Beiträge von Iullus Helvetius Curio

    Curio hatte bis grade eben noch einigen Papierkram für den Ordo decurionum und den Apollo-Kult und wollte grade in der Küche eine Kleinigkeit essen, bevor er sich dann auf den Weg zum Tempel machen würde, als er im Atrium etwas hörte. Stark gedämpft, aber deutlich genug drang ein Schluchzen bis ins Atrium hien, das Curio einhalten ließ. Silvana war grade mit Gwyn und Roderiq auf dem Weg zum Markt, sodass es eigentlich nur Alpina oder Ursicina sein konnten. Mit wenigen Schritten hatte er das öffentliche Atrium sowie das kleine private Atrium von Alpina und Corvinus hinter sich gelassen und klopft nun an die angelehnte Tür zum großen Schlafzimmer.

    Erleichtert beobachtete Curio, wie seine Nichte nun doch entschied, einige Löffel essen zu wollen. Zumindest hörte das Weinen und Schreien schlagartig auf und die Kleine gestand ihrem Onkel zu, ihr noch weitere drei Löffel zu geben. Danach verlor sie aber endgültig das Interesse an ihrem Brei, der mittlerweile etwa zur Hälfte aufgegessen war. Besser als nichts, dachte Curio, doch da hatte Ursi ihm auch schon mit ihren breiverschmierten Fingern ins Haar griff.


    Bona Dea, Ursi.


    sagte er grinsend, nahm sich einen Lappen vom Tisch und reinigte damit zuerst die Hände, den Mund und die Kleidung des Mädchens und dann seine eigenen Haare und seine Kleidung. Große Flecken prangten nun auf den Tuniken von Nichte und Onkel, doch lag der Fokus natürlich nicht darauf. Stattdessen sah Curio nun, wie Ursi auf dem Schoß von Roderiq wieder unruhig wurde und der Custos unter dem Kneifen der Kleinen überrascht, aber leise aufstöhnte. Curio nickte ihm entschuldigend zu.


    Dann gib sie mir mal wieder.


    sagte er mit dankbarem Lächeln, nahm die Kleine nun selber wieder auf den Arm und ging mit ihr zum großen Fenster zum Garten, wo Silvana ihre Runden drehte. Curio lächelte in sich hinein, als er seine Frau so beobachtete, wandte sich dann aber wieder seine Nichte zu.


    Schau mal, da ist Tante Runa.


    flüsterte er der Kleinen liebevoll ins Ohr.


    So, dann wollen wir dir jetzt mal wieder ein bisschen Bewegungsfreiheit geben.


    sagte er danach etwas lauter und ließ Ursi langsam und vorsichtig auf den Boden gleiten. Ein bisschen sollte sich seine Nichte noch bewegen, sich vielleicht noch ein bisschen austoben, bevor er und Silvana sie danach ins Bett bringen würden. Ob sie diese Nacht alleine in Alpinas Zimmer oder bei Curio und Silvana schlafen würde, musste noch geklärt werden. Denn wahrscheinlich wäre Alpina auch den großen Teil der kommenden Nacht damit beschäftet, die kleine Iulia zu betreuen.

    Lautstärke und Intensität von Ursis Reaktionen waren für den jungen Helvetier gelinde gesagt überraschend. Erschrocken blickte er seine Nichte an und hielt auch gleich in der Bewegung inne, den Löffel zum Mund zu führen. Einige Momente war Curio unschlüssig, ob eine Richtungsänderung des Löffels ausreichen würde, um Alpinas Tochter zu beruhigen, denn natürlich würden die beiden Hausherrinen auf ein schreiendes Kind im Haus eher sofort, als später reagieren. Nach den Momenten der Unschlüssigkeiten vollzog der Löffel schließlich eine Kurve und näherte sich dem Mund Ursicinas.


    Ist ja schon gut, Ursi, ist ja schon gut.


    versuchte er die Kleine mit gezwungen ruhiger Stimme ebenfalls zu beruhigen. Das Gesicht Roderiqs verriet Curio derweil, dass der Custos ebensowenig eine Ahnung hatte, was sie nun mit dem Kind anstellen sollten, wenn es weiterschreien würde. Also hoffte der im Moment wenig geschickte Onkel einfach nur, dass das Friedensangebot mit der Richtungsänderung Wirkung erzielen würde.

