Beiträge von Titus Germanicus Antias

    Antias sagte zu alldem nichts, ohnehin redete er zu viel, grübelte zu viel, sorgte sich zu sehr. Für den Moment war er nur maßlos erleichtert, dass sie ihn letztlich doch verstanden hatte. Er wollte sie in den Arm nehmen, sie streicheln, küssen, ihr die Traurigkeit von der Seele lieben, beherrschte sich jedoch mühsam bis sie geendet hatte. Dann schlang er behutsam den Arm um sie, sah sie lange, sehr lange, wortlos an. Die wütenden Funken waren in grünen Tiefen verschwunden, stattdessen kräuselte ein gequälter Schauer den Spiegel ihrer Augen. Ja, sie verstand ihn, und jetzt verstand er auch sie. Wie sollte sie denn je gelernt haben, mit ihrer Freiheit umzugehen? Wie sollte sie den Mut aufbringen, es mit dem Leben aufzunehmen, wenn sie immer nur daran dachte, was schreckliches geschehen könnte? Von Sorgen konnte man nicht abbeißen, an finsteren Vorahnungen nicht seinen Durst stillen. Auch er musste noch vieles lernen.


    Voll Wärme blickte er sie an, sah fast mit Wehmut die widerspenstige braune Locke auf ihrer Stirn, streckte die Hand aus, wollte die Haarsträhne nach hinten streichen, hielt aber plötzlich inne. Diese geliebte dunkle Locke würde immer wieder auf die geliebte blasse Stirn fallen, und das war gut so. Sie hatte sich ihren Platz auf Apolonias’ feinen Zügen verdient, hatte ihn sich erobert, machte Apolonia erst zu dem, was sie war.
    „Wahrlich, ich liebe diese Locke, die ist wie du.“ brach er sanft das Schweigen, küsste die rebellische Strähne zärtlich und legte dann seine Stirn an die ihre. „Wir werden leben, Dorcas. Wir werden uns nicht weiter vor Dingen fürchten, die wir ohnedies kaum beeinflussen können.“


    Lächelnd zog er ihre Beine auf seinen Schoß. Strich sacht über ihre Schenkel. Küsste ihre Knie. Ließ seine Lippen wandern. Hinab über ihre zarten Beine zu den schlanken Knöcheln, bedeckte ihre kleinen Füße mit Küssen, knabberte an ihren Zehen, hob ihre Beine an, kehrte langsam zurück. Glatte feste Waden. Unendlich weiche Kniekehlen. Köstliche süße Haut. Ein schwerer erdiger Duft weit jenseits von Narde und Sandelholz, umweht von dem scharfen Meereshauch ihrer gewitterschweren Pforte. Antias trank sie, atmete sie, folgte dem unwiderstehlichen Atem des ewigen Ozeans nach Norden. Erreichte erquickt den schattigen Quell. Ließ seine dürstende Zunge weiden auf den elysischen Feldern. Sog voll Verlangen an vollen dunklen Lippen und drang schließlich vor in das zuckende Mysterium des Lebens.


    Ziemlich erfolglos versuchte Antias, die über den Platz wallenden Dünste zu ignorieren. Duftwasser, gebratenes Fleisch, Räucherwerk, gesottenes Gemüse, Fisch, Gewürzwein, Kräuter, Schweiß, Maultierdung, das alles stieg ihm als klebriger süßherber Mief in die Nase und machte sich an seinem ohnehin recht spärlichen Ientaculum zu schaffen. Ihm war kotzübel, und das lag nicht nur an den paar Oliven, die er sich vor gefühlten Ewigkeiten mit einem Becher heißer Posca in den Schlund gezwungen hatte. Gequält schmunzelnd betrachtete er seinen Bruder und den Octavier. Die schienen noch nicht so recht zu wissen, wie sie weiter vorgehen sollten. Vielleicht hätte Antias seine Order noch etwas konkretisieren sollen, aber seiner Auffassung nach ließ die Anweisung, aufmerksam aber unauffällig zu beobachten, nicht besonders viel Spielraum für Interpretationen. Ohne den Blick länger als zwei Augenaufschläge von den Hastaspitzen der restlichen Tirones zu nehmen, die langsam über die Köpfe der Menge wippten, ging er zu den beiden unschlüssigen Rekruten hinüber.


    „Tirones Octavius et Germanicus, richtet euer Augenmerk vor allem auf diese anhänglichen kleinen Rotznasen, die hier überall rumwimmeln. Die Plagen schleppen an einem Tag mehr Diebesgut von den Märkten als in eure beiden Helme passt. Wenn ihr einen erwischt, zieht ihm ruhig die Löffel lang. Aber vergreift euch um Iuppiter Willen nicht aus Versehen an einem verzogenen Patrizierbalg!“ Bei allen Göttern, das hätte ihm gerade noch gefehlt. „Wenn etwas sein sollte, macht Meldung. Sammelpunkt sind die Milites Blandus und Mamurra. Die werden sich nicht von der Stelle rühren, komme was wolle.“ Mit dem Grinsen gezwungener Zuversicht drehte er sich zu den Sarden um. „Ist doch so, oder?“ Keine Reaktion, nicht einmal ein arrogantes Schniefen. Schön, auf die Sarden war Verlass.


    Zu gerne hätte er seinem Bruder noch ein paar Sesterzen für die Verkaufsstände in die Hand gedrückt, aber sie waren hier nicht auf einem Privatspaziergang. Ferox war Tiro wie seine Stubenkameraden, und Antias musste auf die Bengel aufpassen, nicht sie verhätscheln. Er war hier der Optio. Bei dem Gedanken daran, zerrte schon wieder der Brechreiz an seiner engen Kehle. „Meinetwegen esst oder trinkt was, aber haltet die Augen dabei offen.“ Ein aufmunterndes Nicken, dann schob sich Antias in den Besucherstrom. Etwas zu essen war gar nicht mal die aller schlechteste Idee. Zwar ließ ihn schon die bloße Vorstellung würgen, aber es musste sein. Möglicherweise würde es ihm danach schon besser gehen.


    Mit nur mäßigem Interesse registrierte er die bunte Schar von Kunsthandwerkern, Artisten und Schauspielern. Beim Anblick drahtiger dunkler Schönheiten, die sich zu verbiegen imstande waren, als hätten sie keinen einzigen Knochen im Leib, wurde ihm nur noch übler. Das geölte Pathos zungenfertiger Rezitatoren vermochte ihn auch nicht sonderlich zu erbauen. Die monströsen Wesen, die es dem theatralischen Geblöke eines Marktschreiers zufolge in einem der vielen Holzverhaue zu bestaunen gab, hätte er sich schon gerne angesehen, aber zum einen durfte er die Tirones nicht für längere Zeit aus den Augen lassen und zum anderen herrschte ihm dort einfach zu viel Andrang. Also sondierte er weiter das Angebot an Speisen, bis sein Blick an einem bekannten Gesicht hängen blieb.


    Diese hübsche griechische Lächlerin dort drüben kannte er doch! Die schuldete ihm eigentlich noch einen Krug Bier. Schon etwas entspannter ging er auf den eher kleinen Stand der Wirtin zu, erkannte plötzlich ein zweites Gesicht und hielt inne. Ihr Kunde war kein anderer als jener Serapio, den die Urbaner einst tagelang gesucht hatten, ohne zu wissen, wer er wirklich war. Oh nein, den Mann wollte Antias nicht schon wieder mit seiner Anwesenheit nerven. Seufzend stellte er sich etwas abseits, sah sich um und wartete geduldig ab.

