Beiträge von Susina Alpina

    Curio, das Elternpaar, Coriolana, Cornutus und Acanthos waren so zügig vorangeschritten, dass Alpina in ihrem Zustand nicht mithalten konnte. Corvinus war selbstverständlich mit ihr zurückgeblieben und hatte fürsorglich den Arm um ihre Taille gelegt, um sie ein wenig zu stützen. Irgendetwas war anders als in den vergangenen Tagen. Sie war schon eine Weile sehr langsam, doch heute schien jeder Schritt einen ziehenden Schmerz in den Unterbauch zu schicken. Alpina beobachtete das mit Sorge. Es durfte auf gar keinen Fall sein, dass sie an diesem besonderen Tag Wehen bekam. Deshalb ging sie extra langsam. Sie wollte nichts riskieren.


    Endlich aber betraten sie den Wildgarten der Duccier. Lächelnd begrüßte Alpina die Gastgeber.
    "Salve, Pontifex Duccius Verus, salve Calventia Fusa, wir freuen uns an diesem besonderen Tag eure Gäste sein zu dürfen und der Verbindung der Duccier mit den Helvetiern beiwohnen zu dürfen."


    Sie ließ Corvinus seine Begrüßung formulieren und sah sich suchend nach Numerus Duccius Marsus und seiner Frau sowie den anderen Ducciern um.

    Susina Alpina mit



    Decria Timarcha


    und



    Helvetia Coriolana


    sowie


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    Helvetius Cornutus


    Der große Tag für Curio und Runa war angebrochen. Den Vormittag über, während Curio in den Thermen war, hatte Alpina Neman und Gwyn geholfen, die Kleinigkeiten für den Abend vorzubereiten. Sie hatte Brezenteig gemacht und eine Käsespezialität aus Raetia, die dort "Obazda" genannt wird zubereitet. Dann hatte sie ihr extra für diesen Tag unter Federführung von Lana genähtes Kleid angezogen. Nachtblau mit einer schönen gelben Borte. Zum Schluss bat sie Neman ihr den Schmuck anzulegen, den Runa ihr geschenkt hatte. Die inzwischen halblangen Haare ließ sie sich mit den Kämmen aufstecken. EInzig der Gürtel war ein Problem. Alpinas Bauch war inzwischen so umfangreich, dass sie ihn nicht mitten darüber schließen konnte, sondern ihn direkt unter der Brust knotete.
    Seit dem Aufstehen spürte sie bereits ein unangenehmes Ziehen im Bauch, schob es allerdings auf die Aufregung. Es war schließlich ein ganz besonderer Tag. Unter den vielen Vorbereitungen hatte sie tatsächlich darauf vergessen. Nun, wo sie auf Curio warteten, spürte sie das Ziehen erneut.


    Timarcha war unruhig. Sie schickte wieder und wieder Gwyn los, um sie nachsehen zu lassen, wo Curio denn bliebe.
    Lana kicherte hinter vorgehaltener Hand Alpina zu. "Sie ist ja noch viel nervöser als Curio!"


    Alpina lächelte, sparte sich aber die Antwort, um die Schwiegermutter nicht zu ärgern.
    "Ich kann es ja verstehen", sagte sie stattdessen.


    Ihr Blick ging in die andere Richtung zu der Haushälfte, die sie mit Corvinus bewohnte. Sie wartete auf ihn. Im letzten Moment war ihm eingefallen, dass er irgendetwas vergessen hatte. Nun mussten sie also auf die beiden warten. Der einzige, der schon da war, war der jüngere Bruder Cornutus. Er lehnte lässig an der Wand. Ihn schien nichts aus der Ruhe bringen zu können.

    Gleich nachdem er sich hingelegt hatte, setzte er sich schon wieder auf. Irritiert sah Alpina ihn an.
    Er machte ihr ein Kompliment wie schön sie das Haus eingerichtet hatte? Warum denn das jetzt? Gab es nicht gerade Wichtigeres?
    Sie grinste ihn an und gab ihm einen kurzen Kuss.
    "Danke, ich hatte ja auch Zeit alles einzurichten. Die Schreinerei hat großartige Arbeit geleistet. Du kannst dir nachher alles in Ruhe ansehen. Aber jetzt lass mich meine Arbeit machen und versuche nicht nochmal mich abzulenken."