    Die Kleine weigerte sich beharrlich, einen weiteren Löffel zu essen, ja sie schüttelte sogar, für ein Kleinkind erstaunlich nachdrücklich, den Kopf und ließ sogar zwei kleine Falten über ihrem Stupsnäschen erscheinen, die Curio auch schon bei Alpina gesehen hatte, wenn sie klarmachen wollte, dass ihr irgendetwas nicht gefiel. Erneut bildete sich in Curios Gesicht ein Lächeln, auch wenn es natürlich indiskutabel war, dass seine kleine Nichte mit drei oder vier Löffeln davonkäme. Nein, da war Curio stur genug und er konnte nur hoffen, dass Ursi nicht die helvetische Sturheit geerbt hatte, auch wenn diese Hoffnung eher gering war, da sie eigentlich recht zuverlässig von Generation zu Generation weitergegeben wurde.


    Nun musste sich der junge Helvetier also etwas ausdenken, zog den Löffel dabei zurück und blickte die Kleine nachdenklich lächelnd an. Genau in dem Moment gab Silvana die Kleine schon wieder weiter, dieses Mal an Roderiq, der plötzlich schaute, wie ein mit Wasser begossenes Schaf. Curio hingegen schaute besorgt seiner Frau hinterher, die offenbar im Moment besonders stark von dem kleinen Helvetier getreten wurde. Da halfen auch die Beteuerungen Silvanas nichts, dass das alles halb so schlimm wäre, seit dem Tod ihrer Mutter, war die Fürsorglichkeit für seine Frau nochmal deutlich angestiegen und diese konnte Silvana auch nicht mit ein paar Worten zerstreuen. Als sie hinausgetreten war, wandte sich Curio schließlich wieder seiner Nichte zu und da kam ihm die Idee. Wenn die kleine Ursicina, die ja trotz aller formaler Regelungen immer noch eine Helvetia war, den Appetit ihres Vaters geerbt hatte, hatte sie mit Sicherheit noch Hunger und wie sollte man einen Helvetier besser locken, als mit Futterneid, also steckte er sich kurzerhand den Löffel selbst in Mund, sagte betont aufreizend:


    Hmmmm... Lecker.


    Erneut tunkte er den Löffel und blickte seine Nichte offen an.


    Tja, wenn du nicht möchtest...


    und führte sich den Löffel erneut, aber deutlich langsam zu seinem Mund.

    Am Anfang klappte es noch ganz gut und Ursicina machte prima mit, indem sie die ersten drei Löffel vom Früchtepuls noch gan entzückend in ihrem kleinen Mündchen verschwinden ließ. Daher kam es für den werdenden Vater auch komplett überraschend, dass sie plötzlich ihren Kopf ruckartig zur Seite drehte und der Löffelinhalt lautlos auf seiner Tunika landete, die er ja grade erst frisch angezogen hatte. Allerdings konnte er der kleinen nicht böse sein, allerdings lachte er nicht so wie seine Frau laut auf, die offenbar eine schier kindliche Freude am Füttern empfand, sondern beschwerte sich schmunzeln.


    Na sag mal, Ursi, das Essen gehört doch in den Mund und nicht auf meine Tunika.


    Doch glaubte er nicht, dass sich seine Nichte davon irgendwie beeindruck ließe. Stattdessen nahm er nun mit dem Zeigefinge das Mus von seiner Tunika ab und streichte es an die Kante der Essschüssel, bevor Silvana nun offenbar umdisponierte, sich die Kleine schnappte und Schüssel und Löffel nun glucksend Curio in die Hand drückte. Der junge Helveter zuckte mit den Schultern, tauchte den Löffel in die Schüssel und führte ihn dann mit schlängelnden Bewegungen zu Ursis Mund


    Hmm lecker.


    sagte er dabei grinsend. Vielleicht half ja die Abwechslung dabei, dass Ursi wieder Interesse am Löffelinhalt bekäme.

