Mit dem Öffnen der Tür hatte Valerianus aufgeblickt und versuchte, einen möglichst entspannten Eindruck zu machen, was ihm nur teilweise gelang. Erfolgreich bekämpfte er den fast ständigen Hustenreiz und erfreute sich an dem leichten Lufthauch, der mit der Bewegung der Besucher durch den Raum wehte, während er auf die Begrüßung und den Vortrag des Anliegens wartete.
Beiträge von DIVUS VALERIANUS
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Valerianus hatte keinerlei Interesse, seinen Angestellten deren Arbeitsweise auseinanderzusetzen, zumal er sie selber nicht kannte.
"Davon kannst du ausghehen."
Damit war für ihn dieser Morgenempfang beendet.
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Einen Weile blickte Valerianus seinen Bruder an, als wenn er trotz der Anmeldung durch die Wache erst realisieren müsste, dass jener gerade eingetreten war.
"Salve, Bruder. Sprich nicht so, als wenn wir Geschäftspartner wären. Du bist mein Bruder und ich bin ein kranker Mann. Es reicht, wenn alle anderen sich noch steifer benehmen als sie es früher getan haben."
Eine Hustenattacke beendete die Begrüßung und wurde mit einem resignierenden Seufzer beendet.
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So wie es im Legionslager in Illyricum abgesehen von seiner Frau nur einen Menschen gegeben hatte, der ihn nahezu zu jeder Zeit und ungefragt aufsuchen konnte, so hatte Valerianus in Rom nun derer zwei. Sein Bruder war einer von diesen. Also nickt er nur knapp.
"Er möge eintreten. Beim nächsten Mal bedarf es keiner vorherigen Meldung. Er ist mir immer willkommen."
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Die Entscheidungen darüber überließ Valerianus gerne seinen Mitarbeitern.
"Der Procurator a libellis wird einen passenden Termin finden. Ich denke, das Ereignis wird besser in der Regia des Cultus Deorum oder im Haus der Vestalinnen stattfinden. Dass möge der Rex Sacrorum entscheiden oder die Vestalinnen selber."
Egal ob er es selber plante oder jemand anderes, am Ende würde ohnehin seine Gesundheit darüber entscheiden, ob er den Termin wahrnehmen konnte oder nicht. Die Luft in Rom war eindeutig nicht geeignet, um darin gesund zu werden.
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Nur wenig Post zu haben war eine Nachricht, die Valerianus erfreute, denn diese Nacht war nicht besser gewesen als die vorherige und die ersten Schweißperlen standen schon wieder ganz heimlich und verstohlen auf seiner Stirn.
"Der Rex Sacrorum schlägt dies vor? Dann wird es ein guter Vorschlag sein, wobei die Vestalinnen traditionell ohnehin unter meiner Patria potestas stehen. Die nötigen Schritte sollen also eingeleitet werden. Das nötige Zusammentreffen mit den beiden jungen Damen und der Virgo Vestalis Maxima ist in den Terminplan aufzunehmen."
Seine Verpflichtungen gegenüber dem Kult der Vesta gehörten zu jenen Dingen, mit denen er sich kaum auskannte, auch wenn es ein religiöses Thema war. Woher auch, wenn der Kult ihm bisher wie jedem Mann jeden tieferen Einblick in seine Abläufe verwehrt hatte.
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Welche Kanzleibeamten sich untereinander kannten, spielte für Valerianus keine Rolle, solange sie ihre Arbeit untereinander richtig verteilten. Er selber konnte noch am wenigsten alle kennen.
"Ja, informiert den Senator ebenfalls. War das dann alles?"
Zu viel Arbeit war es zum Glück nicht gewesen. Zweifellos würden noch schlimmere Tage kommen.
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Weiterhin mit geschlossenen Augen folgte Valerianus dem Vortrag und überhörte die weiteren Ungenauigkeiten und Mutmaßungen, die sein Procuator über den Inhalt der Briefe oder die Hintergründe anstellte. Immerhin hatte Valerianus selber inzwischen eine Liste seiner Kanzleibeamten studiert.
"Decimus Mattiacus? Er ist doch auch ein Procurator hier am Palatin. Ich habe ihn bisher noch nicht kennengelernt. Die Audienz für beide findet hier in meinem Büro statt."
Die Nachricht über die besitzungen gehörte wohl zu den Selbstverständlichkeiten einer gewissenhaften Provinzverwaltung.
"Mit den Machenschaften des Procurator rationis privatae soll sich die Finanzabteilung befassen."
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Dass der Procurator ohne große weitere Vorrede einen Brief nach dem anderen vorlegte, erfreute Valerianus, denn je schneller es ging, desto schneller waren sie fertig. Allerdings schien der Mitarbeiter noch nicht in die Gepflogenheiten seines neuen Dienstherren eingeweiht gewesen zu sein, aber das sollte sich mit der Zeit wohl auch noch geben.
