Beiträge von Susina Alpina

    Kaesos Frage versetzte Alpina in Erstaunen. "Du hast nicht gut genug zugehört, Kaeso. Ich habe nicht von einer Krankheit gesprochen, sondern von einem Schwangerschaftstrank. Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit, auch wenn es während einer Schwangerschaft, während der Geburt und danach zu Krankheiten kommen kann, ist der Zustand einer Schwangerschaft nichts krankhaftes. Aber man kann die Schwangere durch Heilkräuter unterstützen. Man kann zunächst das Bindegewebe stützen, Übelkeit vorbeugen und dem Körper kräftigende Substanzen zuführen. Gegen Ende der Schwangerschaft versucht man dann den Beckenboden weich zu machen und vorzeitigen Wehen vorzubeugen. Es gibt Kräuter die gegen bestimmte Symptome helfen und Krankheiten lindern oder beenden können, es gibt aber auch Pflanzen, die die Gesundheit fördern und den Organismus stärken können."


    Sie sah den Jungen nachdenklich an. Dann ergänzte sie noch: "Und dann muss man noch wissen, dass die Dosis das Gift macht. Eine bestimmte Menge einer Pflanze kann die Gesundheit unterstützen oder eine Krankheit heilen. Nimmt man aber zuviel davon, dann haben die meisten sehr wirksamen Heilmittel auch eine Schattenseite. Im besten Fall bekommt man, bei einer Überdosierung, Kopf- oder Magenschmerzen, Durchfall oder Übelkeit. Im schlimmsten Falle wirkt die Pflanze in hohen Dosen tödlich! Lerne also genau, wie viel man von welcher Pflanze verwendet und lerne auch über die Gefährlichkeit der Pflanzen. Wir sprechen bei der passenden Gelegenheit darüber."

    Ich melde mich für eine Woche in den Pfingsturlaub ab. Und da ich danach nur einen Tag da bin um dann gleich für 6 Tage auf eine Fortbildung zu fahren, bin ich nicht sicher, ob ich überhaupt in den kommenden 14 Tagen zum lesen oder schreiben komme. Rechnet mal lieber nicht mit mir.


    Heute werde ich versuchen auf alle offenen Threads noch zu antworten und dann bis in 14 Tagen. =)

    Esquilina ging es besser. Sie ass mit großem Appetit die Hühnersuppe und auch in den kommenden Tagen verbesserte sich ihr Zustand zusehends. Der Auswurf wurde rostrot und könnte besser abgehustet werden. Das Fieber stieg nur in den Nachmittagsstunden noch deutlich an. Alpina war zufrieden. Doch dann kam der siebte Tag. Die Hebamme wusste, dass dieser als gefährlich galt, doch sie wollte nicht wahrhaben, dass diese seltsame Regel auch auf die kleine Esquilina zutraf.


    An diesem Morgen traf sie Esquilina mit glasigen Augen und unnatürlich geröteten Wangen an. Alpina legte ihre Hand auf die Stirn der Kleinen. Diese war heiß wie Feuer. Die Hebamme presste die Lippen aufeinander. Bei Dea Febris! Sie legte das Ohr auf den Brustkorb des Mädchens. Es knisterte bei jedem Atemzug, dazu kam ein pfeiffendes Geräusch bei der Ausatmung. Als Esquilina die Augen aufschlug, jammerte sie. Sie klagte über heftige Flankenschmerzen bei jedem Atemzug.


    Alpina klopfte den Brustkorb ab. Tatsächlich hörte sich der Schall seitlich dumpfer an. Die Kleine hatte eine Rippenfellentzündung. Und auch die Lungenentzündung war noch immer brandgefahrlich. Innerhalb weniger Stunden fiel Esquilina unter Klagen und Weinen in einen fiebrigen Schlaf. Alpina Tränke schienen keine Wirkung zu zeigen. Besorgt hielt sie die Hand der Kleinen. Als Kaeso neugierig die Nase zur Tür herein steckte hielt sie ihn auf.
    "Bitte Kaeso, laufbdoch geschwind ins Castellum der Legio und hol den Praefectus Castrorum Marcus Iulius Licinus her. Sag ihm dass es um Esquilina geht. Bitte beeil dich!"