    Noch bevor Curio auf seine Frau zugetreten war, hatte Ursi schon mit ihrem Zeigefinger, einem fröhlichen Quietschen, das Curio ein erneutes Lächeln ins Gesicht zauberte, aber auch dadurch dass sie wieder unruhiger wurde, klar gemacht, dass sie sich doch offenbar den Frauen des Hauses näher fühlte als den Männern. Na ja, es war ja auch nicht so leicht für sie, ihren Vater kaum zu sehen, ebenso wie es für Corvinus schwierig sein musste, nun schon monatelang von Frau und Tochter getrennt zu sein. Und nicht zuletzt war ja auch Alpina alleine mit ihrer Tochter. Leider war das bei Corvinus Dienst nunmal schwierig, besonders, wenn er solche Aufträge hatte, wie im Moment. Umso mehr sah es Curio als seine Aufgabe an, sie zumindest nicht komplett von den Männern des Hauses zu entfremden, da war das gemeinsame Abendessen eine sehr gute Gelegenheit.


    Lange müssen wir ja nicht mehr warten.


    sagte Curio dann, nachdem er Ursicina an Silvana weitergegeben hatte, und streichelte seiner Frau über den Bauch, wo er doch grade tatsächlich glaubte, einen Tritt gespürt zu haben. Überrascht blickte er zu Silvana auf und strahlte sie an. Die belegte Stimmung vom Morgen schien komplett verflogen zu sein und war stattdessen einer gelösten guten Laune gewichen.


    Dann bekommst du nämlich einen kleinen Cousin, der deine Tante im Moment noch ganz schön piesackt.


    sprach er weiter, tippte sanft auf die Nase seiner Nichte und setzte sich danach neben seine Frau an den Tisch. Gleich darauf landete Ursicina auch schon wieder auf seinem Schoß, bevor Silvana damit anfing, die kleine mit Fruchtmus zu füttern, oder besser: Es versuchte.

    Curio hatte den Blick nach draußen gerichtet, sodass er nicht bemerkte, dass Silvana den Raum betrat. Vielmehr war er immer noch damit beschäftigt, Ursicina den Kräutergarten zu zeigen, solange dort noch etwas zu sehen war. Es erschien, als würde er der Kleinen jeden Strauch und jeden Busch zeigen wollen, wobei er erstmal bestrebt war die Wartezeit für die Kleine soweit wie möglich zu verkürzen. Erst nach wenigen Augenblicken, als er schauen wollte, ob schon Silvana mit dem Essen da wäre, stand sie tatsächlich schon an den schweren Vorhängen und blickte in seine Richtung. Waren das Tränen in ihren Augen? War irgendwas passiert? Da er seine kleine Nichte nicht verunsichern wollte, wandte er sich nun mit dem gesamten Körper um, sodass nun auch die Kleine ihre Tante sehen konnte.


    Schau mal, wer da ist. Deine Tante Runa.


    sagte er mit einem Lächeln in Richtung seiner Frau und trat dann, mit Ursicina auf dem Arm, auf sie zu. Nun folgten bereits Gwyn und Acanthos, die eine mit dem großen Topf, der andere mit einem Tablett, auf dem Teller, Becher und Wasserkannen standen. Während nun also der Tisch vorbereitet wurde, drückte Curio seiner Frau einen Kuss auf die Wange und flüsterte ihr dabei zu:


    Alles in Ordnung?

    Curio nickte nur auf die Erklärungen Nemans. Er hatte ja ohnehin keine Ahnung von der medizinischen Seite und nahm die Einschätzung Alpinas so hin. Da er aber weder den Iulier, noch seine Tochter näher kannte, hielt sich seine Besorgnis eher im Rahmen der üblichen Sorge um ein junges Menschenleben, als dass er davon persönlich betroffen wäre.


    Gut. Lass dich nicht aufhalten, Alpina wird deine Hilfe dringender brauchen und ich werde Runa und Gwyn bitten, zwei Portionen zurückzuhalten.


    antwortete er daher nur und gab ihr zu verstehen, dass sie gehen könne. Im Anschluss daran widmete er sich der kleinen Ursicina, die nun, da er sie auf dem Arm trug, ein freudiges Lächeln, als hätte sie von jetzt auf gleich entschieden, dass sie ihre schlechte Laune aufgeben wolle, sobald sie bei ihrem Onkel war. Umso besser für ihn, denn er hätte sich schon Gedanken machen wüssen, wie er die Kleine hätte beruhigen wollen, wenn sie weiter gequengelt hätte. So konnte Curio nicht anders, als das Lächeln seiner kleinen Nichte zu er wider und sie mit dem Fingerrücken sanft über die Wange zu streicheln.


