Beiträge von Susina Alpina

    Aufmerksam lauschte sie den Anweisungen, die Curio ihr bezüglich des blutigen Opfers gab. Sie schritt an seiner Seite den Weg zum Opferaltar. Der Lammbock stand bereit. Einer der Discipuli hielt ihn am Strick. Das Wissen darum, dass er für ihren Dank und die Bitte an Apollo Grannus Mogon sein Leben lassen musste, schnürte Alpinas Kehle zu. Doch es musste sein. Sie ahnte, dass es ohnehin nicht das letzte Opfer sein würde, das sie darbringen musste. Schließlich würde sie ihre Tat irgendwie sühnen müssen.


    Als sie nun vor dem Altar in Stellung ging, erinnerte sie sich an Curios Einführungsopfer. Dabei hatte sie den Ablauf eines blutigen Opfers gesehen. Langsam näherte sie sich dem Lammbock. Ungeschickt nestelte sie den Schmuck des Opfertieres fort. Natürlich wurde das Tier unruhig. Alpina bemühte sich, den Bock durch leises Zureden zu beruhigen. Mit zitternden Fingern nahm sie das Opfermesser aus Curios Hand entgegen. Sie beugte sich über den Lammbock, besprengte ihn mit dem Mola Salsa, das man ihr reichte und strich beherzt über den Rücken des Tieres. Ruckartig hob der Bock den Kopf. Alpina erschrak. Ängstlich sah sie den Opferschlächter an und streckte ihm das Messer entgegen. War jetzt nicht der Zeitpunkt für ihr zweites Gebet? Durfte sie beten, obwohl das Tier sich so heftig bewegte? Was hatte das zu bedeuten?

    Alpina nahm die Patera in die eine Hand, den Opferkuchen in die andere.


    "Daher bringe ich dir diesen Wein und diesen Kuchen dar."


    Sie hielt beides so, dass der Gott es würdigen konnte. Dann fuhr sie mit dem Gebet fort.


    "In Deiner unendlichen Güte bitte ich Dich um die Gnade einer Antwort auf eine Frage, die mir auf der Seele brennt. Vielleicht magst Du, großer Kenner der Zukunft und des Schicksals mir die Frage beantworten, ob mir die Larven oder die Eumeniden die schrecklichen Traumgesichte schicken, die mich verfolgen, und wie ich sie besänftigen kann?"


    Ihre Stimme zitterte nun doch ein wenig. Sie schluckte einige Male, dann begann sie erneut.


    "Wenn du mir in dieser Sache helfen und in deiner göttlichen Weisheit einen Rat geben kannst, der mich von dieser Sorge befreit, will ich Dir gerne ein weiteres Opfer bringen."


    Sie sah sich wie das Ritual erforderte nach rechts um. Dann sah sie unsicher zu Curio hin. Hatte sie alles richtig gemacht? War alles so gewesen wie es sein sollte, wie es Apollo Grannus Mogon gefiel?

    Vor dem Kultbild des Gottes versuchte Alpina sich in die nötige Stimmung für das Gebet zu versetzen. Sie atmete einige Male tief durch. Dann streckte sie die Arme aus und hob die Handflächen nach oben. Sie bemühte sich, ihre zitternde Stimme in Griff zu bekommen und den Dank an Apollo mit festem Ausdruck vorzubringen.


    "Großer Apollo Grannus Mogon, Heiler und Helfer in der Not,
    großer Apollo Grannus Mogon, Kenner des Zukünftigen und des Schicksals der Menschen!


    Ich danke Dir aus tiefstem Herzen, dass Du mir in Deiner Güte Deinen Aedituus Iullus Helvetius Curio als Retter in der Not schicktest und ich danke Dir aus tiefster Seele dafür, dass Du mich von schwerer Krankheit genesen ließest. In Deiner großen Gnade hast Du mir Hilfe geschickt als ich sie dringend benötigte."


    Sie sah sich hilfesuchend um, weil sie nun Apollo Grannus Mogon die Opfergaben präsentieren wollte.

    Alpina nickte zu allen Formalia. Sie kannte die üblichen Vorgaben für ein Opfer, auch wenn sie noch nie selbst ein solches Opfer zelebriert hatte. Mit klammen Fingern hob sie das Tuch ihres Mantel an und legte es wie einen Schleier über ihr Haupt. Sie tauchte die Hände ins Handwaschbecken und reinigte sich. Dabei versuchte sie sich darauf zu konzentrieren auch ihren Geist von allen Gedanken zu befreien und somit zu reinigen. Als sie fertig war, sah sie Curio an. "Ich bin soweit", hauchte sie nervös.

