Beiträge von Titus Germanicus Antias

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    Caius Raecius Fimbria



    Nun hatte sie ihn doch bemerkt und ihren Gesang verstummen lassen. Das hatte er nicht gewollt. Was aber hatte er gewollt? Irritiert fiel sein Blick auf Marullus' Becher. Ach ja, seinen nicht vorhandenen Durst hatte er löschen wollen und ihr lauschen, womöglich ein paar Worte mit ihr wechseln. Wie ein Narr kam er sich nun vor, hier stumm wie ein Fisch im Regen zu stehen und nicht zu wissen, was er sagen sollte. Dann sagte endlich sie etwas, fragte ihn nach der Wichtigkeit seiner Aufgabe. Im ersten Moment wogte eine dankbare Freude in ihm auf über ihr Interesse. Schon wollte er sich plaudernd zu ihr unter das Vordach gesellen, aber etwas in ihrer Stimme hielt ihn zurück. Vielleicht war die Frage gar kein Ausdruck ihres Interesses sondern nur ein höflicher Wink, sich um seine Aufgabe zu kümmern und sie in Ruhe zu lassen. Möglich auch, dass sie das Motiv seiner, wie er hoffte dezenten, Annäherung missdeutete. Wie sollte er ihr mit seinen begrenzten rhetorischen Mitteln möglichst beiläufig klar machen, dass es ihn nicht nach ihren braunen Schenkeln dürstete und er nicht zurückgekommen war, um sie zu belästigen? Wie würde sie wohl auf die schlichte Wahrheit reagieren? Dass er gern in ihrer Nähe war und die kurze Zeit nutzen wollte, bis Avianus eintreffen und Myrsini wieder für immer aus seinem Leben verschwinden würde? Allein, was half's, er würde es nie erfahren. Statt sich wie geplant zu Myrsini zu stellen, verharrte er also respektvoll im Regen und lächelte sie etwas unsicher an. „Ja, wichtig .. wie alle Aufgaben auf ihre Art wichtig sind .. auch das Überbringen von Nachrichten, nicht wahr?“

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    Caius Raecius Fimbria


    Der Nieselregen ließ den Vorplatz noch trister erscheinen als er ohnedies schon war. Am Tor gab es kaum etwas zu tun. Ein paar Boten kamen zurück, zwei Fuhren Holzkohle wurde angeliefert, das war's auch schon. Leider. Etwas Ablenkung hätte Fimbria dringend gebrauchen können, denn Myrsinis leiser Gesang drang in Gefilde seines Herzens vor, die er seinen Mitmenschen gegenüber – Fremden zumal – meist sorgsam verschlossen hielt. Er versuchte es zu ignorieren. Eine Weile gelang ihm das auch, so etwa für die Dauer von zehn bis fünfzehn Herzschlägen, und die wurden immer schneller. Schließlich aber ließ er sich auf ihrer leicht brüchigen Stimme treiben, über die Mauern und Hügel bis an die sonnigen Ufer des Fucinus Lacus, wo Myrsinis Stimme schwerelos über das stille Wasser tanzte wie eine der zahllosen Libellen. Er verstand nicht, was sie da sang und die Worte mochten nicht so ganz in das Land um Alba Fucens passen, die Meldodie hingegen passte als wäre sie dort entstanden, auch Myrsinis verschatteter Blick und die Ahnung von Erlebtem, den sie ausstrahlte, passte in das ärmliche Leben, das er als Kind dort geführt hatte. Wohin sie wohl selbst von ihrem Gesang getragen wurde? War das griechisch? Er wusste es nicht, er war leider primitiv und ungebildet. Nun, dann würde er sie eben fragen. Höflich und vorsichtig selbstverständlich, um sie nicht noch mehr gegen sich einzunehmen. Mit einem unnötig entschuldigenden Blick auf den völlig desinteressierten Marullus holte er dessen Becher aus dem Durchgang und ging langsam durch den Regen auf das Vordach zu. Myrsini sah ihn nicht, sie hatte den Blick ziellos nach Westen gerichtet und sang vor sich hin. Auch gut, er mochte ihre Stimme ob sie redete, sang oder schwieg. In einigen Metern Entfernung blieb er stehen und lauschte lächelnd ihrem Gesang. Einen Moment lang stellte er sich vor, sie sänge für ihn. Aber das tat sie natürlich nicht. Sie sang nur für sich und sie erwartete auch nicht ihn sondern Optio Avianus. Obwohl es noch nicht spät war und er die Anwesenheit Myrsinis gegen nichts hätte tauschen wollen, begann sich Fimbria um das ausstehende Contubernium langsam Sorgen zu machen.

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    Spurius Cluvius Sulca


    In Sulca loderte ein wilder Zorn auf. Das würde dieser dreckige Tiro noch bitter bereuen! Er hatte hier alles im Griff gehabt. Ein Cluvius Sulca brauchte keinen nassen Rekruten als Flankendeckung! Hatte er den beiden Ärschen nicht ausdrücklich gesagt, sie sollten bleiben wo sie waren? Schließlich war er nicht ohne Grund alleine hinter die Taberna verschwunden. Er hätte das hier so geregelt, wie ein wahrer Anführer solche Dinge gemeinhin regelt: Endgültig. Dieses Pack war seinen Anweisungen nicht gefolgt und wollte fliehen. Kein Urbaner, der auch nur einen Funken Pflichtgefühl besaß, hätte ihnen das durchgehen lassen, warum also er? Gerade er? Am Ende steckte noch dieser neue Optio dahinter. Sollten diese unbedarften Welpen ihm etwa auf die Finger sehen? Er war Miles! Ihm brauchte man nicht zu sagen, welche Maßnahmen die Situation erforderte, Tagesbefehl hin oder her! Fast wünschte er sich, der braunhaarige Christianerhund würde die Waffe ziehen, die ihm selbst zwar entgangen war, mit der er aber sicher kein Problem gehabt hätte. Am liebsten hätte er dem übereifrigen Germanicus selbst eins mit dem Schwertknauf übergezogen..


    Sulca trat ein paar Schritte von dem tonfarbenen Hitzkopf zurück und fixierte den Germanicus. „Na los!“ rief er ihm heißer zu. „Worauf wartest du, mach ihn fertig!“ Der Rekrut rührte keinen Muskel. Wie zu erwarten. Feiges Gesocks. Die beiden Weiber lösten sich langsam von der Hauswand und gingen hinter dem störrischen dunklen Burschen vorbei. Sollten sie ruhig, er war hier jemand ein paar Nachhilfestunden schuldig. Mit kehligem Lachen ließ Sulca den Gladius sinken und betrachtete voller Verachtung den lauernden Tiro. Hinter sich hörte er, wie die Weiber sich an der Mauer zu schaffen machten. Die würde er wiederfinden, wo immer sie sich auch verkriechen mochten, es gab kaum einen Winkel in Trans Tiberim, den er mittlerweile nicht kannte. „Was ist, Tiro? Nicht den Mumm dazu, was?“ Aus den Augenwinkeln sah er den zweiten Mann den Frauen hinterher eilen. Lauft nur, dachte er amüsiert, ich werde mich drum kümmern, gleich. Erst will ich sehen, wer von den beiden dort drüben als erster die Nerven verliert. „Na? Nicht so einfach wie auf dem Übungsplatz, oder?“