    Alpina lächelte. Es gefiel ihr, dass der Junge nicht nur die bereits kennengelernten Pflanzen rekapitulieren konne, er wollte noch mehr lernen. Sie gab ihm einen Wink ihr zu folgen und stapfte weiter über die Wiese bis zum Waldrand. Dort im Schatten einiger Büsche und Bäume blieb sie stehen und zeigte auf eine Pflanze, deren dunkelgrüne Blätter helle Tupfen hatten. Die Blätter waren oval aber spitz zulaufend und hatten einen matten Glanz. Was jedoch auffällig an der Pflanze war, das zeigten die Blüten. An langen Stängeln standen hübsche kleine Trichterblüten in kräftigem Rosa und Violett - an ein und derselben Pflanze gab es Blüten in unterschiedlichen Farben.


    Die Kräuterfrau kniete sich hin und zeigte auf die Heilpflanze. "Das ist Lungenkraut", erklärte sie. "Ich nehme an du kannst am Namen schon erahnen, wofür sie genutzt wird, nicht wahr?"

    Der Besuch von Babilus war schon wieder eine Weile her und Alpina hatte nichts mehr von dem Tiro gehört. Sie nahm also Briefpapier und Feder und schrieb.


    Ad Tironem
    Aulus Iulius Babilus


    Salve Babilus,


    seit deinem Besuch in meiner Taberna Medica ist schon wieder einige Zeit vergangen. Ich hoffe es geht dir soweit gut und du kannst dem Ende deiner Zeit als Tiro erwartungsvoll entgegenblicken. Das ich nichts von dir höre stimmt mich in zweierlei Hinsicht traurig. Ich hoffe, ich habe dich nicht vor den Kopf gestoßen oder verärgert? Das würde ich mir nicht verzeihen. Und zum zweiten stimmt es mich traurig, denn es bedeutet wohl, dass du nichts über den Verbleib meines Lebensgefährten Corvinus in Erfahrung bringen konntest. Die Ungewissheit ist schwer zu ertragen.


    Falls du die Zeit für eine Antwort findest würde ich mich sehr freuen. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute. Vale bene,


    Alpina

    Kaeso ging nicht weiter auf ihre tiefsinnigen Äußerungen ein und so war es an der Zeit ihm die Botschaft an Petronia Octavena zu erläutern.
    "Ich möchte, dass du ausrichtest, dass ich gerne morgen zur Erstuntersuchung käme und ob das recht wäre. Bitte frag auch ob ich noch etwas mitbringen soll, wie z.B Kräuter für einen Schwangerschaftstrank."


    Sie sah den Jungen lächelnd an. "Und mach dich auf deine zweite Lektion gefasst. Auf dem Weg zur Villa Duccia werden wir wieder Kräuter sammeln. Dieses Mal werden es Kräuter für die Schwangerschaft sein."

    Lächelnd und mit einem Kopfnicken konstatierte Alpina, dass Kaeso die erste Lektion anscheinend gut abgespeichert hatte und sie freute sich über sein wachsendes Selbstbewusstsein. Als sie schon mit der zu überbringenden Botschaft rausrücken wollte, konfrontierte der Junge sie mit einer im ersten Moment eigenartig anmutenden Frage. Warum sie ihn fragte und nicht gebot. Alpina holte sich den Schemel, der neben dem Bett stand, und setzte sich.
    "Du bist nicht mein Sklave, Kaeso. Also werde ich dir nicht befehlen. Und vermutlich hast du schon bemerkt, dass ich auch mit Neman, Gwen und den anderen Sklaven nicht im Befehlston rede. Von den helvetischen Sklaven erwarte ich jedoch, dass sie die Aufgaben erfüllen, die man ihnen stellt. Bei dir ist das etwas ganz anderes. Du bist freiwillig hier, niemand zwingt dich hier zu bleiben. Ich habe dich aufgenommen, weil mich dein Schicksal gerührt hat und sehr an eine schwere Schuld erinnerte, die ich trage. Ich konnte dir nicht die Tür weisen und wollte es auch nicht. Jeder verdient im Leben eine zweite Chance. Die möchte ich dir bieten. Du kannst sie ergreifen oder nicht...."


