Beiträge von Susina Alpina

    Kaesos Wissensdurst erfreute Alpina eigentlich immer. Er stellte dieses Mal eine wirklich interessante Frage, die weit über das hinausging, was sie bisher in Sachen Pflanzenkunde miteinander besprochen hatten. Die Kräuterfrau war hocherfreut.
    "Die Symbolik der Pflanzen? Ein hochinterssantes Thema! Es ist schön, dass du danach fragst." Alpina lächelte ihn aufmunternd an und als er schließlich nicht eine Heilfplanze im üblichen Sinne, sondern eine Frucht nannte, stutzte sie. Doch bemühte sie sich, ihr Wissen mit ihrem Schüler zu teilen. "Nun, ficus - die Feige - iwird schon seit der Vorzeit als Frucht geschätzt und als Nahrungsmittel angebaut. Da sie süß, weich und reich an Samen ist und in ihrer Form der Gebärmutter ähnelt, steht sie seit jeher für Fruchtbarkeit."


    Bis hierher war es noch noch leicht möglich, die Bedeutung der Feige zu beschreiben. Nun aber wurde es unangenehm. Warum musste er ausgerechnet nach der Symbolik der Feige fragen? Alpina atmete tief durch, ihre Wangen röteten sich. "Sie ist aber auch die Frucht des Gottes Priapus. Ich nehme an wegen der vielen kleinen Samen im Inneren der weichen, sackartigen Fruchthaut... äh..." Die Kräuterfrau musste sich unterbrechen. Hoffentlich erahnte er, dass man die Feige mit dem Hodensack verglich. Jetzt kam der schwierigste Teil. Alpina sammelte sich erneut. "Naja und dann... also... wenn du die Feige aufreißt oder in zwei Teile schneidest ähnelt ihr Inneres ... ja, äh... der Vulva einer Frau..." Alpina stockte. Ihr Gesicht nahm die Farbe von Roter Beete an. "... und man nennt diese Geste... " Sie schob den Daumen zwischen dem Zeige und Mittelfinger hindurch. "... "jemandem eine Feige zeigen"...du weißt schon, wofür diese Geste steht, oder?"


    Oh je. Hatte schon jemand den jungen Mann aufgeklärt? Warum musste ausgerechnet sie diese Aufgabe treffen?
    "Als Schimpfwort wird Ficus respective Fica auch benutzt. "Feige" bezeichnet eine Hetäre, eine käufliche Frau, die ihren Körper gegen Geld anbietet oder einfach ein "leichtes Mädchen"."


    Nun atemte Alpina tief durch. Sie scheute sich Kaeso in die Augen zu sehen. Irgendwie war ihr die Situation sehr peinlich, auch wenn er sie als Lehrerin nach der Bedeutung der Feige gefragt hatte. Aber gerade so ein schlüpfriges Thema... Die Raeterin, deren Wangen noch immer unnatürlich rot waren, sah auf ihre Hände hinunter, die sie in stiller Verzweiflung in ihre Tunika gegraben hatte und flüsterte. "War es das, was du wissen wolltest? Sag, Kaeso, wie kommst du gerade auf die Feige?"

    Dass Kaeso sich in der Taberna Medica aufhielt, war ja nicht ungewöhnlich. Ganz im Gegenteil. Alpina erwartete schließlich, dass er ihr half. An diesem Morgen war er vor ihr im Verkaufsraum. Die Hebamme kam hinzu.
    "Salve, Kaeso! Schon so früh auf den Beinen? Hast du Hummeln im Hintern?"

    Alpina ging in die Hocke um auf Augenhöhe mit Octavena zu sein. Wie selbstverständlich nahm sie das Handgelenk der Schwangeren und beurteilte den Puls.
    "Wie geht es dir? Du siehst gut aus? Irgendwelche Beschwerden?"


    Die Hebamme wusste, dass noch ein wenig Zeit bis zur Geburt blieb, aber nicht jede Schwangerschaft verlief komplikationslos. Womöglich plagten die Schwangere Schmerzen im Rücken oder im Unterbauch. Vielleicht hatte sie Sodbrennen? Geduldig wartete sie, was Octavena ihr berichten würde.

