartete eine Lieferung aus Alexandria. Alpina war neugierig, was da wohl aus der Ferne kommen würde. Getreide? Wahrscheinlich. Früchte? Dinge die er dort gelassen hatte? Sollte sie neugierig sein?
    "Ich versuche mir vorzustelllen, was aus dem fernen Alexandria zu uns kommt. Magst du mir zeigen, welche seltenen Dinge von dort zu dir geliefert wurden? Also nur, wenn es nicht zu persönlich ist."


    Er kam auf ihre Arbeit im Winter zu sprechen. "Nein, Decimus Massa, ich kann nicht einfach warten bis das Wetter besser ist", grinste sie. "Einem Kind, das geboren werden will, kann nicht zurückgehalten werden. Man kann auch nicht einfach zukneifen oder einen Stöpsel einsetzen." Die Hebamme schmunzelte immer mehr. Er war ein Mann und ganz offenbar noch nicht Vater geworden. Hatte er in Alexandria eine Frau gehabt? Eine so wie sie, die nun darauf hoffte, dass er zurückkehrte oder wenigstens Briefe schrieb? Sie musterte ihn. Kaum vorstellbar, dass sich keine Frau für ihn interessiert hatte.


    De Sprache kam auf die Saturnalien. Waren die Feiern genauso wie in Rom? Wohl kaum. Aber Alpina konne es nicht mit Sicherheit sagen.
    "Ich glaube nicht, dass man die Saturnalienfeiern hier mit denen in Rom vergleichen kann. Es ist ja doch sehr provinziell hier. Meist lädt jemand der über viel Platz verfügt in seine Villa ein und man macht Spiele und Rätsel und trinkt natürlich. Wie ist das in Rom? Und wie in Alexandria? Feiert man dort die Saturnalien?"

    Das Thema Winter bot genug Stoff. Alpina hörte zu mit welchen Aufgaben Massa in der Legio beschäftigt war. Wintervorräte mussten herangeschafft werden. Ein Glück dass die Ernte gut gewesen war und auch das Vieh gut gediehen war. Er fragte sie, ob sie etwas brauchen könnte. Alpina dachte nach.
    "Ich würde sehr gerne mit meinem Schwager über die Vorräte sprechen, denn wir planen das für gewöhnlich gemeinsam. Er hat eine eigene Villa rustica, die einiges erwirtschaftet. Wann brauchst du eine Antwort?"


    Die Pfannkuchen waren unglaublich lecker. Alpina lobte Onasses für seine leckere Nachspeise.
    "Ein hervorragender Nachtisch, Onasses. Wo hast du die Beeren gesammelt? Ich würde dir gerne zeigen, wo man gute Vorkommen hier in den Wäldern rund um Mogo hat. Allerdings erst im kommenden Herbst."


    Sie blieben beim Winter.
    "Ja es gibt tatsächlich Tage an denen man kaum vor die Tür kann. Sandstürme kennen wir natürlich hier nicht, aber Schneestürme. Und wenn der starke Wind den Schnee in die Städte bläst und vor den Türen auftürmt, kann man nicht raus. Dazu kommt Eisgang auf dem Rhenus wenn es wirklich lang und ausdauernd frostig ist. In diesen Tagen, wenn man kaum vor die Tür kommt, richte ich die Salben her und kümmere mich ums Haus. Wenn allerdings eine Geburt ansteht muss ich raus, egal wie viel Schnee vor der Tür liegt."


    Alpina lächelte. Sie fühlte sich unglaublich wohl in Massas Nähe. Einen Winterabend mit ihm gemütlich im Triclinium konnte sie sich gut vorstellen. Irgendwie hoffte sie darauf dass es ein strenger Winter werden würde.

    Alpina führte Licinus zurück zum Triclinium. Nun konnte der Hauptgang aufgetragen werden. Es gab eine Variation von Fisch aus dem Rhenus und seinen Seitenarmen. Dazu verschiedene Wurzelgemüse in Butter mit diversen Kräutern. Da Alpina nicht sicher war ob Licinus und Esquilina Fisch mochten, hatte sie Gwen noch angeleitet eine Spezialität aus ihrer raetischen Heimat zuzubereiten. Aus einem Teig aus Mehl und Eiern waren kleine Würmchen von einem Holzbrett in kochendes Wasser geschabt worden. Anschließend wurden diese Würmchen in Butter ausgebraten und mit viel einheimischem Käse gemischt. Eine klebrige aber in Alpinas Augen sehr leckere Speise, die vor allem die Kinder in ihrer Heimat sehr liebten. Oben auf einige geröstete Zwiebeln - fertig.