    ***



    Antias nahm Sulca's hasserfüllte Sätze kaum wahr. Mit gespannten Muskeln verharrte er neben dem dunkelhaarigen Christianer, presste ihm den Gladius in die Seite und suchte in seinen Augen nach den Anzeichen irgendeiner Reaktion. Er spürte, wie ihm dicke Schweißperlen aus den Poren drangen, seine Haarwurzeln emporstiegen, sich zwischen seinen Schulterblättern vereinten und ihm in eisigen Rinnsalen den Rücken hinab sickerten, seine Handflächen wurden feucht, durch seine Knie ging ein leichtes aber schwer kontrollierbares Zucken, sein hämmernder Herzschlag übertönte das sanfte Rauschen des einsetzenden Regens, seine gepressten Atemzüge mischten sich mit dem Keuchen des unentschlossenen Christianers. Was er da vor sich hatte, war keiner der Holzpfähle, an denen er unzählige Male mit dem Schwert geübt hatte, das war ein atmender, schwitzender, von Angst gelähmter Mensch. Wenn er jetzt zustieß, das war ihm entsetzlich klar, würde die Klinge des Gladius mahlend zwischen den Rippen des jungen Mannes hindurch in dessen Brustkorb dringen und ihm die Lunge zerfetzen. Wenn er es nicht tat, würde ihn der Gegner in seiner Verzweiflung mit der Waffe angreifen, die er zweifellos unter der Tunica umklammert hielt. Alles sprach dafür, zuzustoßen, und wenn er selbst es nicht tat, würde es sehr wahrscheinlich der Cluvius tun. Mitleid war es nicht, was ihn abhielt, im Gegenteil. Er war wütend auf den Kerl. Fast hätte er sich bei Sulca für die Christianer eingesetzt, fast hätte er geglaubt, dass sie harmlos und unbewaffnet waren. Dennoch widerstrebte es ihm, das Leben dieses Mannes mit einer gurgelnden Blutfontäne in einem schäbigen Hinterhof enden zu lassen. Das war nicht das, wozu er hergeschickt worden war und es war nicht das, was er wollte. Es sei denn, es bliebe ihm keine andere Möglichkeit. Sulcas Hohn drang wie aus einem dicken Nebel auf ihn ein, er versuchte, seiner Stimme einen ruhigen festen Klang zu verleihen. „Sei kein Idiot, Christianer. Noch ist nichts passiert.“ Aber es würde etwas passieren, bald – sehr bald. Das hier konnte nicht nicht ewig so weitergehen. Der Kerl trug eine Waffe und wenn er die nicht schleunigst herausholte und fallen ließ, würde er sterben.

    Antias fuhr hoch. Wo war der Schrei hergekommen? Vom Fenster oder vom Hinterhof? So lautlos wie möglich tastete er sich durch das Gerümpel zum geschlossenen Fensterladen. Aus der Taberna klangen nur ein paar ruhig gesprochene Sätze, da war wohl noch alles in Ordnung. Also hatte er die Stimme doch richtig zugeordnet: Der Cluvius. Über Tonscherben, Flechtwerk und Brennnesselsträucher schob er sich leise an der Mauer entlang auf den schmalen Lichtstreifen am Ende des engen Ganges zu. Bretterstapel kamen ins Blickfeld, geflochtene Gatter, die dünnen Äste eines Lorbeerbaumes. Behutsam setzte er Schritt für Schritt ins Halbdunkel immer weiter bis zur rückwärtigen Hausecke der Taberna. Sein Herzschlag raste. Einige gepresste Atemstöße lang drückte er sich flach an die feuchte Wand und riskierte dann einen vorsichtigen Blick in den Hof. Cluvius Sulca hielt eine kleine Gruppe von Zivilisten in Schach, zwei Männer und zwei Frauen, aller Wahrscheinlichkeit nach Christianer, die das Haus eben verlassen hatten. Die Hand des Miles lag lauernd am Schwertgriff, der Blick bohrte sich in die Züge eines jungen Südländers, der sich trotzig vor ihm aufgebaut hatte. Was treibt der alte Eisenfresser da? schoss es Antias durch den Kopf, während er versuchte, die Situation zu erfassen. Cluvius schien drauf und dran zu sein, das Schwert zu ziehen, der Südländer rührte sich nicht von der Stelle, der zweite Mann, ein braunhaariger hagerer Kerl, der eher nach Römer aussah, drängte die beiden Frauen hinter sich und näherte sich langsam der linke Seite des Miles. Antias zog den Kopf zurück und sog tief die Luft ein. Das sah alles nicht sonderlich gut aus. Die Tarnung konnten sie endgültig vergessen, aber das war momentan wohl das kleinere Problem. Mit angehaltenem Atem streife er sich den Mantel ab und spähte wieder um die Ecke. Cluvius Finger schlossen sich um den Schwertgriff, das schneidende Knirschen einer wandernden Klinge erklang. Verdammt! Was sollte das werden? Das waren harmlose Leute! Christianer zwar, aber unbewaffnet. Antias war völlig klar, dass es Cluvius Sulca sehr übel nehmen würde, wenn er, der Tiro, versuchte, ihn zur Rede zu stellen. Aber das musste er gar nicht, es würde völlig ausreichen, sich als der unbedarfte Frischling zu geben, für den Cluvius ihn ohnehin hielt. Gerade als er einen Schritt auf den Hof tat um den Soldaten auf sich aufmerksam zu machen fiel sein Blick auf den Arm des braunhaarigen Burschen. Der Arm bewegte sich langsam nach unten, die Hand wanderte unter die Tunica durch deren dünnen Stoff sich ein länglich schmaler Gegenstand abzeichnete. Scheiße! Instinktiv riss Antias den Gladius aus der Scheide, sprang auf den Mann zu und drückte ihm die Schwertspitze gegen die Rippen.
    „Ruhig Civis.“ keuchte er gepresst, mit einer Stimme die alles andere war als ruhig. „Was auch immer das ist, hol es raus. Langsam.“

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    Caius Raecius Fimbria


    „Myrsini.“ nickte er lächelnd und ging den Krug und einen unbenutzten Becher holen. Marullus warf ihm ein paar undefinierbare Blicke zu, interessierte sich aber sonst nicht weiter für Fimbrias Aktivitäten. Myrsini, grübelte er vor sich hin, während er wieder auf die stille Frau zuging, was der Name wohl bedeuten mochte? Sicher irgendeine seltene Pflanze, die nur in der Dämmerung blühte, wenn niemand es sehen konnte. Thrakisch? Macedonisch? Er hätte sie gerne gefragt, woher sie stammte, aber sie machte einen eher misstrauischen Eindruck und schien ihn nicht sonderlich zu mögen. Aber darauf kam es nicht an, er mochte sie. So lange sie hier in seiner Nähe wartete, würde es ihr an nichts fehlen. „Hier Myrsini.“ strahlte er und reichte ihr Krug und Becher. „Sie werden sicher bald kommen.“ Dann ließ er sie unter dem Vordach alleine und ging seufzend zu Marullus zurück.