"Ich erwarte keine Mutmaßungen über den Inhalt eines Briefes, sondern klare Aussagen. Ist dieser Brief von Senator Decimus Meridius privater Natur oder ist er es nicht?"
Beim zweiten Brief hatte die Inhaltsangabe schon besser geklappt und er überflog ihn kurz. Dann reichte er ihn zurück.
"Schicke dem Statthalter einen Brief, in dem ich für das Treuebekenntnis danke. Die Ernennung des Centurio ist genehmigt. Die Erhebung in den Ritterstand sind zu notieren, ich entscheide später über sie."
Das Abfassen der Antwort würde dem Procurator ab epistulis zufallen, der für den Kontakt mit den Statthaltern zuständig war, während der Procurator a memoria die Liste mit den Standeserhebungen zu führen hatte. Beim dritten Brief wartete Valerianus dann nur noch wieder mit geschlossenen Augen auf eine genauere Inhaltsangabe.
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Auch wenn er nun schon mehrere Tage in Rom war, erhielt Valerianus immernoch Beileidsbekundungen zum Tod seines Vaters und er nahm sie gerne entgegen. Doch jedes Lob für seinen Vater legte die Messlatte für ihn selbst nur wieder höher. Er konnte sich nicht erinnern, wann ihm ein Mitarbeiter seines Stabes zuletzt gesagt hatte, gerne unter ihm zu arbeiten.
"Ich danke für deine Worte, Procurator. Du kanntest meinen Vater sicher in bestimmten Dingen besser als ich es tat. Welche Dinge liegen für den heutigen Tag an?"
Die Frage war an beide Männer gerichtet, denn es war ihm gleich, wer ihn nun mit Arbeit überschütten würde.
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In seinem Büro angekommen, nahm Valerianus auf dem bequemen Stuhl am Schreibtisch Platz und versuchte sich einen Moment zu sammeln und die Gedanken zu ordnen. Dann war er bereit, als erste den Procurator a libellis und den Procurator a memoriae zu empfangen, um das mögliche Audienzprogramm für den Tag und anstehende Entscheidungen und Termine zu besprechen.
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Früh erhob sich die Sommersonne über den Hügeln Roms und damit auch über dem Palatin. Valerianus hatte zwar die Augen geöffnet, aber wie seit Monaten verspürte er wenig Energie, sich aus dem Bett zu erheben. Trotz der vergleichsweise frischen Morgenluft schmerzte bereits sein Kopf und der Hals war trocken.
Mit dem Eintreten seines Leibarztes in sein Zimmer begann der Tag erst richtig. Der gelehrte Grieche erkundigte sich nach dem Befinden und nahm dieselben routinierten Untersuchungen vor, die er seit Monaten jeden Tag vornahm. Der Zustand seines Patienten war zwar nicht Besorgnis erregend, aber eine plötzliche Verschlechterung von einem Tag auf den anderen konnte er nie ausschließen. An eine Verbesserung war gar nicht zu denken, dafür hatte er schon alle ihm bekannten Heilmittel erfolglos ausprobiert.
Eine ganze Weile später erst erhob sich Valerianus schließlich doch aus seinem Bett, ließ sich waschen und ankleiden, nahm ein sehr spärliches Frühstück zu sich und machte sich hustend auf den Weg in den Regierungstrakt des Palastes, um seinen Pflichten nachzukommen.
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Eine leichte Irritation war auf dem Gesicht von Valerianus zu erkennen, als man anlässlich der positiven Entscheidung der Götter an seinem Arm zu zerren begann, doch letztlich überwog die Freude. Ein schmales Lächeln umspielte seine Lippen, auch wenn das Gesicht blass wie immer blieb. Die Ankündigung, dass es viel zu tun gäbe, schmälerte die Freude über den Wohlwollen der Götter auch rasch wieder.
"Sind meine Sekretäre schon informiert, wann die nächste Sitzung des Collegium ansteht? Ich möchte es nicht versäumen, vorbereitet zu sein."
Außerdem konnte er dann andere Termine so legen lassen, dass vor und nach den zweifellos kraftraubenden Sitzungen genug Erholungsphasen übrig blieben.
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Mit einer Geste der Dankbarkeit und der Ehrfurcht wandte sich Valerianus noch einmal dem Himmel entgegen. Doch dieser Moment, in dem seine Bewegungen kraftvoll wirkten, währen nur kurz, dann schien ihm schon wieder seine Krankheit in die Glieder zu fahren und seine Arme sanken herab. Trotzdem fand er die Kraft für einige Worte.
"Dieses Zeichen soll uns Verpflichtung sein. Lasst Statuen zu Ehren des Divus Iulianus aufstellen und richtet regelmäßige Opfer für ihn aus. Ein Priesteramt in seinem Namen wird eingerichtet werden."
Währenddessen brennte der Turm mit dem Leichnam lichterloh und das Feuer sorgte für ein Rauschen und Prasseln, das weit zu hören war.
