Timarcha richtete sich nun komplett im Stuhl auf. Die Zornesfalte über ihrem Nasenrücken hatte sich so stark ausgeprägt, wie es Curio bei seiner Mutter noch nicht gesehen hatte und als wäre das nicht genug, begann sein Vater nun damit, mit seinen Fingern auf den Knauf seiner Vitis zu trommeln. Der junge Helvetier wusste, jetzt würde seine Mutter mit einer riesigen Aktion zuschlagen und versuchen ihren Mann auf ihre Seite zu bringen, damit dieser seine bislang eher passive Position aufzugeben und auch von sich aus in die Schlacht einzusteigen.
Jetzt aber mal ganz langsam, junger Mann. Wir haben intensiv darüber gesprochen: Die Valeria ist eine tolle Partie, sie sichert uns Einfluss nach Agrippinensium und Germania Inferior, eine Mitgift, die sich gewaschen hat, lebt aber bislang nicht in solch einem Saus und Braus, dass ihre Heirat mit dir ein Abstieg wäre. Bei der Duccia ist das komplett anders. Ich bin an der Villa Duccia vorbeigekommen, als ich hergereist bin, Iullus, und dein Vater hat sie bestimmt auch gesehen, nicht wahr, Lucius? Es ist ein Abstieg, sie muss sich an einen kleineren Lebensstil gewöhnen, denn du wirst ihren jetzigen kaum aufrecht erhalten können. Was glaubst du denn, wie lange sie das mitmacht, wenn deine ohnhin nur geringen Geldreserven zur Neige gehen? Und überhaupt, warum der plötzliche Gesinnungswandel? Wer weiß, vielleicht hat sie sich ja bereits mit jemand anderem vergnügt, der nichts von ihr wissen will und du musst jetzt als Rettungsanker herhalten...
Mehr und mehr hatte sich Timarcha in ihre Rede reingesteigert, doch jetzt wurde es Curio zuviel. Er schlug mit der Faust auf seinen (und seines Bruders) Tisch und blickte seine Mutter aufgebracht an.
Mutter! Es reicht. Es gab und gibt niemand anderen! Punktum. Und darüber diskutiere ich nicht! Hast du mich verstanden?
Timarchas Blick verfinsterte sich noch mehr.
Wie sprichst du mit deiner Mutter! Die dich geboren, gefüttert und gewickelt hat! Die dich von kleinauf großgezogen und immer unterstützt hat. Offenbar vernebelt dir dieses kleine Germanenmädchen komplett den Verstand und du vergisst, auf wen es wirklich ankommt! Lucius, das kannst du doch nicht zulassen, dass dein Sohn so mit mir spricht! Sag ihm, dass er die Valeria heiraten soll! Zum Wohl der Familie!
Ihre Stimme hatte nun jenen mütterlichen Pathos angenommen, der immer dann folgt, wenn sie ihren Söhnen den finalen Stoß versetzen wollte. Und tatsächlich rührte sich etwas in Curio, dieser kleine Ruf nach Loyalität der Familie gegenüber, doch er war loyal, verdammt nochmal, und er wäre nicht illoyal, wenn er Silvana heiraten würde. Ganz im Gegenteil sogar.
Das kleine Germanenmädchen hat auch einen Namen, Mutter. Ich wäre dir verbunden, wenn du sie mit Duccia, Silvana oder, wenn du willst, mit Runa ansprechen würdest. Und ich möchte dich noch an etwas erinnern, Mutter. Du hast sie ja schon kennengelernt und da schien sich deine Kritik noch in Grenzen zu halten. Ich kann dich auch gerne noch an dein Versprechen erinnern, dass du dich der Hochzeit nicht in den Weg stellen wirst, wenn ihr Vater zustimmt. Nun... Er hat zugestimmt, nun bist du am Zug.
So, wirken lassen, der Blick zum Vater. Hatte er es geschafft, den Keil zwischen die beiden Armeen zu treiben? Ihr Versprechen stand und wahrscheinlich hat sie dies auch nur so deutlich gesagt, weil sie nie davon ausgegangen wäre, dass der Duccius dieser Ehe zustimmen würde. Der abendliche Besuch des Patrons und dessen Wutausbruch hatten sie zuerst in ihrer Ansicht bestätigt. Jetzt aber war die Zustimmung plötzlich da. Und dennoch, es ging hier schon längst nicht mehr um Kandidatinnen, es ging um ihre innerfamiliäre Autorität, und die war nun endgültig angekratzt. Sie rückte nun auf ihrem Stuhl komplett zurück an die Lehne und versuchte es nochmal mit einem letzten Manöver.
Du hast mir immer noch nicht erklärt, woher der plötzliche Meinungsumschwung kommt?