    Sie machte eine bedeutungsvolle Pause und sah dem Jungen geradewegs in die Augen.
    "Das Leben ist eine einzige lange Prüfung und ich wäre beinahe schon an ihr verzweifelt. Mehr als einmal war ich nah daran, aufzugeben, mein Schicksal den Unterirdischen zu übergeben, doch die Götter haben mir deutlich zu verstehen gegeben, dass dafür noch nicht der Zeitpunkt gekommen war. Ich habe eine Aufgabe im Leben, die ich erfüllen muss und auch will. Du musst sie noch finden - deine Lebensaufgabe - und ich will dir dabei helfen. Hier kannst du den Anfang machen. Es wird eine lange Sinnsuche werden und du wirst oft am Verzweifeln sein. Aber jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt."
    Alpina lächelte aufmunternd. Sie legte ihre Hand auf Kaesos Oberschenkel und tätschelte ihn freundlich.

    Alpina hatte Duccius Marsus und seine Frau Octavena begrüßt und beiden stolz Ursicina vorgestellt. Doch dann kam die Hauptperson des Tages. Also in den Augen der Hebamme DIE HauptpersonEN des Tages: Runa und Cornutus oder Leif, wie sein germanischer Name lauten würde.


    Erleichtert, dass es Runa bereits wieder soweit gut ging, dass sie an der Namensgebungszeremonie selbst teilnehmen und sogar ein Gebet für ihn sprechen konnte, beobachtete Alpina die stimmungsvolle Zeremonie. Wie schön war es doch, wenn eine qualvolle und gefährliche Entbindung eine solche Würdigung erhielt.

    So langsam klärte sich einiges auf. Alpina hörte aufmerksam zu was der Praefectus castrorum ihr antwortete. Marei war also eine Freundin, die Esquilina wohl kaum wiedersehen würde und dass mit Marcus er selbst gemeint war, hatte sich die Hebamme längst zusammengereimt. Warum Esquilina ihn Papa Marcus genannt hatte wurde nun auch langsam deutlich. Er war zwar nicht ihr leiblicher Vater, doch durch den Tod der Mutter und das Verschwinden des Vaters war Iulius Licinus eine Vaterfigur für das kleine Mädchen. Wie traurig die Geschichte der kleinen Esquilina doch war. Gerettet aus Lebensgefahr hatte sie praktisch alles verloren. Alpina fühlte großes Mitleid mit ihr.


    Sie errötete ein wenig als Licinus klarstellte, dass er nicht der leibliche Vater war. Doch nach der offensichtlichen Zuneigung zu dem kleinen Mädchen, aus der er auch keinen Hehl machte, und der Bezeichnung Papa Marcus hatte Alpina nur schließen können, dass die beiden mehr verband als eine Fürsorgepflicht. Nun war sie ein wenig peinlich berührt, genau wie er, der sich seines Geständnisses zu schämen schien, Esquilina aufrichtig zu lieben. So standen sie beide also etwas beschämt voreinander. Alpina fing sich jedoch schneller wieder.
    "Ich danke dir für deine Offenheit, Iulius Licinus, und es tut mir leid, dass ich so nachgehakt habe. Doch ich wollte wissen, ob ich Esquilina im Fieberwahn mit einer Aussage beruhigen kann wie der, dass sie ihre Eltern bald wieder sehen wird. Damit hätte es wohl nur schlimmer gemacht. Nun weiß ich, dass ich ihr sicherlich am besten damit Ruhe und Zuversicht verschaffen kann, indem ich ihr versichere, dass du so schnell wie es dir eben möglich ist, an ihrer Seite sein wirst. Und es freut mich, dass sie in Tiberia Lucia ebenfalls eine Vertraute hat über deren Anwesenheit sie sich freut."


    Ihr Blick traf den des Soldaten. Er sah erschöpft aus. "Was machen die Kopfschmerzen? Soll ich dir noch einmal einen Trank machen?"


    In ihrem Kopf reifte eine Idee, die sie dem Iulier bei Gelegenheit in einer ruhigen Minute eröffnen wollte. Jetzt aber wollte sie zunächst das Huhn in die Küche bringen, den Kräutertrank bereiten und dann die Kräuter für Esquilina sammeln gehen.

