Das Innere der Taberna unterschied sich deutlich von jenenTaberna, die Curio sonst kannte, doch passte es sich genau zu dem Bild, das sie von außen machte. Trotz der Kälte draußen hing in dem großen Hauptraum eine unangenehme Schwüle gemischt mit dem Geruch schalen Bieres und und Schweiß. Curio konnte nicht anders und rümpfte die Nase, hielt sich aber unbeirrt einen Schritt hinter dem Fabricier, der sich mittlerweile die Kapuze seines Mantels vom Kopf gezogen hatte. Auffallend war, dass von dem Hauptraum mehrere kleine Nieschen abgingen, in denen Tische und Stühle standen. Liegen waren nirgendwo zusehen. Stattdessen konnte jede Niesche mit einem schweren Vorhang abgetrennt werden, sodass dort auch unbeobachtet Gespräche stattfinden konnten - und "Gespräche" jener Art, die man normalerweile in einem Lupanar antreffen würde, wobei die Tische und Stühle nicht grade bequem aussahen. Auch im Hauptraum standen Tische und Stühle. Einige davon waren besetzt und Curio musste sich zusammenreißen, die dort sitzenden Gestalten nicht näher zu mustern, aber aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, wie an dem einen Tisch ein Geldbeutel den Besitzer wechselte und an einem anderen jemand seinen Dolch wetzte oder reinigte - da war er sich nicht so sicher. In der Tat, alleine wäre er hier nicht hingegangen, es war ja überhaupt schon eine Kunst gewesen, hierher zu finden, sodass er wohl auch gut daran tat, sich an den Fabricier ranzuhängen.
Dieser blieb plötzlich stehen, besah sich einen mittelalten Mann mit schmutzig-blonden Haaren, der mit leeren Augen in seinen ebenso leeren Bierkrug starrte. Der alte Fabricius zögerte einen Moment, ging dann aber direkt auf den Tisch zu, setzte sich dem Mann gegenüber und gab Curio zu verstehen, sich ebenfalls zu setzen. Auch hier folgte Curio ohne ein Wort zu sagen, allerdings wagte er es nun, den Mann näher zu mustern. Das musster er also sein:
[Blockierte Grafik: http://abload.de/img/custosjzy4v.jpg]| Galeo Vedius Bestia (Roderiq)
Es entstand eine kurze Pause, in der buchstäblich nichts passierte. Der Fabricius hielt sich zurück, während Bestia weiterhin stumpf in seinen Bierkrug starrte. Ob er hoffte, dass er sich von alleine auffülte? Er konnte doch einfach was bestellen. Oder konnte er das eben nicht? Curios Blick wanderte zum Fabricius und endlich schien er, die Initative ergreifen zu wollen.
Grüß dich, Bestia. Lange nicht mehr gesehen.
Die Stimme des Fabricier war ruhig, aber Curio entging nicht die leichte Entspannung des Händlers. Der Fremde hingegen reagierte nicht, oder doch, denn irgendwann ertönte ein leises Grunzen aus seiner Kehle.
Kein Interesse, Aremend. Verpiss dich.
Bestia zog seinen Krug zu sich heran, während der Fabricier leicht schnaufte. Curio wusste zwar, dass der Alte auch einen keltischen Namen hatte, doch hatte er ihn, solange Curio ihn mittlerweile kannte, nicht einmal benutzt. Erst jetzt wurde dem jungen Helvetier bewusst, dass er diesen Namen vielleicht gar nicht mehr mochte, sondern komplett in seiner römischen Bürgerschaft aufging. Im Gegensatz zu den Ducciern, die ja alle noch ihre germanischen Namen trugen und sich in der Familie auch mit diesen ansprachen. Dem jungen Helvetier, der ja Teil einer urrömischen Familie war, war dieses Spannungsfeld unbekannt. So beobachtete er nur, wie sich der Fabricier kurz abwandte, aber gleich wieder die Initiative ergriff. Von ihrem Gegenüber hatten sie nämlich wohl kaum irgendein Entgegenkommen zu erwarten.
Charmant wie eh und je, alter Freund. Aber sag, arbeitest du noch für diesen Ogulnius?
Der junge Helvetier hatte den Namen Ogulnius schonmal gehört. Irgendwie brachte er ihn aber mit irgendeinem halb-legalen Geschäftszweig in Verbindung. Kein Wunder, in dieser Umgebung. Erneut entstand eine längere Pause, doch als Bestia merkte, dass sich sein Glas immer noch nicht füllte, blickte er schließlich auf.
Nicht mehr. Als ihm irgendjemand fein säuberlich Augen und Zunge rausgeschnitten hat, hat er sein Geschäft aufgegeben.
Er blickte den Fabricier nun offensiv und provokativ in die Augen und warf auch kurz dem jungen Helvetier einen Seitenblick zu. Der Fabricius blieb aber ungerührt. Curio wusste, dass der alte als Soldat einiges gesehen hatte, sodass nur dem jungen Helvetier ein kalter Schauer den Rücken hinablief.
Nun, dann ist es bestimmt nicht mehr einfach, dein Zimmer hier zu bezahlen. Sieht ja eigentlich ganz gemütlich aus. Wenn die Zimmer auch so aussehen...
Er beendete seinen Satz nicht, sondern hielt den Blickkontakt zu seinem Gegenüber aufrecht, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Beide taten sich nichts, als ehemalige Soldaten Druck gewöhnt, auch wenn die Zeit des eigenhändigen Kampfes bei dem Fabricier länger vorbei war.
Das ist hier nicht das verfickte Silva Nigra, Aremend. Also halts Maul, oder sag mir endlich, was du von mir willst. Und wer ist überhaupt dieser Grünschnabel, der so tut, als wäre er gar nicht da?
Der Fabricius schmunzelte, blickte zum Tresen und gab dem bärtigen Wirt zu verstehen, dass er drei Biere bestellen wollte. Der Wirt nickte und schnell standen drei Krüge auf dem Tisch.
Dieser Grünschnabel ist Iullus Helvetius Curio, vielleicht sagt dir der Name was. Er hat vielleicht Arbeit für dich, nicht wahr Curio.
Curio nickte, brachte aber noch kein Wort heraus, da der kritische Blick Bestias auf seinem Gesicht ruhte und der junge Helvetier fand diesen Blick nicht grade angenehm.
Helvetius Curio, hm? Der kleine Streber, der glaubt, er wäre der neue aufgehende Stern in Mogontiacum, hm? Hast du dir nicht mit dieser Masche auch eine kleine Wolfriksdotter geschnappt? Aber gut, von mir aus, hm? Was willst DU?
Curio schluckte. Der Kerl war verdammt gut informiert dafür, dass er offenbar in diesem Loch hier hauste. Jetzt oder nie, auch wenn der erste Eindrucknicht grade positiv war. Doch der Empfehlung des alten Fabricius wollte er wenigstens einmal auf den Zahn fühlen.