Beiträge von Gaius Germanicus Varro

    Obwohl Varro ein seltsam befangenes Gefühl hatte versuchte er sich das nicht ansehen zu lassen. Die Beförderung kam zur Unzeit,...schließlich wollten Ocella und er diese Mistprovinz in Richtung Italia verlassen. Das Versetzungsgesuch war schon aufgestellt und lag auf seinem Schreibtisch. Doch er war es gewohnt sich der jeweiligen Situation anzupassen, so nahm er das Lob dankend an;
    Ich danke dir für dein Lob, Praefectus und hoffe diesem auch als Decurio zu entsprechen. Atius war also weg,...der Decurio hatte sich klammheimlich davongemacht...Die Sitzverlagerung des Praefecten ließ eine Saite bei ihm anklingen. Was war der Subtext? Was sagte diese nonverbale Kommunikation aus? Erwartete der Iunier etwas von ihm? Daß er den Laden im Griff hatte war dem Praefecten geläufig. Ohne Abhängigkeiten zu schaffen,...er mochte seinen Kommandeur, vielleicht gab es da etwas was ihm auf dem Herzen lag wobei er ihm helfen konnte.

    Varro tat wie befohlen und es gelang ihm sich trotz Spatha an der Seite vernünftig hinzusetzen. Nonchalant entgegnete er auf des Praefecten Frage;
    Nein, Praefectus,...ich bin jedoch offen für Hinweise. Kurz ließ er die letzten Tage Revue passieren, hatte jedoch keinerlei Anzeichen gewisse Skrupel an den Tag zu legen, abgesehen von der Strafaktion war sein Gewissen weiß und rein wie das Gewand einer Vestalin. Vorsorglich legte er zwei Tabulae auf seinen linken Oberschenkel, für alle Fälle. Einer enthielt die Logistischen Erhebungen der Turma und die andere Das Ausbildungsregister, welches gelinde gesagt zu wünschen übrig ließ. Sollte sich nicht grundlegend etwas ändern würden sie wohl demnächst Gladiatoren und Straftäter auf Pferde setzen müssen.

    Varro betrachtete den kleinen arroganten Pinselschwinger kurz und tat dann wie geheißen.
    Vor dem Schreibtisch des Praefecten nahm er mustergültig Haltung an, grüßte zackig und meldete,
    Salve Praefectus,...Duplicarius Germanicus Varro meldet sich, wie befohlen, zur Stelle. Es konnte sicher nicht schaden hier einen guten Eindruck zu machen. Weshalb er auch in strammer Haltung vor dem Schreibtisch stehenblieb und einen Punkt links hinter der Schulter des Praefecten mit seinem Blick fixierte...

    Varro meldete sich beim Schreibpinsel. Salve Eques,...ich soll mich beim Praefectus melden...
    Was er wohl wollte? Vielleicht Anschiss nach unten ableiten? Es wäre nicht das erste Mal, daß er zu einer "Nachbesprechung" geladen wurde. Jedoch hatte er stets genügend Eloquenz seinen Standpunkt zu vertreten. Wohl auch deshalb, und weil er sich keiner Schuld bewußt war verspürte er Neugier als Bange vor dem Gespräch mit seinem kommandierendem Offizier.

    Was sollte denn diese Diskussion an solch einem Ort? Varro gelang es nicht das Gespräch zu überhören. Mochte sein, daß es daran lag, daß ihn sein Beoibchtungsposten in Hörweite des Gesprächs brachte. Eines war klar, der Legat war ihm unsymphatisch. Ständig streute er barbarisch klingende Worte in seine Rede. Wollte er nicht daß man ihn verstand?
    In einem jedoch stimmte er mit dem Duccier überein,...wenn die Geplänkel tatsächlich zu einem Krieg würden wäre es besser das Heft des Handelns in der Hand zu halten.
    Sein Blick fiel wieder auf seinen Observationsbereich,...er war sicher sein Praefectus würde sein Vorgehen glaubhaft begründen. Am Horizont, fast außer Sicht sah er einen Reiter,...Ocella...

    Varro gestatte sich ein Lächeln und wandte sich an Ocella. Na schön,...dann lassen wir sie einmal laufen. Der Tag war jung und die Temperaturen noch erträglich. Er würde die Blauen den bewährten Händen seines alten Kameraden überlassen und verschwand wieder vom Campus, es gab noch viel Schreibkram zu erledigen.

    Varros Ohren waren exellent, und der Legatus pflegte seine Stimme kräftig und akzentuiert zum Besten zu geben. Offenbar gab es da einen gehörigen Anschiss für die beiden Praefecten. Offenbar sind da Befehle missverstanden worden. Er wandte sich ab und beobachtete die Umgebung und hoffte, daß die These des Legaten auf Tatsachen beruhte und sich tatsächlich niemand um die Rauchsäule interessiert hatte.