    Einige Tage nachdem Petronia Octavena in die Taberna Medica gekommen war, um Alpina um ihren Beistand bei der Entbindung ihres zweiten Kindes zu bitten, klopfte die Hebamme abends an die Tür des Jungen. Als er sie hereinbat, öffnete die Raeterin die Tür und betrat die kleine Kammer. Nun, Luxus bot sie nicht, aber immerhin war das Nötigste vorhanden. Alpina nahm sich vor, Kaesos Reich bei Gelegenheit ein wenig zu verschönern. Doch jetzt galt ihre Aufmerksamkeit dem neuen Auftrag.


    "Salve, Kaeso. Ich wollte dich um etwas bitten. Vor eingen Tagen kam Petronia Octavena, die Gattin des Familienoberhauptes der ansässigen Ducci, zu mir in die Taberna Medica. Sie ist zum zweiten Mal schwanger und wünscht meine Unterstützung während Schwangerschaft und Geburt. Nachdem sie mir offen gelassen hat, wann ich die Erstuntersuchung durchführen will, habe ich mich entschlossen, gleich zwei Angelegenheiten miteinander zu verbinden. Ich werde dich morgen losschicken mit der Botschaft, dass ich Übermorgen gerne zur Erstuntersuchung käme. Der Weg zur Villa der Duccii führt dich ein Stück aus der Stadt. Ich möchte, dass du auf dem Hin- oder Rückweg weitere Kräuter sammelst. Noch einmal Huflattich, Spitzwegerich und Lungenkraut. Traust du dir das zu?"
    Sie sah den Jungen herausfordernd an.

    Dieses Mal fand der Junge ein weiteres Vorkommen des gesuchten Huflattichs. Alpina war zufrieden. Von seinen Bedenken und der befürchten Peinlichkeit ahnte sie nichts. Es gab durchaus auch Männer, die ihren Lebensunterhalt mit dem Sammeln und Kultivieren von Heilpflanzen verbrachten.


    Die Kräuterfrau folgte Kaeso und sah ihm zu wie er sorgfältig die Blätter und Blüten erntete. Auf seine Frage, wie viel noch nötig war, sah sie in den Korb.
    "Für heute reicht das. Aber in den kommenden Tagen werde ich dich noch einmal alleine losschicken, mehr davon zu sammeln", stellte Alpina klar.


    "Lass uns weitergehen", forderte sie den Jungen auf. "Deine Lektion ist noch lange nicht beendet. Sieh hier am Wegesrand, diese unscheinbare Pflanze mit den breiten Blättern."
    Sie kniete sich nieder und pflückte ein Blatt ab. Dort wo sie den Stiel abgerissen hatte, lugten Fäden aus der Pflanze hervor. Die Oberseite des rundovalen Blattes, das etwa die Hälfte ihres Handtellers bedeckte war dunkelgrün und glänzend, die Rückseite, als sie das Blatt umdrehte, etwas blasser.
    "Diese Pflanze heißt Breitwegerich. Man kann sie zerreiben und den Saft zur Beruhigung bei juckenden Insektenstichen und zur Behandlung kleinerer Wunden benutzen. Kennzeichen sind diese Fäden im Blatt. Wenn du es zerreißt oder abreißt hängen die Blattadern als Fäden heraus."


    Alpina demonstrierte Kaeso wie man das machte. Dann zerrieb sie das Blatt in den Handflächen, bis der Pflanzensaft austrat und das Blatt freut wurde. Schließlich öffnete sie es wieder und legte es dem Jungen auf den Unterarm. Er sollte die kühlende und beruhigende Wirkung wahrnehmen.
    "Aber wir suchen heute den langen Bruder des Breitwegerichs - den Spitzwegerich", fuhr sie fort. "Dort drüben in der Wiese steht er."


