Beiträge von DIVUS VALERIANUS

    Valerianus seinerseits machte nicht den Eindruck, als wenn er selber schwerwiegende Einwände erheben wollte oder konnte. Nur eine Nebenbemerkung zeugte davon, dass in seinem kranken Körper trotz allem noch ein wacher Geist wohnte, der der Debatte durchaus aufmerksam gefolgt war.


    "Legatus Tiberius, auch ich habe nicht viel mehr getan, als der Sohn meines Vaters zu sein und bei mir hat das bis zum Kaiserthron gereicht. Wir sollten an diese Männer nicht höhere Ansprüche stellen."


    Damit schien die Sache aus seiner Sicht abgeschlossen. Die Diener hinter ihm sahen das offenbar genauso, denn einer entspannte sich etwas und ein anderer wurde aufmerksamer, da er nun offenbar mit dem nächsten Tagesordnungspunkt in engerer Verbindung stand.

    Von allen Anwesenden konnte Valerianus am wenigsten zu den genannten Personen sagen, denn von einigen hörte er quasi zum ersten Mal. Aber genau dafür gab es schließlich dieses beratende Gremium, um ihm hier Meinungen einzuholen. Den fragenden Blick von Senator Purgitius Macer bemerkte er allerdings und gab ihn an einen der Hofbeamten hinter ihm weiter. Dieser schob ihm wenig später eine Wachstafel zu.


    "Von einer Ablösung des Flottenpräfekten ist mir derzeit nichts bekannt. Ein Beschluß ist daher heute nicht nötig."


    Womit er aus seiner Sicht deutlich genug betont hatte, dass sich die Sitzung nicht gleich schon an der ersten Frage sehr in die Länge ziehen sollte. Die bis dahin geäußerten Meinungen hatten fleißige Schreiberhände schon notiert.

    Ein Nicken von einem der Schreiber versicherte Valerianus, dass nun alle geladenen Gäste eingetroffen waren. Eine dezent herüber geschobene Wachstafel teilte ihm zudem mit, wer auf welchem Platz saß, denn mit einigen der Männer hatte er bisher wenig oder schon lange nichts mehr zu tun gehabt.


    "Wir beginnen. Dass Vescularius Salinator von mir zum Praefectus Urbi ernannt wurde ist bekannt, nehme ich an. Trotzdem freut es mich, dass auch Senator Vinicius Hungaricus an dieser Runde teilnimmt. Im übrigens gehe ich davon aus, dass ihr euch gegenseitig sowie den Ablauf einer solchen Sitzung besser kennt als ich. Mein Bruder beginnt."


    Gerade noch rechtzeitig vor einem weiteren kleinen Hustenanfall erteilte er ihm das Wort. Offen blieb, ob dieser nun eine Tagesordnung vortragen würde oder seine Anliegen zur Sprache brachte, womit dann reihum fortgefahren werden sollte. In diesem Fall würde die Runde bei Quarto beginnen und bei Salinator enden, die zu beiden Seiten von Valerianus saßen.

    Schließlich öffneten sich auch die Türen und Valerianus trat ein. Sein verspätetes Erscheinen wurde recht unmissverständlich dadurch erklärt, dass er verschwitzt aussah und sein Gesicht gerötet war. Auch ein kräftiger Schluck Wasser, den er noch vor dem Betreten des Raumes genommen hatte, hatte zudem nicht verhindern können, dass ein ganz leicht säuerlicher Geruch seinem Mund entströmte, wie es immer für eine Weile war, wenn seine Hustenkrämpfe einen spontanen Brechreiz ausgelöst hatten.


    Mit ihm betraten eine ganze Schar von Schreibern, Dienern und zudem auch einer seiner Ärzte den Raum und setzten sich schweigend auf einige Hocker im Hintergrund, während Valerianus am Tisch Platz nahm. Sein Blick ging in die Runde.


    "Können wir beginnen? Wo ist Salinator?"