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    Caius Raecius Fimbria


    Fimbria kratzte sich verlegen am Bart. Da war er wohl mit seiner Galanterie etwas zu weit gegangen. Ihre Augen schienen sich noch mehr zu verfinstern, wenn das seine Schuld war, tat es ihm aufrichtig leid. Marullus wäre das nicht passiert, der hätte nur wortlos den Kopf geschüttelt und die seltsam schöne Frau stehen lassen. Vielleicht wäre dem Zwilling ihre versteckte Schönheit auch völlig entgangen, Fimbria hatte schon länger den Eindruck, dass die Zwillinge an Frauen kein gesteigertes Interesse hegten. Aber egal. Wegschicken wollte er sie nicht, einlassen durfte er sie nicht, ihr den genauen Zeitpunkt der Rückkehr nennen konnte er nicht. Das zusammengewürfelte Contubernium hatte die Castra vor Stunden verlassen. Der Nachmittag war schon fortgeschritten und er glaubte kaum, dass die Soldaten nicht spätestens bei Anbruch der Dämmerung zurückkehren würden. Er trat einen Schritt von der Frau zurück und bemühte sich, etwas Distanz in Lächeln und Tonfall zu bringen. „Entschuldige, du hast natürlich deine Anweisungen. Wann genau Iunius Avianus wieder zurück sein wird, kann ich auch nicht sagen, aber all zu lange dürfte es nicht mehr dauern. Du kannst gerne warten, am besten stellst du dich unter das Vordach am Seitenflügel, damit du nicht nass wirst. Ähm .. wenn du vielleicht Durst hast .. wir haben einen Krug Posca im Durchgang .. du .. also, ich mein nur .. mein Name ist übrigens Fimbria .. Raecius Fimbria“ Ach ja? Das würde sie sicher brennend interessieren.

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    Spurius Cluvius Sulca


    Die Frauen nachhause bringen. Blödsinn. Er hatte sich den Hinterhof genau angesehen, um hier raus zu kommen musste man sich entweder durch den engen Gang nach vorn auf die Gasse quetschen oder über geflochtene Rutenzäune und halbhohe Ziegelmauern in die benachbarten Hinterhöfe klettern. Natürlich. Sicher brachten die Christianer ihre Weiber immer auf diesem Weg nachhause. Das Pack hatte einfach kalte Füße bekommen, vermutlich waren sie gewarnt worden. Wenn er sie jetzt gehen ließ, würden sie sich schon an der nächsten Ecke in alle Windrichtungen zerstreuen um sämtliche Christianer in ganz Trans Tiberim zu alarmieren. Sulca ging einen Schritt auf den Wortführer zu und fixierte ihn mit eisigem Blick. Ein heißblütiger Sohn der südöstlichen Einöden wie es schien, stolz, jähzornig und widerspenstig. Gut, wenn er einen Anlass suchte, sein Mütchen zu kühlen, war er beim Cluvius genau an den richtigen geraten.
    „Das war keine Bitte, mein Junge. GEHT! ZURÜCK! IN'S! HAUS!“


    ***


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    Sextus Peducaeus Hispo


    Hispo musste sich verdammt zusammenreißen, um dem Optio nicht voraus zu eilen. Ihm war bei der ganzen Sache immer mulmiger zumute. Zum einen gefiel ihm der Gedanke ganz und gar nicht, Antias alleine an der Taberna zurückgelassen zu haben, jetzt wo die Christianer offenbar gewarnt waren, zum anderen hatten die vier Becher verdünnten Weines seine Blase beängstigend geweitet. Wenn sich nicht schnellstens eine entsprechende Gelegenheit fand, würde sich die Anspannung ihre eigenen Wege suchen müssen. Nervös hastete er neben dem Optio her und klärte ihn knapp über die aktuelle Lage auf.
    „Ein Passant hat Verdacht geschöpft. Er ist reingegangen. Tiro Germanicus hat die Position gewechselt.“ Ging das nicht schneller, grundgütiger Aesculap!

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    Caius Raecius Fimbria


    Eigentlich hatte er dem Zwilling ein paar unflätige Flüche des einsetzenden Nieselregens wegen an den Kopf werfen wollen, aber erstens hätte Marullus ohnehin nichts erwidert und zweitens war ihm beim Anblick der dunklen Frau das Herz mitsamt dem feuchten Mantel wieder leicht geworden. Irgendetwas besonderes war an ihr. Sie war kein Püppchen wie die Gespielinnen der Offiziere, die hier des öfteren auftauchten, sie glich eher eine Blume, die sich in vollen Blütenstand bereits wieder in sich zurück zu ziehen begann. Etwas besonderes eben.


    „Ich bin untröstlich, meine Schöne, aber auch der Anmut in Person ist der Zutritt nur mit Sondergenehmigung gestattet.“ flötete er beschwingt. Sie lächelte nicht, kein bisschen. Im Gegenteil, sie schien gar nicht recht zu wissen, wie man das macht. Fimbria empfand seine heitere Laune plötzlich als unpassend.
    „Es tut mir wirklich leid. Um passieren zu können brauchst du die Genehmigung der Kommandantur, die du sicher nicht hast. Nachrichten sind bei mir in sicheren Händen.“
    Er schien sie nicht überzeugt zu haben.
    „Wenn du darauf bestehst, die Nachricht persönlich zu übergeben, könnte ich Iunius Avianus auch für dich ans Tor holen. Nur ist er im Moment nicht in den Castra.“
    Nein. Außeneinsatz. Mit Antias und Hispo, ohne ihn. Fimbria seufzte tief. „Willst du nochmal wiederkommen oder die Nachricht doch mir übergeben? Ich persönlich würde mich freuen, dich wieder zu sehen.“ Wurde er jetzt rot? Es fühlte sich zumindest so an. Mist.

    Antias ließ sich im Strom der Passanten ein Stück die Gasse hinuntertreiben und verschwand dann flink zwischen den Häusern. Was er von weitem für einen schmalen Durchgang gehalten hatte, war aus der Nähe betrachtet nur eine enge düstere Kluft zwischen den Hausmauern, kaum breiter als er selbst, vollgestellt mit leeren Körben und gesprungenen Amphoren. Lorica und Scutum hätten ihn hier vor ein echtes Problem gestellt. An seinem hinteren Ende schien der Spalt in eine Art Hinterhof zu münden, auch dort war allerlei Krempel zu sehen, Balken, Latten, Pfähle, weitere Körbe. Irgendwo dort hintern hatte sich also Cluvius auf die Lauer gelegt, zumindest ging Antias davon aus. Auf halber Tiefe der Hauswand hing ein kleines Fenster mit verschlossenen Läden etwas schief in der feuchten Mauer. Gedämpfte Männerstimmen waren aus der Taberna zu hören. Das war immerhin beruhigend, so lange die sich noch in normalem Ton unterhielten, bestand wohl kein Grund zur Besorgnis. Sorgen bereitete Antias eher die Wirtshaustür. Aus diesem dunklen Loch heraus hatte er zwar die Gasse vor der Taberna im Blick, aber wenn er die Tür sehen wollte, musste er sich aus seiner Deckung nach vorn lehnen. Ansonsten schien ihm sein Versteck zumindest zweckmäßig. Bis Hispo mit dem Optio zurückkehren würde, musste es jedenfalls genügen.