    Die Hebamme stapfte munter drauflos und bückte sich zu einer Pflanze, die der anderen ähnelte. Die Blätter waren jedoch fast ellenlang und schmal. Noch trug der Spitzwegerich keine Blüten. Alpina nahm einen Teil der Blätter und hielt sie Kaeso hin. "Versuch du mal das Blatt zu zerreißen und sieh wie man beide Wegeriche unterscheidet. Der Spitzwegerich wirkt hervorragend gegen Husten, vor allem auch solch gegen Lungenentzündung. Man kann einen Trank daraus herstellen oder einen Sirup. Dazu zerkleinert man die Blätter im Mortarium, fügt wenig Wasser hinzu und erwärmt diesen Brei. Dann wird Honig hinzugefügt. Wir werden Esquilina jede Stunde einen Löffel voll davon geben. Lass uns eine ordentliche Menge davon sammeln. Und denk daran: nie mehr als ein Drittel der Pflanze ernten!"


    Sie hob mahnend den Zeigefinger. Als sie einges gesammelt hatten, lobte die Kräuterfrau den Jungen. "Sehr gut gemacht. Kannst du dir noch eine Pflanze merken? Mindestens eine solltest du heute noch kennen lernen."

    Alpina freute sich, dass Octavenas Schwangerschaft so problemlos verlief. Das war gut und versprach eine hoffentlich komplikationslose Geburt. Auf das Angebot der Petronierin sich den Termin für die Erstuntersuchung auszusuchen, nickte sie dankbar.
    "Wunderbar! Ich bin in den kommenden Tagen sicherlich beim Kräutersammeln in der Nähe eurer Villa rustica. Um mich anzumelden schicke ich dir einen Jungen von etwa 15 Sommern namens Kaeso, der mein neuer Gehilfe ist."


    Sie lächelte zum Abschied. "Vale bene, Octavena. Bis bald."

    Es freute Alpina die Erleichterung des Praefectus castrorum zu sehen, als er vernahm, dass Esquilina wach gewesen war und gesprochen hatte. Um so mehr tat es ihr leid, dass er nicht zugegen gewesen war. Auf seine Frage ob das ein gutes Zeichen war, nickte sie vorsichtig.
    "Ja, sie hat gesprochen und über das was sie gesagt hat würde ich gerne vor der Tür mit dir besprechen. Komm bitte mit."


    Sie überließen der Tiberia den Platz an Esquilinas Seite. Vor der Tür bemerkte die Raeterin die Nervosität des Mannes. Seine Stimme klang verändert. Alpina wusste, dass er sich große Sorgen machte. Sie legte ihm ihre Hand sanft auf die Schulter und lächelte beruhigend.
    "Wir dürfen vorsichtig positiv gestimmt sein, Licinus", sagte sie als erstes um ihm zu signalisieren, dass sie hoffnungsvoll war. "Dass Esquilina wach geworden ist und nach einer Weile sogar klare Gedanken fassen konnte, ist ein gutes Zeichen. Doch erwarte ich die Krise erst am siebten Krankheitstag. Bis dahin können wir nicht sicher sein ob sie es überstehen wird. Schnell kann auch wieder eine Verschlechterung eintreten."


    Ihr Blick war warm und einfühlsam. Nun aber wollte sie noch ein paar Antworten von dem Iulier.
    "Im Aufwachen sprach Esquilina noch nicht ganz klar einige Sätze, die mich beschäftigt haben. Es geht mich ja eigentlich nichts an, könnte aber vielleicht doch hilfreich sein, bei dem Versuch ihr in ihrer Krankheit beizustehen, wenn du mir ein paar Fragen beantwortest."


    Nun ließ die Hebamme die Schulter des Mannes wieder los. "Sie nannte mehrere Namen. Einer davon war der von Tiberia Lucia, dann sprach sie von einer gewissen Marei, die sie offenbar sehr vermisst. Kannst du mir zu ihr etwas sagen? Und dann sprach sie von einem Haus und von Wasser? Was ist passiert? Was quält die Kleine in ihren Träumen? Sie fragte sie nach ihrer Mutter und ihrem Vater.... Marcus..."


    Alpina fixierte den Iulier, gespannt auf die Antworten.

    Es war herzzerreißend zu sehen, wie Curio bei seiner Frau saß und sie liebevoll streichelte. Das Fieber stieg und Runa dämmerte langsam weg. Alpina traten die Tränen in die Augen. Sie dachte an Corvinus und daran, dass sie nicht wusste ob er noch lebte.