    Erleichtert sah Alpina Curio auf sich zukommen. Auf seine Frage nach der Tabula nestelte sie die Schreibtafel unter ihrem Mantel hervor. Alpina hatte viel Zeit damit verbracht, das Gebet auswendig zu lernen. Hoffentlich verhaspelte sie sich nachher nicht. Sie reichte Curio die Tabula.


    Großer Apollo Grannus Mogon, Heiler und Helfer in der Not, großer Apollo Grannus Mogon, Kenner des Zukünftigen und des Schicksals der Menschen!


    Ich danke Dir aus tiefstem Herzen, dass Du mir in Deiner Güte Deinen Aedituus Iullus Helvetius Curio als Retter in der Not schicktest und ich danke Dir aus tiefster Seele dafür, dass Du mich von schwerer Krankheit genesen ließest. In Deiner großen Gnade hast Du mir Hilfe geschickt.


    Daher bringe ich dir diesen Wein und diesen Kuchen dar.


    In Deiner unendlichen Güte bitte ich Dich um die Gnade einer Antwort auf eine Frage, die mir auf der Seele brennt. Vielleicht magst Du, großer Kenner der Zukunft und des Schicksals mir die Frage beantworten, ob mir die Larven oder die Eumeniden die schrecklichen Traumgesichte schicken, die mich verfolgen, und wie ich sie besänftigen kann?


    Wenn du mir in dieser Sache helfen und in deiner göttlichen Weisheit einen Rat geben kannst, der mich von dieser Sorge befreit, will ich Dir gerne ein weiteres Opfer bringen.

    Alpina hatte ihre beste Tunika angezogen und die Utensilien für das Opfer eingekauft: Weihrauch, Opferkuchen und eine Kanne voll bestem Wein. Einen weißen Lammbock hatte sie über die Tempeldiener besorgen lassen. Mit einem Korb voll der Opfergaben begab sie sich zum Tempel des Apollo Grannus Mogon. Dort wartete sie auf Curio. Sie war schrecklich aufgeregt. Den ganzen Tag hatte sie nichts gegessen, weil sie so in Sorge war, welche Antwort ihr der Gott auf ihre Frage geben würde. Ihre Hände waren kalt. Sie zog den Mantel enger um sich, doch die Kälte schien nicht von außen zu kommen.

    Alpina folgte Phryne und Curio in das Triclinium. Beeidruckt betrachtete sie die prachtvolle Ausstattung des Raumes. Die Sklavin der Hausherrin spielte auf der Flöte. Als dann auch noch eine Dienerin mit einem Handwaschbecken dazukam in dem Rosenblätter schwammen, blieb Alpina förmlich der Mund offen stehen. Noch nie zuvor hatte sie an solch einem Gastmahl teilgenommen. Ein derartiger Luxus war jenseits dessen, was sie sich vorstellen konnte. Sie wusch sich die Hände in dem Blütenwasser und war gespannt, was noch kommen würde. Ein weiterer Diener brachte Becher und Wein, man trank auf die Horen und den Kaiser. Aus dem Augenwinkel beobachtete Alpina Curio. Sie versuchte zu erkennen, ob er ebenso beeindruckt von dem Aufwand war, den Phryne für ihre Gäste betrieb. Es war kaum vorstellbar, dass Phryne einst Sklavin gewesen war. Wie weit man es bringen konnte, wenn man wusste, wie man die Männer um den kleinen Finger wickelte. Diese Gabe hatte Alpina mit Sicherheit nicht. Sie war weder so schön noch so selbstbewußt wie ihre Gastgeberin, ganz abgesehenen von Phrynes erotischer Ausstrahlung. Also blieb Alpina nichts anderes als Phryne für das zu bewundern, was sie erreicht hatte.

    Während der Sklave Alpina und Curio ins Atrium führte, sah sich Alpina neugierig um. Das Gebäude war weitläufig, das hatte man schon von außen sehen können. Von innen überraschte es durch die edle Wandbemalung, einen schönen Mosaikfußboden und vor allem einen Springbrunnen. Doch insgesamt wirkte es noch nicht sehr wohnlich.
    Kaum hatten sie das Atrium betreten, als ihnen Phryne schon entgegenflog. Alpina holte tief Luft als sie die anzügliche Begrüßung der schönen Hausherrin hörte. Sie wollte der Formulierung "Kräuterhexe" auf´s heftigste widersprechen, doch kam sie nicht zu Wort. Phryne würgte sie ab, so dass Alpina nicht dazu kam, ihr Contra zu geben. Auf die Frage, ob sie zuerst das Haus sehen oder sich stärken wollten, sah Alpina Curio fragend an. Sie persönlich wollte zu gerne noch mehr von diesem Haus sehen, doch sie überließ ihm die Entscheidung.

