Zunächst sah sich Alpina bestätigt in ihrer Sorge, dass Curio sie als Schandfleck betrachtete, als entehrt und geschändet, nicht mehr tragbar für die Gens Helvetia. Er blickte starr auf die Tischplatte vor sich, erhob sich nicht, umarmte sie nicht wie er es früher getan hatte. Dann jedoch sprach er und sofort wurde Alpina klar warum er so zurückhaltend war. Er gab sich die Schuld. Wie schon Kaeso zuvor. Curio gab sich eine Mitschuld, weil er auf dem Landgut gewesen war als der Überfall passierte.
Die Raeterin zog sich eine Stuhl heran und setzte sich. Dann griff ihre Hand quer über den Tisch und legte sich auf Curios.
"Es ist nicht deine Schuld, Curio. Niemand trägt eine Schuld, nicht du und auch nicht Kaeso, der sich auch mit Schuldgefühlen quält, weil er diesen Gurox zu mir geführt hat und ihm am Ende körperlich unterlegen war."
Einen Augenblick schüttelte es Alpina, sie schluckte. Wieder kamen die Bilder hoch. Mit belegter Stimme fuhr sie fort.
"Gurox ist ein Verbrecher! Ich weiß was er Kaeso angetan hat und bezweifle auch nicht, dass er Phryne und ihre Sklaven in seiner Terrorherrschaft gefangen hielt. Zunächst wollte ich Kaeso das nicht glauben. Zu selbstverständlich schien Phryne in ihrem Haus ein und auszugehen. Doch ich weiß auch wie geschickt sie ist und tatsächlich stellt sich die Frage, wer da wen manipuliert hat. Doch eines steht fest: dieser Gurox ist ein Sadist, er liebt es, Menschen zu quälen und sie seine Macht körperlich spüren zu lassen..."
Alpina musste abbrechen. Sie spürte wieder jedes Wort, das er ausgespien hatte in ihrem Unterleib. Ich - habe - hier - das - Sagen. Wieder spürte sie, wie er sie auf die Knie gedrückt und an den Haaren gepackt hatte. Einen kurzen Augenblick hatte sie das Bild vor sich wie er sich vor ihr aufgebaut hatte, bereit sie auf das Übelste zu demütigen.
".... das darf nie wieder passieren, Curio! Nie wieder! Niemand soll das mehr erfahren müssen! Bitte hilf mir dabei, diesen Gurox zu bestrafen für das was er getan hat. Ich kann nur dich um Hilfe bitten, denn Corvinus ist nicht hier."
Tränen traten in ihre Augen. Sie erinnerte sich noch gut wie dieser sadistische Helvetier Agrippa versucht hatte sie zu vergewaltigen. Damals war ihr Corvinus zu Hilfe gekommen. Dieses Mal konnte er nicht ihr Retter sein. Wenn sie ihn überhaupt jemals wiedersehen würde.
"Phryne kann Gurox nicht anklagen, ganz abgesehen davon ob sie es tun würde, und Kaeso scheut zu recht die öffentliche Anklage, bei der er allen Bürgern der Stadt erzählen müsste, dass er von diesem Verbrecher missbraucht wurde. Er könnte damit nicht in der Stadt bleiben, es würde als Makel an ihm haften. Ich verstehe es deshalb, dass er nicht gleich damit zu dir kam."
Wieder pausierte die Hebamme. Dann blickte sie Curio unverwandt an. "Würdest du mir helfen Gurox vor dem Legatus Augusti anzuklagen? Auf wenn es bedeutet, dass deine Schwägerin eine geschändete Frau ist? Auch wenn viele anklagend auf mich zeigen werden und sagen: "die wollte es doch nicht anders! Deren Mann ist weit weg... wer weiß, vermutlich hat sie ihm schöne Augen gemacht und jetzt macht sie einen auf Opfer". Willst du mir trotzdem helfen?"