    Du wolltest du nur ungeteilte Aufmerksamkeit, hm?


    sagte er schmunzelnd und wechselte ihre Position in seinem Arm so, dass sie nun alles im Raum sehen konnte, während er sich Acanthos und Roderiq zuwandte.


    Sagt einer von euch bitte in der Küche bescheid, dass sie zwei Portionen zurückhalten sollen.


    Woraufhin Acanthos nickte und den Raum verließ, während sich Roderiq bereits an den Tisch setzte, auch hierauf musste Curio schmunzeln, denn naturlich hatte er schon erwartet, dass Acanthos losziehen würde. Allerdings hatte der junge Helvetier ja jetzt für seine Nichte zu sorgen.


    Und was machen wir beide jetzt? Ah, ich hab eine Idee,wir klauen uns die letzten Sonnentrahlen des Tages.


    Und mit diesem Worten trat er zum Fenster auf der linken Seite des Raums, wo der Blick zum Kräutergarten hinausging. Die Abenddämmerung hatte zwar bereits eingesetzt, aber dennoch war es noch hell genug um die von Alpina angelegten Kräuterbeete sehen zu können.


    Da das Feld, das hat deine Mama angelegt. Sie war doch bestimmt schon mit dir draußen und hat dir ein paar der Kräuter gezeigt, oder? Da hat sich dich auch daran riechen lassen, wobei, das meiste riecht ja gut, aber manches, puh... das möchte man nicht unter der Nase haben.

    Grade waren Tische und Stühle zurechtgestellt, da schneite auch schon Neman in den Raum. Die kleine Ursicina hatte sich offenbar entschieden, ein bisschen herumnörmeln zu wollen und so streckte und wandt sich sich in den Armen der Kinderfrau, die sichtlich überfordert war und keine Chance hatte das Kind ruhig zu bekommen. Zudem erfuhr der junge Helvetier auch, das der medizinische Notfall noch im Haus war.


    Esquilina?


    fragte Curio daher mit fragendem Blick, da ihm der Name nichts sagte.


    Ich nehme an, ihr werdet dann auch bei der Patientin bleiben wollen?


    folgte gleich die nächste Frage und nun trat Curio auch auf die Gallierin zu und hielt die Arme so, dass sie seine kleine quengelnde Nichte erstmal an ihn übergeben konnt, damit sie die Hände freihatte.


    Dann gib sie mir erstmal. Wenn Runa gleich dazukommt, können wir uns um sie kümmern. Hat sie schon gegessen? Und wie sieht es mit euch aus?


    Fragen über Fragen, denn da er grade erst nach Hause gekommen war, war der größte Teil der Neuigkeiten des Tages an ihm vorbeigegangen. Falls nicht, konnte Neman gleich sofort zwei respektive drei Teller, wenn die Patientin auch was essen wollte, mitnehmen und Gwyn konnte sie dann später mit Bechern und regelmäßig mit vollen Wasserkannen versorgen.

    Den ganzen Tag hatte Curio im Tempel verbracht, es hatte mal wieder eine Grundreinigung angestanden und da der alte Livianus Pythermon kaum länger als eine Stunde am Stück stehen konnte, hatte Curio nicht nur die Aufsicht darüber übernommen, sondern auch tatkräftig mitgeholfen. Wie immer hatte er sich persönlich um den oberen Teil der Kultstatue gekümmert, da man dafür auf eine hohe Leiter steigen musste. Leider hatten während das Tages dann einige neue Discipuli geschlampt, sodass sie noch eine Stunde länger hatten dableiben müssen, was für für den jungen Helvetier eine weitere Stunde Arbeit bedeutet hatte. So kam er erst eine gute halbe Stunde vor der üblichen Abendessenszeit zu Hause an, während die Abenddämmerung bereits eingesetzt hatte.