    Dann drückte sie ihn sanft auf ihren Schoss zurück. Diesmal widerstand er der Aufforderung nicht und öffnete den Mund. Alpina beugte sich über ihn. Trotz des dürftigen Lichts konnte sie die entzündete Stelle schnell ausmachen. Vorsichtig suchte sie mit dem Finger den Kiefer ab. Sie fand den Fremdkörper und zückte die Pinzette. Mit zwei Versuchen war der Holzspreißel entfernt.


    "So, dass wäre geschafft."
    Sie präsentierte ihm den Bösewicht. Dann tauchte sie ein Tuch in den Myrrhenwein und betupfte die Stelle im Mund, die nun heftig blutete. Die adstringierende Wirkung setzte jedoch bald ein.
    "Spüle noch einige Male mit dem Wein. Dann dürfte es bald besser werden. Außerdem darfst du heute und morgen noch Myrrhenharz als "Kaugummi" kauen."


    Zum Abschluss der Behandlung beugte sie sich vor und küsste ihn liebevoll. Wie sehr hatte sie diesen Anblick vermisst.
    "Fertig!"

    Er nahm sich an der Türschwelle die Zeit, ihr von den Aktivitäten der Chatten zu erzählen und so ernst und ehrlich wie er es tat, glaubte sie ihm alles, was er sagte. Es klang nicht gut aber auch nicht so, dass sie sich jetzt sofort Sorgen machen musste.
    "Nun gut, dann werde ich mir keine Sorgen wegen der Chatten machen. Dann ist meine einzige Sorge jetzt, wie ich dich wieder dazu bekomme, dass du bei der Hochzeit ordentlich zulangen kannst. Wirst du dich vertrauensvoll in meine Hände begeben?"


    Sie wartete seine Antwort nicht ab sondern öffnete die Tür und schob ihn ins Cubiculum.
    "Du kannst dich schon ein wenig frisch machen und ich hole inzwischen meine Instrumente und Medikamente."



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    Als sie wenig später das Cubiculum wieder betrat, hatte er sich bereits frisch gemacht und rasiert. Zufrieden stellte sie fest, dass er dem Corvinus, den sie kannte, langsam wieder ähnlich sah.
    Sie stellte ihren Korb mit den Medikamenten ab, entnahm ihm das Instrumentenetui und ein Kästchen mit Medikamenten. Sie hatte auch Wein und Essig mitgebracht. Den Essig benutzte sie zum desinfizieren, den Wein um das Myrrhenharz darin aufzulösen. Konzentriert machte sie sich an die Arbeit. Schließlich nahm sie eine spitze Pinzette aus dem Etui.


    Mit einem Lächeln nickte sie Corvinus zu.
    "So jetzt wird´s ernst. Damit es für dich halbwegs angenehm wird, bitte ich dich, leg dich auf den Rücken. Ich werde mich so hinsetzen, dass du deinen Kopf auf meinen Schoss betten kannst. Dann dürfte ich gut sehen und hoffentlich den Störenfried gleich beseitigen können."


    Sie setzte sich auf die Bettkannte und wartete bis er sich hingelegt und den Kopf auf ihren Schoss gelegt hatte. Mit einem zuckersüßen Lächeln bat sie ihn.
    "Mund auf, mein Bär."

    Den Pferden schien es tatsächlich schlecht zu gehen, also wurde Alpina ernst.
    "Natürlich können wir Lykke und Sigga wieder aufpäppeln. Es gibt so ein Wundermittel aus einem Teil Leinsamenschrot, zwei Teilen Weizenkleie und vier Teilen Hafer. Den Leinsamenschrot muss man am Tag zuvor einweichen, das machen wir am besten heute noch, den Rest mischt man dann dazu und kocht das Ganze auf. Wenn wir noch Brennnesselsamen dazugeben wird auch das Fell schnell wieder glänzend. Keine Sorge, du musst nicht in Zukunft zu Fuß gehen."


