Beiträge von Gaius Germanicus Varro

    Varro sah kurz zu Terentius Nero und als diesem ihm zunickte wandte er sich an Caesar. Auf seine nüchterne Art berichtete er von den Bewegungen in Germanica Magna, der Plünderungen entlang des Rhenus. Am Ende wagte er eine gewagte These.

    Nach langer Zeit scheint es wieder einen gemeinsamen Anführer,...Dankwart... zu geben, das zeigt die Art in welcher er vorgeht...er versucht unsere Kräfte zu überdehnen, verwickelt uns an weit voneinander gelegenen Stellen in Konflikte oder läßt uns ins Leere laufen.

    Oftmals trafen wir nur noch auf geschwärzte Ruinen und vernichtete Saat.

    Er beugte sich leicht vornüber.

    Mein Caesar,..ich denke es macht Sinn sich über eine Operationsbasis jenseits des Rhenus Gedanken zu machen,...das wird sie beschäftigen und dem Hinterland zu Erholung verhelfen. So wie die Dinge jetzt stehen sind wir nicht in der Lage der Angelegenheit Herr zu werden. Wir wissen nicht wieviele sich dem Dankwart inzwischen bereits angeschlossen haben,...wir zählten ein Lager mit über 2000, davon 600 waffenfähig,...davon vielleicht 200 erfahrene Krieger. Doch es gibt Druiden und Heilerinnen...Schmiede,...lange wird es nicht mehr dauern bis sie sich mutig genug fühlen um einen größeren Angriff zu starten...und ich bin sicher, Sie wissen um unsere Mannstärke hier in Mogontiacum.

    Gedankenschwer lehnte er sich zurück in seinen Scherenstuhl und tat es den beiden anderen gleich,...er starrte in die Flammen des Kamins und erging sich seinen Gedanken.

    Primus ließ den Kopf ein wenig sinken, nur leicht und kurz. Soso, der Gladiator Paulus. Die Schwärmereien für diese Gladiatoren war ihm schon immer ein Rätsel gewesen. Für ihn standen diese Kerle auf der gleichen Stufe wie eine Lupina. Sie waren unfrei und verdingten ihren Körper für Geld.

    Kurz darauf brannte sich sein Blick wieder in die Augen des unglücklichen Fango.

    Ein Soldat Roms beugt sein Knie im Dienst niemals! donnerte er, dann etwas leiser, jedoch nicht weniger aufschlussreich;

    Du meldest dich nach deiner Wache mit deiner geweihten Hasta bei Vexillarius Matinius! wobei er den Begriff "geweiht" so tonierte, daß jeder erkannte was er von solch einer "Weihe" hielt.

    Er zog Ajax sanft herum, warf noch einen Blick auf den Reisewagen und lenkte dann sein Pferd in Richtung Torbogen.


    Varro ritt auf dem Weg zur Regia auf das Stadttor zu. Allerlei Gedanken beschäftigten ihn, als er am Tor einen seiner Equites am Boden hocken sah, zügelte er sein Pferd und betrachtete das Schauspiel.

    Ein vierschrötiger Mann hielt die Hasta seines Equites und ließ sie kurz darauf wieder los um kurzerhand wieder in seinen Reisewagen zu steigen. Normalerweise hätte er dem Ganzen keine Beachtung geschenkt, vielleicht sogar dann nicht wenn es ein Legionär gewesen wäre. Er gab Ajax die Fersen und der schwarze Hengst preschte los um kurze Zeit später vor dem Reisewagen zu stoppen. Varro sah den Kutscher nur leer an und wandte sich dann dem Equites zu. Es war Fango, der Zuckerbäcker.

    Nuntio,...Equites.

    Seine Stimme drückte all das Verständnis aus, welches er hatte, wenn einer seiner Soldaten aus der Reihe tanzte.

    Nachdem er dem Praefecten eine mündliche Version der vergangenen Monaten und deren Erkenntnisse geliefert hatte saßen sich vor einer Feuerschale gegenüber und starrten auf den Kelch mit warmen Würzwein in ihren Händen.