    Es war schon seltsam. Varro trat an die Seite von Ocella und sah sich die zwar leicht verunsicherten, aber so wie es schien hochmotivierten Gestalten an. Seine Legionärsausbildung bei der Prima lag zwar schon eine Weile zurück, aber es waren so unendlich viel mehr Tirones damals. Die Nachwuchsgewinnung funktionierte hier am Arsch des Imperiums nicht wirklich wie geschmiert.
    Nachdem sie es dann geschafft hatten sich in eine Linie zu stellen mit all ihrer Ausrüstung baute er sich vor ihnen auf und sah sie väterlich an. Denn das war er für sie, ein fordernder Vater, streng aber gerecht.
    Tirones! seine Stimme klang fest aber weniger laut über den Platz. Ihr begehrt Einlass in die Bruderschaft der römischen Legion!? Was anundfürsich nicht unmöglich war...Varro sah die Männer an wie ein Händler vor seinem Publikum, der eine äußerst seltene und begehrte Ware feilbot und sich sicher war den höchstmöglichen Preis dafür zu erhalten.
    Ihr werdet Gelegenheit haben euch ihrer würdig zu erweisen, doch wird der Weg dorthin ein steiniger, euer Wille gebrochen, euer Denken erneuert und euer Fühlen abgehärtet werden! Sein Blick prüfte seine Worte in den Gesichtern der Männer. Dabei fragte er sich ob sie ihn auch alle dem Sinn nach verstanden...
    Wir werden euch zerbrechen und aus euren Einzelteilen Equites der Ala Numidia II formen...seid ihr dazu bereit?
    Hallte die durchaus ernst gemeinte Frage über den Platz.

    Noch etwas steif der Bursche, ...Varro stand auf und ging um den Schreibtisch herum.
    Na schön, Andriscus,...dann sehen wir uns morgen auf dem Campus in voller Ausrüstung zum Sonnenaufgang.
    Er gestattete sich ein fieses Lächeln als er fortfuhr,
    Als erstes werden wir einmal die Grenzen deiner körperlichen Fähigkeiten ausloten,... das Lächeln verschwand ...um sie zu egalisieren und dich an unsere Grenzen zu gewöhnen.
    Ja, es würde Spaß machen wieder einmal ein wenig auszubilden.
    Tiro Andriscus,...dein Tutor wird Ocella sein,...er wird deine traurigen Überreste zu einer sinnvollen Gestalt machen,...wende dich an ihn mit allem was dich stört, ich bin sicher er wird sich deinen Problemen mit Hingabe widmen,...und jetzt...abite!

    Auf dem Campus außerhalb der Lagermauern oder auf dem Intervallum findet die Grundausbildung der Tirones statt. Hier lernen sie die Grundzüge des Reitens, den Umgang mit Waffen und Rüstung und schreiten schließlich zur Krönung ihrer Ausbildung: Dem berittenen Kampf.


    Die Ausbildung leitet ein Duplicarius unter der regelmäßigen Aufsicht eines älteren und erfahrenen Decurios.




    [b]I. Körperliche Ertüchtigung


    II. Grundzüge des Reitens


    III. Waffenübungen
    - Schwertkampf zu Fuß
    - Speerwerfen zu Fuß
    - Schwertkampf zu Pferd
    - Speerwerfen zu Pferd


    IV. Formationen
    - Rechteck
    - Rauten
    - Keil


    Rot = Laufend
    Grün = abgeschlossen

    [/quote]

    Varro saß an seinem Schreibtisch, ließ den Blauen eintreten und erstmal vor dem Schreibtisch strammstehen. Er studiert die Tabula in seiner rechten Hand. Hier ist alles eingeritzt was es über den Blauen zu wissen gibt. Nicht mehr und nicht weniger.
    Er ließ die Tafel sinken und sah seinem Gegenüber fest in die Augen. Ein kräftiger Kerl, der auch noch lesen und schreiben konnte.
    Italiker also,...?! Was treibt dich zur Ala?
    fragte Varro nicht ohne Neugierde. Männer hatten ihre Gründe zur Ala, oder zur Flotte zu gehen anstatt zur Legion. Varro interessierte Andriscus Grund.

    Varro sah den Blauen an. Er bemerkte an ihm etwas vertrautes, so als würde er ihn an etwas oder jemand erinnern. Salve Tiro,...du begibst dich in deine Unterkunft und kramst deine Ausrüstung ein, lass es dir von deinen Kameraden zeigen.
    Er wandte sich um und sah auf seinen Schreibtisch, fand die Rolle und trug den Namen des neuen Tiro ein. Kurz darauf straffte er sich und sah den Tiro streng an.
    Du bist auf dem Weg ein Eques der Turma Prima zu werden,...wir werden dir hierfür alles erforderliche beibringen, ...höre zu und handle entsprechend. Ein kurzes Nicken unterstrich die Worte.
    ...melde dich in einer halben Stunde wieder hier,...abite!