    Dann folgte eine abenteuerliche Geschichte wie er zu der dicken, geröteten Backe gekommen war. Alpina musste lachen. Es war so typisch Corvinus.
    "Das hast du wunderbar gemacht, mein Bär! Das Bienengift hat den Schmerz genommen. Du kannst den Bienen dankbar sein." Doch schon gleich drauf wurde sie wieder ernst. "Ich fürchte allerdings, dass der Fremdkörper noch in deinem Kiefer steckt und eine Entzündung verursacht hat. Mit etwas Glück kann ich ihn entfernen und dir mit Myrrhe helfen. Die Harzkörner, gekaut oder in Wein gelöst als Mundspülung, helfen wunderbar. Du willst ja an Curios Hochzeit was essen können, oder? Vor allem wo du so abgenommen hast. Da muss ja dringend wieder was hinwachsen an dich!"


    Sie strich ihm zährtlich über den Bauch. Eine Sache hatte er aber immernoch ausgelassen. Die Gefahr, die von den Chatten ausging. Alpina bohrte nach.
    "Was ist dran an dem Gerücht, dass sich die Chatten zum Krieg rüsten. Hast du dich in Gefahr gebracht? Ich hatte solche Angst, dass du nicht wiederkommst!"

    Alpina spürte wie Corvinus zusammenzuckte und erkannte, da sie ja deutlich kleiner als er war, auch die nässende Wunde unter dem Kinn. Darum würde sie sich kümmern, wenn sie ein wenig mehr von ihm erfahren hatte. Die Aussicht darauf, dass er mehrere Tage, vielleicht sogar eine ganze Woche bleiben würde, entlockte ihr ein strahlendes Lächeln. So viel Zeit hatten sie noch nie miteinander verbringen können. Was für großartige Aussichten!


    Sie genoss seinen Kuss. Wie lange war es her, dass sie sich geküsst hatten. Als er dann aber nicht nach einem Heilmittel für sich fragte, sondern für die Pferde, schüttelte sie in gespieltem Ärger den Kopf.
    "Denkst du immer zuerst an deine Pferde anstatt an dich? Wie wäre es, wenn ich zunächst deine Wunden behandle und dir dann eine Salbe für deine wundgerittenen Pferde mitgebe?"


    Zärtlich strich sie über seine gerötete Wange und fragte dann mit verschmitztem Lächeln:
    "Hast du wieder den Kopf hinhalten müssen oder ist es eher der helvetische Dickschädel der sich hier zeigt? Ich hoffe die Frau deines Kampfgegners wird ähnlich das Gesicht verziehen wie ich..."

    Alpina richtete gerade frische Tücher, Binden und Decken für die bevorstehende Geburt her. Es würde nicht mehr lange dauern und sie wollte vorbereitet sein. Mit versonnenem Lächeln legte sie zwei winzige Tuniken zusammen, die sie mit Lanas Hilfe selbst geschneidert hatte. Kaum vorstellbar, dass sie bald ihr eigenes Kind damit anziehen würde.
    Plötzlich ertönte nach einem Rumpeln, das Alpina sofort aufhorchen ließ, aus dem Atrium die Stimme von Corvinus. Er rief ihren Namen! Alpinas Herz machte einen Schlag bis zum Hals, gefolgt vom Aufwirbeln von Schmetterlingen in ihrem Bauch. Wie sehr hatte sie ihn vermisst!
    Sie ließ alles stehen und liegen und eilte ihm entgegen so schnell es ihr Zustand eben zuließ.


    "Corvinus!", rief sie ihm schon von weitem entgegen.
    Dann warf sie sich in seine Arme. Sofort spürte sie, dass er deutlich schmaler geworden war seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Sie schmiegte sich an seine Brust und genoss zum ersten Mal seit langem seine Nähe. "Wie schön, dass du wieder da bist. Ich habe dich so sehr vermisst!"