    Also keine Oliven. Antias stellte die Schale auf den Tisch zurück. Glaubte Apolonia wirklich, er lache sie aus? Es schien so. Einen langen schweigenden Blick lang betrachtete er die zornigen grünen Fünkchen in ihren Augen. Konnte oder wollte sie ihn nicht verstehen? Nacht um Nacht zermarterte er sich den Kopf darüber, wie er sie beschützen, wie er sie zu einer Libertina machen konnte, auf die niemand mehr einen Anspruch erheben durfte, und sie wunderte sich, dass er das Thema überhaupt ansprach? Nein, die Claudier jagten sie vermutlich nicht, warum sollten sie auch? Die besaßen wahrscheinlich gut fünfmal so viele Sklaven wie seine Lorica Spangen. Senator Menecrates hatte sein abhanden gekommenes Geschenk sicher längst abgeschrieben. Trotzdem war Apolonia noch immer eine Serva, eine entflohene Serva. Sie brauchte nur von irgendeinem Domestiken ihres Herren wiedererkannt zu werden, auf einem Markt, einen Forum, einem Lunapar, gleich wo, und er würde sie in der Hand haben. Vor allem aber: Antias würde sie nie zur Frau nehmen können, solange sie vor dem Gesetz als das Eigentum eines anderen galt.


    Aber wie kam er überhaupt dazu, sich eine gemeinsame Zukunft zusammen zu spinnen? Vielleicht wollte sie das gar nicht, vielleicht hatte sie ganz andere Pläne, vielleicht erdrückte er sie mit seiner Fürsorge? Schließlich war es ihr Leben, nicht das seine, und wenn sie sich wirklich ungezwungen darin bewegte, hatte er nicht das Recht, ihr das abzusprechen. Oder? „Ich lach dich nicht aus.“ sagte er leise. „Ich lach mich selber aus.“


    Von plötzlicher Mattigkeit heimgesucht stand Antias auf, ging langsam zum Fenster hinüber, öffnete die Läden, sah in die kalte Nacht hinaus. Mauern, Giebel, Dächer soweit das Auge reichte, ineinander gekeilt in heillosem Durcheinander, bis hinüber zum Fluss. Jenseits davon wieder Mauern, Giebel, Dächer. Tempel, Hallen, Foren, Stein, Ziegel, Marmor bis weit hinter den östlichen Horizont. Ein wimmelnder Moloch. Zehntausende, Hunderttausende von Menschen. Wie viele entlaufene Sklaven mochten dort draußen ein zwar freies und doch heimliches Leben führen? Tausende? Natürlich konnte man in der Urbs untertauchen, einfach verschwinden als wäre man nie da gewesen. Jahrelang, jahrzehntelang, ein Leben lang. Nur hatte er Apolonia diese Leben im Verborgenen ersparen wollen. Nun gab sie ihm das Gefühl, als ginge ihn das alles nichts an. Er liebte sie. Aber er würde nie wieder davon anfangen, was war und was sein könnte.


    Müde ging er zur Kline zurück und ließ sich seufzend neben seine geliebte Gazelle fallen. „Du hast recht. Reden wir nicht mehr davon.“ Gedankenverloren auf den gedeckten Tisch starrend wanderte seine Hand zur Bärenzahnkette seines Bruders. Also würde Ferox die einzige Familie bleiben, die Antias hatte. „Es ist verrückt .. ich habe heute einen Bruder bekommen.“ Er sah Apolonia mit einem flüchtigen Lächeln an und wandte sich nachdenklich wieder ab. „Was ist mit deiner Familie, Dorcas? Bist du ganz allein?“


    Antias hörte ihr zu, kaute dabei zwar angestrengt an einem breiten Grinsen herum, lauschte aber schweigend und andächtig. Gar kein Zweifel, Apolonia erzählte das alles nur ihm zuliebe, der Widerwille war ihr deutlich anzumerken. Als ob es ihn nicht schon genug Selbstbeherrschung gekostet hatte, gerade jetzt danach zu fragen. Er kannte sich, und sie auch. Wenn er dieses Thema jetzt nicht angeschnitten hätte, er wäre am morgigen Abend zwar glücklich bis in die Haarspitzen aber völlig uninformiert wieder in die Castra zurückgekehrt. Eine Freier interessierten solche Dinge freilich überhaupt nicht, aber er war kein Freier. Weiber. So endlos wundervoll, so unendlich kompliziert.


    Mit einem amüsierten Räuspern lehnte er sich zurück und zog sie an sich. Warum er das jetzt alles wissen wollte? Ein zunächst lautloses Lachen begann ihn sanft zu schütteln, wurde aber schnell zu einem leisen Kichern. „Du machst mich fertig, Dorcas. Warum ich das wissen will?“ Sanft und scherzhaft zupfte er sie an ihrer süßen Nase. „Och .. nur so. Dachte, ich frag halt mal.“ Schön zu hören, dass sie sich völlig ungezwungen in der Urbs bewegte, während er sich in seiner nächtlichen Barracke mit Schreckenszenarien herumschlug. Apolonia in Ketten, entdeckt, verraten, verschleppt, gepeitscht, gedemütigt. Eine völlig ungezwungen durch die Welt wandelnde Apolonia war in seinen Alpträumen – so weit er sich erinnern konnte – noch nicht vorgekommen, nur in den anderen, den angenehmen, den entladenden.


    Das Kichern entlud sich in einem befreienden Prusten. „Keine Ahnung, wie ich auf sowas komme, Dorcas, aber irgendwie war ich der Ansicht, es könnte vielleicht für die Zukunft eine gewisse Rolle spielen.“ Lachend griff er nach der Olivenschüssel. „Ich hab von Tieren gehört, die sich tot stellen, um nicht zur Beute zu werden, und weißt du was? Es funktioniert. Manche Viecher tun einfach so, als sei nichts. Funktioniert auch. Also gut ..“ Er schnappte sich eine Olive und sog sie genüsslich zwischen die Lippen. „.. so klug wie irgendwelches Getier sind wir allemal. Tun wir ab jetzt einfach, als sei alles so wie wir es uns wünschen, dann wird unser Leben künftig von Leichtigkeit getragen.“


    Die Olive war weich und doch fest, salzig und doch süß, verlockend fast wie Apolonias’ Knospen, aber nur fast. Gut, dass sie jetzt darüber geredet hatten, schon fühlte er seine Aufmerksamkeit wieder lendenwärts sinken. „Nimm noch eine Olive.“ grinste er sie an. „Sonst stopf ich mir alle auf einmal rein. Ich liebe diese Dinger. Sind das zweitköstlichste, was ich mir vorstellen kann.“


    Was hier so alles rumstand! Antias war schlichtweg fasziniert. Hatte beim Betreten des vollgestopften Raumes seine Aufmerksamkeit noch ausschließlich der Hintertür gegolten, so nahm ihn jetzt die seltsame Atmosphäre zwischen all den Requisiten völlig gefangen. Daran, dass in Roma jeder noch so unwichtige Nebenraum über mindestens eine Hintertür verfügte, hatte er sich schon gewöhnt. Aber so etwas sah man wirklich nicht alle Tage! Als hätten die Götter die Geschichte zusammengefegt und hier einen Teil davon zurückgelassen. Allerlei Säulen lehnten an den Wänden, Teile von Brüstungen standen herum, eine der Länge nach halbierte Triere, die hölzernen Einzelteile eines gewaltigen Gaules, Rüstungen aller Epochen, Helme, Schilde, ein zerlegter Streitwagen, aus Korbgeflecht und Lehm geformte Tierköpfe und Standbilder, das reinste Elysium für kühne Jugendträume.