    Das waren beunruhigende Nachrichten. Varro betrachtete seinen Vorgesetzten. Er wirkte alt und beunruhigt. Was nachvollziehbar war, er stand kurz vor seinem Ruhestand. Da konnte er einen Grenzkonflikt oder gar eine Strafexpedition nicht gebrauchen.

    Varro verstand das, doch für ihn war das kein Beweggrund. Für ihn standen noch ein paar Jahre Dienst an, wie auch immer sich das Schicksal entschied diesen zu gestalten.

    Er nahm gerade einen Schluck Würzwein, als die Türe zum Officium aufflog. Mit einem Blick aus Verblüffung und Irritation sah er in die Richtung und erkannte Caesar. Sofort stellte er den Becher ab und erhob sich.

    Was war der Kerl doch für ein Rüpel! ...dachte er bei sich. Roh, selbstherrlich, willkürlich...eine gefährliche Mischung um in seinem Dunstkreis zu bestehen. Terentius war auch auf den Beinen und so grüßten sie beide zackig und formvollendet den Eindringling.

    Varro nickte dem Iunier zu und genoß das Spalier der Wache. Auch jeder Eques im Castellum, ob nun allein oder mit mehreren unterwegs, nahm Haltung an und grüßte die heimgekehrten Kameraden. Zu Hause,...nie spürte er dieses Gefühl mehr als jetzt.

    Varro winkte Ocella zu sich heran, Die Pferde versorgen, Appell und dann zwei Tage Dienstfrei. Kein Ausgang! Hier im Castellum!

    Er wollte verhindern, daß sich in Feierlaune und Euphorie Details ihrer Missio in die Welt setzten.

    Sein Weg führte direkt zur Principia,...der Praefectus würde sicherlich schon auf heißen Kohlen sitzen.

    Zurück von der Missio. Vor der Principia standen einige Stabsoffiziere, die ihn unverholen angrinsten. Ein Scriba nahm die Zügel seines Pferdes und starrte ihn begeistert an. Fast schon war es ihm ein wenig unangenehm. Er nickte dem Scriba zu und glitt aus dem Sattel. Verlottert, bärtig, abgekämpft und mit seltsam glänzendem Helm und leuchtend rotem Mantel. Es war in der Tat kein Leichtes in der Wildnis zu überleben.

    So machte er sich auf durch das Spalier der Offiziere, ertrug ihre jovialen Schulterhiebe und sarkastischen Bemerkungen. Nachdem er die Treppe zum Eingang hinaufgeschritten war sah er sich noch einmal zu seinem Pferd um, doch es war fort...ein unbestimmtes Gefühl der Traurigkeit überkam ihn und bevor er sich ihm ergeben konnte donnerte die Stimme des Praefectus in sein Hirn.

    Es war immer wieder ein Gefühl des zehrenden Verlustes wenn man seine Männer verliert. Da lagen sie nun in ihrer Heimaterde, traten wohl vor ihre Götter und legten Rechenschaft ab für ihr Leben,...ihre Taten. Sie lebten und starben als Krieger. Doch sie starben für den Feind der germanischen Götter. Varro hoffte es gab da keinen Zwist und allein die Ehre zählte. Und Ehre haben sie besessen, Ehre und den Respekt und die Loyalität ihrer Kameraden.

    Varro ließ den Equites Zeit die Toten zu begraben und ihre Gräber mit Steinen abzudecken. Der Rhenus hatte reichlich davon an seinen Ufern.

    Kurz vor Sonnenaufgang traten sie wieder zu ihren Offizieren.

    Wortlos sahen sie sich an und Varro meinte, Die Missio ist beendet, wir kehren zum Castellum zurück...als Equites der Ala!

    Fast schon erleichtert warfen sie ihre Felle und germanisch gewebten Umhänge ab. Die Rüstungen, Waffen und vor allem Gesichter waren gezeichnet von einer Missio die sich über Monate hingezogen hat, einer Missio, die sechs von Ihnen nicht überlebt hatten.

    Ihre Umhänge und Helme hingegen, gut verpackt an ihren Pferden waren sauber und blinkten wie frisch poliert.

    Fast schon feierlich legten sie ihre roten Mäntel an und setzten die Helme auf.