    Wenn er abends im Bett lag und die Augen schloß, nachdem die Ärzte das Zimmer verlassen hatten, dann spürte Valerianus nicht nur die Krämpfe und den Hustenreiz, sondern dann ergriff auch der Schwindel seinen Körper, als wenn sich alles immer schneller drehen würde und spürte seinen Herzschlag mal rasend und mal gar nicht. In solchen Augenblicken versuchte er sich abzulenken mit Gedanken an seine Frau und seinen Sohn, an glücklichere und gesündere Zeiten. Dabei war die Familie nicht mehr als ein Schema, eine Vorgabe nach der man gefälligst glücklich zu sein hatte, denn tatsächlich hatte seine Krankheit ihn auch von dieser entfremdet. Es wurde tatsächlich Zeit, dass er sie nach Rom holte oder eben doch gleich nach Misenum, wo die Luft so viel gesünder sein sollte.

    Das Zucken bemerkte Valerianus nicht, schon deswegen, weil sein eigener Körper ständig von leichteren Krämpfen geschüttelt wurde und es ihm inzwischen völlig normal vorkam, auch wenn es noch immer gleich lästig und schmerzhaft war. Daher hatte er auch kein Interesse, das Gespräch noch weiter auszudehnen.


    "Nein, wenn du keine weiteren Anliegen mehr hast, dann habe ich auch nichts mehr für dich."

    Endlich nahm ein Gespräch einmal die Konturen an, die sich Valerianus für sein Kaiseramt erhofft hatte. Die Unterstützung durch seinen Bruder war ihm jederzeit willkommen und wozu hatte er sonst Berater, wenn sie ihm keine Entscheidungen abnahmen?


    "Dann wirst du genau dies tun. Du weißt ja, wo du dich über meinen Terminplan informieren kannst und ebenso über den von Salinator. Er wird in jedem Fall am Consilium teilnehmen."

    Mit geschlossenen Augen ließ Valerianus die Ausführung an sich vorbei ziehen, wie immer wenn er sich konzentrieren und nicht durch sein Leiden ablenken lassen wollte. Der Erfolg war mäßig, aber zumindest der Eindruck nach außen schien zu stimmen.


    "Siehst du dich in der Lage, eine konkrete Einladungsliste zu erarbeiten? Du hast zuletzt mehr Zeit in Rom verbracht als ich und kennst die Vertrauten meines Vaters besser. Ich werde die Runde nutzen müssen, jene kennen zu lernen."

    Offenbar war damit alles besprochen, was es zu besprechen gab.


    "Ja, lasse mir dieses Schriftstück vorlegen, sobald es fertig ist. Ich wünsche euch viel Erfolg. Mögen alle Götter euren Weg beschützen!"


    Die Unterstützung der Götter erschien Valerianus sehr wichtig in dieser Angelegenheit. Sicher würden es die beiden Männer nicht versäumen, vor wichtigen Schritten den Willen der Götter zu erkunden und vor ihrer Abreise angemessen zu opfern.

    Die Frage von Valerianus war ohnehin nur informationshalber gedacht, um das Gespräch nicht stocken zu lassen, also winkte er ab.


    "Führe den Titel weiter, wenn euch dies Nutzen bringt."


    Zu der Frage nach dem Verhandlungsspielraum konnte er im ersten Augenblick selber nichts sagen. Düster ahnte er nur, dass er es nicht auf einen weiteren Krieg ankommen lassen konnte.


    "Dann verhandelt, bis sie die Forderungen senken. Mein Vater hat keinen Krieg geführt, damit das Reich sich am Verhandlungstisch schlagen lässt."

    Die Ausführungen seines Bruders machten Valerianus keine Hoffnung, so ein Consilium lebend hinter sich zu bringen. Offenbar konnte er zur Vorbereitung eine Menge Ratschläge gebrauchen.


    "Wen sollte ich deiner Meinung nach einladen?"