    Wie gerne hätte er hier herumgestöbert, sich eine der vielen Masken übergezogen, die wohlgeordnet auf den Wandbrettern lagen, oder sich in einen bronzenen Glockenpanzer gezwängt, gleich eines Perseus, eines Ajax, eines Leonidas! Nur die Ruhe, alberner junger Titus, gemahnte er sich selbst, all dies ist nur Fassade, nur ein Abklatsch der Realität! Richtig, die Realität. Die Realität wollte es, dass er in wenig heroischer Aufmachung reglos und kommentarlos drei Schritte hinter seinem Optio verharrte und bestenfalls dabei lernte, die richtigen Fragen zu stellen. Den Serapio, der offensichtlich weit mehr war als ein gewöhnlicher Initiand, endlich ausfindig gemacht zu haben, erfüllte ihn durchaus mit einiger Genugtuung, auch wenn er nicht wusste, was ihnen das letztlich einbringen würde. Dieser aristokratisch wirkende Mann hatte die Tabula nicht entwendet, noch hatte er irgend etwas mit den bizarren Geschehnissen auf dem Mercatus zu tun, gut möglich, dass die Urbaner nie eine Antwort auf all die offenen Fragen erhalten würden. Nur mit verminderter Aufmerksamkeit dem Hin und Her des Gespräches folgend, wanderten Antias’ Blicke wieder träumerisch in den Requisiten umher.


    Sie hatte vollkommen recht. Ja, er sollte tatsächlich etwas essen, und ja, seine Hasta verlangte in der Tat schon wieder danach, von fachkundiger Hand geschwungen zu werden. Aber noch war er es, der seine Waffe kontrollierte, nicht umgekehrt. Apolonia war schließlich nicht die Dienerin seiner Leidenschaft, sondern vielmehr deren Herrin. Zu behaupten, er gäbe sich nie den schmerzhaften Vorstellungen hin, wie sie von fremden Männern angeatmet, befingert und besprungen wurde, wäre eine Lüge gewesen. Er verstand es, wusste, dass ihr nicht viele Möglichkeiten blieben, sich durchzuschlagen, war nach wie vor der festen Überzeugung, dass es ehrenwert war, zu tun, was die tat. Dennoch riss es ihm manchmal das Herz auf. Seine Mutter war immerhin frei gewesen. Nicht in ihren Entscheidungen oder in der Wahl des Lebens, das sie führen wollte, aber zumindest hatte sie sich nie davor fürchten müssen, eines schwarzen Tages von einem ihrer Freier wiedererkannt und in das Haus eines reichen Patriziers zurückgeschleppt zu werden.


    „Verzeih, Dorcas ..“ lächelte er fast verlegen. „.. es ist eben nur .. du hast mir so gefehlt.“ Oh ja, bei den Göttern, das hatte sie. Erst jetzt wurde ihm so richtig klar, wie sehr. Schräg grinsend kaute er das Fleisch, nahm verzückkt ihre Hand an seinen Lenden wahr und hatte zunehmend Mühe, sich zusammen zu reißen. Das musste er aber, wenigstens noch für ein kleines Weilchen.


    Wohlig seufzend nahm er einen Schluck Wein. Seine Hand strich langsam und zärtlich durch das weiche Tal zwischen ihren blassen Hügeln. Seine Hasta verlängerte sich allmählich zur Sarissa. Nein, jetzt noch nicht. Es gab noch ein paar Dinge zu sagen, bevor seinem Hirn die Worte verlustig gingen. „Also ..“ begann er leidlich beherrscht. „.. dass dieser Claudius Menecrates ein ziemlich hohes Tier unter den Senatoren ist, hab ich mittlerweile herausgefunden. Einfacher macht das die Sache zwar nicht, aber was ist schon einfach. Sag mir, was ist der Claudier für ein Mensch? Ist er rachsüchtig? Stolz? Eitel? Hat er irgendwelche besonderen Schwächen? Was weißt du über den Mann?“


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    Spurius Cluvius Sulca


    Ah, ja. Bei Bewusstsein war der Bengel also, wenn auch nicht ganz bei Trost. Brummend riss Sulca dem Decimer das Focale vom Hals und wischte sich den kostbaren Falerner aus dem Gesicht. Für diese Vergeudung hätte der fallsüchtige Tiro eigentlich gleich noch eins in die Fresse verdient. Aber gut, Hauptsache, die lange Latte kam wieder auf die Stelzen, und bei Iuppiter, dafür würde er schon sorgen. „Bedaure, Infans, mit Milch kann ich nicht dienen.“


    Schniefend sondierte Sulca die Lage. Ach nein, sieh da, der neue Centurio stürzte sich höchstselbst ins Gewimmel, es geschahen noch Zeichen und Wunder. Weniger verwunderlich schien Sulca das reglose Stück Rekrut auf dem verdreckten Blutkarren, wenn ihn nicht alles täuschte war das der Bruder dieses klugscheißerischen Labersacks Germanicus. Ausschuss, alle miteinander. Allein der Decimus hatte in Sulca ein Quentchen Hoffnung sprießen lassen. Der Junge sah wenigstens aus wie ein richtiger Urbaner, zumindest in der Senkrechten. Und solchen Scheißern, die noch nicht einmal ohne Hilfe stehen konnten, wollte der Iunier das Exerzieren beibringen? Prächtig, da traf es ja genau den richtigen.


    Mit einem kurzen gurgelnden Lachen soff der Cluvier die Ampulla leer, packte dann den Decimus unter den Schultern und wuchtete ihn auf die Beine. „Und jetzt wird gelaufen, du Trauerschwanz! Oder ich setz deinen lächerlichen Fusselbart in Flammen!“

    Kaum hatte die Kolonne den ersten Schritt getan, hörte Antias ein dumpfes Scheppern hinter sich. Es wäre auch zu schön gewesen. Da war er also, der erwartete Knorpel in der Lucanica. Noch bevor er sich umwandte, war ihm bereits klar, dass da einer der Tirones zu Boden gekracht sein musste. Von den Sarden konnte es keiner sein, die waren zu träge zum Umfallen. Es waren auch nicht die Sarden, es war der Decimer. Nun ja, ein wirklicher Schock war das nicht, Sulca hatte bereits herum posaunt, dass sich die neuen Tirones im Einsatz gerne mal hinlegten. „Agmen, consistite!“*


    Nein, er würde sich den ersten Tag als Optio nicht versauen lassen, jedenfalls nicht so. Ohne Eile schritt er auf den lang gestreckten Rekruten zu, rammte seine Caligae nur eine Handbreit vor dem bärtigen Gesicht in den Staub und blickte fragend auf den Liegenden hinab. Götter! Ein Kerl wie ein Baum mit der Körperspannung einer Ringelnatter! „Nun, Tiro Decimus? Woran gebricht’s?“ fragte Antias gedehnt aber keineswegs aggresssiv. „Keine Lust auf einen kleinen Ausflug? Nun gut, wenn du den Tag lieber in der Latrine verbringen willst, bitte.“ Er wusste nur allzu gut, wie schwer die erste Zeit für einen Tiro war. Die Ausrüstung, der Drill, das Fehlen jeglichen persönlichen Freiraumes, der Fraß, die Askese, das kannte er alles zu genüge. Aber er hatte keinerlei Verständnis für unwillige Spaßvögel, die den CU nur beigetreten waren, um Schwierigkeiten zu machen und den Betrieb aufzuhalten. Die Kolonne würde sich umgehend wieder in Marsch setzten, mit diesem Tollpatsch oder ohne ihn.