    Nach einer Weile löste sie sich von ihm und untersuchte ihn mit prüfendem Blick. Er sah mitgenommen aus. Dass er schlecht rasiert war nahm sie nicht weiter zur Kenntnis, mehr beunruhigten sie die sichtbaren Verletzungen. Schrammen und blaue Flecken, dazu eine deutlch gerötete und geschwollene linke Gesichtshälfte - die Folge eines Kampfes Mann gegen Mann, wie sie folgerte.
    Sie sah ihn mitleidig an und wartete darauf, dass er ihr selbst erzählte, wie es ihm ging.

    Alpina hatte gehofft, dass Corvinus noch vor der Hochzeit Zeit finden würde, mit ihr gemeinsam ein passendes Hochzeitsgeschenk für Curio und Runa auszusuchen. Doch er war seit Wochen nicht in die Casa Helvetia gekommen. Nun machte sich Alpina alleine auf den Weg, ein Geschenk zu kaufen. So wie sie das Hochzeitspaar einschätzte und wohl wissend, dass die Casa Helvetia weder auf der Seite, die Corvinus und sie bewohnten, noch auf der Seite seines Bruders vollständig eingerichtet war, suchte Alpina nach einem praktischen Geschenk. Sie hatte auch schon eine Idee, was die beiden gut gebrauchen konnten.


    Gezielt steuerte sie einen Töpfer an, der seine Ware auf mehreren Verkaufstischen in der Basilika anbot. Sie sprach den hageren Mann dahinter an.
    "Salve, guter Mann. Ich suche einen schönen und repräsentativen Mischkelch für Wein und Wasser. Etwas, das den Tisch schmückt und man auch den Gästen gerne zeigt."


    Der Mann lächelte geschäftstüchtig und führte sie zu einem großen Mischkelch, den einige Tiermotive schmückten. Alpina besah sich den Kelch.
    "Hm. Er ist sehr hübsch, aber ich hatte an eine mythologische Szene oder so gedacht. Weißt du, es ist ein Hochzeitsgeschenk."


    Die Augen des Töpfers leuchteten auf. "Eine Hochzeit? Ja, da habe ich was Besonderes!"
    Er tauchte ab und kam mit einem großen Mischkelch hervor, dessen rotglänzende Rundung ein Relief zierte. Es zeigte den Weingott Bacchus und einige Satyrn und Mänaden, die um den Gött herumtanzten und ihm fröhlich zuprosteten.


    Alpina nickte erfreut. "Wunderbar, genau so habe ich mir das vorgestellt. Gibt es auch passende Becher dazu?"


    Der Töpfer strahlte jetzt. Er witterte ein gutes Geschäft.
    "Natürlich, natürlich!"
    Er präsentierte ihr eine Auswahl an ebenso schönen, rotglänzenden Tonbechern. Einige trugen Satyrn, andere Trauben, wieder andere Tiermotive oder waren gänzlich schmucklos.


    Alpina stand eine Weile grübelnd vor den Stücken. Dann ließ sie sich die Preise nennen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob ihr Budget dafür reichen würde. Schließlich entschied sie sich.
    "Gut. Ich nehme den Mischkelch und dazu je drei von den Bechern mit den Satyrn und denen mit den Trauben. Und eine Bitte hätte ich noch. Verpacke alles bruchsicher in einer Kiste und liefere sie in die Casa Helvetia in den Cabanae. Am besten in die Taberna Medica Alpina. Damit der Bräutigam keinen Wind von der Sache bekommt."

    "Oh ja, natürlich kannst du die Zeichnung behalten. Du wirst noch nicht oft so ein spezielles Möbel gefertigt haben, nehme ich an."


    Alpina freute sich, in Eckwin so einen versierten Schreiner gefunden zu haben, der sich auch einen so ungewöhnlichen Auftrag zutraute. Als er dann nach der verbleibenden Zeit fragte, hob sie die Schultern.


    "Nun, so genau kann ich das natürlich nicht sagen, denn im Prinzip kann es jederzeit losgehen. Aber meiner Erfahrung nach würde ich sagen ein bis zwei Wochen sind es noch. Doch mach dir darüber keinen Kopf, wenn der Geburtsstuhl zu meiner Entbindung zu spät kommt, wird er zukünftig den anderen gebärenden Frauen gute Dienste leisten."