    ***


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    Spurius Cluvius Sulca


    Im spärlichen Schatten eines kümmerlichen Lorbeerbaumes hockte Cluvius Sulca mit dem Rücken an einen Stapel morscher Bretter gelehnt und schnitzte missmutig an einem Stück Holz. Er hasste diesen Hinterhof; so wie er jeden der engen dreckigen Hinterhöfe in jedem dieser verkommenen Viertel Roms hasste. Er hasste den Lärm auf den Gassen, den Gestank nach Ziegen, Schafen und Hühnerscheiße, den schweren sauren Schweißgeruch eines Lebens in Mühsal. All das erinnerte ihn schmerzhaft an das elende Drecksloch in der Subura, in das ihn seine Mutter dereinst hineingeboren hatte. Zwei Drittel seiner Dienstzeit lagen mittlerweile hinter ihm, und er war den Hinterhöfen noch immer nicht entronnen. Noch immer scharrte er nach Ratten, kroch durch die Gosse auf der Suche nach widerspenstigem Geziefer, gegen das er Rom einst zu verteidigen geschworen hatte, und noch immer führte er kein Kommando, im Gegenteil. Nicht nur, dass ihn die Kommandeure immer wieder bei der Beförderung übergangen hatten, obwohl er seine Einheit besser und länger kannte als jeder andere, nein. Als Dank für seine jahrelangen treuen Dienste als Miles war ihm ein junger Optio von den Praetorianern vor die Nase gesetzt worden und als wenn das noch nicht genug Demütigung gewesen wäre, schickten sie ihn neuerdings sogar mit Rekruten in den Einsatz. Tirones wie Optio – alles nur nasse Grünschnäbel, die kaum dem Tunikazipfel ihrer Mutter entwöhnt waren als er zu sich zu den CU gemeldet hatte. Hatte er all die Jahre seine Knochen hingehalten, um von jungen Stenzen herumkommandiert zu werden? Knurrend erhob sich Sulca, um einen Blick auf die Rückseite der Taberna zu werfen. Die verwitterte Hintertür schien fest verschlossen, ebenso wie die Fensterläden im Obergeschoss. Alles ruhig soweit. Seufzend setzte er sich wieder hinter den Bretterstapel und griff nach seinem Pugio. Und dann der Unfug mit diesen verdeckten Aktionen. Aufklärung, Observation. Reine Zeitverschwendung. Er hatte den ganzen Bürgerkrieg hindurch treu seinen Dienst geleistet und wusste genau, wie mit Staatsfeinden – aus welcher Ecke sie auch immer kamen – umzuspringen war. Unter seinem Kommando wäre der ganze Laden hochgenommen und die Verhafteten so lange verhört worden, bis er mehr erfahren hätte als alle verdeckten Aktionen je ans Licht bringen konnten. Die Praetorianer wussten schon, wie man so was macht, aber ihn hatten sie trotzdem nicht gewollt. Ein leises Knarren riss ihn plötzlich aus seinen Gedanken. Die Hintertür? Vorsichtig steckte er den Pugio in die Scheide, erhob sich und spähte über die Bretter. Tatsächlich, die Tür stand offen und eine kleine Gruppe drängte verstohlen auf den Hinterhof, zwei Weiber und zwei junge Kerle in ärmlichen Tunicae. Gäste waren das nicht, so viel war klar. Wer nichts zu verbergen hat, nimmt die Vordertür. Verschlagenes Christianerpack. Zwar war kein Befehl zum Zugriff ergangen, aber einfach ziehen lassen konnte er die offensichtlich flüchtenden Christianer auch nicht. Langsam trat er hinter dem Stapel hervor, schlug den Mantel zurück und legte die Hand an den Schwertgriff. „He! Ihr da! Geht besser zurück ins Haus.“

    Gerade als Antias sich mit dem tröstenden Gedanken an einen kühlen Becher Posca aus der Gruppe der Schaulustigen lösen wollte, die der Schmied durch sein Gekeife angelockt hatte, ließ ihn ein bohrender Blick aus der Menge innehalten. Für ein paar kurze Momente war er erschrocken angestarrt worden, von einem dunklen bärtigen Mann, der nun zielstrebig über die Gasse auf die Taberna zu hastete. Antias ging ihm ein paar Schritte nach. Sollte er ihn aufhalten? Und dann? Wäre seine zweifelhafte Tarnung nur vollends aufgeflogen. Zudem bestand keine Order einzugreifen, der Befehl lautete Umsehen, nicht Umbringen. Nachdenklich sah er den aufgeregten Burschen in der Taberna verschwinden. Hatten sie's versaut? Nein, hatten sie nicht. Wer sich unter Beobachtung wähnt, entwickelt zwangsläufig einen scharfen Blick für vermeintliche Beobachter, von daher war er ohnehin davon ausgegangen, dass sie früher oder später Verdacht erregen würden, später wäre ihm allerdings lieber gewesen. Wenn es jemand versaut hatte, dann der Schmied, dessen scheinbare Hellsichtigkeit Antias noch immer Rätsel aufgab. Hatte er sich zu auffällig verhalten? Wohl kaum. Sein Interesse an den Schmuckstücken war echt gewesen und die Fragen die Taberna betreffend völlig harmlos. Der Mantel? Vielleicht. Andererseits war er trotz der Spätsommerwärme beileibe nicht der einzige, der hier in einem Mantel herum lief. Und warum war sich der Schmied so sicher gewesen? Während er grübelnd die Gasse hinauf ging, stieg allmählich eine Vermutung in ihm hoch, die sich langsam zu einem recht stimmigen Bild verdichtete. Der Schmied oder noch wahrscheinlicher dessen Frau mussten einen der Urbaner schon einmal gesehen haben. In Uniform. Antias selbst war nur ein einziges mal in Trans Tiberim gewesen, nachts, in Zivil, und Hispo war das erste mal in seinem Leben hier. Mit den vier Milites in der Taberna konnte ihn niemand in Verbindung bringen, also blieben nur noch Cluvius und Avianus, mit denen er sich jeweils kurz unterhalten hatte. Jedoch waren all diese Gedankengänge im Grunde müßig. Der Bärtige schien nun mal Verdacht geschöpft zu haben und wenn dem so war, würde er diesen Verdacht seinen Bekannten in der Taberna auch umgehend mitteilen, daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Die Situation mochte sich gewandelt haben, der Auftrag nicht.
    Am Stand des Weinhändlers empfing ihn Hispo mit angespanntem Gesicht. „Der Kerl hat's ganz schön eilig gehabt. Ob der was gemerkt hat?“
    „Hat er.“
    Hispo stieß einen pittoresken Fluch aus. „Und jetzt?“ Gute Frage. Das kam ganz darauf an, was sich nun in der Taberna entwickeln würde. Dass er verdächtigt wurde ein Urbaner zu sein, hieß ja noch lange nicht, dass die Milites dort drin ebenfalls in Verdacht geraten mussten. Trotzdem sollten sie auf alle Eventualitäten gefasst sein. „Hör zu, ich versuch's mal mit dem Durchgang neben der Taberna. Du gehst den Optio suchen und kommst dann nach, in Ordnung?“
    Hispo leerte hastig den Becher und rülpste infernalisch.
    „In Ordnung.“