    In der vergangenen Nacht hatte es einen überraschenden medizischen Notfall gegeben, denn Alpina war wohl immer noch zwischen Taberna und dem freien Cubiculum dahinter unterwegs und in den gemeinsamen Wohnräumen der Familie nicht zu sehen, als Curio ins Haus und danach in die Küche trat. Stattdessen war Silvana mit Gwyn alleine in der Küche und bereiteten grade das Essen vor.


    Ich würde heute gerne hinten im Triclinium essen. Aber jetzt ziehe ich mich erstmal um.


    sagte er, nachdem er Silvana mit einem Kuss begrüßt hatte, und ging dann erstmal nach hinten ins Schlafzimmer, um sich dort etwas Wasser aus dem Waschtopf ins Gesicht zu werfen und sich etwas anderes anzuziehen. Schließlich ging er direkt ins Triclinium, nahm dabei aber bereits ein Kohlebecken mit, damit sie gleich nicht in der Kälte saßen. Wärend die Frau das Essen vorbereiteten, schnappte er sich Roderiq und Acanthos und bereite mit ihnen den großen Holztisch für das Essen vor.

    Curio erwiderte den Griff ihrer Hände mit einem fest Druck. Wie konnte er auch nur in Betracht ziehen, dieses menschliche Wunder vor ihm einfach aufgeben zu können? Ein zurückhaltendes Lächeln stahl sich in sein Gesicht, als Silvana fortfuhr: Das Herz einer germanischen Kämpferin, ja, das hatte sie. Ohne Zweifel. Und am Ende musste er wohl auch noch daran denken, dass sein helvetischer Widdersturkopf, sicherlich noch eine Kleinigkeit mitzuentscheiden hatte.


    Du hast recht, wir sollten das beste aus der Zeit machen, die uns die Götter zugestehen.


    sagte er kopfnickend und erhob sich. Es wurde Zeit, sein Dienst im Tempel begann bald und er musste ja noch ins Stadtzentrum laufen. Dennoch trat er, nachdem er sich den warmen Umhang umgelegt hatte, nochmal an seine Frau heran, zog sich zu sich hoch und gab ihr zusätzlich zur Umarmung - die mit zunehmendem Babybauch ebenso zunehmend komplizierter wurde - einen sehr langen Kuss, der sogar noch länger ausfiel, als der zweite vorherige Kuss von ihr.


    Ich muss mich jetzt gleich auf den Weg machen.


    sagte er danach mit einem Augenzwinkern, bevor er eine scheinbar geschäftsmäßige Miene ausfesetzte.


    Im Officium liegen der neueste Bericht aus der Villa Rustica. Wir können dann ja heute Abend darüber sprechend. Und danach muss ich noch etwas anderes mit dir besprechen.


    Dann drehte er sich um, doch als hätte er etwas vergessen, wandte er sich noch einmal und ein letzter Kuss fand seinen Weg auf Silvanas Mund.


    Ich liebe dich.


    Und schon war er aus der durch die Tür und verließ das Haus.

    Curio wusste natürlich nichts davon, dass es Silvana in der Villa Duccia ebenso ergangen war, wie ihm hier , denn wer sollte ihm davon auch erzählt haben? An ihrem Hochzeitstag hatte er andere Dinge im Kopf gehabt, während diejenigen, die davon wussten, entweder dafür sorgten, dass ihre Verwandte ob der langen Wartezeit nicht den Kopf verloren hatte, oder damit beschäftigt waren, die übrigen Gäste bei Laune zu halten. Die Zeremonien waren danach schnell durchgeführt worden, denn noch mehr Verzögerungen hatte niemand haben wollen. Außerdem war dieser Tag nicht geeignet gewesen, in tristen Erinnerungen zu schwelgen, sondern war schließich dann doch noch durch allgemeine Freude gekennzeichnet.


    Dennoch tat es ihm und seiner verängstigten Seele gut, dass Silvana es grade zumindest schaffte, ihm mit ihren Worten, die größte Angst zu nehmen. Daher ließ er sich einfach die gemeinsamen Augenblicke ein, genoss die Berührungen und noch mehr die beiden Küsse, von denen ihn der erste überraschte, der zweite aber schon mit ähnlicher Intensität erwidert wurde.