    Auch wenn er sich nicht wohl fühlte, bekam Valerianus mit, wie sein Bruder seinen Satz abbrach und neu begann, um die Empfehlung einer Reise auszusprechen. Meistens war sein geist noch wacher, als es der kranke Körper repräsentieren konnte.


    "Meine Position sichern? Bisher hat mir niemand berichtet, dass sie bedroht wäre. Auch du hast dies bisher nicht erwähnt."


    Ein fragender Blick ruhte auf seinem Bruder, bevor sich der Kopf wieder senkte und die Stimme leiser wurde.


    "Die Flotte würde sich wahrscheinlich über meine Anwesenheit erfreuen. Und die Garde bräuchte nur zu einem kleinen Teil mitkommen. Ich werde meine Frau und meinen Sohn direkt nach dort nachkommen lassen können."


    Dann zogen die Gedanken weiter und das Tagesgeschäft erkämpfte sich mit einem weiteren Hustenkrampf wieder die Oberhand.


    "Weiß der a memoriae Bescheid? Ich wollte mit Salinator ohnehin einige militärische Angelegenheiten besprechen. Wegen der Stände hatte der Vinicier doch ein Consilium vorgeschlagen. Ich sollte wohl wirklich einen zeitnahen Termin dafür finden lassen. Dauern solche Sitzungen lange?"

    Die Äußerungen rangen Valerianus mehrfach ein Nicken ab. je mehr man ihm zuarbeitete, umso einfacherer war es für ihn, Dinge zu erledigen.


    "Stelle ein solches Dokument aus und lege es mir vor. Wird es beinhalten, dass du den Titel des Procurators auch in dieser Mission führen wirst oder wirst du als Privatmann reisen und das Amt währenddessen ruhen lassen?"


    Über weitere Verpflichtungen an der Schola machte er sich keine Gedanken. Das fiel nicht in seinen Aufgabenbereich und zweifellos würde es mehr als einen Mann geben, der einen Cursus Iuris abhalten konnte.


    "Deine Sorge und deine Betroffenheit kann ich nachvollziehen. Ich habe selber einen Bruder. Auch wenn eher ich es bin, der dem anderen Sorgen macht."

    Eine Weile betrachtete Valerianus nach das Mädchen und versuchte, sich zu konzentrieren. Dann begann er, mit geschlossenen Augen ein Gebet zu murmeln.


    "Vesta, Göttin des Herdfeuers, Bewahrerin des Wohls unseres Staates. Dein Kult war uns heilig, schon bevor eine deiner Priesterinnen zur Mutter von Romulus und Remus wurde. Dein heiliges Feuer werden wir ewig hüten und dieser Pflicht gegen alle Widrigkeiten nachkommen. Daher verpflichte ich nun Sergia Calvina für den 30jährigen Dienst im Kreise deiner Dienerinnen, entreiße sie ihrer Familie und stelle mich als ihr Pater Familias zur Verfügung."


    Die Handlung der Captio selber fiel dann relativ unspektakulär aus. Schwer legte er seine Hand auf die Schulter des Mädchens.


    "Kind, du wirst nun dein Heim verlassen und am Feuer der Vesta deinen neuen Platz finden."

    Der Senator sprach so, wie ihn Valerianus in Erinnerung hatte, wenn auch nur vage aus dem Senat oder als Truppenkommandeur. Seine Fragen waren für ihn mal leicht und mal weniger leicht zu beantworten.


    "Mein Vater führte Krieg gegen die Parther und hat diesen nicht siegreich beendet. Das dürfte unser Verhältnis zu ihnen deutlich genug klarstellen. Wenn du in der Mission des Senates reisen möchtest, so soll dies so sein. Ich habe keine Einwände dagegen."


    In wessen Mission die Reise geschah, erschien ihm zunächst nur für den politischen Boden relevant, nicht für die Tatsachen als solche. Wenn der Senat eine solche Mission beschlossen hatte, brauchte er es kaum noch einmal zu tun. Wenn der Senator spezielle Befugnisse erwartete, die der Senat ihm nicht erteilen konnte, dann würde er zweifellos konkret danach fragen. So wandte Valerianus sich erst einmal an den Procurator.