    Gemeinsam mit Curio stand Alpina vor der Eingangstür der Casa Acilia. Sie hatte ihre beste Tunika sowie eine passende Palla angezogen und ahnte dennoch, dass sie wie eine Bettlerin neben der Inhaberin dieses großen und beeindruckenden Gebäudes wirken würde. Der Aedituus betätigte den Türklopfer. Ein blonder, bullig gebauter Sklave öffnete die Tür. Er war gewiss ein Typ, dem Alpina nicht alleine im Dunklen begegnen wollte. Zum Glück war Curio bei ihr und stellte sie beide vor. Der Sklave nickte und drückte beiden Gästen einen Kranz aus Efeu- und Weinranken auf den Kopf. Dann führte er sie durch das Vestibulum ins Atrium der Casa.

    Alpina freute sich sehr, zum Dies Lustricus der kleinen Duccia Camelia eingeladen zu sein. Sie begrüßte den Hausherren und seine Gattin und dankte ihnen für die Einladung. Dann überreichte sie Octavena die Geschenke, die sie für Mutter und Kind mitgebracht hatte. Für Octavena einen Balsam gegen vom Stillen entzündete Brustwarzen und eine Phiole mit einem duftenden Öl. Für die kleine Camelia hatte sie einige geschnitzte Tierfiguren gekauft: Schafe, Ziegen und Kühe. Auch wenn sie noch zu klein war, um damit zu spielen, würde sie doch in spätestens einem Jahr hoffentlich viel Spaß damit haben.

    Alpina nickte und dankte dem Duccier für seinen Rat.
    "Ich danke DIr für Deine Zeit und die wohlgemeinten Ratschläge. In den kommenden Wochen werde ich noch einmal in mich gehen, denn in der dunkeltsten und kältesten Jahreszeit ist sicher nicht die perfekte Reisezeit. Inzwischen ergibt sich vielleicht, dass ich den passenden Begleiter finde. Das Opfer an die Götter werde ich nicht vergessen, ich muss ohnehin noch ein Votum an Apollo Grannus Mogon einlösen."


    Sie stand auf und reichte Duccius Verus die Hand.
    "Vale bene", verabschiedete sie sich.

    Alpina fasste Vertrauen zu ihrem Gegenüber. Duccius Verus hatte eine angenehme, ruhige Art und schien ihre Sorgen ernst zu nehmen. Erst recht schöpfte Alpina Hoffnung, als er ihr den Namen einer Seherin nannte, die im freien Germanien lebte. Osrun, was für ein schöner, geheimnisvoller Name. Alpina wollte unbedingt zu dieser Frau gehen und sie nach ihrem Schicksal fragen. Die Ankündigung, dass ihr Ansinnen eine Reise von mehreren Tagen durch die Germania Magna bedeutete, in ein Gebiet zwischen den Fronten verfeindeter germanischer Stämme, machte ihr zwar schon ein wenig Angst, doch die Sorgen waren so drängend, die Alpträume so belastend, dass sie unbedingt den Rat der weisen Frau suchen wollte. Sie nickte also und schloss eine Frage an den Duccier an.
    "Vielen Dank für diesen Rat, Duccius Verus. Würdest du mir eventuell noch einen Gefallen tun und mir ein in germanischer Sprache verfasstes Empfehlungschreiben mitgeben? Ich selbst spreche eure Sprache nicht und es wird schon schwierig werden, jemanden aufzutreiben, der diese Sprache ausreichend spricht und versteht und dazu bereit ist, mich auf dieser gefahrvollen Reise zu begleiten. Vielleicht hilft mir ein Schreiben aus deiner Hand ein wenig dabei."
    Sie sah ihn bittend an, hoffend, dass er die seelische Notlage erkannte, in der sie sich befand.

    Alpina kannte den Pontfex zwar von Curios Einführungsopfer und der anschließenden Feier in der Casa Atia, doch hatte sie noch nicht persönlich mit ihm gesprochen. Es war ihr ein wenig peinlich, ihn mit ihren privaten Problemen zu belästigen, doch die Alpträume der vergangenen Wochen ließen Alpina keine Ruhe, sie musste Gewissheit haben. Also begann sie, ihm den Grund ihres Besuchs darzulegen.