    Ich danke dir.


    sagte er danach mit einem weiteren etwas zuversichtlicheren Lächeln in ihre Richtung. Dennoch sah er sich aber genötigt, mal wieder etwas klarzustellen, denn so rosarot sie sich ihr gemeinsames Leben auch ausmalen mochten, war es doch schlecht und ergreifend nicht so einfach.


    Trotzdem möchte ich, ganz ehrlich zu dir sein und dir für etwas anderes die Augen öffnen. Denn so einfach ist es nicht. Dein, zugegeben entzückendes Temperament -


    Er drückte ihre Hand, die er sich von seinem Gesicht gefischt hatte, wieder und sein Lächeln bekam etwas leicht Schelmisches, das aber gleich wieder verschwand.


    - hin oder her, sollte ich straucheln, und seine Familie eine einträglichere Partie finden, werden wir schnell wieder da sein, wo wir vor der Hochzeit gewesen sind. Denn wenn deine Familie mich einbestellt oder hier vor der Tür steht und -


    Er atmete tief durch, denn dieses Szenario war dasjenige, dass er am meisten fürchtete. Letztlich spielte nämlich keine Rolle, ob es ihr hier gut ging, sie sich hier wohl fühlte und die Ehe harmonisch war. Es war vielleicht nettes Beiwerk, mehr aber nicht


    - verlangt, dass diese Ehe aufgelöst wird, dann wird uns wahrscheinlich kaum eine Alternative bleiben.


    Zugegeben, es war im Moment eher ein Theoretikum. Aber es war nicht ausgeschlossen und so war das das Schreckensszenario, das Curio verfolgte und das auch durch die Worte Silvanas nicht zerstreut werden konnte, denn in diesem Szenario würde mal wieder nicht gelten, was für sie beide das beste war und dass dadurch eine funktionierende, ja innige Familie auseinandergerissen werden würde. Nein, in diesem galt nur das Interesse der Duccier und wenn Curio ehrlich war, konnte er ihnen das nicht mal übelnehmen, auch wenn es ihm natürlich nicht gefallen konnte.

    Curio brachte wieder ein Lächeln zustande, als Silvana den Spruch ihrer Kultur zitierte. Genau dazu hatte er sich ja auch bei der Hochzeit verpflichtet, sie zu beschützen und dafür zu sorgen, dass es ihr gutging. Er gab sich dabei alle Mühe, denn es ging ja nicht nur um die Verpflichtung ihrer Familie gegenüber, sondern auch um sein eigenes Interesse. Nichtsdestotrotz hatte der junge Helvetier stets die Befürchtung, dass er nicht genug tat, aber nun ja, das würde seine Frau wohl am besten entscheiden können. Erneut drückte er ihre Hand und genoss ihr Streicheln. Dennoch musste jetzt wohl einfach gesprochen werden, damit Silvana besser verstand, was ihn eigentlich schon seit ihrer Hochzeit umtrieb.


    Weißt du... es war eine schlimme Zeit nach dem Opfer. Du... weißt ja selber, wie wir da auseinander gegangen sind.


    Curio schluckte und erneut strich er sich mit der freien Hand über die Stirn. Ja, er kämpfte mit sich, denn eigentlich hatte es bislang zu seinem Verständnis von Schutz gehört, dass er sie weitgehend von Problemen abschirmte und stattdessen versuchte, sie selber zu lösen.


    Die folgenden Tage... war ich wie betäubt. Ich habe niemanden an mich herangelassen, hab mich im Schlafzimmer eingeschlossen, nichts gegessen. Mir schwebte die ganze Zeit das Bild vor wie du... wie du...


    Ihm versagte die Stimme und er musste sich räuspern. Es war dieses Bild gewesen, dass ihn so erschüttert hatte: Ihr Ehemann, der Silvana ihr göttliche Gabe auszuprügeln versuchte. Auch jetzt noch bekam er eine Gänsehaut, obwohl er ja wusste, dass Silvana jetzt bei ihm so etwas nicht zu befürchten hatte.


    Erst Alpina hat es geschafft, mich wieder ins Leben zurückzuholen, na ja, einigermaßen zumindest.