    Das Lob schien den Schreiner aufrichtig zu freuen und auch der neuerliche Auftrag entlockte ihm einen Ausruf der Freude. Er besah sich die Zeichnung. Die anschließende Bemerkung hatte Alpina schon erwartet. Sie lächelte.
    "Du hast natürlich recht. Zum Tagen wird er zu schwer und auch zu unhandlich sein. Ich habe vor ihn mit einem Leiterwagen zu transportieren. Was meinst du? Das müsste doch möglich sein?"

    Es war erstaunlich wie sich Runa über die festgemeißelten Grundsätze der römischen Gesellschaft hinwegzusetzen gedachte. Alpina bewunderte sie für ihr Selbstbewußtsein. Also nickte sie lächelnd.
    "Ich werde dir in jedem Fall Bescheid geben, wenn es los geht. Dann können wir ja sehen, ob deine Hilfe überhaupt notwendig ist. Ich bin ja jetzt sozusagen die "Test-Gebärmutter" für Timarcha. Vielleicht wird sie dann ja milde... wer weiß. Ich bewundere dich jedenfalls für deine selbstbewußte Haltung. Du bist halt eine Duccia und hast diesen Stolz schon mit der Muttermilch eingesogen."


    Alpina trat noch einmal an die Freundin heran und umarmte sie herzlich.
    "Danke noch einmal für den Schmuck und dein Angebot, mir bei der Geburt beseite zu stehen. Du bist einfach die Beste."

    Als Alpina hörte, wie Runa mit Gewissheit versprach bei der Geburt zu helfen, musste sie schlucken. Sehr gerne hätte sie die Freundin dabei an ihrer Seite gehabt. Doch Alpina wusste, dass dies unmöglich war.
    "Es wäre schön, wenn ich dich bei der Geburt an meiner Seite wüsste, doch leider geht das ja nicht. Du als Aeditua wirst nicht mit der Geburt in Berührung kommen dürfen. Vermutlich dürfen wir uns sogar 40 Tage lang danach nicht sehen. Nun ja, Timarcha wird bei mir sein..."


    Prompt kam Runa gleich wieder auf die Schwiegermutter zu sprechen. Sie sprach ihre schwierige Beziehung zu Curios und Corvinus Mutter an. In deren Augen war die Partnerin eines ihrer Söhne wohl tatsächlich erst dann voll akzeptiert, wenn sie ein helvetisches Kind unter dem Herzen trug. Runas Erwähnung der Verhandlungen bezüglich der Ehe mit Curio und der Begriff "Zuchtstute" machten deutlich, dass Runa die Priorisierung der helvetischen Nachkommenschaft sehr zusetzte.
    "Vermutlich ist meine Schwangerschaft auch der Grund, warum mich Timarcha schneller akzeptiert hat. Ich bin schwanger von Corvinus, trage also zum Fortbestand der helvetischen Familie bei, wenn er das Kind nach seiner Entlassung aus der Legio als seines anerkennen lässt. Du wirst dich damit abfinden müssen, dass sie das so sieht. Umso wichtiger für dich, bald ein Kind von Curio zu bekommen. Dann wird sich euer Verhältnis sicher bessern. Ich bin heilfroh, dass man um mich nicht verhandeln musste... also wenn ich von den Verhandlungen mit Corvinus über meine beziehungsweise unsere Zukunft mal absehe. Ich fürchte ja fast, dass du und Timarcha nie wirklich dicke Freundinnen werdet - du bist zu selbstbewußt. Das passt nicht in ihre Vorstellung einer römischen Matrone. Aber mach dir keine Sorgen, bald ist sie wieder weg -auf dem Landgut - dann siehst du sie nur noch selten."


    Sie zwinkerte Runa zu. Beide würden sie als Schwiegertöchter der helvetischen Matrone versuchen müssen gute Miene zum bösen Spiel zu machen und um ihrer beiden Liebsten Willen ein gutes Auskommen mit Timarcha anzustreben. Alpina mit ihrem nachgiebigen Wesen fiel das allerdings leichter als Runa.


    "Was die Taberna Medica angeht, brauche ich wohl erst nach der Entbindung deine Hilfe, es sei denn, dass es mir plötzlich schlechter ginge. Aber ganz ehrlich, außer dass ich so unbeweglich bin, fühle ich mich sehr wohl."