    Ein kurzes Kommando und alle sprangen in den Sattel.

    Varro gab ein kurzes Handzeichen und sie trabten los,...in Richtung Castellum.



    Varro ließ die Turma vor dem Castellum in Schritt fallen und hielt sein Pferd vor der Wache an, ebenso Ocella und die 20 Equites.

    Der morgendliche Dunst hatte sie ausgespuckt wie Gespenster und die aufgehende Sonne, welche die Schatten vertrieb hatte Mühe diesen Eindruck hinwegzustrahlen.

    Man sah den Männern an, daß sie erschöpft waren, doch sie saßen aufrecht und stolz in ihren Sätteln.

    Germanicus Varro mit der Turma Prima,...lasst ihr uns rein? fragte er halb lächelnd. Denn wie seine Männer war er froh wieder zu Hause zu sein.

    Nach einer Stunde Ritt traf Varro mit seinen Männern am Fluß ein. Er veranlaßte die Beisetzung der Gefallenen und ließ sich zeigen wo er Ocella fand und begab sich zum Rhenusufer. Im Halbdunkel des schwachen Mondlichts sah er seinen Freund auf einem Stein sitzen. Offenbar starrte er auf den Fluss der gluckernd seinen Weg ging.

    Salve Ocella,...wie ich sehe sind die Kähne fort,...

    Keine Reaktion, außer einer flüchtigen Bewegung. Varro wußte, daß Ocella seine Hand an den Griff der Spatha gelegt hatte, ...eine normale Reaktion. Varro näherte sich seinem Freund und starrte eine Weile ebenfalls auf die Fluten.

    Wir sollten unsere Gefallenen ehren und dann zurück zur ALA,... meinte er und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter.

    Sie hatten genug Informationen gesammelt, es war an der Zeit zurück zu kehren.

    Varro fühlte sich matt,...müde. 6 seiner Männer hatten die Missio nicht überlebt. Es war an der Zeit.


    Der Kampf dauerte nur kurz, bis zum frühen Abend fanden sich alle Equites im Hof der Villa Rustica ein. Die ausgesandte Patrouille meldete keinerlei weitere Barbaren im Umkreis von 10 Meilen. Varro ließ die Verwundeten in der Villa Rustica in der Obhut der sehr dankbaren Bewohner, nachdem sie sich alle gereinigt und gestärkt hatten, zurück. Vier seiner Männer waren mehr oder weniger verletzt und er wollte sie nicht den Strapazen des weiteren Marsches aussetzen. Der Patron der Villa sicherte ihm zu die Männer, sobald sie transportfähig waren nach Mogontiacum zu bringen. Jedoch winkte Varro ab, in zwei Tagen würden die Männer selbstständig auf ihren Pferden zum Castellum reiten. Zivilisten wollte er hier auf keinen Fall einbinden.

    Mit dem Rest der Equites ritt er vorbei am schwelenden Scheiterhaufen der Barbaren in Richtung Fluss, wo er Ocella zu einem Einsatz geschickt hatte.

    Es war ein Risiko, sicher, aber sie waren Soldaten Roms und Rom wurde hier angegriffen.

    Auf dem Weg zum Fluss fanden sie einen überfallenen Transport. Vier Wagen standen oder lagen umgestürzt. Varro ließ halten und absichern. Kurze Zeit später entzündeten sich Fackeln und erhellten gespenstisch die Szenerie.

    Überall lag achtlos weggeworfener Plunder, Kleidung, Lebensmittel, Amphoren waren zerschlagen und ihr Inhalt in den Boden versickert. Es fanden sich verstreut Leichen. Varro gab Befehl sie auf einen der Wagen zu legen, dieser würde als Scheiterhaufen dienen.

    Er stand bei seinem Pferd und starrte auf die Arbeit seiner Männer. Insgesamt vierzehn Tote, darunter zwei Frauen und zwei Kinder legten die Männer mit angemessenem Respekt auf den Wagen, schichteten Holz unter den Wagen und übergossen die toten Körper mit Lampenöl aus einer der Amphoren.

    Thorsson brachte Varro eine Fackel und nickte ihm zu.