    Das Gespräch war in vollem Gange. Alpina versuchte mitzubekommen um was es ging. Sollte das Thema ein Schulausflug in den Wald sein?
    "Wald? Willst du mit deinen Schülern in den Wald gehen? Das finde ich sehr gut! Es ist wichtig, dass die Kinder die Landschaft in der sie leben kennen lernen. Findest du nicht auch, Licinus?"


    Alpina bemühte sich deutlich genug zu sprechen, damit er sie zu seiner Linken auch verstehen konnte. Jetzt, wo sie um die Problematik wusste, konnte sie ja Rücksicht nehmen.

    Alpina genoss alles. Die gemütliche Athmosphäre im kleinen Triclinium, die Freundlichkeit und Aufmerksamkeit des Gastgebers und seines Dieners, das Essen und den Gewürzwein, um den sie Onasses bat und die Lockerheit mit der Ursi ihr kindlicher Ungestüm zugestanden wurde. Alles war perfekt. Zu perfekt?


    Beeindruckt hörte sie, dass Onasses freiwillig mit Massa ins kalte Germanien gegangen war. Er schien frei zu sein. Dass er sich dennoch bereit gefunden hatte, diese lange und beschwerliche Reise auf sich zu nehmen und zudem im kalten und unwirtlichen Germanien mit seinem "Dominus" zu leben - Respekt.


    Alpina sog den Duft des frisch gebackenen Moretums ein. "Herrlich, dein selbst gebackenes Brot, Onasses! Und wie interessant Lorbeerblätter unterzulegen!"


    Die Kräuterfrau staunte. Lorbeerblätter waren nicht eben billig in Germanien. Sie wusste zwar, dass die Sträucher im Süden ebenso wie Rosmarin überall wild wucherten und reichlich Blätter trugen, doch die Tatsache, dass die Pflanzen den Winter nicht überstanden und ihre Blätter deshalb von Händlern eingeführt werden mussten, verteuerte sie. Alpina wäre deshalb nicht auf die Idee gekommen, sie als Unterlage für ein Brot zu benutzen um diesem diesen eigentümlich herben Geschmack zu geben.
    Sie tunkte das frische Brot in das Moretum. Kräuter und Knoblauch, ausgewogen kombiniert. Dazu stellte Onasses bereits das Hühnchen auf den Tisch. Es war wunderhübsch mit Oliven dekoriert. Dazu eine Lauchsoße. Alpina staunte. Sie warf einen verstohlenen Blick auf Massa. Ließ er es sich immer so gut gehen oder war dies ein Festessen extra für sie? Schnell verwarf sie den Gedanken. Nein, das wohl nicht. Massa war Tribun. Er wusste zu leben.


    Ursi stürmte herein. "Essen! Uiiii!", quitschte sie fröhlich. Sämtlichen Anstand über Bord werfend, griff sie sich mit einer Hand ein Stück des Brotes und mit der zweiten ein Stück Huhn. Die Lauchsoße und die Oliven ließ sie unberührt. Nun biss sie abwechselnd von einer Hand und dann von der nächsten ab. Es schmeckte ihr hörbar.
    "Hm... lecker! Können wir öfter kommen?", fragte sie ganz unvermittelt.


    Alpina lief rot an und gab ihrer Tochter einen kleinen Klaps auf den Popo.
    "Ursi, das gehört sich nicht! Wo sind deine Manieren? Man nimmt eines nach dem anderen und schon gar nicht läd man sich einfach selbst zum Essen ein. Schäm dich!" Und zu Massa hin gewandt sagte sie: "Verzeih ihre kindliche Offenheit."


    Die Kleine zuckte mit den Achseln und nahm ein weiteres Stück Huhn. "Wenns doch wahr ist..." grummelte sie. "Ich finde es toll hier!"
    Als auch das nächste Stück Huhn vertilgt war, schleckte sich Ursi die Finger ab, griff sich ein weiteres Brotstück als Proviant und verschwand wieder in der Casa.


