Bestia ließ Curio zappeln. Schweigend sah er den jungen Helvetier an, der sich, je länger die Pause andauerte, fragte, ob der ehemalige Soldat überhaupt Interesse daran hatte, hier rauszukommen. Die "Anstellungen", die er hier sonst bekam, dürften wohl deutlich einträglicher sein, schließlich konnte Curio auch nicht allzu viel zahlen und auch das städtische Salär war längst nicht so hoch, um mit einem "Auftrag" der zwielichten oder semi-legalen Sorte mithalten zu können. Jedenfalls hatte Curio ernsthafte Zweifel daran, ob sich Bestia nicht lieber mit einem letzten großen Coup in den Ruhestand verabschieden wollte, anstatt sich um die Sicherheit der Familie eines jungen Lokalpolitikers zu kümmern. So vergingen Sekunden und Minuten und Curio versuchte den Blickkontakt gegen einen Soldaten zu halten, der wohl nicht nur in der physischen, sondern auch der psychischen Kriegsführung geschult war. Curio indes wäre kein Helvetier, wenn er hier klein beigeben würde. Schon aus Prinzip hatte er Stand zu halten. Als Enkel, Sohn und Bruder von Soldaten gehörte das praktisch zum guten Ton. Irgendwann, für Curio ganz unvermittelt, fing Bestia zu grinsen an. Curio war verwirrt, runzelte die Stirn und verlor, denn kurz wanderte sein Blick hinüber zum Fabricius, der entspannt zurückgelehnt in seinem Stuhl saß und das Schauspiel, das sich ihm da geboten hatte, interessiert verfolgt hatte.
Noch unvermittelter, zumindest für Curio, erhob Bestia plötzlich seinen Bierkrug, prostete zuerst dem Fabricius, dann Curio zu und nahm einen großen Schluck, mit dem er den Becher etwa um ein Viertel leerte.
Ich kann mir vorstellen, warum du den Jungen unterstützt, Aremend. Er hat Mumm, sieht man dem Hänfling zwar nicht an, aber er hat Mumm. Schade nur, dass er ihn in Politik und Religion verbrät.
Bestia lachte laut auf und schlug dabei zweimal kräftig mit der Faust auf den Tisch. Auch der Fabricier musste schmunzeln. So waren sie nunmal, die Veteranen, zumindest schob Curio diese unvermittelte Ausgelassenheit auf diesen Charakterzug, der, wie der junge Helvetier aus seiner Familie wusste, bei den ehemaligen Soldaten weitverbreitet war. Dennoch war das keine Antwort auf sein Angebot. Immer noch in euphorischer Stimmung
Weißt du was, Aremend? Du unterstützt den Jungen. Du unterstützt nur Leute, die anständig sind, na ja, oder zumindest meistens. Natürlich hast du auch hier deine Finger im Spiel, damit ich mal wieder was anständiges mache, du verdammter alter Dreckssack.
Erneut lachte Bestia auf und der Fabricier stimmte dieses Mal auch ein. Curio hingegen wusste noch immer nicht, wie er das alles zu deuten hatte, bis sich der Veteran nun wieder ihm zuwandte.
Also gut, Junge. Wenn mein Freund Aremend, oder Manius Fabricius Tullus Maior, wie er sich selbst mittlerweile lieber nennen lässt, glaubt, dass ich hier raus muss, ist es wohl wirklich Zeit. Also wann kann ich anfangen?
Curio war perplex. So schnell, so einfach sollte das gehen? Erneut brauchte er einige Augenblicke, um seine Sprache wiederzufinden. Auch er nahm nun einen großen Schluck Bier, wobei ihm mal wieder bewusst wurde, dass er eigentlich lieber Wein und mittlerweile auch Met lieber trank, als dieses Hopfenzeug.
Nun... ähm... ich würde vorschlagen, dass du in drei Tagen in die Casa Helvetia kommst. Bis dahin kann ich mit meinen Verwandten sprechen und dich ankündigen.
Nein, er hatte noch nicht mit ihnen gesprochen. Allerdings nahm er sich bei diesem Thema einfach mal heraus, für sie alle mitzuentscheiden, denn er kannte Silvana und Alpina gut genug, um ihre Eigensinnigkeit, ja Sturheit beim Thema Sicherheit zu kennen. Spätestens seit der Geschichte mit dem - nach Curios festen Überzeugung - falschen Helvetiers, wusste er aber, wie gefährlich auch diese Stadt sein konnte. Erst recht, je weiter man die Karriereleiter hinaufstieg und sich dabei auch reichlich Feinde machen konnte.
Nach der Zusage saßen die drei noch einige Zeit zusammen. Die beiden Veteranen erzählten sich die alten Geschichten ihrer Dienstzeit, während Curio ein wenig von seiner Familie erzählte. Irgendwann gingen sie auseinander und während der Fabricier einen Rundumbesuch seiner Kunden begann, machte sich Curio zurück auf den Weg zum Tempel, wo er nochmal nach dem Rechten sehen wollte, bevor er nach Hause reiten würde.