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Die weiteren Themen der Besprechung sorgten zur Erleichterung des Kaisers für weniger Diskussionen und konnten schneller abgehandelt werden. Trotzdem verstrich noch eine erhebliche Zeitspanne, bevor die Besprechung aufgelöst wurde und Valerianus die Gäste wieder entließ. Für die Amtsübergabe von Vinicius Hungaricus an Vescularius Salinator musste noch ein Vorgehen gefunden werden, aber das überließ er gerne den Protokollbeamten und den betroffenen Männern selber. Erschöpft von der Besprechung saß er eine Weile nur in seinem Stuhl, bevor er sich das obligatorische Glas Wasser reichen ließ.
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Eine Weile betrachtete Valerianus die züngelnden Flammen am unteren Ende des Haufens, bevor er seinen Blick noch oben richtete. Gerade noch rechtzeitig, um selber auch den Adler wahrzunehmen, der aus dem Haufen nach oben stieg, um die Seele des Verstorbenen zu den Göttern zu tragen. Die Inszenierung mit dem Freigelassenen hatte weder seiner expliziten Anordnung noch seiner expliziten Zustimmung bedurft, doch man hatten ihm im Vorhinein versichert, dass alles zu seiner Zufriedenheit verlaufen würde. Sein Blick folgte dem Adler und seine Schultern hoben und senkten sich von mehreren tiefen Atemzügen. Das Collegium Augurum würde diejenige Instanz sein, die nun eine Mitteilung zu machen hatte.
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Erneut hatte Valerianus keine geruhsame Nacht verbracht, wie jede Nacht seit seiner Ankunft in Rom. Das Tagesprogramm machte ihm genauso zu schaffen wie die stickige Sommerluft, auch wenn diese auf dem Palatin noch erträglicher war als in den Gassen der Insulae der Stadt.
Die kurze Sitzung des Vortages machte ihm Hoffnung, dass auch die Inauguratio ihn nicht zu sehr beanspruchen würde, auch wenn das Einholen einer göttlichen Meinung sicherlich mehr Aufwand und Kraft erforderte als das Einholen einiger sterblicher Meinungen im Kollegium. Erneut war es der Rex Sacrorum, den Valerianus als erstes begrüßte, gefolgt von den Pontifices und den Auguren, die in der folgenden Zeremonie die Hauptrolle spielen würden.
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Wenn nur alle Termine so wenig anstrengend gewesen wären wie diese Sitzung des Collegium Pontificium hätte Valerianus sich wesentlich besser mit dem Amt des Kaisers anfreunden können. So konnte er wenigstens verbuchen, nicht laut sprechen zu müssen und trotz eines wichtigen Auftritts nur wenig Kräfte zu verbrauchen. So aufmerksam wie man in dieser Stille noch bleiben konnte, folgte er mit den Blicken den einzelnen benannten Flamines, Vestalinnen und Pontifices, um deren Meinungen anzuhören.
Zwar gab es am Ende noch nichts zu gratulieren, doch immerhin gehörte es sich wohl, einen Dank auszusprechen.
"Ich danke für eure einhellige Zustimmung. Wir werden sehen, ob sich die Götter ebenso einig sind wie das ehrenwerte Kollegium."
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Einen Augenblick verweilte der Blick von Valerianus auf der flackernden Flamme, als er die Fackel aus der Hand des Freigelassenen übernahm. Wärme und Leben gingen von ihr aus und gleichzeitig Tod und Vernichtung. So langsam wie bei allen bisherigen Schritten der Bestattungszeremonie schritt er auch jetzt zu einer Ecke des Scheiterhaufens und warf einen letzten Blick nach oben. Wie es der Ritus gebot, wandte er dann den Blick ab und hielt die brennende Fackel zwischen die Hölzer des Turms, um ihn in Brand zu setzen und damit den letzten Akt der Zeremonie zu beginnen.
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Auch wenn er schon an der Seite seines Vaters gewisse kultische Pflichten verrichtet hatte, waren Valerianus die Innereien der Regia des Cultus Deorum weitgehend umbekannt. So brauchte er auch einen Führer, der in an diesem Tag in den Sitzungsraum geleitete, in dem seine Ernennung zum Pontifex Maximus stattfinden sollte. Wunschgemäß war der Termin erst auf den dritten Tag nach seinem Einzug in Rom gelegt worden, so dass er sich mit einem freien Tag bis hier her von den Strapazen des Einzugs ein wenig erholen konnte. Trotzdem machte er auch in kleinerer Runde denselben schwachen Eindruck wie auf dem Forum, auch wenn er in der Runde der Pontifices augenscheinlich nicht der einzige war, der mit der Gesundheit zu kämpfen hatte.
Auf allgemeine Begrüßungsworte verzichtete er, machte stattdessen eine Runde durch den Raum, um die Anwesenden einzeln zu begrüßen, bevor er den ihm zugewiesenen Platz einnahm.