    Seufzend ließ Antias sich in die Hocke sinken und klopfte dem Decimus auffordernd mit der Hastile auf den Helm. „Ich geb’ dir genau drei flache Atemzüge, Tiro. Wenn du dann nicht in der Kolonne stehst, robbst du so lange durch die Scheiße, bis du dich für einen Bandwurm hältst. Hast du mich verstanden? SURGITE! AN DEINEN PLATZ! Antias schnellte hoch und stapfte wieder an die Spitze der Kolonne. Noch ein verdächtiger Laut von hinten, und der Decimus würde für heute kein Tageslicht mehr zu Gesicht bekommen, ob er nun der Urheber war oder nicht. „Agmen! Aequatis passibus - pergite!“


    Sim-Off:

    *Kolonne, halt

    Tief durchatmend presste Antias die Kiefer aufeinander. Das in ihm aufsteigende Grinsen war schwerer hinunter zu schlucken als die gepanschte Traubenbrühe in Rufo’s Elysium. Ferox nun wieder. Ein minimalistisches Zwinkern zu seinem Bruder gestattete er sich, mehr aber auch nicht. Fehlte nur noch, dass ihm jemand einen Blumenkranz über den Cassis stülpte. Ein paar mal knallte er sich räuspernd die Hastile gegen den Schenkel, den Schmerz diesmal sehr bewusst in Kauf nehmend, dann hatte er sich wieder einigermaßen gefangen.


    Dank den Göttern stapften nun auch Blandus und Mamurra herbei, die sich Antias zur Unterstützung ausgesucht hatte. Viel zu träge stiefelten die beiden Sarden daher, viel zu übellaunig und vor allem viel zu spät. Dennoch zog Antias es vor, für’s erste auf einen Anschiss zu verzichten. Sowas kostete nur Zeit, zudem hatte er die Sarden gerade ihrer Eigenheiten wegen ausgewählt. Dir Burschen mochten tumb und schwerfällig wirken, waren daher auch kaum aus der Ruhe zu bringen, konnten aber wüten wie die Kyklopen, wenn es doch mal jemand schaffte. Zuverlässig waren sie allemal, die perfekte Nachhut für eine Rekrutenpatrouille.


    Mit erhobenen Augenbrauen sah Antias dabei zu, wie sich die Sarden ohne ersichtliche Hektik einreihten, und wandte sich dann wieder den Tirones zu.
    „Na schön, dann wäre das ja wohl geklärt. Tirones, Zweierreihen! In agmen venite!* Die Sarden fühlten sich nicht angesprochen, natürlich nicht. Antias wartete ab, bis die Kolonne stand und ließ sich dann seufzend zu der erwarteten Extraeinladung herab. „Milites Orbius et Axius! Ihr bildet die Nachhut! Agmen! Aequatis passibus - pergite!“**


    >>>>



    Sim-Off:

    * In Kolonne antreten.


    Sim-Off:

    ** Im Gleischritt - Marsch

    Der Marsch von der Castra herunter war das reinste Vergnügen gewesen. Kein Wunder, der Tag war mild und sonnig, das Marschtempo durch die stark bevölkerten Straßen durchaus erträglich und die Tirones zumindest Antias’ Einschätzung nach recht guter Dinge, die Laune der Sarden wussten freilich nur die Sarden selbst einzuschätzen. Je weiter sie nach Westen gekommen waren, desto dichter hatten sich die Cives in den Gassen gedrängt. Am Circus Maximus war es dann richtig eng geworden, und die letzte Etappe des Weges, den Clivus Publicus entlang zum flachen Hügelpaar des Mons Aventinus hinauf, war zu einem nervtötenden Gedrücke und Geschiebe geraten, das den Urbanern einiges an Beherrschung abverlangt hatte.


    Endlich zwischen den Tempeln von Diana und Minerva angekommen, hob Antias langsam den Arm. „Urbaniciani, Consistite!“ Die Kolonne kam zum stehen, bis auf die Sarden, die standen bereits. Trotzdem schön, wenn Kommandos so umgehend befolgt wurden, das hatte schon was. Antias gönnte sich einen ausgedehnten Blick über den Platz. Die Menge machte einen ausgelassenen mitunter gar feierlichen Eindruck, von Aggression war nichts zu spüren. Genau das hatte Antias sich erhofft. Die Tirones sollten die geifernden bedrohlichen Menschenmassen auf dem Forum Boarium erst einmal vergessen, und sich vergegenwärtigen, dass das Volk von Rom nicht nur aus dem rasenden Pöbel bestand und es verdient hatte, beschützt zu werden, wenn auch mitunter nur vor sich selbst. Natürlich gab es auch unter den Besuchern dieses Festes den übliche Anteil an trunkenen Stänkerern, fingerflinken Beutelschneidern und dergleichen Subjekten mehr, und um diesen Elementen den Spaß zu vermiesen waren sie hier.


    „Urbaner!“ wandte sich Antias schließlich an die wartenden Soldaten. „Hier feiern und opfern anständige Römische Bürger. Unsere Anwesenheit soll gewährleisten, dass sie das auch unbesorgt und ungestört tun können. Wir werden uns jetzt in Zweiergruppen auf dem Markt verteilen. Mischt euch unter’s Volk. Beobachtet die Menge. Schult euren Blick für schwarze Schafe. Störenfriede, Langfinger und ähnliches Pack werden wir uns dezent beiseite nehmen, und wenn ich sage dezent, mein ich auch dezent! Wenn nötig, treten wir sie hinter den Tempeln zusammen, nicht hier. Die Gladii bleiben unter allen Umständen in den Scheiden, es sei denn, ich befehle den Gebrauch! Benehmt euch defensiv und anständig, haltet Augenkontakt und jetzt ab!“

    Schmunzelnd registrierte er Aplonias’ Reaktion. Meinte sie das ernst? Hatte sie tatsächlich etwas übrig für die ebenso entspannenden wie anregenden Reize der Natur? Zumindest hatte er das gehofft. Selbstredend hegte er nicht die Absicht, sie ausschließlich in die Gärten zu schleppen, war sich aber sicher, dass ihr das gut tun würde nach dem endlosen Versteckspiel in ihrer kleinen Wohnung, und ihm ebenso. Antias hatte die Nase gestrichen voll von Barackenmief und Gassengestank, er musste sich vergewissern, dass es da draußen auch noch Luft gab, die sich atmen ließ. Leider konnte er im Moment keinen längeren und weiteren Ausflug mit Apolonia unternehmen. Noch nicht. Er hatte lediglich Ausgang, keinen Heimaturlaub. Aber der stand irgendwann an und dann würde er mit Apolonia der Urbs den Rücken kehren und nach Westen reisen, an’s Meer.


    „Ja, in die Horti. Wie nehmen uns was zu essen und zu trinken mit, und du kannst dich endlich mal von all dem Mist hier erholen. Außerdem ist das ein romantisches Plätzchen für allerlei sinnliche Aktivitäten ..“ Grinsend blies er einen sanften Lufthauch unter ihre Tunika, der geschmeidige Stoff hob sich wie ein Segel. „Natürlich besuchen wie vorher die Märkte und wenn du möchtest auch eine Therme, wir müssen eben nur vorsichtig sein, aber das weißt du ja.“


    Träumerisch drückte er sie an sich. Die plötzliche Frage nach seiner bevorzugten Gottheit brachte ihn für einen Moment in ziemliche Verlegenheit. Noch immer hatte er seine versprochenen Opfer nicht dargerbracht, kein einziges davon. Der Götterglaube war in Antias ebenso oberflächlich verankert wie er es bei seinem Vater gewesen war. Auch Varus hatte immer den Standpunkt vertreten, die Götter seien mit dem Schutz von Princeps und Imperium schon zu beschäftigt, um sich den Belangen eines kleinen Soldaten anzunehmen.