    Sie waren wieder allein. Oh, wie sehr genoss Alpina diese Zweisamkeit und zum Glück ließ ihr Gegenüber keine peinliche Gesprächspause aufkommen. Er fragte nach dem Winter.
    "Der Winter..." sie zögerte. Wie erklärte man einem Mann, der die Hitze Ägyptens und die sommerliche Wärme Roms kannte den germanischen Winter? "Nun, das ist schwer vorstellbar, denke ich. Wie du feststellst kommt der Winter hier schon meist im November das erste Mal mit frostigen Temperaturen. Manchmal sogar im Oktober schon. Hier in Germania superior ist es oft lange einfach grau, kühl und regnerisch. In Raetia, wo ich herkomme, am Fuße der Alpes, bedeckt im November oft schon der erste Schnee die Berge und das Flachland. Und der bleibt dann, mit ein paar Unterbrechungen bis Anfang März oder sogar im April kann es noch schneien. Hier in Mogo ist es eher nass und matschig. Stell dich auf ungemütliche Zeiten ein. Zum Glück habst du eine Hypokaustanlage. Damit kann man es wenigstens in seiner Casa aushalten. Die Kontroll- und Außeneinsätze der Legion sind auf ein Minimum beschränkt im Winter. Das Leben geht ruhiger und gemütlicher zu. In der Castra und in der Stadt kümmern sich die Leute eher darum Reparaturen durchzuführen und häusliche Tätigkeiten zu verrichten. Die einzigen Abweschlungen sind Schnee räumen und die Saturnalienfeiern."


    Alpina suchte Massas braune Augen. Erschreckte ihn der Winter? Würde er versuchen so bald wie möglich wieder südlich der Alpes einen Einsatz zu bekommen? Sie hatte Angst ihn gleich wieder zu verlieren. Ihn zu verlieren? Sie hatte ihn doch gar nicht! Alpina schalt sich töricht, sie musste schnell diesen Gedanken vergessen. Und doch suchte sie bewusst seine Nähe. Es war schön bei ihm.

    Neugierig betrat Alpina das Haus des Tribuns. Ja, sie kannte die Aufteilung so ungefähr von dem einen Mal als sie mit Corvinus in der Castra war. Aber es war immer interessant zu sehen, wie sich jemand eingerichtet hatte.
    Das Tablinium ließ erahnen, dass Massa gebildet und schwer beschäftigt war. Tabulae und Schriftrollen auf dem Schreibtisch und in den Regalen. Die beiden Büsten beeindruckten die Raeterin sehr. Sie erkannte nicht um wen es sich handelte, doch stellten sie würdevolle Männer dar. Als sie sich wieder zu dem Tribun umdrehte, sah sie dass er sich seiner Waffe und dem Brustpanzer entledigt hatte. Man ging zum gemütlichen Teil des Besuchs über.


    Das Triclinium war einfach aber passend für eine Dienstwohnung. Sehr interessant war dann wiederum das Schlafzimmer. Neben dem Bett und einer gemütlichen Kline fand ein Tischchen und ein Regal Platz, auf dem ein goldener Dolch lag, der seine orientalische Herkunft verriet. Die Statue der Diana gefiel Alpina außerordentlich. Wie viele Kelten hatten gerade die Raeter eine innige Beziehung zur Jagdgöttin.
    Die Augenbrauen hob Alpina als sie die Teppiche und Kissen sah, die einen sehr fremdländischen Eindruck machten. Richtig, er war lange in Alexandria gewesen. Die Kultur der Menschen dort war ihr gänzlich unbekannt. Alpina hatte nur die Vorstellungen, die man in Sagen, Märchen und Legenden vermittelt bekam. Einen Augenblick lang stellte sie sich die ägyptische Königin Cleopatra vor, wie sie splitternackt in einen Teppich eingewickelt zu Caesar gebracht worden sein sollte. Sie war froh, dass Massa ihre Gedanken nicht lesen konnte.
    "Sehr interessant, dein Cubiculum." Sie wollte fragen, ob er Alexandria sehr vermisste, aber biss sich auf die Zunge. So vertraut waren sie noch nicht. Später vielleicht. "Du verstehst es dich einzurichten, Massa. Es gefällt mir außerordentlich gut."


    Sie erreichten die Culina und fanden da neben Massas Sklaven Onasses auch Ursi, die fröhlich grinsend an dem Tisch stand, auf dem das Essen vorbereitet war. Sie schien zielstrebig den wichtigsten Raum im Haus gefunden zu haben.
    Einen Moment zögerte Alpina ob sie erst Onasses begrüßen oder Ursi ermahnen sollte, entschied sich dann aber für die Begrüßung.
    "Salve Onasses, es freut mich dich kennenzulernen. Und entschuldige bitte die Respektlosigkeit meiner Tochter Ursicina..." Sie warf der Kleinen einen strafenden Blick zu, der unmissverständlich klar machte, dass Ursi sich danebenbenommen hatte. "Ich hoffe, sie hat nichts kaputt gemacht und dich nicht zu sehr von deiner Arbeit abgehalten. Darf ich nachfragen, ob du aus Ägypten stammst? Dein Name lässt es vermuten."
    Ihr Blick ging über die Köstlichkeiten, die schon bereit lagen und sie hörte mit wachsender Freude den Ankündigungen der Speisen zu, die Onasses zubereitet hatte.


