Gut. Soweit. Für den Augenblick zufrieden ließ Antias den Blick über die Menge schweifen. Das Volk hatte etwas zu tuscheln, mehr als das, wie die Leute nun mal waren, begannen sie sich gegenseitig der Aufwiegelei zu verdächtigen. Pennus und Sulca hatten mit den Befragungen begonnen, wobei der Cluvier sich für seine Verhältnisse noch schwer am Riemen riss. Zumindest vorläufig. Antias war völlig klar, dass das nicht so bleiben würde. Auch die verwirrte Ruhe vor dem Tor würde nicht lange anhalten. Außer etwas Zeit war längst nichts gewonnen. Sollte das Tor sich in absehbarer Zeit doch nicht öffnen, würden die ersten Gruppen versuchen, sich davonzumachen, und sei es nur, um an einem der anderen Stadttore ihr Glück zu versuchen. Anordnung hin oder her. Mit zwei Contubernia war da nicht viel zu machen. Also musste den Leuten etwas geboten und gleichzeitig die Lage entschärft werden. Fama et Fabula anstatt Panem et Circenses.
Versonnen blickte er auf den Senator und seinen Sohn, dann auf den jungen Römer, der mittlerweile ebenfalls unruhig geworden war, und schließlich auf die gelichteten Reihen der angetretenen Urbaner. „Hört mal. Wir müssen das jetzt klären.“ wandte er sich leise aber entschlossen an die Kameraden. „Fühlt sich jemand berufen, die Geschichte hier in die Hand zu nehmen, bis ein Offizier eintrifft?“ Achselzucken, Kopfschütteln, Hüsteln, keine Antwort. „Nur zu, ich reiß mich nicht drum.“ Keine Wortmeldung. „Nein? Also gut. Dann machen wir jetzt folgendes: Sagitta und Carbo werden den großen Burschen dort festnehmen und in die Wachstube bringen.“ Mit einem knappen Kopfnicken wies er auf den jungen Römer. Ob er nun durch sein vermeintliches Wissen eine Gefahr darstellte oder nicht, in jedem Fall konnte er innerhalb der Stadtmauern weit weniger Schaden anrichten als hier draußen. Darüber hinaus war seine Festnahme eine unmissverständliche Warnung an die Menge der Wartenden. „Der Rest schließt auf und hält die Stellung.“
Das wäre also das. Allerdings musste der Senator ebenfalls irgendwie in die Stadt, am Besten ohne dem murrenden Volk den Eindruck zu vermitteln, für Senatoren gälten hier Sonderrechte. Im Zweifelsfall würde er eben dessen Verhaftung auch noch inszenieren. Aber immer eins nach dem anderen. Womöglich hatten die Götter ja ein Einsehen und schickten vorher einen verdammten Offizier vorbei. „Einwände?“ Es sah nicht danach aus. Carbo und Sagitta traten aus dem Glied. Die Reihen schlossen sich wieder. Antias spuckte einmal aus und zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln. „Gut, dann los.“
Gefolgt von den beiden Milites ging Antias zu dem groß gewachsenen Römer hinüber. „Keine Sorge, Civis. Du hast nichts zu befürchten.“ raunte er ihm leise zu. „Die Kameraden werden dich jetzt zum Schein verhaften und an's Tor bringen.“ Carbo und Sagitta bauten sich zu beiden Seiten des Römers auf. „Milites!“ bellte Antias theatralisch. „Dieser Mann steht unter dem Verdacht aufwieglerischer Aktivitäten gegen Kaiser und Senat! Abführen!“
Schweigend kamen die Kameraden der unüberhörbaren Aufforderung nach. Antias stapfte mäßig beruhigt hinterher. „Übergebt ihn Hispo. Erklärt ihm die Sache und kommt schleunigst wieder her.“ Während Carbo an’s Tor hämmerte, machte sich Antias auf den Weg zum Senator. „Sonst noch irgendwelche konstruktiven Ideen, Senator Iulius? Ich wäre nicht gerade unglücklich darüber.“