    „Wenn, dann Fortuna.“ entgegnete er nach einigem Nachdenken. „Erstens hat es die Dame bislang recht gut mit mir gemeint, und zweitens trägt sie das gleiche Cognomen wie ich. Fortuna Antias.“ Seine Fingerspitzen wanderten tastend unter den Saum ihrer Tunika. „Warum fragst du, Dorcas?“


    Anstatt ihm direkt zu antworten, schien Apolonia um sein leibliches Wohl besorgt zu sein. Hunger? Oh ja, durchaus. Vergnügt glucksend sah er zu, wie sie sich eine Hühnerkeule schnappte, ein Stück Fleisch herausriss und es ihm darbot. Wenn Apolonia wollte, dass er zuhörte, anstatt ihr schon wieder an die Wäsche zu gehen, war dies eindeutig das falsche Signal. Antias packte den Fleischfetzen mit den Zähnen und blickte ihr dabei herausfordernd in die grünen Augen. Deshalb liebte er sie. Seine Gazelle begnügte sich nicht damit, an Gräsern und Kräutern zu zupfen, sie war ein Beutetier. „Wenn du dir noch etwas anderes wünschst .. für morgen .. für die Zukunft ..“ knurrte er rau und undeutlich, „.. sag es mir einfach.“ Dann begann er zu kauen, langsam, vorsichtig, mit zunehmenden Appetit und wachsender Begierde.


    Leicht übernächtigt und natürlich viel zu früh traf Antias auf dem Exerzierplatz ein. Er wusste nicht so recht, ob er nervös oder freudig erregt sein sollte. Sicherheitshalber war er einfach mal beides. Sich ungeduldig die Hastile gegen den Oberschenkel klatschend marschierte er den Platz auf und ab, pumpte seine Lungen mit der wohltuenden Morgenluft voll und stelle bald fest, dass er verdammt schmerzhaft war, sich die Hastile gegen den Schenkel zu schlagen. Zum gefühlt hundertsten mal an diesem Morgen fragte er sich, ob es vernünftig sein mochte, die Rekruten schon auf Patrouille zu führen und kam dabei wieder einmal zu dem Schluss, dass es nicht nur vernünftig, sondern auch erforderlich war. Zum einen hatten die Burschen es sich nach dem unangenehmen Einsatz auf dem Forum Boarium verdient, zum anderen konnte es schließlich nicht schnell genug gehen, sie mit ihrem künftigen Einsatzgebiet vertraut zu machen. Ferox beispielsweise kannte sich in der Urbs so gut wie gar nicht aus, das musste sich schleunigst ändern.


    Von den Unterkünften her wurde endlich der vertraute Klang von schabendem Metall und knirschendem Leder vernehmbar. Na also, da kamen sie ja angeschlurft. Etwas müde wie es schien. Bene, dann war er hier schon nicht der einzige. Nur, ihnen durfte man es anmerken, ihm nicht. Noch bevor sich die Vewirrung darüber, anstatt des Centurios ihn hier vorzufinden gänzlich in die verschlafenen Züge der Rekruten geschlichen hatte, ließ Antias die angesammelte Morgenluft dröhnend entweichen. „Tirones! In aciem venite!“*


    So schlecht sah das gar nicht aus, noch etwas zaghaft, noch etwas asynchron, aber das würde sich zweifellos einschleifen. „Salvete, Tirones! Um es kurz zu machen: Ich bin euer neuer Optio, Germanicus Antias! Vom heutigen Tag an werde ich Centurio Iunius Avianus bei eurer Ausbildung unterstützen!“ Um etwaigen Begeisterungsstürmen Raum zu lassen, machte er erstmal eine lange Pause und fixierte den künftigen Stolz der CU amüsiert. Die Ovationen blieben aus, ganz wie erwartet. Immerhin, Entsetzen war auf den jungen Gesichtern auch nicht zu erkennen, das war ja schonmal was für den Anfang.


    „Heute beginnt für euch der Patrouillendienst! Unser Weg wird uns die Murus Servii Tulii entlang quer durch die Urbs führen! Zunächst über Esquilinus und Caelius nach Süden, dann nach Westen zum Aventinus! Dort wird anlässlich der Quinquatrus Maiores ein Jahrmarkt gefeiert, bei dem wir schlicht Präsenz zeigen werden! Der Rückweg wird am Capitolinus vorbei wieder Richtung Castra führen!“ Im Idealfall nördlich am Quirinalis vorbei oder einfach auf dem schnellsten Wege, je nach Zustand der Tirones. Sie würden auf dem Pflaster der Urbs in ihrer Laufbahn noch Hunderte von Stollennägeln zurücklassen, man musste es bei der ersten Patrouille nicht gleich übertreiben. Und nun vorerst genug gebrüllt. Mit mühsam verhohlenem Schmunzeln schritt Antias langsam die Reihen ab. „Gibt es Fragen, Tirones?“


    Sim-Off:

    *In Linie antreten!

    Antias streichelte gedankenverloren über ihr dunkles Haar und strahlte dabei wie ein frischpolierter Paradepanzer. So gesprächig hatte er Apolonia nicht mehr erlebt, seit .. ja, seit wann eigentlich? Gleichviel, sie schien glücklich zu sein, und das allein zählte. In der Tat, er wusste sehr wohl, auf welche Weise sie sich alles hatte erarbeiten müssen, und er hatte da auch so seine Ahnungen, womit sie es heute tat. Sie musste essen, sie musste ihre Kleidung in Ordnung halten, Babila wollte versorgt werden und in dieser kleinen Wohnung lebte sie sicher auch nicht mietfrei. Der hellste Stern am Nachthimmel war er vielleicht nicht gerade, aber auch er konnte zwei und zwei zusammenzählen. Dennoch hatte er nicht vor, auch nur ein Sterbenswort über die Art von Apolonias’ gegenwärtiger Erwerbstätigkeit zu verlieren, es sei denn, sie selbst würde das Thema anschneiden, und daran hatte er erhebliche Zweifel. Musste sie auch nicht. Was auch immer sie tat, er würde ihr keinen Vorwurf daraus machen, er liebte sie, er vertraute ihr et basta.


    Ihr Gedanke, nach eine Zimmer in Nähe de Castra zu suchen, überraschte ihn zwar ein wenig, wirklich verwundert war er allerdings nicht, darüber hatte er selbst auch schon nachgedacht.


    „Möglich wäre das schon, Dorcas.“ sagte er lächelnd, küsste ihre blasse Schulter, die neckisch aus der verrutschen Tunika hervor blitze. „Östlich der alten Stadtmauer, zwischen der Tiburtina und der Nomentana liegt das, was wir den Vicus oder die Vorstadt nennen. Du erinnerst dich sicher. Als du mich am Tor besucht hast, bist du da durchgekommen. Das sind eher unspektakuläre Gebäude, bewohnt von ebenso unspektakulären Menschen. Wenige größere Cauponae aber viele kleine Tabernae, einige Fabricae, Wohnhäuser, Stabulae und sowas. Ziemlich verwinkelt aber verhältnismäßig sauber.“


    Flink schnappte er sich eine Olive und wandte sich wieder Apolonias weicher Schulter zu. „Wenn wir da etwas für dich finden, wärst du künftig keine drei Stadien von mir entfernt. Ohnehin wollte ich mit dir die Gärten am Mons Pincius besuchen .. unter anderem ..“ Grinsend warf er sich die Olive in den Rachen. „Von da ist es nicht weit bis in den Vicus. Also gehen wir morgen einfach mal los und sehen uns das Viertel an, was hältst du davon?“ Langsam arbeitete er sich an ihrer Schulter abwärts, kein noch so duftender Hügel konnte verheißungsvoller sein als die Montes Dorcades, die sich dort unter dem dünnen Stoff erhoben.