    Curio stand auf als Runa eingeschlafen war. Er war blass und sah mitgenommen aus. Kein Wunder. Die Sorgenfalte über der Nase deutete die Frage an, die er dann auch stellte. Alpina nahm ihren Schwager sanft am Arm und schob ihn zur Tür hinaus. Auch wenn Runa schlief und sie flüsterten, wollte sie doch nicht in Gegenwart der Freundin über die Prognose sprechen.
    "Ich habe schon oft Wochenbettfieber erlebt. Es ist eine tückische Erkrankung. Denn wenn die Infektion lokal begrenz bleibt ist sie durchaus gut behandelbar. Es darf nur nicht so weit kommen, dass sich die schlechten Säfte im Körper verteilen und das Blut verunreinigen. Dann kann es zur Sepsis kommen. Ich nehme an du weißt, was das bedeitet. Noch ist das Fieber nicht hoch, die Entzündung nur im Uterus. Aber ich kann dir nicht garantieren, dass es so bleibt, Curio."


    Ihr Blick war ernst. Sie kannte den Helvetier inzwischen gut genug um zu wissen, dass er aus ihren Andeutungen heraushören konnte, dass der Zustand labil war und jederzeit umschlagen konnte in eine tödliche Gefahr. Alpina nahm den Schwager bei den Schultern.
    "Meine Möglichkeiten habe ich fast ausgereizt. Ich werde noch eine neue Variante des Mutterzäpfchens versuchen. Es wird mit Wachs, Terpentinöl und Ochsenfett getränkt. Vor allem aber setzte ich auf deinen Einfluss bei den Göttern. Wenn sie wirklich wollen, dass ihr euren Sohn gemeinsam aufzieht, werden sie dein Opfer nicht verschmähen."


    Nun drückte sie Curio an ihr Herz. Sie hielt die Umarmung eine Weile um ihm zu versichern, dass sie bei ihm und Runa war in diesen schweren Stunden. Dann löste Alpina sich. Sie nickte ihm aufmunternd zu. Nun war es an ihm, die Götter um Beistand zu bitten.

    Ihre Frage entlockte dem Jungen tatsächlich eine sehr gute Beschreibung. Er erkannte die Unterschiede. Alpina lächelte und nickte. "Sehr gut, Kaeso. Du hast die wichtigsten Unterschiede erkannt. Die Pflanze, die du gefunden hast, heißt Löwenzahn. Du wirst ihre Heilkraft noch kennenlernen. Heute aber brauchen wir sie nicht, denn sie ist keine Lungenheilpflanze. Der Milchsaft ist nicht giftig. Er fördert die Ausscheidung der Galle und wird zur Behandlung von Gallengries, Gallensteinen und Leberbeschwerden eingesetzt."


    Die Kräuterfrau zeigte noch einmal auf den Huflattich. "Dann suchen wir noch einmal nach mehr Huflattich. Denn wir nehmen nie alle Blätter und Blüten eines Vorkommens, maximal ein Drittel, denn im kommenden Jahr wollen wir ja wieder welchen ernten können."


    Sie drückte Kaeso den Huflattich in die Hand. "Willst du es noch einmal versuchen?" Ihr Blick war einerseits auffordernd andererseits sollte er ihm die Sicherheit vermitteln, dass sie an ihn glaubte.

    Wie gut, dass Runa gleich anbot Kaeso zu unterrichten. Dennoch wirkte der Junge zögerlich. Nun ja, er würde schon noch warm werden, wenn er feststellte, dass man es nur gut mit ihm meinte.
    "Danke, Runa. Es ist sehr lieb von dir Kaeso zu unterrichten. Ich brauche ihn jetzt nicht. Wenn ihr möchtet könnt ihr gleich anfangen."


    Mit einem aufmunternden Lächeln schob sie den Jungen zu ihrer Freundin.

