Ich wollte eigentlich auf Flaccus warten. Aber falls er noch dazu kommen will, dann kann er das ja gerne noch tun.
Bald darauf fiel die Mappa zu Boden und das Rennen startete. Wie beflügelt davon, dass ich mein Pannus am Ende doch noch gefunden hatte, sauste ich los. Links neben mir auf der Innenbahn Hamiris, rechts neben mir Oxtaius auf der Außenbahn. Ich selbst fuhr in der Mitte und musste aufpassen, nicht in die Zange genommen zu werden. Also gab ich ordentlich Zügel: "Los, Dareios! Los!", feuerte ich mein schönes Leitpferd, das schneeweiße ganz links in meinem ansonsten nachtschwarzen Gespann, lauthals an. Und er enttäuschte mich nicht. Bald schon lag ich eine halbe Wagenlänge vor Hamiris. Ich nutzte die sich bietende Gelegenheit und zog ein bisschen nach links, um die Lücke zur Spina langsam zu schließen. Hamiris war gezwungen, sich hinter mir zurückfallen zu lassen. "Ja! Gut so!", feuerte ich weiter an. Denn rechts neben mir ließ sich Oxtaius nicht ganz so leicht ausmanövrieren. Erst als es in die erste Linkskurve ging, da konnte ich die ganze Erfahrung meines Dareios ausspielen... und erreichte knapp vor dem Gallier die zweite Gerade. Ein bisschen abgeschlagen dahinter: Der Dalmatier Hamiris. Sein Fehler zu Beginn hatte ihn einiges an Boden gekostet. Diese erste Runde war damit praktisch gelaufen für ihn. Das holte der nicht mehr auf. Oxtaius aber blieb in Reichweite, auch wenn er mich am Ende nicht wieder einfangen konnte. Ich beendete als erster diese Runde.
Doch ein Rennen bestand ja nicht nur aus einer, sondern aus sieben Runden. Da konnte noch viel passieren. Das wusste ich... und trotzdem schaffte es der Gallier aufzuholen und fuhr schon kurz darauf rechts neben mir. "Du solltest deine Pferde nicht schon zu Beginn so verausgaben, wenn du es auch bis ins Ziel schaffen willst!", rief ich zu Oxtaius rüber. Doch der zog nur unbeeindruckt weiter an. Ich tat es ihm gleich. Es war ein Duell auf Augenhöhe. Einmal mehr müsste die Kurve entscheiden. Und ich hatte da auch schon so eine Idee... Statt mit dem Bremsen am Ende der ersten Geraden direkt in die Kurve zu gehen, hielt ich einfach weiter geradeaus auf das Fahrbahnende zu. Wenn der Gallier dann nach links ziehen wollte, wäre ihm mein Gespann im Weg, sein Leitpferd käme aus dem Tritt, ich leitete die Wende ein und er hätte das Nachsehen. Eigentlich eine geniale Idee! Nur leider kannte mich Oxtaius gut genug, das vorauszuahnen. Während ich also geradeaus weiter fuhr, um ihm die Linkskurve abzuschneiden, da bremste er sein Gespann urplötzlich so stark ab, dass er am Ende dann hinter mir die Kurve nahm. "Dreckskerl!", fluchte ich, während ich jetzt hektisch selbst meine Linkswende einleitete. Ich hatte damit jede Menge Boden auf den Gallier verloren. Aber auch wenn er dieses Duell gerade gewonnen hatte - das hieß noch lange nicht, dass er am Ende auch insgesamt den Sieg davontragen würde! "Los! Hol ihn dir, Dareios!", feuerte ich mein Leitpferd energisch an. Und das musste ich auch. Denn mein fehlgeschlagenes Manöver hatte natürlich auch Hamiris wieder aufschließen lassen. Der Dalmatier saß mir auf einmal wieder wie eine lästige Fliege im Nacken. Trotzdem schaffte ich es, knapp vor ihm diese zweite Runde zu beenden. Immerhin.
Runde drei hatte damit nun begonnen. Und als hätte ich es nicht geahnt, da verloren die Pferde des Galliers an Tempo. Ich jubelte. "Zieh, Dareios! Zieh! Hol ihn dir!" Ich wechselte die Spur ein bisschen nach außen, damit mein Gespann nicht so viel Staub vom Gallier einatmen musste. Den bekam dafür nun umso mehr das dalmatische Gespann ab. Keine Chance für ihn, auf dieser ersten Geraden irgendwie Boden gut zu machen und an Oxtaius oder mir vorbeizuziehen. Aber auch für mich blieb es schwer. Ich kam dem Gallier zwar näher, aber ich befand mich auf der Außenbahn. Und gleich ging es in die Kurve. Ich entschied mich, den größten Vorteil der Außenbahn für mich zu nutzen: Man konnte mit mehr Tempo durch die Kurve fahren und musste seine Pferde zu Beginn der zweiten Geraden daher nicht erst wieder neu anlaufen lassen. Die zu absolvierende Strecke für mein Gespann war zwar länger, aber am Ende zahlte es sich trotzdem aus: Während Oxtaius eine enge Kurve fuhr und sein Leitpferd dafür fast zum Stillstand kam, da jagte mein weißer Dareios mit seinen drei schwarzen Schatten rechts neben sich auf der Außenbahn entlang. Am Ende kamen Oxtaius und ich beinahe zeitgleich auf der zweiten Geraden an. Nur dass mein Gespann schon im Galopp fuhr, während das Gespann des Galliers etwas erschöpft wirkte und Probleme hatte dabei, wieder Fahrt aufzunehmen. So zog ich dann auf der zweiten Geraden außen an ihm vorbei und setzte mich erneut an die Spitze des Feldes. Ich war eindeutig wieder auf Kurs!
Und damit ging ich also als erster in die vierte Runde. Dahinter folgte Oxtaius. Und dann... was war das?! Ich musste mich zweimal umsehen, weil ich es beim ersten Mal nicht glaubte. Aus der gemeinsamen Sand- und Staubwolke des gallischen und meines Gespanns tauchte von hinten auf einmal wie von den Göttern persönlich gesegnet Hamiris auf. Scheinbar warf er gerade alle Erfahrung und alles Können in die Waagschale... und wer weiß, was sonst noch alles. Denn es war schier unglaublich. Ich blickte mich immer wieder um, gab meinen Pferden Zügel, damit sie schneller liefen. Aber trotzdem war Hamiris mir bei jedem Blick nach hinten näher. Als ich die Wendemarke erreicht hatte, war der Dalmatier an Oxtaius bereits vorbeigezogen und es schien fast so, als könnte ihn nichts und niemand in dieser Runde aufhalten. "Schneller! Beim mächtigen Zeus, bei Epona und Hippona! Macht schneller! Schnell!", schrie ich und peitschte mein Gespann verbal durch die Kurve. Mit nur einer hauchdünnen Führung erreichte ich die zweite Gerade. Verflucht, war der Dalmatier gut! - Halbzeit.
MID