    Mit Nachdruck redete Runa auf Alpina ein. Sie schien überzeugt zu sein, dass die Visionen, die sie hatte, dazu da waren, das Schlimmste zu verhindern. Alpina hoffte es. Denn sie wusste, dass es durchaus nicht selten vorkam, dass die Geburt eines Kindes in Beckenendlage todlich für die Beteiligten ausging. Häufiger für das Kind als für die Mutter, oft aber auch für beide. Sie hatte das auch schon erlebt. Nun war die Angst natürlich groß. "Ich hoffe so sehr dass du recht hast, Runa. Ich möchte zu gerne unsere Kinder gemeinsam aufwachsen sehen!"


    Sie erwiderte die Umarmung. "Es wird schon gut gehen! Bald ist es soweit. Ich habe seit einigen Tagen bemerkt, dass der Bauch sinkt. Das ist ein untrügliches Zeichen. Jetzt hoffe ich nur, dass sich die oder der Kleine noch Zeit lässt bis nach der Hochzeit. Kannst du verhindern, dass die beiden Ereignisse zusammenfallen? Das wäre mal was!"


    Alpina zwinkerte Runa zu. Ja, bald war es soweit und dann musste sich zeigen, ob die Götter ihr gewogen waren oder nicht.

    Tapfer nickte Alpina und erwiderte seinen Händedruck. In die Augen sehen konnte sie ihm dabei nicht, sonst wäre sie sicher in Tränen ausgebrochen. Als Schwangere hatte sie ohnehin noch näher am Wasser gebaut als sonst. Stattdessen wanderte ihr Blick zu dem angefangenen Kleid.
    "Dann wollen wir mal weitermachen mit unseren Vorbereitungen. Du mit deinen und ich mit meinen."


    Sie warf dem Stoff einen verächtlichen Blick zu. Dann nahm sie ihn auf.
    "Ich werde gleich mit dir gehen und Lana suchen."

    Nichts wünschte Alpina ihrer Freundin so sehr wie die Zweisamkeit mit Curio genießen zu können. Sie nickte deshalb lächelnd, als Runa ihr selbstsicher zu verstehen gab, dass sie das "erste Mal" mit Curio genießen würde. "So sei es, Runa", sagte sie in der festen Hoffnung, dass es so sein würde, wenn Runa nur fest genug daran glaubte.


    Dann hörte sie den tröstenden Worten zu, die Runa zu ihrem verhängnisvollen Fehltritt mit Marcellus fand. Sie selbst hatte das Thema gänzlich abgehakt. Der einzige Mann in ihrem Leben war Corvinus und so würde es auch bleiben bis an ihr Lebensende... wann auch immer das sein würde. Deshalb freute es sie umso mehr als Runa erzählte, dass Corvinus keine der Dirnen im Lupanar ins Separée begleitet hatte. Sie hätte es ja verstanden - die Gelegenheit war günstig - und sie in ihrem Zustand war nun wirklich keine Aphrodite... es zeugte von Selbstbeherrschung und machte ihr nur noch schmerzlicher bewußt, wie sehr er ihr fehlte.


    Runa kam aber sehr schnell mit einer weiteren, sehr ernsten Angelegenheit. Es ging um ihre Vision und nun hörte Alpina das, was Curio nur angedeutet hatte. Runa sah tatsächlich eine tote Frau mit einem lebenden Kind im Arm. Auch wenn sie das Geschicht nicht erkannte, erschrak Alpina zutiefst. Sie wusste doch genau, dass die Freundin zukünftige Wahrheiten erschauen konnte.
    "Ich danke dir für die Warnung, Runa. Doch wenn es die Götter so entschieden haben, bin ich wenigstens dankbar dafür, dass unser Kind überleben wird. Sollte ich die Frau in deiner Vision sein, versprich mir bitte, dass ihr, du und Curio, euch um das Kind kümmern werdet, ja? Corvinus kann das nicht. Er ist im Castellum und kann nur ab und an in die Casa Helvetia kommen. Und versprich mir, auf Corvinus aufzupassen. Es dürfte nicht leicht für ihn sein, wenn es so kommt, wie du es voraussiehst... ich mache mir Sorgen um ihn."
    Tränen sammelten sich in Alpinas Augen. Die Möglichkeit, dass ihr gemeinsames Glück nur so kurz gedauert haben könnte, tat weh - tat unsäglich weh. Doch was sollte man gegen die Entscheidung der Götter unternehmen?