    Curio hatte den Ernst der Lage erkannt. Er würde sich um das Opfer kümmern. Alpina war erleichtert. Der Göttersegen war ich sehr wichtig, zumal sie von ihrer Seite tatsächlich schon alles in ihrer Macht stehende getan hatte. Dann stellte er noch ein paar Fragen. Die Hebamme nickte und sah ihren Schwager ernst an.
    "Ich nehme nicht an, dass für andere eine Gefahr besteht", sagte sie auf seine Frage nach einer Ansteckungsgefahr. Die Kenntnis von übertragbaren Keimen war noch nicht sehr weit verbreitet. Alpina ging wie die meisten Hebammen und Medici der Zeit davon aus, dass die Götter eine Krankheit schickten, das Säftegleichgewicht des Körpers durcheinander war oder Krankheiten durch ungünstige klimatische Umstände und hygienische Bedingungen ausgelöst wurden.


    Auch auf seine zweite Frage hin schüttelte sie den Kopf. "Wir werden sehen, ob und wenn ja wie lang Runa Cornutus stillen kann. Solange sie genug Milch hat und die Kraft dazu kann sie stillen oder die Milch ausstreichen. Dann kann Neman sie mit dem Löffel oder dem Tuchzipfel füttern. Wenn die Milch allerdings versiegt, brauchen wir eine Amme. Ich werde bei der Amme nachfragen, die den kleinen Leif stillt, ob sie ein zweites Kind übernehmen kann. Leif wird ja schon zugefüttert. Die Beaufsichtigung übernehmen Neman und ich. Dann können wir auch beobachten ob es Cornutus gut geht und er zunimmt. Andernfalls bleibt nur eine Amme."

    Kaeso schien eine Erfahrung zu machen. Alpina konnte es in seinen Augen sehen. Er nahm das erste Mal eine Pflanze anders war als sonst im Alltag. Mit den Augen und dem Tastsinn machte er Bekanntschaft mit dem Huflattich. Die Kräuterfrau lächelte. Ja, so war es ihr auch ergangen, als ihre Großmutter sie das erste Mal zum Sammeln mitgenommen hatte. Bis dahin waren ihr die Pflanzen nur als schmückendes Beiwerk im Garten von Tellus Mater erschienen. Sie hatte die Unterschiede nicht bewusst wahrgenommen. Wie unerfahren ihr neuer Gehilfe war konnte sie sogleich feststellen. Kaeso zeigte auf einen blühenden Löwenzahn und glaubte einen Riesenhuflattich vor sich zu haben. Alpina verkniff sich ein Grinsen.
    "Lass uns dort hingehen", sagte sie und zog den Jungen mit sich. Sie bückte sich und pflückte Blüte und Blatt des Löwenzahns. "Was siehst du, Kaeso?"


    Die Raeterin hielt in der einen Hand Huflattichblüte und Blatt in der anderen dasselbe vom Löwenzahn. Deutlich war der Unterschied erkennbar.

    Gemeinsam mit Kaeso verließ Alpina die Casa Helvetia. Sie liefen durch die Cabane und betraten dann die Straße in Richtung Alteium. Am Wegesrand fanden sie die ersten Heilpflanzen.
    "Sieh da, Kaeso! Das ist Huflattich." Sie zeigte auf eine gelb blühende niedrige Pflanze. Die meisten waren verblüht aber einzelne sonnenförmige Köpfchen mit gelbem Strahlenkranz konnten man noch sehen. Die Blätter waren lang gestielt, herzförmig und etwa handtellergroß. "Er ist eine wichtige Lungenheilpflanze. Geerntet werden vor allem die Blätter. Meist erst im Mai und Juni. Aber wir können auch jetzt schon welche nehmen. Der Huflattich enthält Schleimstoffe, sie wirken vor allem gegen den Hustenreiz und trockenen Husten, können aber auch das Abhusten erleichtern."
    Die Raeterin knipste ein Blatt ab. "Siehst du? Die Oberseite ist dunkelgrün, die Rückseite stark behaart und weißlich fast wie Filz." Sie hielt Kaeso das Blatt hin, damit er es selbst in die Hand nahm.


    Alpina erntete von den Pflanzen nur einige wenige Blätter und ging dann weiter. Sie drehte sich zu Kaeso um. "Entdeckst du hier noch mehr Huflattich?"
    Sie wollte, dass Kaeso die Pflanze wiedererkannte und selbst anhand ihrer Eigenheiten sammeln lernte.



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    Bildquelle: eigens Foto