    Zunächst versuchte er, das Gesagte zu ignorieren. Woher sollte der Schmied auch wissen, wer er war und was er unter seinem Mantel trug, vermutlich hatte der in seinem Grimm nur ins Blaue hinein phantasiert und dabei einen Zufallstreffer gelandet. Schweigend musterte Antias die blitzenden dunklen Augen und die tiefe Zornesfalte dazwischen. Doch, der wusste genau, wovon er redete. Entweder verfügte der Bursche über die berufsbedingte Fähigkeit, eine Schwertklinge noch durch den dicksten Mantel zu riechen oder er hatte einfach nur eine Nase für auffällig unauffällige Urbaner in Zivil. Was es auch sein mochte, Aufsehen zu erregen war das letzte, was Antias zulassen durfte. Nach einem kurzen Blick zur Taberna bemühte er sich daher um einen möglichst besänftigenden Tonfall: „Na gut Schmied, du hast recht .. tatsächlich überprüfe ich die Lizenzen für die Waffenherstellung. Es hat in jüngster Zeit immer wieder Verstöße ...“
    „Dann kannst du fragen!“ belferte der Schmied empört. „Warum erzählen Frau Dinge von Gemma und Gazalah?“ Offensichtlich hatte er sich da in etwas hineingesteigert. „Kontrolle alle zwei Tage! Vigiles kontrollieren Feuer in Esse, Urbaner kontrollieren Dokumente, Praetorianer kontrollieren alles! Sind wir Menschen! Keine Verbrecher!“ So langsam drohte die Angelegenheit aus dem Ruder zu laufen. Antias riskierte einen weiteren Blick durch die Gasse. Hispo streckte bereits den Hals und auch einige Passanten waren auf den wütenden Monolog des Gerrarius aufmerksam geworden. Der indes schien gerade erst warm geworden zu sein.
    „Vor zwei Monaten Diebe stehlen Kupferblech und zwei Spindeln Golddraht aus Werkstatt! Interessiert das Vigiles? Nein! Interessiert das Urbaner? Nein! Euch nur interessiert Kontrolle! Nichts zu essen? Egal! Wichtig nur Dokumente!“ Antias hatte allmählich die Nase voll von dem Gezeter, er wollte sich doch verdammt nochmal nur nach einem passenden Schmuckstück für Apolonia erkundigen und hatte sich hier ansonsten völlig friedlich in Position gebracht. „Na, dann zeig sie mir doch endlich, deine Dokumente!“ blaffte er zurück. „Bringen wir's hinter uns!“ Der Schmid fletschte bedrohlich die Zähne, besann sich dann aber und rief seiner Frau über die Schulter ein paar unverständliche Sätze zu. Statt der Frau erschien aber schließlich ein breiter rußgeschwärzter Geselle im Durchgang und reichte seinem Meister knurrend einen Stapel Tabulae, den dieser sofort Antias vor die Nase hielt. „Kannst du lesen. Auftrag, Lizenz. Alles da!“ Ja, alles da! stellte Antias genervt fest, während er die Tabulae überflog. Es war alles vollständig, es war alles korrekt und es interessierte ihn alles einen feuchten Scheißdreck! Gezwungen höflich gab er dem Schmied die Tafeln zurück. „Danke. Alles in Ordnung.“
    „Und die Gemma?“
    „Vielleicht nächstes mal.“ Das war's dann also an der Schmiede, er musste seinen Beobachtungsposten verlagern, nur wohin? Am besten zum Stand des Weinhändlers, Hispo hatte seinen Schlund mittlerweile sicher mehr als ausreichend geflutet.

    Antias ging dem Optio langsam nach, sah ihn die Gasse hinauf hasten und die weinende Frau in die Seitengasse zerren. Ziemlich seltsam das alles. Aber solange den beiden keiner folgte, ging ihn das nichts an, oder? Der wird damit schon klar kommen, sagte er sich, obwohl er das Gefühl nicht los wurde, dass der Optio momentan schon genug zu tun hatte, mit sich selber klar zu kommen. Nachdenklich blieb er auf halber Strecke stehen, blickte in die Menge und entdeckte endlich Hispo, der sich durch eine Gruppe tratschender Vetteln auf ihn zu wühlte.
    „Was war das denn? Hast du gesehn' wie der Optio ...“
    „Hab ich nicht! Genau sowenig wie du. Wir kümmern uns um die Taberna.“
    Hispo sah ihn irritiert an und zuckte die Achseln.
    „Na schön. Gehen wir jetzt doch rein?“
    „Nein. Da sind immer noch vier von uns drin, das wird ja wohl reichen, wofür auch immer.“
    „Also winkt mir noch ein Becherchen?“
    „Wenn du's verantworten kannst?
    Konnte Hispo anscheinend, ohne Antwort zu geben machte er sich grinsend wieder auf den Rückweg zum Weinhändler. Antias blickte kopfschüttelnd auf seinen davon schlendernden Freund, dann auf die Seitengasse – nichts auffälliges – dann zur Taberna. Die Tür stand immer noch offen, aber niemand betrat oder verließ das Gasthaus. Nur mäßig beruhigt ging er wieder auf die Werkstatt zu, wo die Frau des Schmieds ihr anfängliches Lächeln wieder durch eine Mine des Misstrauens ersetzt hatte.
    „Eine Gemma also Herr?“
    „Ja, oder ein ziselierter Anhänger .. kommt drauf an, wie lange so was dauert. Ich bin nur zwei Tage in der Stadt und habe noch immer kein Nachtlager.“ Wieder sah er sich nach der Taberna um, alles ruhig. “Ob man in der Taberna dort drüben wohl für eine Nacht unterkommen könnte? Mein .. äh .. Geschäftspartner schien von dem Laden ja nicht gerade angetan.“ Die dunkle Frau folgte seinem Blick über die Gasse.
    „Glaube nicht, dass schon wieder geöffnet, Herr.“
    „Verstehe. Aber die Tür steht offen und vorhin sind auch ein paar Männer reingegangen.“
    „Männer kommen, Männer gehen .. meistens wenn Abend, wenn ..“
    „Hanan!“ Antias schrak herum. Im schmalen Durchgang zur Werkstatt stand plötzlich eine massiger Bulle, verschwitzt und schmutzig mit glühenden dunklen Augen. Die Frau ließ die Schmuckstücke in die Truhe fallen und ging eilig nach hinten.
    „Drei oder vier Tage für gravierte Gemma!“ Antias brauchte einen Moment, um sich vom Schreck zu erholen. „So lange? Ich bin nur zwei Tage ..“
    Der Schmied funkelte ihn feindselig an. Der Vorstoß mit der Taberna war wohl doch zu plump gewesen. Trotzdem war ihm nicht ganz klar, warum der bullige Kerl derart allergisch auf ihn reagierte.
    „Ich habe noch andere Arbeiten! Werkzeuge, Hufeisen, Schildbeschläge, und .. ja, auch Waffen ..“
    Worauf wollte der Bursche eigentlich hinaus? „.. Spitzen für Pila und Hastae, Pugiones und auch Gladii wie du einen unter Mantel hast. Mit offiziell Auftrag, das wollten du doch wissen, Urbaner, oder?“

