Der Octavius hatte wirklich Glück. Die Kleidungsstücke passten allesamt. Zumindest einigermaßen. Während sich der Tiro überraschend geschickt in die Lorica zwängte, überprüfte Antias sicherheitshalber persönlich den Zustand der Waffen. Üblicherweise gaben die im Armenatirum keinen Ausschuss raus, dafür sorgte schon der hoch penible Custos Armorum, nur konnte auch der seine Augen nicht überall haben, und so kam es manchmal vor, dass Waffen in die Ausgabe gerieten, die eigentlich zur Ausbesserung abgegeben worden waren. In solchen Fällen wurde es für noch unbedarfte Tirones natürlich schwer, die zuständigen Immunes davon zu überzeugen, die Ausrüstung nicht selbst beschädigt zu haben. Wer ließ sich schon gerne der Schlamperei überführen.
Die Waffen des Octaviers waren allerdings in hervorragendem Zustand. Keine noch so kleine Scharte war auf den glänzenden Schneiden des Gladius auszumachen, Knauf, Handhabe, Parierstück und und Stichblatt waren sogar neu aufgesetzt worden. Die Klinge des Pugio schimmerte zwar etwas wolkig, war aber nichtsdestotrotz scharf wie eine eingeölte Nubierin. Hasta und Scutum wiesen ebenfalls keinerlei Mängel auf. Verdammt gute Arbeit.
Zufrieden zog Antias das Tegimentum wieder über den Schild und beäugte den nun komplett gepanzerten Rekruten. Ja, durchaus. So konnte man den Octavier vor dem Centurio antreten lassen. Im großen und ganzen jedenfalls. Mit einem anerkennenden Nicken reichte er dem Tiro den Schwertgurt. „Das lässt sich sehen. Jetzt noch den Gladius an die rechte Seite und den Pugio links im Cingulum einhängen.“ Doch, das sah wirklich schon recht manierlich aus. „Soweit in Ordnung, Tiro Octavius. Nur, binde dir in Zukunft erst das Halstuch um, bevor du den Panzer anlegst, das polstert Schultern und Halspartie zusätzlich. Außerdem muss der Schultergurt mit dem Gladius unter das Cingulum, nicht darüber. Die Beinschienen benutzen wir nur in Ausnahmefällen, die kannst du wegräumen. Ansonsten ...“ Unvermittelt packte er den Cassis am Nackenschutz, rüttelte den Kopf des Rekruten einmal kräftig durch und zerrte kurz an Schulterstücken und Schließriemen. Gut. Alles straff. „.. ansonsten machst du schon eine ganz passable Figur in der Lorica. Was nun deine Frage betrifft ...“
Antias mühte sich, ein Schmunzeln zu unterdrücken. Fettnäpfchen. Oh ja. Die waren hier ausgesprochen großzügig verteilt. Der Weg durch die Dienstzeit war geradezu gepflastert damit. Mit einem allumfassenden Rat, wie sich Ausrutscher in Zukunft vermeiden ließen, konnte er nicht aufwarten, den gab es nicht. Fehler waren da, um gemacht zu werden. So lange man sie nicht wiederholte, waren sie sogar von essenzieller Bedeutung für eine nachhaltige Grundausbildung.
„Nun, Tiro ... Fehler sind eine Sache, Vergehen eine völlig andere. Gegen Fehler ist niemand von uns gefeit, im Idealfall zieht man seine Lehren daraus. Zwei Dinge allerdings sollte jeder Soldat – egal ob Tiro, Miles oder Offizier – unter allen Umständen vermeiden: Das Anzweifeln oder gar Kritisieren von Befehlen seiner Vorgesetzten im Einsatz und erst recht die Gefährdung der Kameraden. Alles andere ist nur eine Frage von Gewöhnung und Disziplin.“
Mit ernster Miene nahm Antias das verhüllte Scutum hoch, platzierte es hinter der Pritsche und wandte sich wieder an den Rekruten. „Aber ich nehme an, dass dir das ohnehin klar ist. Mit fünfundzwanzig bist du schließlich kein närrisches Wickelkind mehr. Es wird dich sicher weit mehr interessieren, wie du an deinen Sold kommst, nicht wahr? Der wird vom Signifer in der Truppenkasse verwaltet und nach Vorlage des Signaculums dreimal jährlich ausbezahlt, an den Kalenden von Ianuarius, Maius und September. Auf der Rückseite des Barackenkomplexes, etwa acht Perticae nach Süden, dann links rum findest du unsere Latrinen. Nicht zu verwechseln mit den Lagerthermen, zu denen geht’s rechts weg. Principia, Valetudinarium und Armenatrium kennst du ja bereits. Eure Lebensmittelzuteilung wird in der Horea ausgegeben, vor dem Armenarium rechts die Lagergasse nach Norden, hinter den Werkstätten. Das wäre soweit alles Wissenswerte für den Moment.“
Auch noch den Weg zu Exerzierplatz und Übungsgelände zu erklären, ersparte er sich. Dafür hatte der Octavier seine Kameraden, wenn er denen hinterher stapfte, konnte eigentlich gar nichts schiefgehen. „Hast du sonst noch irgendwelche Fragen, Tiro Octavius?“