    Als sie das Triclinium erreichten, nahm Alpina auf der Kline links Platz. Sie wollte dem Hausherrn die mitllere Kline lassen. Ursi streckte die Ärmchen aus um zu ihrer Mutter hochgehoben zu werden. Als Massa fragte ob sie einen eigenen Stuhl wolle, sah sie ihn groß an. "Hast du einen Kinderstuhl?", fragte sie unschuldig.
    Alpina erschrak ob der kindlichen Unverfrorenheit auch noch Wünsche zu äußern und beeilte sich für ihre Tochter abzulehnen.
    "Nein, vielen Dank, Decimus Massa. Uris hält es sowieso nicht lange auf einem Sitzmöbel oder einer Kline aus."
    Und wie um es zu bekräftigen, versuchte die Kleine sofort wieder von der Kline herunterzuklettern, was der kurzen Beine wegen nur mit Hilfe der Mutter möglich war. Dann wuselte sie quer durch den Raum und verkündete lauthals, dass sie ja den Rest des Hauses noch erkunden müsse.
    "Fass nichts an, Ursi, ja? Ich bitte dich! Sonst muss ich dir nachher den Hintern versohlen!"


    "Macht es dir etwas aus, wenn sie alleine durch das Haus stromert?" wandte sie sich an Massa. "Normalerweise ist sie vorsichtig. Aber man weiß ja nie. Sonst muss ich hinterher und sie wieder einfangen. Ich denke sie wird gleich wieder da sein, wenn Onasses das Essen aufträgt."

    Alpina konnte sehen, dass ihre unverhohlen geäußerte Feststellung Wirkung zeigte. Mit Sicherheit war es für einen Praefectus seines Standes nicht einfach sich und vor allem Außenstehenden einzugestehen, dass der Alltag des lauten Legionärsdaseins über die Jahre seine Spuren hinterlassen hatte. Wäre Esquilinas offenkundige Verunsicherung nicht gewesen, hätte Alpina das Defizit weder bemerkt noch angesprochen. Nun aber war es raus.
    "Nun, es gibt die Möglichkeit, dass sich Ohrenschmalz eindickt und den Gehörgang zusetzt. Dann ist das Hören auf dieser Seite deutlich beeinträchtigt. Es gibt eine Behandlungsmethode mittels eines Lösungsmittels und eines Ohrlöffelchens diesen Pfropf zu beseitigen."


    Sie sah Licinus offen an. "Es kann aber durchaus sein, dass das keine Besserung bringt oder gar kein Pfropf da ist. Dann kann ich tatsächlich nicht mehr viel für dich tun. Wollen wir das versuchen? Dann komm doch in den nächsten Tagen noch einmal in meine Taberna medica."


    Alpina lächelte ihm aufmunternd zu. Sie mochte Licinus und es täte ihr leid, wenn sie ihm nicht helfen konnte. Deshalb hoffte sie, dass ihre Vermutung richtig war.

    Ursi genoss ihren ersten Ritt sichtlich. Strahlend saß sie auf Cara und es störte sie auch überhaupt nicht, dass die Legionäre neugierige Blicke auf das seltsame Dreiergespann mit Pferd warfen. Alpina hielt vorsichtshalber eine Hand am Rücken derKleinen um sicher zu gehen, dass sie nicht ins rutschen geriet. Als Massa sie fragte, ob sie nicht doch auch mal probieren wollte zu reiten lachte sie.
    "Lust hätte ich schon. Allerdings nicht hier wo mir tausend Augenpaare folgen", antwortete sie wahrheitsgemäß. Der Kleinen machte das nichts aus. Als Dreijährige hatte sie schließlich kein Schamgefühl, Alpina jedoch konnte sich nicht vorstellen vor den vielen neugierigen Legionären auf den Pferderücken zu steigen.