    "Du solltest mir über sein? Wie kannst du so denken?" Alpina erschrak über die Aussage des Leibwächters. Hatte sie ihm diesen Eindruck vermittelt? Ihre Pupillen wanderten vom seiner linken blauen Iris zur rechten. Es schien wohl eher seine Sorge zu sein. "Sei dir sicher, für mich ist nichts wichtiger, als dass du deine Leistungsfähigkeit wiedergewinnst. Aber nicht um dich loszuwerden, sondern damit du noch einige Jahre für die Sicherheit Curios und seiner Familie sorgen kannst. Ich werde mich also freuen, deinen vernarbten Körper und dein Gesicht regelmäßig zu sehen."


    Sie ergriff die Pinzette und das Sichelmesserchen. "Aber pass auf, vermutlich hast du mich gleich über!" Alpina grinste. Beherzt packte sie den ersten Faden, zog ein wenig an, bis sich eine Lücke zwischen Haut und Knoten bildete und schnitt den Faden dort mit dem Sichelmesser ab. Es war bestimmt nur ein Ziepen und nicht sehr schmerzhaft, aber es würden noch weitere folgen.


    Als sie damit fertig war, sah sie auf. "Was hast du vor? Wie willst du die Sache angehen, wenn du wieder bei Kräften bist?"

    Scheinheilig behauptete Malleus "nichts" vorzuhaben. Die Kräuterfrau lächelte den alten Haudegen an. "Soso", sagte sie vieldeutig. Mochte er es auf das "eigentlich gar nichts" oder auf die Aussage beziehen, dass Malleus sich für Alpina herausgeputzt habe.


    Kopfschüttelnd sah sie zu wie umständlich er sich aus der Tunika schälte und dabei glatt den Stoff zerriss. "Warum einfach, wenn es auch umständlich geht..." kommentierte sie lächelnd. Konnte es wirklich sein, dass er sich vor ihr seiner Nacktheit schämte? Schließlich hatte sie ihn mehr als einmal nackt gesehen, sogar gewaschen hatte sie ihn. Als er schließlich die frische Narbe präsentierte, kam die Fachfrau zum Vorschein. Alpina kniete sich nieder. Sie stellte die Schüssel mit dem heißen Wasser, gemischt mit etwas Essig, und ihr Instrumentenetui ab. Schnell die Hände gewaschen, dann konnte sie beginnen, die Wunde zu inspizieren.


    "Das sieht gut aus. Du hast Glück! Der Chirurgicus hat sauber gearbeitet. Die Wunde ist ausreichend verheilt und dank deines Fleißes bei den Atemübungen wirst du sicher bald wiederhergestellt werden. Ein wenig Geduld wirst du jedoch noch haben müssen, bevor du dich auf die Verfolgung des Attentäters machen kannst. Denn das willst du doch, nicht wahr?"
    Sie ahnte, dass Malleus nicht ruhen würde, bis er den Kerl gestellt hatte, der Curio und ihn so zugerichtet hatte. Während sie auf seine Antwort wartete, breitete sie ein sauberes Tuch aus und legte eine Pinzette und ein scharfes Sichelmesserchen darauf. Dann traf ihr Blick seinen. Sie mochte die klaren blauen Augen des Germanen. Sie waren wie er selbst - geradlinig und unverschnörkelt.

    Esquilina schlief noch. Dennoch war davon auszugehen, dass sie bald wach werden würde, wenn sie die Stimme ihres Ziehvaters vernahm. Alpina freute sich, den Praefectus zu sehen. Als er sich setzte und begann sich ein Frühstück zu nehmen, deutete sie auf die schlafende Kleine.
    "Sie schläft sich gesund. Ich gehe davon aus, dass Esquilina hungrig sein wird, wenn sie erwacht. Sie hat die Krise überstanden. Es sieht so aus, als wenn sie das Schlimmste vorüber ist."


    Alpina lächelte dem Praefectus zu. "Danke für deine Hilfe und für den notwenigen Schubs, als ich am Verzweifeln war. Ich glaube, er war notwendig damit ich mich auf das Wesentlich konzentrieren konnte."