    „Ich frage, Herr.“
    Leise verschwand die dunkle Frau nach hinten. Ein paar Sätze in einer fremden Sprache wurden hörbar, gefolgt von einem heiseren Männerlachen. Antias lies seinen Blick durch die Gasse wandern. Hispo stand wie gehabt vor dem Laden des Weinhändlers, der Eingang zur Taberna war geschlossen, keiner der Vorübergehenden würdigte die Tür auch nur eines Blickes. Was da drin wohl vor sich ging? Cluvius war auch nicht wieder aufgetaucht, vielleicht war er auf der Rückseite der Taberna auf das Weinlager gestoßen. Sänften schwankten vorbei, eine kleine Gruppe von Vigiles marschierte die Gasse hinunter … „Er weiß.“ Antias fuhr herum, die Frau des Schmieds stand wieder vor ihm.
    „Was?“
    „Mein Mann kennt Gazellen natürlich, auch alle anderen Tiere. Sehr gut macht er Löwen und Adler und Armreife wie Schlangen.“
    „Das ist schön, aber ich dachte da an eine Gemma mit ziseliertem Goldblech überzogen und ...“
    Die Tür der Taberna wurde aufgestoßen. Eine junge Frau stürzte sichtlich aufgelöst heraus und ging leicht schwankend die Gasse hinauf. Hispo ließ den Becher sinken und starrte fragend zu ihm herunter. Würden da noch mehr kommen? Gütige Salus, die waren zu fünft da drinnen und hatten die Lage doch wohl unter Kontrolle! Oder nicht? Antias nickte Hispo verstohlen zu und machte ihm ein beiläufiges Handzeichen, die Angelegenheit sachte anzugehen. Die junge Frau strebte mit unsicheren Schritten an Hispo vorbei auf eine der zahllosen Seitengassen zu, blieb dann aber plötzlich stehen und schlug sich schluchzend die Hände vor's Gesicht. Was war in der Taberna passiert? Diese Schweine hatten doch nicht etwa ..
    „Herr?“
    „Ich komm' wieder..“ Antias war gerade im Begriff, ebenfalls die Gasse hinauf zu gehen, als die Wirtshaustür erneut aufflog. Heraus stürmte der Optio, blickte sich einen Moment suchend um, entdeckte Antias, stürzte auf ihn zu und zischte mit äußerst ernstem Blick auf ihn ein. Wo sie hin war? „Sie ist da oben, Optio ..“ entgegnete Antias leise. „.. an der Ecke, dem Weinladen schräg gegenüber. Peducaeus ist dran. “ War er doch, oder? Eine Gruppe von Sklaven kam mit Körben voll Perlhühnern die Gasse herab und versperrte die Sicht auf den Stand des Weinhändlers. Zwischen den Leibern der Passanten konnte er immer wieder die Frau erkennen. Sie hatte sich wie es schien wieder etwas gefasst und machte Anstalten weiter zu gehen. Kam Hispo ihr nach? Scheiße! Diese verfluchten Idioten mit ihrem mistigen Federvieh! Antias ging ein paar Schritte, spähte die Gasse hinauf und erblickte nur geflochtene Körbe, Sänften und Lastträger. „Ich seh Peducaeus nicht, Optio!“ rief er halblaut hinter sich. „Soll ich mir die Frau schnappen?“

    „Das ist doch wohl nicht wahr.“ stöhnte Hispo mit einer Mine maßloser Enttäuschung. „Meine Zunge klebt am Gaumen, und der lässt uns hier draußen stehen wie die Hofhunde.“
    Obwohl ihm eigentlich nicht danach war konnte sich Antias ein schadenfrohes Grinsen nur schwer verkneifen. Ihm wäre es auch lieber gewesen, von der Straße weg zu kommen, allerdings nicht des Weines wegen, sondern weil er unter all den Passanten hinter jedem wehenden Pallasaum und unter jedem braunen Haarschopf Apolonia zu erkennen glaubte. Seit sie den Tiberis überquert hatten, waren diese Trugbilder fast unerträglich geworden. Immer und immer wieder hatte er sich selbst zur Ordnung rufen müssen. Er musste mit ihr reden, er würde mit ihr reden, irgendwie. Und bevor er nicht wusste, wie Apolonia zu alldem stand, machte es wenig Sinn, sich mit Tagträumen herumzuprügeln und sich oder schlimmer noch seine Kameraden damit womöglich in Gefahr zu bringen, immerhin waren sie hier nicht auf dem Exerzierplatz sondern mitten in Trans Tiberim. Besonders bedrohlich wirkte die Umgebung auf den ersten Blick allerdings nicht: Eine ganz normale kleine Handwerkergasse, die sich sanft abfallend und leicht verschlungen von Osten nach Westen durch das Häusergewirr wand, zur Gasse hin geöffnete Werkstätten, Händlerstände, Garküchen und an der Nordseite ebenjene zweigeschossige Taberna in der der Optio mit dem Rest der Männer verschwunden war. Eine Taberna wie es in Roma Tausende geben mochte, verwittert zwar und dennoch nicht heruntergekommen, einladend aber nicht gerade verheißungsvoll, `Rufo's Elysium' gar nicht so unähnlich. Das einzig auffallende an der kleinen Taberna waren lediglich drei Männer, die in lange Mäntel gehüllt den Passantenstrom stauten und unentschlossen auf die Tür zum Schankraum starrten.
    „Bleiben wir jetzt alle drei hier stehen oder was?“ fragte Antias Miles Cluvius, der ganz offensichtlich wenig Begeisterung dafür aufbringen konnte, die Amme für zwei grüne Tirones spielen zu müssen. „Nein. Ihr Vögel bleibt hier, ich seh mir den Schuppen mal von hinten an.“ knurrte der Miles muffig, und ging auf den schmalen Durchgang zu, der die Taberna vom Nachbarhaus trennte. Während Hispo dem davonstapfenden Cluvius einige unschöne Schimpfwörter nachmurmelte, sah sich Antias erneut in der Gasse um.
    „Du hast doch Durst, oder?“
    „Worauf du einen lassen kannst!“
    „Fein. Dort oben ist ein Weinhändler, der dir sicher gern einen Becher verkauft. Außerdem hat man von seinem Laden aus eine hervorragende Aussicht auf die Taberna.“
    Hispo folgte Antias' Blick die Gasse hoch. „Verstehe. Und du? Siehst aus als könntest du auch einen Tropfen vertragen.“
    „Später vielleicht, ich schau mir mal die Arbeit des Kunstschmieds da unten an.“
    „Wie du meinst.“


    Gemächlich schlenderte Antias auf die Werkstatt zu. Im schmalen Eingang zur Schmiede war eine ältere Frau dunkler Hautfarbe damit beschäftig, verschiedene Schmuckstücke in eine Holztruhe zu sortieren, kupferne Torques, silberne Armreifen, kleine Bernsteingemmae, der Schmied schien sein Handwerk zu verstehen. Als Antias näher trat, erntete er einen misstrauischen Blick aus schwarzen Augen, der sich rasch in ein geschäftstüchtiges Lächeln wandelte.
    „Salve Herr. Gefallen die schönen Stücke meines Mannes? Es gibt mehr.
    „In der Tat eine wunderbare Arbeit.“
    „Wenn kommen herein, zeigen dir noch anderes.“
    Antias blickte sich um. Hispo lehnte entspannt am Stand des Weinhändlers und sah mit seligem Lächeln zu ihm herunter, vor der Taberna tat sich nichts. Trotzdem war Wachsamkeit angebracht.
    „Graviert dein Mann auch?“
    „Gravieren, natürlich.“
    „Und wo kommt ihr her?“
    „Arieldela, Arabia Petraea, warum willst du wissen Herr?“
    Antias blickte wieder zur Taberna. Nur Passanten, keine Gäste.
    „Weiß dein Mann wie eine Gazelle aussieht?“

    Die Zwillinge machten wie immer das Maul nicht auf. Wie die Stelen standen sie an ihren Betten als hätten sie mit alldem nicht das geringste zu schaffen, und vielleicht hatten sie das auch nicht. Antias wusste nie so recht, in welchen Sphären sich Marullus und Tutor gerade herumtrieben. Der penetrante Gestank war, wenn er es sich genau überlegte, die einzige dauerhafte Spur, die die Zwillinge bisher in ihrer Gemeinschaft hinterlassen hatten. Antias blickte verstohlen zu den beiden Standbildern hinüber. Da kam nichts, da würde auch nichts kommen.