    Fünf Schritte breit und drei Schritte tief. Eine Basilica war die Schreibstube zwar nicht gerade, dennoch fühlte sich Antias etwas verloren darin. Kein aufgestapeltes Kochgeschirr, keine behängten Trockenstangen, keine Kameraden die ihm auf den Füßen standen. Stattdessen ein Pult, eine Truhe, zwei Stühle, ein Kohlenbecken und ein mit Leinen bespanntes Wandbord. Einfachstes funktionales Mobiliar. Mitten darin der beeindruckte Optio. Die Hastile unter die Schulter geklemmt. Mit der Hand versonnen über das dunkle Rosshaar seines Helmbusches streichend.
    Antias Gedanken trieben diffus im Raum umher. Die breite Statur seines Vaters tauchte vor ihm auf, die ausgemergelte Gestalt seiner Mutter, Sedulus, Avarus, die Gesichter der dritten Centurie, Ferox, Hispo, Fimbria und all die anderen, Apolonia hatte ihren meergrünen Blick auf ihn gerichtet, Avianus sah ihn prüfend an, jeder verlangte sein Recht, allesamt waren sie der Grund dafür, dass er tat, was er tat, sogar dieses Arschloch von Cluvier. Verantwortung. Gleich viel, wie ungewohnt sie noch an ihm herum schlackerte, ab morgen würde sie sitzen müssen wie angegossen. Und er war noch nicht einmal seinem Contubernium mit den Neuigkeiten unter die Augen getreten. So viel zu Reife und Verantwortung.


    Seufzend gab er sich einen Ruck, lächelte sich selbst aufmunternd zu. Hatte er sich etwa irgendwas vorzuwerfen? Nein, verdammt. Avianus hatte eine ganz passable Meinung von ihm, das wusste er, aber der Centurio hätte ihn trotzdem niemals zur Beförderung vorgeschlagen, wenn er nicht der Meinung gewesen wäre, dass es für die Centurie gut war, den Germanicus als Optio zu haben. War es nicht so? Doch, beim Mars, genau so war es! Antias hatte nicht vor, ein frustrierter übellauniger Schreihals wie Mento zu werden, aber die Götter waren seine Zeugen, wenn Hispo diesmal wieder ein derartiges Theater machen sollte wie bei der letzten Beförderung, würde er ihm die Hastile in den Anus rammen bis zum Cassis.

    Antias schnaufte durch stolz geblähte Nüstern. Der scharfe Geruch, der ihm dabei in die Nase stieg, vermochte seine Laune keineswegs zu trüben. Das war Soldatenschweiß, verflucht noch mal! Die edle Essenz der Pflichterfüllung! Und ob er sich seine neuen Sachen holen würde! Umgehend! Noch vor dem dringend nötigen Besuch der Lagerthermen. Seine kleine Schreibstube allerdings würde er erst in gesäubertem erquicktem Zustand in Augenschein nehmen. Reine Luft war gut für’s Hirn.


    Weitere Fragen? Sicher, die gab es, Fragen zuhauf. Aber die meisten davon würden sich bald von selbst beantworten, und bei den übrigen konnte ihm der Centurio auch nicht weiterhelfen. „Keine weiteren Fragen, Centurio Iunius Avianus!“ bellte er daher, „Optio Gemanicus bereit zum Wegtreten!“ Optio Germanicus, wie geschmeidig das von der Zunge ging! Gerne hätte er noch einen schneidigen Satz mit Optio Germanicus gebildet, nur fiel ihm keiner ein, kein annähernd sinnvoller zumindest. Also salutierte er nur stramm, wünschte seinem Centurio noch einen angenehmenTag und beeilte sich, Dunstwolke nebst Verursacher schleunigst aus der Habitatio zu bekommen. Schon um Avianus die Gelegenheitt zu geben, endlich das Fenster zu öffnen.

    Irgendwann zur fünften Stunde, als die Frühlingssonne ihren höchsten Punkt noch nicht erreicht hatte, kehrte Arvid zurück. Vom Ufer her wurde das raue Knirschen des auflaufenden Nachens vernehmbar, das gedämpfte Murmeln der Fischer und schließlich das jähe Aufheulen von Aanets jüngeren Schwestern. Osrun schloss die Augen. Dann richtete sie sich ruhig auf, strich die Kleidung zurecht und verließ mit unsicheren Schritten die Hütte. Antias hatte das Gefühl, unter dem Gewicht von Stein und Fell keine Luft mehr zu bekommen. Nicht, dass es ihm viel ausgemacht hätte, zu ersticken, aber noch irrlichterte ihm ein winziges Flämmlein Hoffnung durch die Brust, wider jede Vernunft, entgegen dessen, was er mit eigenen Augen gesehen hatte. Hustend wühlte er sich unter dem Fell hervor, zwang sich mühsam auf die Beine und wankte Osrun hinterher.
    In völlig durchnässter Tunika, bedeckt mit Schlamm und Blättern und ohne jeden Ausdruck im kantigen Gesicht stapfte Arvid die aufgeweichte Uferböschung herauf. Aanet lag still in seinen Armen. Die Lider halb geöffnet, die fahlen Lippen in kindlichem Trotz zusammengepresst, das ehedem goldene Haar in dünnen grauen Strähnen über der glatten Stirn. Osrun hatte ihre beiden verbliebenen Töchter an sich gedrückt, blickte stumm auf ihren Mann und alterte noch immer. Arvid sah nirgendwohin, nicht auf seine Frau, nicht auf seine Töchter, nicht auf Antias, der nackt und erstarrt an Worten würgte, die es nicht gab. Schweigend trug der Fischer Aanet an den Hütten vorbei zum Wohnhaus hinauf. Die anderen Männer folgen ihm in einigem Abstand. Auch sie sahen Antias nicht an, keiner von ihnen. Der auf Grund gesetzte Nachen löste sich in der Strömung, trudelte ein paar mal im Kreis, blieb noch einmal kurz an der Brüstung des überspülten Bootssteges hängen und trieb dann schaukelnd davon, flussabwärts, der Stadt entgegen. „Geh jetzt, Junge. Geh nachhause. Hier ist kein Platz für dich.“ hörte er plötzlich Osruns’ brüchige Stimme. Er fuhr herum. Auch sie sah ihn nicht an, nicht mehr. Nur die beiden Mädchen starrten wimmernd zu ihm auf. Osrun strich ihnen sanft über die kleinen blonden Köpfe und schob sie dann behutsam vor sich her in Richtung Wohnhaus. „Hol dir das Fell aus der Hütte ..“ hörte er sie müde sagen. „.. du kannst es behalten. Und dann geh endlich, Römer.“


    Antias wollte das Fell nicht, ihm war heiß, nicht kalt. Sengend heiß. Er hatte das Gefühl, in Flammen zu stehen. Der Rhenus strömte kühl und verheißungsvoll unter ihm dahin. Geheimnisvoll schillernd in der hellen Mittagssonne, geschmückt mit farbigen Lichtbögen, murmelnd, glucksend, flüsternd. Antias torkelte ergeben die Böschung hinunter. Die Hitze begann ihn zu verzehren. Ein weicher Westwind fachte die Glut in seinen Eingeweiden zusätzlich an. Keuchend zog er sich am nassen Gebälk der Stegbrüstung hoch, sog noch ein letztes mal die würzige Frühlingsluft in sich auf und ließ sich dann lächelnd nach vorn kippen. Aber Rhenus Pater stieß ihn erneut zurück, er wollte ihn nicht bei sich haben, noch nicht. Der alte Stier war schon gesättigt. Breite kräftige Hände packten Antias an den heißen Schultern, zerrten ihn vom Wasser weg. „Komm hoch!“ brüllte eine tiefe dröhnende Stimme auf ihn ein. „Komm zu dir, verdammt nochmal!“ Antias wartete auf die Nachtvögel, die ihn heimbringen würden. Er wurde durchgeschüttelt, angeschrien, aber die Vögel ließen sich nicht blicken. Stattdessen wurde es finstere Nacht, mitten am Tage. Er war unendlich müde und musste nun schlafen. Somnus aber wies ihn ebenso brüsk zurück wie zuvor der Flussgott, packte Antias wütend an den Haaren, schlug ihm zweimal schallend ins Gesicht und übergoss ihn schließlich mit einer kalten nach Spülwasser stinkenden Brühe.