    "Ich werde mich natürlich so weit es geht schonen. Keine Sorge, Runa. Doch das wird nicht darüber entscheiden, ob ich unserem Kind beim Aufwachsen zusehen darf oder nicht. Und das weißt du besser als ich."
    Alpina versuchte zu lächeln. Sie nahm die Hände der Freundin und drückte sie fest. Die Vorstellung auch sie und Curio zu verlieren schmerzte fast ebenso, wie der Gedanke an Corvinus.

    Es war gut zu wissen, dass Runa keine Angst davor hatte, so jung schwanger zu werden. Und natürlich war es nur zu verständlich, dass sie Curio ein Kind schenken wollte. Auch wenn es Alpina ein wenig verwunderte. Sie hatte Runa so eingeschätzt, dass sie durchaus noch höhere Weihen im Cultus Deorum anstrebte. Wenn sie dann schwanger und schließlich Mutter war, würde eine Karriere erst einmal in weite Ferne rücken. Doch Alpina wollte sich in diese Pläne nicht einmischen. Sie überließ Runa die Entscheidung.


    Bei der dann folgenden Frage wurde Alpina nachdenklich, sie versuchte die Erinnerungen an ihr "erstes Mal" hervorzukramen. Eigentlich hatte sie die ganze Affäre mit Marcellus tief in ihrem Unterbewußtsein vergraben. Nur ungern holte sie diese hervor.
    "Nun, ich war wohl etwas überrumpelt als Marcellus mich im Garten entjungfert hat. Wir kannten uns noch gar nicht lange und eigentlich ging mir das alles auch ein wenig zu schnell... ich erinnere mich schon an den Schmerz und vor allem daran, dass ich aus lauter Angst schwanger zu werden, zwar die Nähe schön fand, die Vereinigung aber nicht wirklich genießen konnte. Es ist kein heftiger Schmerz, er ist erträglich. Doch kann ich mir nicht vorstellen, wie man dieses erste Mal wirklich genießen soll - zumal unter Zeugen..."


    Alpina sah Runa an.
    "Ich wünsche mir für dich, dass es dir anders ergeht und du es genießen kannst, aber ich habe meine Zweifel. Denn sonderlich entspannt wirst du nicht sein, auch wenn du weißt, dass Curio dich liebt und du keine Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft haben musst. Du bist dann ja rechtmäßig verheiratet. Ich war nur ein dummes Ding, dass gedankenlos dem Petronier zum Geschenk gemacht hat, was einem anderen gebührt hätte."

    Es war ja rührend zu sehen, wie sehr sich Curio Sorgen machte. Als er jedoch sagte, dass Runa die Warnung in einem bestimmten Ton ausgesprochen hatte, sah sie ihn ebenso ernsthaft an. Das Kind machte keine Anstalten sich zu drehen und die äußere Wendung würde sie auch erst nach der Hochzeit versuchen können, sonst wäre sie mit Sicherheit nicht Gastgeberin sondern in ihrer Kammer - tot oder lebendig. Und was die beiden mit Sicherheit nicht brauchen konnten war eine stöhnende und schreiende Kreissende oder ein Todesfall zu ihrer Hochzeit.


    Dass Runa ihn mit dieser Bitte geschickt hatte, bedeutete aber wohl, dass sie eine Vision gehabt hatte. Alpinas Herz schlug plötzlich bis zum Hals, sie bekam Angst. Jetzt, wo sie gerade so glücklich war, wo ihre Zukunft mit Corvinus, Curio und Runa als Wunschbild vor ihren Augen stand und schon beinahe Wirklichkeit war, konnte es auch schon wieder vorbei sein. Sie schluckte und antwortete dann mit belegter Stimme.