    Varro hörte und sah. Er kannte Marbod nicht wirklich,jedoch hatte er in der Tat kein Mitleid mit ihm. Sein Verhalten war unendschuldbar und die Strafe sollte unehrenhafte Entlassung sein. Mut hin oder her, er mußte sich zu jeder Zeit auf seine Männer verlassen können.
    So wie sie sich jederzeit auf ihn verlassen konnten. Ein einfaches, essentielles Prinzip.
    Er wandte sich ab und ging zurück zur Principia.

    Varro hielt sich mit seinen Männern abseits. Dieser hohe Besuch war ihm etwas suspekt. Was gab es denn hier zu sehen?...und vor allem zu bequatschen auf dem Trümmern eines abgebrannten Dorfes? Er sah in den Gesichtern seiner Männer Gleichmut aber auch eine gewisse Gereiztheit. Mit den paar Gestalten sollten sie ein dermaßen hohes Tier schützen? Kurz nachdem halb Germanien durch sie in Rauch versunken war.
    Ocella kam zurück und kurz darauf der Praefectus mit ein paar weiteren Eques.
    Varro winkte sie zu sich nachdem der Praefectus sich zu dem LAPP gesellte.
    Augen auf,..jeweils 6 Mann an jeder Ecke des Dorfes. Ocella, such dir einen hohen Punkt und haltet die Augen auf. Ich habe keine Lust hier noch in Stücke gehauen zu werden! Abite! Die Männer teilten sich auf und Ocella verschwand...
    Varro sah den beiden Offizieren zu, versuchte die Kunst des Lippenlesens...gab jedoch bald auf und stellte zufrieden fest, daß seine Befehle haargenau umgesetzt wurden.
    Das beruhigte ihn seltsamerweise etwas.

    Die Stube roch muffig. Eine Melange aus Pferdedung, schalem Vinum und einem Odeur aus dem Haufen verschwitzter Klamotten dort auf dem Stuhl, die eigentlich inzwischen sauber sein sollte. Er würde sich diesen vermaledeiten Baldur später mal zur Brust nehmen. Varro warf sein Bündel auf das Bett, stellte die Türe fest und öffnete das Fenster. Kurz darauf wehte eine kühlende, frische Brise durch den Raum. Kurz atmete er durch und machte sich dann an seinem Bündel zu schaffen.
    Schmutzige Kleidung, ein paar Brotkrumen, ein blutiger Lappen,ein Medallion an einem Lederband. Alles wie auch er selbst nach Ruß und Qualm riechend.
    Seufzend warf er die Wäsche zum bereits vorhandenen Haufen und setzte sich auf das liese knarrende Bett um eine Weile auf das Medallion zu starren.
    Bilder aus der Vergangenheit blitzten vor seinem geistigen Auge auf, gestört durch Einschüsse aus kürzlichen Ereignissen. So vor sich hinsinnierend über Sinn und Unsinn eines Soldatenlebens tauchte ein weiterer Duft auf,...aus seinem Schritt.
    Höchste Zeit wieder wie ein Mensch zu riechen! murmelte er vor sich hin und begab sich, mangels Badehaus in der Castra an die eigens für diese Zwecke errichtete Wascheinrichtung der Turma.

    Sie warteten bis das Dorf nur noch ein glimmernder Haufen Trümmer und Asche war. Mahnmal für den Wiederstand gegen Rom.
    Varro hatte die Männer in Kampfbereitschaft gesetzt und sie beobachteten die Pheriperie des Dorfes. Jedoch nichts tat sich. Wenn der aufsteigende Rauch jemanden angelockt haben sollte, dann würde er sich die Tat aus der Ferne ansehen und vielleicht schon einen finsteren Plan entwerfen den Übertätern Vergeltung zukommen zu lassen.
    Varro nahm den Helm ab und drehte seinen Kopf um den Atlas.
    Die stumpfe Warterei zehrte etwas und er hatte Hunger und Durst. Wenn es auch ein wenig morbide anmutete ließ er die Männer absitzen und ein Mahl herstellen.
    Zwei Mann wurden zur Wache abgestellt, die Pferde versorgt und dann die geplünderten Lebensmittel geteilt. Viel war es nicht, Dörrfleisch, hartes Brot und ein paar Beeren.
    Den Met untersagte er, die Schläuche blieben unangetastet. Niemand wusste was in den nächsten Stunden kommen würde, da hieß es einen klaren Kopf zu bewahren und Wasser zu trinken. Stumpf vor sich hinstarrend kauten die Männer ihr karges Mahl. Gestohlen von jenen Unglücklichen deren Dorf dort hinten in Schutt und Asche lag und die jetzt einer schrecklichen Zukunft entgegenwankten.