    Mit gemischten Gefühlen nahm er die Fackel an und schritt auf den Wagen zu. Vor dem Wagen hielt er kurz inne und raunte

    MORS EST QUIES VIATORIS. FINIS EST OMNIS LABORIS.

    (Der Tod ist die Ruhe des Wanderers, er ist das Ende aller Mühsal.)

    Dann stieß er die Fackel in das ölgetränkte Reisig. Es dauerte eine Weile bis es sich qualmend entzündete und während Varro sich abwandte sah er auf dem Wagen einen dichten Blonden Haarschopf. Zwei dicke Zöpfe unzureichend gebändigt von einem bunten Band.

    Ein eisiger Hauch fuhr ihm über das Herz. Er wich dem Rauch aus, der kurz darauf die Flammen freigab. Erkenntnis schlug wie ein Kriegshammer gegen seine Stirn.

    Auf dem Wagen lag Eila, die gute Seele die er einst vor einer Bande gerettet hatte.

    Tränen des Zorns und der kalten Wut traten ihm in die Augen als sich die Flammen in ihr Haar fraßen. Bevor sie das hübsche Gesicht entstellten wandte er sich ab und stieg grimmig auf sein Pferd. Die Männer warfen die restlichen Fackeln auf den nun tosend brennenden Wagen und Varro gab Signal zum Abrücken, nur fort von diesem Ort der unnützen Verschwendung, fort von der Hitze und den verstörenden Gerüchen.


    Wochenlang hatten sie sich hinter dem Limes verborgen, beobachtet. Inzwischen sahen sie mehr aus wie eine Horde Söldner in ihrer Mischung aus Rüstung und Fellen. Ihre Waffen waren mit einer Patina bedeckt, jedoch saßen sie locker in der Scheide und waren Rasiermesserscharf.

    Ocella, du nimmst dir 6 Mann und erledigst die Wachen bei den Booten, lasst sie dann ins Wasser und den Fluss hinunter treiben. Danach verbergt ihr euch und wartet auf Rückkehrer... sein Blick ließ dabei keinerlei Zweifel über deren Behandlung aufkommen.

    Dankwart, so hieß der neue Führer dieser mordlüsternen Bande,...Dankwart. Er sollte bis zum Schluß leben um dann in Qualen zu sterben. Dieser Affront gegen das Imperium und seine Bürger und Schutzbefohlenen durfte nur in einem Exempel enden.

    Sie klopften sich auf die Schultern und nickten einander grimmig zu. Dann verschwand Ocella mit seinen Männern in Richtung Fluß.

    Varro ließ aufsitzen und folgte der Bande an den Spuren die sie gelegt hatten und mit jedem Schritt den sie taten, jedem Opfer das sie fanden wandelte sich das Entsetzen in Wut und je weiter sie kamen in grimmigen Zorn.

    Unweit einer Villa Rustica bemerkten die Speculatores einen Haufen Barbaren. Varro ließ absitzen und verteilte seine Männer in Dreiergruppen im Gelände. Die siegestrunkenen Barbaren liefen in Rotten,...es waren etwa 20 Mann. 1:1 also...

    Varro gab das Signal und wie Wölfe näherten sich seine Männer den siegestrunkenen Mördern die mit allerlei prahlten bis die ersten gurgelnd an ihrem eigenen Blut erstickten. Varro löste den Pelz und offenbarte den Brustharnisch. Seine bläuliche Spatha glitt sirrend aus der Scheide und durchtrennte zwei hochgerissene Unterarme eines verblüfft dreinschauenden Barbaren. Der geraubte Goldschmuck glitt mit den Stümpfen zu Boden und bevor er einen Schrei tun konnte fuhr ihm die Spatha in den Mund um am hinteren Schädel mit einem leichten Knirschen wieder heraus zu kommen.

    Varro zog die Klinge zurück und betrachtete kalt den noch röchelnden Barbaren während seine Männer an ihm vorbeiglitten um dieser Schar den Rest zu geben.

    Varros Blick fiel auf die Villa Rustica...er nickte, wandte sich um, gab den Calones ein Zeichen zum Nachrücken mit den Pferden und zog weiter. Leise folgte dem Unwetter des Germanensturms Varros Turma und Gerechtigkeit zu üben und den Getöteten die Schmach zu nehmen.