    Ja, er hatte Alpina viel zu verdanken. Wäre sie nicht gewesen, die Götter wüssten, wie das alles ausgegangen wäre. Curio machte eine Pause, denn nachdem er nun erstmal zusammengefasst hatte, was gewesen war, musste es jetzt wohl um das Jetzt gehen, was umso schwieriger war. Erneut presste er die Lippen aufeinander, erhob sich und ließ dabei seine Hand vorsichtig aus ihrer gleiten. Er brauchte was zu trinken und so holte er eine der vollen Wasserkannen und zwei Becher zum Tisch herüber, goss zuerst Silvana und dann sich etwas ein und setzte sich dann wieder. Kaum dass er saß, war es seine Hand die wieder nach ihrer suchte, während er edem freien Hand einen großen Schluck Wasser trank.


    Die Träume sind jedes Mal gleich. Am Anfang steht das untrügliche Gefühl, dass ich irgendwas falsch gemacht habe. Ich weiß nicht was, ich weiß nur, dass es meine Schuld ist...


    Er stockte und erneut drückte er ihre Hand, wobei jetzt wieder ein leichtes Zittern einsetzte. Es war nicht so schlimm, wie in der Nacht, aber dennoch wohl deutlich spürbar. Von Wort zu Wort wurde es schwieriger für ihn, denn er eröffnete seiner Frau hier wohl seine größte Schwäche. Allerdings hatte er jetzt angefangen und ein Zurück war ausgeschlossen.


    Danach ist es so, als würdest du verschwinden und je mehr ich versuche, dich festzuhalten, desto schneller bist du verschwunden. Heute Nacht... na ja... hat wohl alles zusammengespielt.

    Noch bevor er irgendetwas anderes machen konnte, wurde Curio auch schon von Silvana auf einen der Stühle gedrückt, erhielt einen Kuss auf die Stirn und beobachtete dann, wie sie sich zu ihm setzte, betonte, dass die durchgemachte Nacht kein Probem darstellte, und schließlich fragte, ob er ihr erzählen wolle, was in der letzten Nacht mit ihm passiert war. Der junge Helvetier presste die Lippen aufeinander und atmete tief durch. Nein, eigentlich wollte er nicht darüber reden, denn was sie dann erführe, würde nur dafür sorgen, dass sie noch mehr mit sich rumschleppen musste, als sie es ohnehin schon tat. Da wollte er nicht auch noch seinen eigenen emotionalen Ballast bei ihr abladen, mit dem er ja ohnehin schon alleine kaum klarkam. Langsam griff er mit einer Hand an seine Stirn und strich mit den Fingernspitzen darüber. Andererseits konnte er ihr ja schlecht erzählen, dass alles in Ordnung war, denn sie hatte ja zweifellos wahrgenommen, dass es nicht stimmte, und ebensowenig konnte er sagen, dass er nicht mit ihr darüber reden wolle, was nämlich auch vollkommen falsch aufgefasst werden könnte. Denn so sehr er sie auch schonen wollte, gehörte sie doch zu der Handvoll Leute, denen Curio blind vertraute und die nicht nur die Fassade des selbstbewussten Jungpolitiker kennen mussten.


    Du sagst immer, dass ich dir die Sicherheit gebe, die du brauchst, um deiner Gabe Rechnung zu tragen.


    Das hatte ihn schon gewundert, als sie zusammengekommen waren, denn er hatte immer das Gefühl gehabt, dass er kaum für sich selber das nötige Selbstbewusstsein aufbringen konnte, um sich tatsächlich sicher zu fühlen. Im Gegenteil hatte er immer die Hilfe anderer gebraucht, seien es seine Eltern, sein Bruder, Alpina. Entsprechend hatte es ihn jedes Mal wieder erschüttert, wenn diese Säulen weggebrochen waren, besonders nach seinem Rauswurf von zu Hause oder dem Verschwinden Alpinas nach Germanien.


    Dabei glaube ich, dass es genau andersrum ist. Dass du mir die Sicherheits gibst, die ich brauche.


    Curio griff nach der Hand seiner Frau, drückte sie leicht, und lächelte sie verlegen an.


    Ich weiß nicht... ob dir... jemand erzählt, was hier nach dem...Festtag für Virtus und Victoria passiert ist?


