Curio ließ sich das lauwarme Wasser über die Hände, die Unterarme laufen, schrubbte sich ein paar Mal durchs Gesicht, um die Gerüche des Tages zu verscheuchen, wurde dabei aber vollkommen von der neuerlichen Tirade seiner Frau überrascht. Mit jedem neuen Vorwurf drehte er sich langsam in ihre Richtung. Sein Gesicht verriet sein Unverständnis, die Augen zweifelnd die sonst so liebevollen blauen Augen seiner Silvanas suchend, die Stirn gerunzelt, streifte er sich das Wasser von den Armen und hoffte, dass sie es nichts ernst meinte, doch war davon nichts zu sehen.
Du... kannst doch nicht glauben, dass... ich das jetzt so stehen lasse?
sagte er, immer noch ruhig, wenn auch deutlich ungehaltener, da er sich nun ziemlich sicher war, dass Silvana jedes Wort so gemeint hatte, wie sie es aussprach, und dass das alles wahrscheinlich schon länger in ihrem ihrem Kopf herumwanderte und jetzt grade bloß durch den Alkohol einen Ausweg in die Welt gefunden hatte. Ungläubig schüttelte er den Kopf.
Das ist doch absoluter Unsinn. Natürlich leidet Alpina und genau deswegen habe ich sie doch eingeladen, mit uns zu dem Fest Senecas mitzukommen. Dass Kaeso tatsächlich so... abhängig ist, sich von Phryne dorthin mitschleppen zu lassen, konnte niemand ahnen, aber dass du dafür nun ausgerechnet mich verantwortlich machst, ist unmöglich.
Erneut schüttelte er den Kopf, überrascht, verletzt, aber auch wütend über all das, was ihm Silvana grade an den Kopf geworfen, ja, regelrecht vor seine Fuße gespuckt hatte.
Ich habe den Jungen gewarnt, habe ihm gesagt, dass er vorsichtig sein soll, aber er ist alt genug um seine eigenen... Entscheidungen zu treffen. In seinem Alter war ich auch dazu gezwungen und er hätte auch dazu im Stande sein müssen. Er hat sich für diese Lupa entschieden, er hat entschieden, unser Haus zu verlassen, er hat sich... willfährig mit zu der Feierlichkeit nehmen lassen in dem Wissen darum, dass wir wahrscheinlich auch dort sein werden. Wann versteht ihr endlich, dass er kein Kind mehr ist? Dass er seine eigenen Entscheidungen treffen muss? Und dass er verdammt nochmal auch mit den... daraus entstehenden Konsequenzen leben muss?
Curio atmete tief durch. Es war ungerecht, wofür ihn Silvana hier verantwortlich machte. Der Junge war alt genug, um sein eigenes Leben zu führen und wenn er sich dafür entschied, den Menschen vors Schienbein zu treten, die ihn am Anfang so großzügig aufgenommen und ihm eine erste Ausbildung ermöglicht hatten, und sich stattdessen in eine rein dem Lustgewinn orientierte... was auch immer er mit Phryne führte zu stürzen, dann mussten sie damit leben. Er würde schon früh genug erfahren, was geschah, wenn Phryne ihr Interesse an ihm verlöre und ihn zurück in den Straßengraben stieß. Jedenfalls hätte er es dann einzig auf seine Entscheidungen zurückzuführen und konnte niemanden dafür verantwortlich machen, so wie Silvana das hier grade tat.
Die zweite, oder besser, die erste Beschuldigung, die Silvana ihm hier um die Ohren warf, brachte ihn dann aber endgültig zu Weißglut.
Und wie kannst du Lucius so etwas vorwerfen? Er ist im Auftrag der Legion unterwegs und er hat sich ganz sicher nicht darum gerissen, irgendeinen Legionstribunen an den Arsch der Welt zu... eskortieren. Aber es ist nunmal seine verdammte Pflicht, wenn er den Befehl dazu bekommt. Er tut das nicht für sich oder weil er hier wegwollte, es ist seine Pflicht als Soldat. Als hätte er nur darauf gewartet, hier wegzukommen, nachdem er hier eine Frau und ein Kind hat. Wir Helvetier sind nicht so, wir sind nicht so wie dieser grässliche... Petronier, der eine von schwangere Frau zurücklässt, wir sind nicht wie Alpinas Vater - wir halten unsere Versprechungen und das weißt du ganz genau.
Seine Stimme wurde immer erregter und man konnte nun auch eine Ader auf Curios Stirn pochen sehen.
Und natürlich bin ich dafür verantwortlich, dass es der Familie meines Bruders gut geht, wenn er aufgrund seiner... Dienstpflichten nicht dafür sorgen kann. Und wenn dann etwas passiert, bin ich - und nur ich - dafür verantwortlich, weil es niemand anderen gibt, der für Alpina und das Kind sorgen müsste, wenn der Vater bei einem Einsatz ist. Ich habe das Haus verlassen, ich war nicht hier, um Alpina zu beschützen, ich habe nicht dafür gesorgt, dass die... Sicherheitsvorkehrungen während meiner... Abwesenheit ausreichend waren und daher bin ich, und nur ich Schuld daran, dass Alpna nun erneut hat leiden müssen.
Mit jedem Wort war seine Stimme bitterer geworden, war es doch eine klare un rationale Aufzählung seiner eigenen Versäumnisse. Alpina hatte ihm verziehen, und dennoch konnte er den Gedanken nicht fortschieben, dass es seine Schuld war, dass er erneut versagt hatte und dass ein ihm liebgewordener Mensch deswegen hatte leiden müssen. Die Vorwürfe und die Wutrede Silvanas machten es auch nicht besser, ganz im Gegenteil legte sie stattdessen lediglich jene Kerben frei, die er in den vergangen Wochen so mühsam vergraben hatte.