    Als Massa an einer Kreuzung stehen blieb und ankündigte, dass sie da wären, sah sich Alpina zunächst verwundert um. Sie sah keine Stallungen. Die Erklärung folgte sogleich. Er lud sie zur Cena ein. Hatte Alpina nicht insgeheim gehofft, dass er sie fragen würde? Sie war schon froh gewesen ihn überhaupt wiederzusehen, doch das ließ ihr Herz höher schlagen. Hieß es nicht auch, dass er nicht einfach nur höflich war und dem Kind einen Herzenswunsch erfüllte, sondern es hieß auch, dass er gerne Zeit mit ihnen verbrachte. Alpina hoffte, dass sich Ursi benehmen würde und nicht die Tribunscasa auf den Kopf stellte.
    "Oh das ist ein schöner Vorschlag, nicht wahr Ursi? Danke Tribun! Du machst uns beiden eine große Freude! Und mal sehen, wenn es nachher dunkel genug ist, kannst du mich vielleicht überreden, mich auf dein Ross zu setzen."
    Hatte sie das wirklich gesagt? Alpina wunderte sich über sich selbst. Sie war mutig geworden. Irgendetwas an Massa verleitete sie dazu, ihre Vorsicht fallen zu lassen.
    Ursi jedenfalls freute sich wie ein Schneekönig. Sie streichelte noch einmal das glatte Fell Caras, dann ließ sie sich herunterheben und machte sich sogleich daran, zur Eingangstür der Casa zu laufen. Die Neugierde sprach aus ihren Augen.
    "Hier rein?"

    Stolz erfüllte Alpina als sie ihre Tochter hoch zu Ross sah. Ein wenig wie Epona selbst saß die Kleine auf dem nackten Pferderücken.
    Auf Massas Frage ob sie reiten könnte, lief Alpina wieder rot an. "Reiten "können" ist definitiv der falsche Ausdruck. Ich habe einige Male auf dem Rücken des schweren Kaltblutpferdes gesessen, das mein Großvater besaß. Ich durfte auch ein wenig damit im Schritt spazieren gehen. Als Reiten würde ich das aber nicht bezeichnen. Doch ich mag Pferde."
    Er machte den Vorschlag, dass Esquilina ein Stück reiten sollte. Sie nickte wieder begeistert. "Oh ja, gerne!" piepste sie und hielt sich aufmerksam an der Mähne fest.


    "Ich begleite euch gern ein Stück", erwiderte sie Massa. "wenn dir das nicht unangenehm ist, würde ich gerne in Ursis Nähe bleiben." Und in deiner!
    Alpina erschrak bei dem Gedanken, der sich in ihren Kopf geschlichen hatte. Doch es entsprach der Wahrheit. Sie fühlte sich wohl in Massas Gegenwart und wünschte sich diese Zeit auszukosten. Wie schnell waren diese Momente vorüber. Schon morgen konnte er abberufen werden, einen Auftrag fern von Mogontiacum bekommen, an Bord eines Schiffes gehen und über alle Ozeane davonsegeln. Carpe diem!

    Als Licinus Alpina fragte ob sie ein Geheimnis mit ihm teilen würde, zuckte sie ein wenig zusammen. Hatte er den Ausflug in den Keller doch missinterpretiert? Als dann die Frage nach der Hauptspeise kam, lachte Alpina erleichtert auf.
    "Es gibt einen Rinderschmortopf mit den üblichen Herbstgemüsen und Kräutern."
    Damit machte sie ihm die Entscheidung wohl nicht wesentlich leichter. Deshalb schloss sie an. "Wenn du mich fragst, ist die Entscheidung wohl schon gefallen, nicht wahr? Zum Rind passt roter Wein am besten und wenn du den lieblicherern aus Gallia Narbonensis nicht so sehr schätzt, dann werden wir wohl auf den aus Nordgallien zurückgreifen."


    Sie hielt ihm den Krug hin und schöpfte mit einer hölzernen Schöpfkelle den Rotwein in die Karaffe. Nun ergreif die Chance! Wann, wenn nicht jetzt? Alpina räusperte sich.
    "Nun, wenn ich ehrlich bin war die Weinauswahl nur der Aufhänger dich unter vier Augen sprechen zu können, Licinus. Kürzlich in der Taberna Medica erzählte mir Esquilina, dass du sie beim Lesen oftmals aufforderst deutlicher und lauter zu lesen, weil sie nicht verständlich genug lese."
    Alpina atmete tief durch. Wie sollte sie diplomatisch verpacken was sie nun selbst erlebt hatte. "Esquilina verunsicherte das. Ich habe ihr dann zugehört während sie mir vorlas. Und tatsächlich muss ich sagen, dass ich finde, dass sie für ein Mädchen ihres Alters und ihrer noch rudimentären Lesefähigkeit gut verständlich ist."


    Sie gab sich einen Ruck. "Heute bei der Cena ist mir dann auch aufgefallen, dass scheinbar nicht alle Inhalte unserer Unterhaltung bei dir ankommen. Entschuldige bitte, und sag mir wenn ich dir damit zu nahe trete, aber könnte es sein, dass du auf einem Ohr schlecht hörst, Licinus? Ich könnte es mir einmal ansehen. Vielleicht ist nur ein Pfropf darin?"