    Es war der Tag, an dem sie ihre Beziehung quasi zu Grabe getragen hatten, nachdem sie aufgeflogen war und ihr Vater klar gemacht hatte, dass er diese nicht tolerieren würde. Er hatte sich in seinem Zimmer eingeschlossen, mit niemandem geredet, nichts gegessen und kaum etwas getrunken. Letztlich hatte er eine Woche vor sich hinvegetiert, bevor Alpina die Reißleine gezogen und zumindest dafür gesorgt hatte, dass er wieder aß.


    Jedefalls... seit dem Tod deiner Mutter... habe ich immer häufiger Alpträume. Ich weiß nicht warum, aber es macht mir einfach Angst...

    Als Curio die dunklen Ränder um die Augen seiner Frau sah, runzelte er die Stirn. Musste er sich Sorgen machen? War sie durch den kleinen helvetischen Rabauken in ihrem Bauch wachgehalten worden? Da musste Curio vielleicht mal ein ernstes Wort, mit dem kleinen Frechdachs reden, wenn er erstmal geboren war. Ihre Frage jedoch löste einen langen Denkprozess aus. Eine nächtliche Störung? Die hatte er nicht mitbekommen? Oder doch? War der Traum doch kein Traum gewesen? Aber warum war sie dann noch hier? Mühsam versuchte er zu rekonstruieren, woran er sich noch erinnern konnte: Er hatte einen Fehler gemacht, er hatte geglaubt sie zu verlieren, so wie immer in den Träumen, dann hatte es geklopft, man hatte sie abgeholt - nein - Roderiq war dagewesen, ein medizinischer Notfall, Silvana hatte gesungen. Er hatte Angst gehabt, furchtbare Angst, die er nicht mehr hatte kontrollieren. Sie hatte es gesehen, hatte ihn beruhigt und wahrscheinlich seinetwegen die komplette Nacht durchgemacht. Oder -


    Warst du in der Nacht noch drüben bei Alpina?


    Es war nur eine kleine Hoffnung, dass sie Alpina geholfen hatte und es nicht seine Schuld war, dass sie ganz offensichtlich kaum geschlafen hatte. Das hatte er nun wirklich nicht gewollte. Sie musste sich doch schonen mit dem kleinen Helvetier, eine durchgemachte Nacht war doch sicherlich alles andere als gut für Mutter und Kind. Ohne ihre Antwort abzuwarten fügte er nach einer kurzen Pause an.


    Es tut mir leid, falls du meinetwegen aufgeblieben bist.


    Seine Stimme war nun deutlich unsicherer geworden. Es konnte doch echt nicht sein, dass er die Kontrolle über sich offenbar immer weiter verlor und nun sogar seine Frau und das ungeborene Kind darunter zu leiden hatten. Nein, das ging gar nicht.

    Es dauerte nicht lang, vielleicht eine halbe Stunde, bis Curio bereits komplett arbeitsfertig angezogen in der Culina erschien. Nach außen hin wirkte er wieder recht entspannt und begrüßte seine Frau mit einem Kuss auf die Wange. Tatsächlich hatte er nicht wirklich realisiert, was in der Nacht passiert war, sondern hielt es alles für einen verwirrenden, aber dennoch nicht weniger bedrohlichen Alptraum, der allerdings nicht wie ein üblicher Alptraum geendet hatte. Danach hatte er traumlos und wie ein Stein geschlafen und war erst durch seine innere Uhr geweckt worden, die ihn zur Arbeit gerufen hatte. Jedenfalls wirkte es wohl so, dass alles wieder beim Alten war, wobei Curio auch tatsächlich davon ausging, dass dem so war, denn es war ja nicht das erste Mal, dass er von solch einem Alptraum heimgesucht worden war.


    Guten Morgen, mein Herz.


    sagte er daher auch recht unbedarft, wobei sein Blick auf den vollgedeckten Tisch fiel, was ihn dann sichtlich verwirrte. Normalerweise fiel ihr Ientaculum nicht allzu groß aus, Brot, vielleicht etwas Käse und Olivenöl, dann und wann ein Teller Puls, den sich die beiden teilten, aber hier schien es, als hätte Silvana für ein einfaches Frühstück die halbe Vorratskammer geplündert. Fragend blickte er seine Frau an.