    „Mit Verlaub, Optio ..“ begann er etwas zaghaft, „.. das ist Garum, das heißt, das soll zumindest mal Garum werden. Nachdem wir bei der letzten Rationszuteilung auch einige Fässer .. nicht mehr so ganz fangfrischen Fisch .. erhalten haben, sind .. wir .. auf die Idee gekommen, einen Teil davon zu Soße zu verarbeiten.“ Hoffentlich würde der Optio nicht wissen wollen, wer die ganze Soße fressen soll, denn das wusste er genau so wenig wie die Zwillinge.

    Keine blöde Strategie von Optio und Centurio, sich mit dem Gebrüll abzuwechseln, so blieben die Stimmbänder geschmeidig. Antias hatte diese Möglichkeit nicht, und wenn das hier so weiterging würde er am Abend keinen Ton mehr herausbekommen. Aber zunächst war erstmal der Centurio an der Reihe. Die Sauberkeit der Latrinen lag ihm wohl besonders am Herzen, das war löblich. Um sich nicht durch fehlgeleiteten Übereifer gleich als Anwärter auf einen entsprechenden Reinigungsdienst zu empfehlen, beschloss Antias, die Beantwortung der Frage des Centurios einem seiner neuen Kameraden zu überlassen. Ohnehin war er nicht ganz sicher, was genau der Centurio hören wollte. Organisationseinheiten? Ein Contubernium zum Beispiel? Meinte der so was? Irgendeiner der Tirones würde die Wissbegier schon befriedigen. Dummerweise schienen den Kameraden die gleichen Gedanken durch den Kopf zu gehen wie ihm. Keiner sagte ein Wort. Der Centurio ging die Reihe entlang, den Göttern sei's gedankt an Antias vorbei. Und dann traf es ihn doch. Vielleicht schwieg er auffälliger als die anderen. Nun gut, egal. Wenn er die Frage falsch verstanden hatte, würde er das gleich mitbekommen.
    „Contubernia, Centuries, Manipuli, Cohortes!“ Bei Carna, seine armen Stimmbänder!

    Aus den Augenwinkeln überprüfte Antias sein Blickfeld nach etwaigen Beanstandungsgründen. Nichts, was ihm auf Anhieb ins Auge gesprungen wäre. Gut, die Garumschwaden bedurften vielleicht einer Erklärung – höchst peinlich, sich vorzustellen, dass der neue Opto die beißenden Dämpfe für die Ausdünstungen ungepflegter Tiornes halten könnte – aber ansonsten machte die Baracke einen recht ordentlichen Eindruck. Bis auf die ungemachten Betten natürlich.

    Aus Antias spross die Hoffnung wie Kleefarn aus einer Sickergrube. Flink schlich er zum Karren zurück und spähte die Gasse hinunter. Da kamen sie. Rülpsend, wankend, lallend, ein Anblick, der jeden Urbaner mit Stolz erfüllen musste. Ein Dutzend. Zwei Dutzend. Drei Dutzend? Sein Hals wurde immer länger. Die Spitze der Kolonne war bereits auf seiner Höhe. In Sichtweite des Vorplatzes versuchten die Miles merklich, sich zusammenzureißen, allerdings größtenteils erfolglos.

    ' .. oraque corticibus sumunt horrrenda cauatis, et te, bacche, uocant per carmina laeta: tibique oscilla ex alta suspendunt mollia pinu …'


    Endlich war auch die Nachhut in Sicht. Neunundzwanzig! Das war gut! Das war sogar sehr gut! Ein sorgsam durchdachter Plan war eben nicht mit Gold aufzuwiegen. Trotzdem würde er Fortuna und Venus Opfer darbringen. Und Iuppiter. Und Iuno. Am besten allen, deren Namen er kannte.
    „ .. camplentur walllesque cauae saltusque profundi ..“ lallte er schief und taumelte grinsend auf die ungeordnet dahin stolpernden Heimkehrer zu.
    „Zu früh .. kommt erst noch.“ maulte der dunkle Umriss eines großen Urbaners, der sich fürsorglich einen Kameraden untergeklemmt hatte. „Hähähä .. Aaschloch hattoch keine Ahnung..“ kicherte der Geschleifte unter der Achsel hervor.

    '… hinc omnis largo pubescit uinea fetu, camplentur walllesque cauae saltusque profundi..“


    Antias klatschte dem großen Urbaner freundschaftlich auf die Schulter.
    „Ssiehsu .. sag ich doch .. hähähä.“
    „War aber trotzdem zu früh.“
    So ging es langsam dahin. Einige der Soldaten schlossen auf, andere fielen zurück. Antias bemühte sich, mitten im Pulk zu bleiben. Sechzig genagelte Caligae brachten das Pflaster der Vorplatzes zum prasseln, dreissig verschossene Mäntel wogten zwischen den Stämmen der frisch beschnittenen Platanen auf das Westtor zu.

    ' .. et quocumque deus circum caput egit honestum.ergo rite suum baccho dicemus honorem ..'


    Je näher sie dem Tor kamen, desto aufrechter wurde ihre Haltung. Die Schultern strafften sich, die Schritte nahmen Gleichtakt an. Die Wachen starrten ihnen mürrisch und müde entgegen. Der offene rechte Torflügel gähnte verheißungsvoll. Neben Antias lies der große Urbaner seine kichernde Last auf's Pflaster knallen. „Hoch jetzt .. bist alt genug!“„.. carminibus patriis: lancesque et liba feremus ..“ jaulte der Gefallene grinsend und rappelte sich umständlich auf.