    "Erlauben es deine Aufgaben, dass du Rom für diese Mission fern bleibst?"

    Schweigend nahm Valerianus die Begrüßung entgegen und der Kuss erinnerte ihn daran, wie lange er nun schon seine Frau und seinen Sohn nicht mehr gesehen hatte. Er musste sie nach Rom holen, auch wenn sie im Illyricum ehe nebeneinander als miteinander gelebt hatten.


    Die Wartezeit fiel zu seiner innerlichen Freude doch recht kurz aus, auch wenn man offenbar noch auf weitere junge Mädchen wartete. Selbst in jungen Jahren hatten Frauen offenbar schon die Angewohnheit, zu spät zu kommen. Das anwesende Mädchen schien ihm von seiner Gegenwart recht eingeschüchtert zu sein, was ihn kaum verwunderte. In seinen besseren Tagen waren auch gestandene Soldaten schon durch seine Anwesenheit recht klein geworden. Aber das war lange her, jetzt wurde er selbst klein und schüchtern, vor den Lasten der Krankheit.


    "Ja, wir können beginnen. Sergia Calvina wird also die erste sein?"


    Ein suchender Blick belgeitete die Frage auf der Suche nach demjenigen, der ihm nun mitteilen würde, was er zu tun und zu sagen hätte.

    Der Name des Senators war Valerianus bekannt aus der Zeit, als er mit dessen Legion in den Krieg zog. In Zeiten, in denen es ihm selber auch besser ging.


    "Das ist erfreulich. Die Empfehlung des Senators hat Gewicht. Ich werde das zusammen mit dem Procurator ab epistulis und Salinator besprechen. Wenn es weitere Empfehlungen gibt, lasse es einen der beiden wissen."

    Wieder konnte Valerianus einen Namen auf der Liste seiner hochrangigen Beamten mit einem zugehörigen Gesicht verknüpfen. Dass der Mann sich bisher nicht vorgestellt hatte, störte ihn weniger. Beamten, die ihn nicht trafen, brachten ihm keine Arbeit.


    "Es sei dir verziehen. Der Palast ist groß, ich kann unmöglich in den ersten Tagen jeden treffen. Euer Anliegen hat euch ja nun hier her geführt."

    Die Resignation, die in dem Seufzer von Valerianus lag, wich auch nicht aus seiner Stimme.


    "Die Ärzte sind das erste, was ich morgens sehe, wenn ich erwache und das letzte am Abend, bevor ich einschlafe. Sei sagen, das Meer hat mir gut getan auf der Reise und die Luft in Rom ist schlecht."


    Alle Heilmittel, die im Reich für seine Leiden verfügbar waren, hatte man schon im Illyricum ausprobiert und trotzdem waren die unendliche Mattigkeit, der Husten, der zum Teil blutige Auswurf und die Krämpfe höchstens schwächer geworden, aber hatten sich nie vertreiben lassen.

    Ausgesprochen pünktlich erschien auch Valerianus in der Regia. Das lag allerdings weniger daran, dass er diesem Termin mehr Bedeutung beimaß als anderen, sondern daran, dass ihn sein Hustenleiden früher aus dem Bett getrieben hatte als ihm lieb war. Die Untersuchung durch den Leibarzt hatte nichts erhellendes zu Tage gebracht und lediglich den Entschluß gefördert, dass Valerianus Ausschau nach einer Villa in Meernähe halten ließ, um von der besseren Luft dort zu profitieren.


    "Seid gegrüßt, meine jungfräulichen Kinder. Ist das heilige Feuer auch heute gut versorgt?"


    Anscheinend waren noch nicht alle benötigten Personen anwesend und so musste er die Zeit mit kleinen Gesprächen überbrücken, was ihm überhaupt nicht lag.