Curio hatte keine Worte dafür, welches Glück er mit dieser Frau hatte. Nicht jede Frau hätte solch ein Verständnis für ihn aufgebracht und es gab ja auch genug, die überhaupt nur wegen des sozialen Status ihren Mann unterstützten, ihm Druck machten, wenn er die ihren Anspruchen nicht genügte und ihn letztlich sogar fallen ließen, wenn er versagte. Bei Silvana war das nochmal etwas anderes. Curio hatte sie überhaupt nur unter der Voraussetzung heiraten dürfen, dass er im folgenden einen blitzsauberen Werdegang hinlegte, ohne Skandale, ohne selbstverschuldete Verzögerungen - sprich: ohne Fehler. Dabei fühlte er sich immer wie jemand, der in großer Höhe auf einem Seil entlanglief. Jeder Schritt konnte sein letzter sein. Er hatte keinen Zweifel daran, dass die Duccier im Zweifel nur wenig Geduld mit ih haben würden, denn er hat sich auf diesen Deal eingelassen und kannte dessen Schattenseite. Damals im Gespräch mit seinem Patron und Schwiegervater hatte er diesem versichert, dass er dies alles genauso machen würde und damals hatte er kein Problem darin gesehen, schließlich deckten sich die Interessen der Duccier vollumfänglich mit den seinen. Jetzt aber wurde die Schattenseiten mehr und mehr Realität, wirkten sich konkret auf sein Leben und seine Beziehung zu seiner Frau aus und jetzt kam ihm der Gedanke, dass er sich vielleicht überschätzt hatte. Natürlich durfte er diesem Gedanken keinen Platz einräumen, er durfte sich nicht in seinem Kopf einnisten, vor allem nicht, wenn er sich in den nächsten Tagen mit Haut und Haar in den Wahlkampf stürzen würde, so wie er es im letzten Wahlkampf getan hatte, so wie er es bei seinem kommenden Wahlkampf vorhatte, so wie es nunmal seine Art war. Doch im Gegensatz zu letzte Mal gab es nun eine Ehefrau, bald ein neugeborenes Kind und beide würden ihren Tribut fordern.
Mit leicht gerunzelter Stirn registrierte Curio den sanften Händedruck Silvanas. Er wusste, dass sich nicht mehr das junge Mädchen war, dass er zur Aeditua ausgebildet hat, und er wusste auch, dass sie sich deutlich weniger Illusionen über ihr gemeinsames Leben machte, als er ihr meist unterstellte. Seit der Hochzeit, ja sogar schon im Laufe ihrer heimlichen Beziehung, war sie erwachsen geworden und dennoch glaubte Curio, sie jetzt in ihrer Schwangerschaft wieder mehr beschützen musste. Er konnte einfach nicht anders. Und jetzt warf er sich selbst in den Wahlkampf und ihm blieb nichts anderes übrig, als diese, seine wichtigste, Aufgabe, für den größten Teil des Tages an andere Personen wegzudelegieren. Es fühlte sich nicht richtig an, aber es gab keine Alternative dazu. Er konnte sie ja schlecht, hochschwanger wie sie war, durch die Vici zerren, damit sie bei ihm sein und er für ihre Sicherheit sorgen konnte.
Ich danke dir. Aber ich möchte trotzdem, dass du mir sofort bescheid sagen lässt, wenn die Geburt beginnt. Ich kann dir zwar nicht helfen, aber ich will dich währenddessen auch nicht alleine lassen... Es kann doch so viel passieren...
Sie mussten doch nur auf die Geburts von Silvanas Bruder blicken, bei der ihre Mutter gestorben war. Er wollte sich nicht vorstellen, dass er irgendwo heiter Wahlkampfsonnenschein machte, während zu Hause seine Frau mit der Geburt seines Sohnes - und womöglich dem Tod rang. Er wusste zwar nicht, was nach der Geburt im Cubiculum seiner Schwiegereltern geschehen war, aber er hatte das Gefühl, dass es für seinen Schwiegervater erschreckend, aber wichtig gewesen war, seine Frau zu sehen. Curio wollte einfach nicht nach Hause kommen und von der Nachricht des Todes seiner Frau erfahren. Nein, das würde er sich niemals verzeihen.
Er atmete tief durch und versuchte die Bilder der Beisetzung Fusas beseite zu schieben, die grade in ihm hochkamen. Er brauchte einen Themenwechsel. Dringend. Und da kam ihm die Planung der nächsten Tage und Wochen grade recht.
Ich möchte in einer Woche offiziell meine Kandidatur bei den Duumvirn einreichen und sie danach auf dem Forum offiziell verkünden. Tullus Maior sagte, dass sowas immer recht groß aufgezogen werden sollte, sodass ich im Moment Freunde und Unterstützer für den Tag sammle, die mich morgens von hier aus zum Forum begleiten - Einfluss zeigen, du verstehst? Ich möchte auch, dass mich meine Familie und der Haushalt begleitet, du wirst also jemanden haben, bei dem du dich einhaken kannst, ob nun Alpina, Gwyn oder Roderiq, das bleibt dir überlassen. In den folgenden Tagen werde ich dies auch für befreundete Kandidaten tun, da musst du aber nicht dabei sein.
Er war ja schon gespannt, wie viele Kandidaten aus dem Umfeld des Fabriciers sich letztlich durchsetzen würden. Curio fragte sich ja bis heute, war Tullus Maior nicht selbst antrat, so viele Beziehungen, wie er vorzuweisen hatte, aber wahrscheinlich gefiel ihm einfach die Rolle als graue Emminenz im Hintergrund besser.
Danach möchte ich die einzelnen Vici besuchen. Nach den jetzigen Planungen ist für den Vicus Navaliorum die Ankündidung einer Hafenordnung, für die Canabae die Ankündig einer Marktordnung und für den Vicus Victoria wieder die Renovierung eines Kreuzungsschreins vorgesehen. Bei der Aktion im Vicus Victoria hätte ich dich gerne dabei - sofern es für dich möglich sein wird - nicht unbedingt zum Putzen und Wischen, sondern vielmehr als Gesprächspartnerin für die interessierten Vicani.
Er und sein enger Kreis hatten ja bereits Erfahrung mit der Reinigung von Kreuzungsschreinen, doch wusste er auch, dass die Reinigung um so mehr Zeit in Anspruch nahm, wenn sie ständig durch die Gespräche mit den Vicani unterbrochen wurden. Silvana konnte dabei also die Gespräche führen, während Curio sich die Hände schmutzig machte, um zu zeigen, dass er damit auch als Decurio und Aedil kein Problem hatte und haben würde.