    Hinter ihr war ein leises Stöhnen und dann ein Gähnen zu vernehmen. "Sie wird wach, Licinus!" Alpina flüsterte, obwohl es gar nicht mehr nötig war. Sie drehte sich zum Krankenbett des Mädchens um.

    Als Alpina die Kammer betrat sah sie Malleus auf einem Stuhl sitzen. Er wirkte kurzatmig und an seiner frischen Tunika waren Schweißflecken erkennbar. Es war ihm anzusehen, dass er trotz aller Fortschritte noch immer nicht so belastbar war, wie er es gerne hätte.
    "Salve Malleus, darf ich fragen, was du vorhast? Ich komme, um die Fäden zu ziehen."


    Die Kräuterfrau kam auf den Leibwächter zu und lächelte. "Es ist schön zu sehen, dass du solche Fortschritte machst. Wenn die lästigen Fäden raus sind, kannst du schon ein wenig mehr Bewegungen machen und wirst nicht mehr so von der Narbe gehemmt. Die Atemübungen gehen schon recht gut, nicht wahr? Ich denke, deine Lunge regeneriert sich so langsam."

    Als Octavena die Taberna Medica betrat war deutlich zu erkennen, dass die Schwangerschaft schon fortgeschritten war. Ob es daran lag, dass es bereits das zweite Kind der Petronierin war? Der Bauch kam Alpina jedenfalls größer vor als bei der letzten Schwangerschaft.
    "Salve, Octavena!", begrüßte sie die Frau des Duccischen Familienoberhauptes. "Du hättest dich nicht herbemühen müssen. Ich wäre gekommen, wenn du mir einen Boten geschickt hättest."

    Die Hebamme zog den Hocker hinter dem Tresen hervor und schob ihn der Schwangeren hin.

    Ich bin am Montag umgezogen. Noch funktioniert nix und ist auch noch nichts ausgepackt. Also bitte ich um Verständnis bei meinen MItschreibern. Es kann ein wenig dauter bis ich wieder antworten kann. Momentan komme ich nicht mal zum Lesen.
    Gilt auch für Plinia Chrysogona.

    Alpinas junger Gehilfe erschien und machte der Kräuterfrau ein verlockendes Angebot. Erschöpft und müde erhob sie sich von Malleus Lager. Im Augenblick konnte sie ohnehin nicht viel für ihn tun. Sie hoffte, dass er sich an ihre Anweisung halten würde und alles für seine Gesundheit tun würde.


    Mit einem dankbaren Lächeln legte Alpina Kaeso die Hand auf die Schulter.
    "Ich danke dir, mein hilfreicher Freund. Dann werde ich mich jetzt für ein paar Stunden zurück ziehen. Du weißt ja, wo du mich finden kannst, wenn du mich brauchst, nicht wahr?"


    Sie schlich sich aus dem Krankenzimmer und zog sich in ihr Cubiculum zurück. Die kleine Ursi machte ebenfalls gerade Mittagsschlaf, so dass sich Alpina gleich zu ihr ins große Bärenbett legte und sofort einschlief.


    Neman


    Die Kinderfrau freute sich sichtlich als der Praefectus, der nun schon seit einigen Tagen immer wieder Gast im Hause war, ihr berichtete, dass die kleine Esquilina über den Berg war. Sie konnte sehen wie erschöpft der Mann war.
    "Es freut mich, das zu hören, Praefectus Iulius Licinus. Ich bin Neman, die Kinderfrau der Helvetier. Und selbstverständlich organisiere ich euch eine Mahlzeit. Wenn du die Latrine suchst, folge mir. Ich führe dich dorthin."


    Neman lief voraus. Während er sich erleichterte, ging sie in die Culina und bereitete mit Gwyn eine kräftigende Mahlzeit für alle drei. Wenig später trug Liam einen Tisch in das kleine Krankenzimmer. Darauf stellten Gwyn und Neman Obst, einen kräftigen Puls, ein wenig Brot, Käse und gekochte Eier dazu je eine Kanne mit heißem Kräutertrank und Milch.