    "Es liegt nicht so sehr daran, ob ich mich schone oder nicht - es ist eine Entscheidung der Götter ob sie mir beistehen oder nicht. Curio, diese Geburt wird mit Sicherheit nicht einfach werden, das steht inzwischen fest, denn das Kind dreht sich nicht. Ich will selbst nicht, dass es am Tag der Hochzeit soweit ist und werde aus diesem Grund alles meiden, was eine vorzeitige Geburt nach sich ziehen würde, aber es liegt nicht in meiner Hand. Vielleicht solltest du zu den Göttern beten, du hast doch den direkten Draht. Dann bete auch gleich noch darum, dass dein Bruder nicht gleich wieder eine Frau verliert. Gerade wenn Runa ein solches Gesicht hatte, solltest du den Göttern opfern. Ich habe mein Opfer an Iuno bereits gebracht. Jetzt kann ich nur noch abwarten, ob sie die Fackel hebt oder senkt."


    Sie schwieg. Corvinus war schon lange nicht mehr aus dem Castellum gekommen. Seit die Lage im Barbaricum so unsicher war, musste er seine Reitereinheit auf Vordermann bringen. Sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt ihm zu sagen, dass das Kind sich nicht gedreht hatte und die Geburt nicht einfach werden würde. Sie vermisste ihn unsäglich und nach Curios Warnung hatte sie noch mehr Angst, dass sie ihn womöglich gar nicht mehr wiedersehen würde. Ihre Hand ging zu dem Lunulaanhänger den er ihr geschenkt hatte, damit sie etwas hatte, das sie an ihn erinnern würde, wenn er weg war.

    Alpinas Blick wanderte von dem teuren Schmuck zu Runa und wieder zurück während sie die Worte der Freundin vernahm. Runa und ihre Mutter wollten ihr den Schmuck schenken? Alpinas erster Refelx war, das Geschenk kategorisch zurückzuweisen. Sie und Corvinus würden sich so ein teures Geschmeide und auch Gürtel und Kämme nie leisten können. So etwas Wertvolles anzunehmen, widersprach Alpinas auf Bescheidenheit fußender Erziehung. Doch Runa nahm ihre Hände und versicherte ihr wie wertvoll sie für sie sei. Dann folgte die Bitte, das Geschenk anzunehmen, um ihr eine Freude zu machen. Was hätte Alpina da noch sagen sollen? Es wäre ein Affront gewesen, das Geschenk abzulehnen, auch wenn Alpina sich noch immer nicht in so einem Geschmeide vorstellen konnte.
    "Wenn du es so möchtest Runa, dann danke ich dir und richte auch deiner Mutter meinen herzlichen Dank aus. Auf der Hochzeit werde ich hoffentlich Zeit finden, ihr persönlich zu danken. Ich glaube zwar nach wie vor nicht, dass ich das in irgendeiner Weise verdient habe oder jemals verdienen werde, aber ich freu mich natürlich sehr darüber."


    Runa war inzwischen schon beim nächsten Thema. Alpina atmete tief durch. Sie wusste, dass es ein heikles Thema war und wandt sich deshalb etwas.
    "Runa, ich wollte da noch ein Thema ansprechen... eigentlich weiß ich, dass es mir nicht zusteht mich in deine Pläne bezüglich... äh Familienplanung einzumischen... aber ich wollte es trotzdem wenigstens angespochen haben."


    Es war ihr unangenehm zum Punkt zu kommen. "Nun, ich bin ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn eine Frau in der Mitte ihres Zyklus mit einem Mann schläft. Zweimal ist es mir bereits passiert, dass ich sofort schwanger wurde..."
    Sie sah Runa in die Augen. "Wenn du das gerne möchtest, brauchen wir nicht weiterreden. Denn dann ist es ja gut so. Du bist noch sehr jung aber durchaus in einem Alter in dem eine Schwangerschaft kein Problem darstellt. Solltest du aber zum Zeitpunkt der Hochzeit in der Mitte deines Zyklus sein und keine Schwangerschaft riskieren wollen..."


    Alpina sprach es nicht aus. Sie wartete auf die Reaktion der Freundin.