    „Haaaalt! Ruhe jetzt!“ schnauzte einer der Wachposten lustlos und blickte fragend zu seinem Kameraden hinüber. „Ist das der Rest?“ Der Angesprochene kramte einen handlichen Codex aus dem Mantel und hielt ihn ins zuckende Fackellicht. „Sieht ganz so aus. Das erste und zweite der Vierten und das dritte und sechste der Zweiten.“
    „Also gut. In Fünferreihe vorwärts, und hört mit dem Gesinge auf!“
    Antias drängelte sich vorsichtig in Position, setzte das debilste Grinsen auf zu dem er fähig war, und marschierte mit angehaltenem Atem auf den lockenden Torflügel zu. Der Wachposten auf seiner Seite blickte aus rotgeränderten Augen über die Köpfe, der andere packte abwesend den Codex wieder in den Mantel. Eine Pertica, zwei Perticae. Plötzlich war Antias drin. Er wagte es kaum zu glauben. Jetzt losrennen, die Principalis hinunter jagen und um eine Mauerecke verschwinden. Aber nein, ruhig. Alles war in Ordnung. Er würde opfern bis ans Ende seiner Tage, er würde Apolonia wiedersehen, würde alles irgendwie ins Lot bringen. Er würde leben!
    „Fehlen da noch welche?“


    Er würde sterben! Die Kolonne wankte weiter vorwärts, aber wie lange noch? Welch Ironie, dachte er resigniert. Statt ihn zu erwischen, weil einer zu viel dabei war, würde man ihn nun wohl erwischen weil einer zu wenig fehlte. Er und sein wunderbarer Plan. „Nä..“ brummte plötzlich der große Urbaner neben ihm über die kräftige Schulter. „.. das zweite und sechste haben Ausfälle!“ Kein Kommentar folgte.


    Er würde leben! Er würde diesem Kerl neben ihm einen Tempel erbauen! Die Reihen lockerten sich allmählich, die Männer begannen wieder leise zu schwatzen, weit hinter ihnen wurde donnernd das Tor geschlossen und ihm war schlecht vor Erleichterung.
    Zeit, sich zu verabschieden. Noch einmal klatschte er dem großen Urbaner auf die Schulter. „Mir iss nich ganz wohl .. ich muss mal ummie Ecke.“ Der Soldat drehte sich leise lachend zu Antias um und packte ihn unerwartet heftig am Arm. „Eier hast du ja, Kleiner. Aber nur zwei. Ich würd's nicht übertreiben.“ Dann ließ er den Arm los und schlurfte gemächlich davon. Da wird ein Tempel nicht reichen, dachte sich Antias verdattert, ging los, rannte an den schwatzenden Miles vorbei von der Principalis weg in die nächste dunkle Gasse, ließ sich gegen eine Mauer fallen und kotze Galle.

    Wieder zog eine Gruppe Heimkehrer die Gasse herauf. Wieder reckte Antias den Hals und zählte durch. Nur ein einzelnes Contubernium, vollzählig. Wo beim Arsch des Bacchus blieben die alle? Das besoffene Gegröle aus den Tabernae der Vorstadt war doch kaum zu überhören. Schwankend und schleppend schlurften die Urbaner an seinem Obstkarren vorbei auf den Vorplatz hinaus dem Tor zu. Grob zwei Stunden noch, schätze Antias mit Blick auf den östlichen Himmel, vielleicht etwas mehr. Die Wache war noch nicht abgelöst worden, das war gut. Allerdings konnte das jederzeit passieren, und das war schlecht. Das Zeitgefühl war ihm ebenso abhanden gekommen wie der Optimismus. „Nicht noch nervöser werden als du eh schon bist.“ flüsterte er leise vor sich hin, mehr um sich wach zu halten als um sich zu überzeugen. „Die kommen immer so spät, das weißt du doch vom letzten Ausgang, richtig? Richtig. Siehst du, und die Wachen kontrollieren die Listen nur abends, wenn die Männer raus gehn, richtig? Naja, ich weiß nicht.“ Er wusste es tatsächlich nicht, aber er nahm es an. Schließlich kannte er das von seinem eigenen Dienst am Tor. Beim Verlassen der Castra wurden Kuriere und Freigänger kontrolliert und vermerkt, bei der Rückkehr nur selten, wozu auch? Was draußen rumrannte, musste ja vorher irgend jemand kontrolliert und rausgelassen haben. „Exakt.“ begann er wieder zu flüstern, die Müdigkeit ließ ihn so langsam irre werden. „Und wenn alles läuft wie sonst, kommen die nachher gleich scharenweise, richtig? Wahrscheinlich. Außerdem weißt du, dass zwei Contubernien davon Leute im Valetudinarium liegen haben, richtig? Sicher, schon wahr. Na also, alles wie geplant, mach was draus!“ Es hatte keinen Sinn, er war zweifellos am durchdrehen. Also gut, dann eben die haarsträubende Nummer mit dem Kurier, der sich verlaufen hatte. Oder war der überfallen worden? Er wusste es nicht mehr. Egal, er würde das jetzt zu ende bringen. Nach wenigen unsicheren Schritten auf den Vorplatz zu, hörte er sie endlich kommen. Dem Lärm nach zu urteilen war da eine halbe Centurie im Anmarsch: Gebrüll, Gelächter, Hochrufe auf Palma, Hochrufe auf Augustus Octavianus, vor allem aber ein getragener Gesang aus rauen Kehlen. Fimbria hätte seine helle Freude gehabt.

    '… nec non ausonii, troia gens missa, coloni versibus incomptis ludunt risuque soluto ...'

    Er war wieder da, kaum zu fassen. Völlig ausgepumpt, todmüde und zitternd zwar, aber er hatte es geschafft, bis zum Vorplatz der Castra zumindest. In einem kräftezehrenden Hindernislauf war er der Stadt entkommen, hatte lärmende Trauben noch immer feiernder Römer umrundet, war patrouillierenden Vigiles ausgewichen und herumlungernden Straßendieben davon gehastet, hatte Sänften gerammt, Besoffene umgeworfen und streunende Straßenköter aus dem Weg getreten. Jetzt war er kurz vor dem Ziel, und drohte zusammen zu brechen. Am Ende der Straße, die von den Kneipenvierteln der Vorstadt zu den Castra hinaus führte hockte er schwer atmend hinter einem leergeräumten Obstkarren und starrte über den Platz auf das Westtor hinüber. Wie erwartet: Verstärkte Wachen, zwei am Tor vier auf dem Wehrgang. Aber die auf der Mauer waren zu vernachlässigen. Nun ja, eigentlich war alles zu vernachlässigen, angefangen bei seinem glorreichen Plan. Im Grunde war der finale Teil des Planes, der im Wesentlichen aus dem Fehlen jeglicher Finesse bestand, so unfassbar simpel, dass es schon einiges an destruktivem Talent erfordern würde, die Sache zu versauen. Dummerweise verfügte er diesbezüglich durchaus über eine gewisse Begabung, die durch Schlafmangel und Herzrasen noch zusätzlich befeuert wurde. Wenig Grund also, sich an der nackten Tatsache zu berauschen, die Castra wieder heil erreicht zu haben. Antias fuhr hoch. Lärmen, Lachen, zurückkehrende Miles näherten sich. Gespannt duckte er sich hinter den Karren. Nur ein kleines lockeres Häuflein Urbaner schlenderte vorbei. Leider unbrauchbar.


    Rein würde er in jedem Fall kommen, fragte sich nur wie tief. Keine Fässer mehr, kein Umwege, kein Herumgekrabbel in staubigen Ginsterbüschen, also kein Problem. Er hätte liebend gern daran geglaubt. Möglich, dass er das Ganze im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte lediglich als sportliche Herausforderung betrachtet hätte, aber er war am Ende. Die Augen fielen ihm zu, immer wieder und in immer kürzeren Abständen. Seit Tagen hatte er kaum geschlafen und wann er das letzte mal etwas gegessen hatte, wollte ihm nicht mehr einfallen. Vor dem Morgenappell? Vermutlich. Was es im Carcer wohl zu essen gab? Lucanica wohl kaum.