    "Salve, Pontifex Duccius Verus. Mein Name ist Alpina, ich bin Hebamme und Inhaberin der Taberna Medica Alpina in der Casa Atia. Ich komme mit einem sehr persönlichen Anliegen..." Sie machte eine Pause und suchte nach den richtigen Worten. "Es ist mir wirklich unangenehm, dich mit so etwas zu belästigen, doch Helvetius Curio, der neue Aedituus, hat mir Hoffnung gemacht, dass du mir weiterhelfen kannst. Ich suche Antworten auf sehr wichtige Fragen für mich und mein Leben, das in letzter Zeit ein wenig aus den Fugen geraten ist. In meiner Heimat Raetia befragt man in solchen Fällen, weise Frauen, die oft mit Hilfe von Astragalen oder Steinen die Götter um ihren Rat bitten. Curio meinte nun, dass es in deinem Volk auch solche weisen Frauen gibt Ich suche dringend den Rat einer solchen Seherin. Kennst du womöglich eine, die mir den Willen der Götter auslegen kann? Und kannst du mir sagen, wo ich sie finden kann?"

    Alpina genoss die Wärme des Feuers im Kamin und wartete auf den Mann, den Albin ihm als Goden beschrieben hatte, was auch immer ein Gode war... Es schien eine germanische Ehrenbezeichnung oder ein Titel zu sein, der darauf hinwies, dass er irgendeine besondere Funktion in der Gemeinschaft hatte, die ihn als Berater auswies. Alpina konnte nur hoffen, dass er ihr helfen konnte.

    Der Blick der fremden Frau schien Alpina förmlich zu durchbohren. Doch es war offensichtlich, dass sie an dieser Kundin gut verdienen konnte. Also begann sie aufzuzählen:
    "Da hätte ich einen Trank zur Förderung der Erektion und auch einen Balsam, der an entsprechender Stelle einmassiert werden muss." Sie stockte, doch ein Blick auf die rotblonde Schönheit verriet ihr, dass die Kundin ganz Ohr war. "Dann wäre da noch ein erotisierender Trunk zur Steigerung der Leidenschaft..."


    Nachdem ihr Gegenüber nickte und sie aufforderte, alle diese Mittelchen einzupacken, tat Alpina ihr den Gefallen. Sie packte alles in den Korb, den die Sklavin ihr auf den Tresen stellte und nannte den Preis für alles. Trotz der für Alpinas Verhältnisse hohen Summe, zuckte die Kundin nicht mit der Wimper, sondern schob ihren Börsenarmreif vom Unterarm, öffnete die Klappe auf der Innenseite und legte ihr die Münzen passend auf den Tisch. Alpina bedankte sich. Dann griff sie unter ihren Tresen und förderte ein kleines, beinernes Döschen hervor.
    "Darin ist eine spezielle Räuchermischung, die Weihrauch der Venus heißt. Du hast sicherlich Verwendung dafür, nicht wahr?"

    Alpina packte der Kundin die Duftbalsame und die Blüten für das Bad ein. Nebenher fragte sie vorsichtig.
    "Soll es für deinen Partner sein oder für dich? Ich meine, da gibt es verschiedene Möglichkeiten... möchtest du ihn verführen, seine Manneskraft fördern oder für mehr Sinnlichkeit bei der Vereinigung sorgen? Und selbst dann hast du die Wahl zwischen Balsamen, Tränken oder Bädern..."
    Angestrengt blickte sie zu Boden, damit die Kundin nicht sah wie rot sie bei der Fragerei wurde.

    Als Alpina die Glocke hörte und aus der Casa Atia in die Taberna Medica trat, staunte sie nicht schlecht. Zwei Frauen hatten die Taberna betreten, wie man sie in Mogontiacum noch nicht oft gesehen hatte. Selbst die Tunika der Sklavin war edler als alles was Alpina besaß. Die Frau, die sich an sie wandte, trug einen Umhang aus feinem Wolltuch. Darunter spitzte ein üppig mit Stickereien besetztes sehr buntes Gewand aus teurem Stoff hervor. Ihre Frisur war so aufwändig gestaltet, wie es nur von einer Sklavin bewerkstelligt werden konnte. Alpina versuchte sich auf die Bestellung zu konzentrieren.


    "Duftbalsame habe ich verschiedene. Welchen Duft bervorzugst du? Rose, gallische Narde oder etwas Einheimisches: Maiglöckchen oder Veilchen?"
    Sie hob verschiedene Gefäße aus dem Regal und hielt sie der Frau hin.
    "Auch bei den Blütenmischungen für Bäder habe ich verschiedene Duftnoten. Wenn du mal daran riechen magst."
    Sie stellte drei weitere Dosen auf den Tresen. Die reiche Frau kam neugierig näher und hob die Deckel der Gefäße an, um daran zu riechen. Alpina konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Frau einen Trank zur Steigerung der Liebeslust benötigte. Sie hatte eine enorm erotische Ausstrahlung. Ihr würde wohl kaum ein Mann lang widerstehen können.