    Alpina hatte sich gewaschen und frisiert. Sie erschien in einer frischen Tunika. Erfreut sah sie auf den gedeckten Tisch. "Oh, das ist aber lieb von euch!", sagte sie zu den Sklavinnen, wurde aber gleich darauf hingewiesen, dass sie das üppige Frühstück dem Praefectus zu verdanken hatte. Die Kräuterfrau lächelte. Er musste genauso erschöpft sein wie sie. Alpina stellte ihm einen Faltschemel hin und ließ sich selbst auch auf einem nieder. Dann wartete sie auf die Rückkehr des Iuliers.

    Eine unglaubliche Unruhe herrschte in der Casa Helvetia. Das Haus war abgeriegelt, die Bewohner schockiert und verunsichert. Inzwischen war Runas Vater mit einigen seiner Leute aus der Villa Duccia angekommen. Man bemühte sich um die Verletzten und die Aufarbeitung der Geschehnisse.


    Alpina huschte nach Acanthos in die Kammer, in der Malleus, der Leibwächter ihres Schwagers, sich auskurieren sollte. Sie wusste, dass der Germane seine Aufgabe sehr ernst nahm und konnte an seiner Erschöpfung erkennen, dass er sich bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit bemühte, zur Klärung beizutragen. Als sie zu ihm trat, hatte er sich wohl gerade erst wieder hingelegt. Der Brustkorb hob und senkte sich schnell und ungleichmäßig. Die Geräusche, die aus Malleus´ Lunge kamen klangen beängstigend. Die Kräuterfrau ließ sich an der Bettkante nieder. Beruhigend streichelte sie die Hand des Verletzten.
    "Du musst mir versprechen, dass du dich schonst, Malleus. Wenn du Curio einen wichtigen Dienst erweisen willst, dann bleibst du jetzt liegen und ruhst dich aus. Nur wenn du wieder zu Kräften kommst, kannst du ihn in Zukunft wirksam schützen. Ich komme später noch einmal mit einem stärkenden Trank und einer kräftigenden Suppe. Bis dahin will ich keinen Mucks aus diesem Cubiculum hören."


    Sie versuchte streng auszusehen und hob mahnend den Zeigefinger, wenngleich ein Lächeln ihre Lippen umspielte.

    Die Entlohnung war nicht das Problem. Der Scriba des Aedils wurde angewiesen den Chirurgicus zu bezahlen, aber die Moralpredigt, die Balbus über sich ergehen lassen musste, entlockte ihm zunächst nur ein spöttisches Grinsen, dann wurde er ungehalten. DIe Blondine hatte Haare auf den Zähnen. Schnell realisierte er, dass die Hebamme einen guten Stand in diesem Haus hatte und sein lockeres Mundwerk den Zorn der Hausherrin erregte. Als die Duccia ihn anwies, sich zu entschuldigen, zögerte er mit verkniffenen Lippen. Hatte er das nötig? Wenn ihr Gatte sich auf den Straßen Mogontiacums mal wieder mit Gesindel anlegte und angegriffen wurde, würden sie ohnehin wieder auf ihn zurückkommen. Er wusste, dass es keinen anderen Chirurgicus in der Stadt gab, zumindestens keinen, der diese Bezeichnung verdient hatte. Balbus hatte große Lust der Frau des Aedils das ins Gesicht zu donnern und zu verschwinden. Einzig die Aufzählung der einflussreichen Familie der Duccier ließ ihn zögern.


    Er drehte sich der Kräuterfrau zu und murmelte ein. "Entschuldige, wenn ich dich geärgert haben sollte. War keine Absicht. Der Aedil ist bei dir sicher in guten Händen."


    Mit einer schwungvollen Bewegung drehte sich der Chirurgicus um. "Vale bene, Aedil, vale bene Duccia Silvana. Man sieht sich!"


    Balbus blitzte die Blondine noch einmal an und folgte dann dem Sklaven, der ihn entlohnen sollte. Er hatte wirklich besseres zu tun als sich hier noch länger zu ärgern. Den Rest des Tages würde er dort verbringen wo seine derben Scherze geschätzt wurden: im Ludus der Gladiatoren und in den Tabernae rundherum, in denen er Stammgast war.