    Spuckend riss Antias die Augen auf. Über ihm flackerte Fimbrias bärtiges Gesicht im Feuerschein der Kochstelle. „Na endlich! Mach dass du auf die Beine kommst! Hast du das Wecksignal nicht gehört?“ Wecksignal? Nein, hatte er nicht. Mit einem dumpfen Hämmern im Schädel stemmte Antias sich benommen hoch. Einige der Kameraden waren bereits dabei, sich die Loricae anzulegen. So spät schon? Kein Ientaculum? „Ist noch was von dem Käse da?“ räusperte sich Antias kraftlos. „Guck selber nach!“ maulte Fimbria entnervt. „Ich hab hier noch ne Leiche zu erwecken!“ Gähnend schwang Antias die Beine von der Pritsche. Nebenan hing Hispo kopfüber von seinem Lager, schnarchend wie ein vollgefressenes Wildschwein. Fimbria trampelte fluchend zum Wasserfass und füllte den nunmehr leeren Spülbottich wieder auf. Das würde jetzt heftig werden. Immer noch etwas unsicher auf den Beinen, brachte sich Antias schleunigst aus der Gefahrenzone.


    Verdammt, verdammt, entweder hatte er sich in der Dosierung des Kräuterweinsudes meilenweit vertan oder Ferox waren doch noch ein paar andere Pflänzlein als nur Baldrian, Melisse und Hopfen in sein Säckchen geraten. Wie das Gebräu wohl bei dem Patienten gewirkt haben mochte, für den es eigentlich gedacht gewesen war? Auf alles gefasst tapste Antias nach hinten und fand sowohl Marullus’ als auch Tutors Pritsche leer. Ein rostiger Geschmack legte sich auf seine Zunge. Marullus war weg, verschwunden! Antias war der Stubenälteste, er hatte die Verantwortung! „Wo ist Marullus?“ schrie er alarmiert durch die Baracke. Fimbria, gerade im Begriff, Hispo den Wassereimer überzustülpen, hielt grinsend inne. „Der ist kurz rüber zu den Thermen.“ Antias verstand so etwas wie, er sei kurz rüber zu den Thermen. „Er ist was?“ „Sich waschen.“ strahlte Fimbria. „Hat er zumindest gesagt.“ Damit machte man keine Späße! Schlagartig wach und ziemlich wütend verlangte Antias Aufklärung. „Gesagt? Marullus soll was gesagt haben? Ich will jetzt augenblicklich wissen, was hier passiert ..“ Der Rest seiner Frage jedoch ging unter im infernalischen Gekreische des übergossenen Hispo. „WAAAAHHH! Ich bring dich um, du Mistzwerg! Ich bring euch alle um!“

    Avianus hatte recht. Wer sonst sollte den Cives ein - wenn auch trügerisches - Gefühl von Sicherheit und Normalität vermitteln, wenn nicht die Einheiten, deren Aufgabe das im Grunde war, die Urbaniciani? Motiviert, militärisch gedrillt und in ausgesprochen guter körperlicher Verfassung war die Centurie in jedem Fall, wenngleich sich der Winter dem einen oder anderen Miles deutlich auf die Hüften geschlagen hatte.


    Dass auch der Centurio keine konkreten Anhaltspunkte für einen unmittelbar bevorstehenden Bürgerkrieg zu haben schien, war immerhin beruhigend. Nicht weil Antias sich vor der Gefahr gefürchtet oder gar Zweifel an der Einsatztauglichkeit der Milites gehabt hätte, gewiss nicht. Wie alle jüngeren Soldaten neidete auch er den Veteranen ein wenig ihre Erfahrung, und hätte sich nur zu gern in einem Kampfeinsatz bewährt, allerdings bewähren konnte er sich im Dienst auch auf anderen Wegen, die wohl weit sinnvoller waren; und was die Truppe betraf, die würde sich binnen weniger Stunden in Gefechtsbereitschaft bringen lassen, daran hatte er keinen Zweifel.


    Es war etwas anderes, was ihn beim Gedanken an einen Bürgerkrieg beschäftigte. Die Frage der Loyalität. Die Tirones waren noch nicht einmal vereidigt, und er wollte gar nicht daran denken, sich selbst einmal die Frage stellen zu müssen, ob sein Eid dem Amt oder dem Mann galt. Aber das war hier weder der Ort noch die Stunde für solch düstere Betrachtungen. Der Centurio hatte schon genug um die Ohren.


    „Ich verstehe. Ruhig bleiben und weiter unsere Pflicht tun, wie es der Eid gebietet.“ Nachdenklich hob er seinen Becher. „Mögen Vernunft und Weitsicht obsiegen, Centurio.“ Der Wein schmeckte mit jedem Schluck besser, was immer als untrügliches Zeichen zu werten war, besser so langsam mit dem Trinken aufzuhören, zumindest wenn man seinem vorgesetzten Offizier in dessen Habitatio gegenüber saß. Was wohl Avianus so alles umtrieb?


    Antias’ Blick fiel auf die blutrote Crista auf dem Pult, und plötzlich wurde ihm klar, dass er nicht nur eine Hastile erhalten würde, sondern auch einen Helmbusch. Keinen roten wie der Centurio natürlich, auch keinen querstehenden, aber einen verdammten Helmbusch! Eine Brüllbürste! Eine Einlaufquaste! Er, der den Cassis anfangs noch mehr gehasst hatte als die Lorica würde fortan mit einem Helmbusch rumrennen! Varus, seinen alten Herrn, hätte es sicher vor Stolz zerrissen. Seine besorgter Ernst zerstob augenblicklich.


    „Möge kommen, was das wolle, Centurio ..“ strahlte er Avianus an, „.. wir haben lauter gute Männer da draußen, ausgebildet von noch besseren Männern und kommandiert von den Besten, nicht wahr?“ Vergnügt trank er aus, unterdrückte einen Rülpser, und erhob sich schließlich in vollendeter Haltung. „Ich danke dir, Centurio Iunius Avianus! Nicht nur für den Wein! Gibt es noch besondere Anweisungen? Sollte ich bei den Milites die Runde machen, oder wird meine Beförderung beim Appell bekannt gegeben, Centurio?“

    Als er zwischen aufgestapelten Korbreusen, Trockengestellen und Salzfässern die Augen aufschlug, wünschte er sich sofort wieder in das gnädige Dunkel zurück, das ihn, wie es ihm vorgekommen war, wochenlang gefangen gehalten hatte. Kein gemächliches Erwachen milderte den Schrecken, kein langsames Begreifen dämpfte den eiskalten Schwerthieb der Realität. Vom ersten Lichtflimmer an, der in seine Augen stach, war ihm schrecklich klar, was geschehen war. Eingehüllt in dickes Fell lag er zitternd auf dem gestampften Boden der Fischerhütte des Arvid und starrte in das bleiche Gesicht Osruns, deren Kind er auf dem Gewissen hatte. Völlig entkräftet versuchte er sich hochzustemmen, fuchtelte mit taubem Arm nach Süden, röchelte Aanet’s Namen, immer und immer wieder. Osrun griff nach seinem Arm und steckte ihn unter die Felldecke zurück. „Ist ja gut, Junge. Die Männer sind schon fort.“ redete sie monoton auf ihn ein. „Du hast geschrien, als sie dich aus dem Fluss gezogen haben, weißt du das nicht mehr? Sie sind sofort aufgebrochen.“ Zu spät! Viel zu spät! wollte er ihr entgegen brüllen, aber sie wusste es bereits. Er sah es ihr an. In Osrun’s Augen glomm kein Funke Hoffnung. Unendlich müde und erschöpft erhob sie sich, ging zur Feuerstelle hinüber, stocherte mit einem verrußten Fanghaken einen flachen Stein aus der Glut und schlug ihn in ein dickes Wolltuch ein.