    Publius Cincius Balbus


    Der Aedil hatte eine massive Amnesie. Balbus nickte als er die Aussage des Helvetiers hörte.
    "Na, manchmal kann es ja auch ganz gut sein, wenn man sich nicht erinnert. Du wirst auf jeden Fall diese und die kommende Woche im Bett oder auf der Kline verbringen müssen, Aedil. Deine Birne hat eine ordentliche Druckstelle bekommen und die wabbelige Masse darin ist dabei ziemlich durchgeschüttelt worden. Wenn du dein Denkorgan langfristig wieder nutzen willst, tust du gut daran es jetzt nicht anzustrengen."


    Es klopfte und die Hebamme betrat das Cubiculum. Der Chirurgicus drehte sich um. "Ah, das Kräuterweib! Komm an meine Seite, Kleine!"
    Fröhlich beschwingt machte Balbus eine einladende Geste und ließ es sich auch nicht nehmen, Alpinas Hinterteil zu tätscheln als sie neben ihm ans Krankenbett trat.
    "Sieh mal, unser Freund hier hat ordentlich einen auf seine Birne bekommen. Er muss unbedingt Ruhe geben. Mindestens ebenso wichtig ist aber, dass sich die Wunde da nicht infiziert."


    Balbus nahm eine Sonde aus seinem Futeral und betastete damit die Wundränder. "Sind noch ödematös angeschwollen und die Rötung zeigt eine mögliche Verunreinigung an. Ich empfehle in solchen Fällen immer eine Paste aus Weihrauch, Myrrhe und Honig. Hast du das da?"


    Alpina nickte eifrig. Sie hatte die Rezeptur bereits in einem der Bücher des Celsus gelesen. Aufgrund des hohen Preises für Weihrauch und Myrrhe verwendete sie diese Paste nur sehr selten und äußerst sparsam. Aber selbstverständlich würde sie Curio damit versorgen.
    "Fein, Kleine!" Wieder ein Tätscheln auf ihrem Allerwertesten. Alpina zuckte zusammen. "Ich gehe dann gleich und mische sie."


    Der Chirurgicus nickte. "Du kümmerst dich dann auch um die Verbände und das Fäden ziehen. Sollte noch was sein, wofür ich gebraucht werde, schicke nach mir."
    Er stand auf und postierte sich vor der Frau des Aedils. Seine Rechte schnellte nach vorne und öffnete sich nach oben. "Meine Entlohnung!", forderte er direkt.

    Malleus bemühte sich, ihren Anweisungen zu den Atemübungen zu folgen. Alpina stellte fest, wie schwer er sich damit tat, aber auch, dass sich erste kleine Verbesserungen einstellten. Sie würde diese Übungen häufiger mit ihm machen müssen. Irgendwann teilte Malleus ihr jedoch mit, dass ihn ein sehr menschliches Bedürfnis plagte. Die Kräuterfrau errötete. Dass sie daran nicht gedacht hatte. Sie überfiel den armen Mann mit ihren Übungen und dabei musste er sich dringed erleichtern.


    Eigentlich hatte sie das Aufstehen überwachen wollen. War sich Alpina doch schließlich nicht sicher, inwieweit er diese Anstrengung nach der schweren Verletzung mit nur einem vollfunktionsfähigen Lungenflügel schaffen sollte. Doch diese Sorge wurde ihr sogleich abgenommen. Kaeso kam und rief zu zu dem Chirurgicus, der ihren Schwager untersuchte. Zum Glück erbot sich der Junge, bei Malleus zu bleiben.
    "Das trifft sich gut, dass du da bist, Kaeso. Hilfst du bitte Malleus beim Austehen?" Und im Hinauseilen rief sie noch zurück. "Ich sorge noch dafür, dass du ein Frühstück erhältst, Malleus."


    Publius Cincius Balbus


    Die Frau des Aedils war nicht auf den Mund gefallen. Das gefiel dem hageren Chirurgicus. Er musterte die Blondine schmunzelnd.
    "Die Axt im Walde? So so. Ich glaube, du solltest deine Energie lieber für den Mann aufheben, der deinem Gatten jene Axt übergezogen hat."


    Dann beugte er sich zu dem blassen Mann im Bett nieder. Der intensive Duft nach Pfefferminze schlug ihm ins Gesicht. "Er ist also orientiert? Das ist doch schon mal was! Dass er das Geschehen, das zu dieser Verletzung führte nicht erinnert, ist verständlich. Du kannst froh sein, dass er sich erinnert, wer du bist."


    "Dann wollen wir mal" Der Chirurgicus rüttelte Curio ein wenig an der Schulter. Sanfter als man es ihm zugetraut hätte. "Aedil! Helvetius Curio! Ich bin da, um mir deine Verletzung noch einmal anzusehen." Ohne eine Antwort abzuwerten öffnete Balbus den Verband, der um Curios Kopfwunde gewickelt war. Dann betrachtete er die Naht. Die Wundränder waren gerötet und wulstig. Er verzog das Gesicht. Kein Wunder bei einem stumpfen Trauma wie diesem. Dabei ging so viel Gewebe kaputt, dass es leicht zu einer Infektion kam. Noch war die Wunde nur gerötet, aber es sollte nicht mehr werden. "Lass die Kräuterfrau kommen!" befahl er der Gattin des Aedils. "Sie soll die weitere Versorgung übernehmen. Ich möchte ihr sagen, wie sie die Wunde behandeln soll."




    Während der Chirurgicus auf Alpina wartete, befragte er den Aedil. "Du kannst dich nicht an die Tat erinnern, was? Wie ist es mit Erinnerungen an die Zeit davor? Was hast du an dem Tag gemacht? Hast du Ärger erwartet? Man bekommt ja nicht alle Tage eins übergebraten, oder?"

    Da wollte doch eigenetlich Alpina den schwer verletzten Leibwächter trösten und von ihm wissen, ob die grobe Behandlung durch den Chirurgicus ihm zugesetzt hatte und dann war es Malleus, der sie tröstete. Die Raeterin lächelte bitter.
    "Ich bin es gewöhnt, dass man zotige Witze über mich reißt." Sie dachte an die Freigelassene Phryne, die keine Gelegenheit ausließ über sie herzuziehen. "Es ist ja schon ungewöhnlich, dass eine Frau einem Beruf nachgeht und die Profession der Hebamme und Kräuterkundigen wird besonders skeptisch beäugt. Denn wer weiß, welche Pflanzen einen Menschen gesund machen, weiß in der Regel auch, welche einen ins Schattenreich befördern. Dazu kommt, dass ich die meiste Zeit alleine bin. Das reizt die Leute, Gerüchte in die Welt zu setzen und mir ständig irgendwelche Affären anzuhängen. Dass so ein Raubein, wie dieser Chirurgicus da Witze auf meine Kosten macht, ist noch das Wenigste. Und ja, du hast recht. Er sieht nur sich selbst."


    Der Hustenanfall ließ Alpina zusammenzucken. "Du sollst dich nicht so anstrengen, Malleus. Wenn du etwas brauchst, dann vor allem Ruhe. Ich habe dir hier einen Trank gemacht, der dich und deine Lunge stärken soll. Trink ihn bitte. Wie ist es mit Schmerzen? Ich kann dir nocheinmal eine Dosis des Schlafmohns geben. Er wirkt zuverlässig gegen die Schmerzen und lässt dich tief schlafen. Das ist kein Heilmittel, das man dauerhaft anwenden darf, aber in den ersten Tagen nach so einer Verletzung ist es durchaus angebracht."


    Und mit einem hatte der Grobian von Chirurgicus sicher recht. Malleus würde Atemübungen machen müssen, damit sich der verklebte Lungenflügel wieder öffnete. Doch die Methode sollte eine sanfte sein. Alpina verband die Wunden des Germanen. Dann legte sie ihre warmen Hände seitlich an Malleus Brustkorb.
    "Versuch dich mal auf meine Hände zu konzentrieren. Kannst du versuchen so zu atmen, dass sich meine Hände auf und ab bewegen?", fragte sie. Die Kräuterfrau wollte mit ihrem Handkontakt seine Atembewegungen lenken und erreichen, dass er wieder alle Bereiche seiner Lunge mit Luft füllte, soweit es die Verletzung zuließ.