    Antias begann zu heulen, schämte sich zu Tode dafür, konnte es aber nicht zurückhalten. Von unkontrollierbarem Schluchzen geschüttelt musste er entsetzt mit ansehen, wie sie behutsam das Fell anhob und ihm den umwickelten heißen Stein auf die Brust legte. „Lass mich!“ presste er krächzend heraus. „Geh weg!“ Ein Hustenkrampf durchzuckte seine schmerzenden Lungen, Tränen, Schleim und Rotz troffen von seinem Gesicht. „Ich bin schuld!“ schrie er würgend. „Ich bin schuld!“
    Osrun ließ ihn schreien, schwieg, sah ihn nur ausdruckslos an. Antias wollte, dass sie ihn schlug, dass sie ihm den glühenden Fanghaken ins Fleisch bohrte, ihn zurück in den Fluss warf. Er flehte, bettelte sie an, ihren Schmerz und ihren Zorn an ihm auszulassen. „Ich bin schuld! Ich!“ Osrun tat nichts dergleichen. Sie wurde nur alt, vor seinen Augen. „Du bist nicht schuld daran.“ sagte sie schließlich mit zitternder Greisenstimme. „Aber du bist dafür verantwortlich.“

    Antias nickte ernst. Er hatte begriffen. Künftig würde sich seine Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Befindlichkeiten innerhalb seines eigenen Contuberniums beschränken können. Als Optio hatte er den Entwicklungsstand und das Wohl und Wehe von achtzig Männern im Auge zu behalten. Er würde das Bindeglied zwischen Mannschaften und Kommandeur der Centurie sein, der linke Arm der Milites und der Rechte Arm des Centurios. Für etwaige Entscheidungen hatte er sich in Zukunft sowohl bei Avianus als auch bei den Kameraden zu verantworten. Persönliche Sympathien und Antipathien mussten vom heutigen Tage an in den Hintergrund treten. Weder konnte er sich erlauben, einen Kleinkrieg mit unverbesserlichen Quertreibern wie Sulca zu führen, noch durfte er seinen Bruder oder seine Freunde auf irgendeine Weise bevorteilen, zumindest nicht im Dienst. Dass es unter den achtzig Soldaten durchaus so einige gab, die ihm nicht sonderlich gewogen waren und es ihm nicht gerade leicht machen würden, musste er hinnehmen. Auch Avianus hatte nicht nur Freunde unter den Männern. Wie auch? Eine Centurie ist immer nur so stark wie ihre Offiziere. Hier ging es nicht um Zuneigung, sondern um Respekt. Völlig richtig, Avianus brauchte einen verlässlichen vernunftbegabten Optio, Antias wiederum brauchte einen verlässlichen vernunftbegabten Centurio, und den hatte er. Die Centurie war in guten Händen und das sollte sie auch bleiben. Und Hispo würde ihm den Schädel abreißen.


    „Verstanden, Centurio Iunius Avianus.“ sagte Antias schließlich, besann sich auf den Becher, den er in Händen hielt, und hob ihn lächelnd in die Höhe. „Auf dich, Centurio, auf die Zukunft und die Männer der Dritten Centurie!“ Alle Achtung. Das war schon ein anderer Tropfen als die ätzende Beize aus Fimbrias’ Beständen. Ob Avianus sich nun mit Wein auskannte oder nicht, zumindest hatte er ein glückliches Händchen bei der Auswahl. „Ich bin auch kein ausgewiesener Weinkenner, Centurio ..“ schmunzelte Antias anerkennend, „.. aber da hat man dir keinen Mist angedreht, so viel ist sicher.“


    Genießerisch ließ es sich einen weiteren Schluck auf der Zunge zergehen. An diesen Saft sollte man sich besser nicht gewöhnen. „Eine Frage, Centurio.“ beendete Antias für’s erste die schweigende Verkostung und wurde wieder etwas ernster „Was denkst du, wird auf uns zukommen? Die Aufhebung der Torsperren hat die Männer für den Augenblick zwar etwas beruhigt, aber von Normalität ist die Urbs wohl noch meilenweit entfernt. Keiner weiß, was draußen wirklich vorgeht. Meinst du, es wir nötig werden, die Einheiten verstärkt marschfähig zu machen?“

    [Blockierte Grafik: http://oi61.tinypic.com/hvduva.jpg]
    Iulius Tarquitius Molo
    Miles · Cohortes Urbanae


    Kauend nickte Molo vor sich hin. Sicher. Klar. An dem, was die junge Frau da sagte, genau genommen sogar keifte, war durchaus was dran. Unwahrscheinlich, dass sich Waffen in der Kutsche befanden, wenn man von der spitzen Zunge der Kleinen mal absah. Unter normalen Umständen hätte er einen kurzen Blick auf Reisende und Kutsche geworfen und es dann dabei bewenden lassen. Aber die Umstände waren nicht normal, auch wenn die Stadttore wieder offen standen. Nur allzu gerne hätte er das zeternde junge Ding gefragt, ob es lieber eine sichere Metropole oder ein waffenstarrendes Rattennest betreten wollte, aber er kam leider nicht dazu.


    Aus dem plötzlich erbebenden Karren presste sich ein feister Civis, dem der Schlaf sichtlich gut getan hatte. So, er wollte also in die Stadt? Darauf wäre Molo auch von alleine gekommen. Ohne große Gefühlsregung wies der Tarquitier auf die endlose Schlange der wartenden Fuhrwerke. „Klar, sicher. Da bist du nicht der einzige, die wollen alle in die Stadt, Civis.“ Aber wozu diskutieren, der aufgequollene Langschläfer hatte die Kutsche verlassen, mehr hatte Molo gar nicht verlangt. Wenn die Frau unbedingt sitzen bleiben wollte, bitteschön.


    Ohne Civis oder Kutscher weiter zu beachten, steckte Molo den Kopf in den Innenraum. Gepolsterte Bänke, ein paar Kissen, ein paar kleine Beutel und Taschen und eine wohlriechende junge Dame, die ganz offensichtlich eine zuvorkommendere Behandlung gewohnt war. Keine Waffen. „Na also.“ lächelte er sie amüsiert an. „Wozu der Aufruhr? Das war’s im Grunde schon.“ Unkooperative Kutscher machten ihn eben bockig, und bockige Fahrgäste machten ihn unkooperativ, so einfach war das. „In Ordnung, Cives“ wandte er sich an den beleibten Reisenden, „Du kannst wieder einsteigen. Das Tor steht euch hoffen.“


    Sim-Off:

    Aber nicht doch. Alles in allerbester Ordnung.:)