    Varro vertrieb sich die Zeit hinter der Nachhut um zu erfassen welche Spuren seine Leute in der Vegetation hinterließen. Es waren beachtliche Beschädigungen im Unterholz, natürlich besonders dort wo man sich durch das Unterholz schlagen m,usste.

    Es beunruhigte ihn nicht wenig als er daraus schloß, daß es Häschern, sollte es sie denn geben ein leichtes war ihnen zu folgen, zu flankieren, was ob der Geländekenntnisse sicher möglich war um sie dann an geeigneter Stelle zu erwarten und zu massakrieren.

    Der Lärm den die Truppe machte schreckte nicht nur niederes Getier auf, ständig sorgte die Vorhut für erschreckt davonfliegendes Federvieh.

    Plötzlich stob vor ihm etwas oder jemand durch das hohe Gras. Behende griff er danach und hielt einen halbwüchsigen Barbaren in Händen, der ihn mit großen Augen ansah.

    Ein Kind, ein Knabe, dem Mannesalter noch fern. Er beschloß die Sache nicht eskalieren zu lassen und schlug ihm mit der Faust gegen die Stirn. Der Knabe verdrehte die Augen und sackte in sich zusammen.

    Varro hob ihn auf und warf ihn über die Schulter. Kurz darauf erreichte er seine Männer, die sich gerade von einem Schwarzkittelscheinangriff erholten. Er schüttelte den Kopf und lies den Knaben zu Boden sinken. Erstaunte Blicke trafen ihn, welche sich bald in peinliche Gerührtheit wandelten. Dieser Bursche hat euch gesehen und war auf dem Weg zu seinem Dorf. Bei den Lärm den ihr macht und der breiten Spur die ihr hinterlasst ist es für seine Barbaren kein Problem euch zu finden.

    Betretene Gesichter...

    Na schön, wir marschieren jetzt in Linie, die Nacht durch, damit wir morgen bei den Pferden sind.

    Den Zwerg hier binden wir dort oben an, damit er, wenn er aufwacht nicht vom Baum fällt sich aber selbst befreien kann.

    Zwei seiner Männer nahmen den schlaffen Körper und banden ihn oberhalb der Reichweite von Schwarzkitteln an einem Baum fest.

    Für alles andere brauchte der Bursche halt Glück.

    Kurz darauf marschierten sie los, in Linie, mit möglichst wenig Radau und Schaden an der Vegetation. Varro folgte ihnen und war zufrieden. Notfalls konnte man die schmale Schneise auch für einen Wildpfad halten. An den Knaben verschwendete er keinen Gedanken mehr.

    Der Rest des Marsches an diesem Tag verlief unter einer gewissen Anspannung. Allen Männern war bewußt wo sie waren, daß sie jederzeit von allen möglichen Seiten mit einem Angriff rechnen mussten. Die Vorhut und die seitlichen Späher waren unsichtbar für die Gruppe, lediglich ihr Fluchen, wenn sie im Dickicht durch Dornen oder Brennnesseln liefen zeugte von ihrer Anwesenheit. Doch fluchten sie in ihrer Muttersprache, welche besonders bei Olaf, der aus dem hohen Norden Germaniens recht drollig.

    Varro trieb um seine Männer. Er war mal vorn, mal in der Mitte, mal hinten. Immer wieder half er Gestrauchelten auf die Beine, munterte auf, trieb an.

    Die Tage waren inzwischen länger hell und so dauerte es auch entsprechend länger sie auf den Beinen zu halten.

    Bei Sonnenuntergang erreichten sie dann ihren gesetzten Lagerplatz. Die von den Kameraden versteckten Vorräte und Decken wurden ausgegeben und die Wachen eingeteilt.

    Feuer war verboten, niemand sollte sie lokalisieren können. Das geschäftige Treiben ließ langsam nach und als die Sterne am Himmel funkelten, auch der letzte die angelegte Latrine genutzt und sich in die Decke gewickelt hatte verstummte das Gemurmel. Varro stand mit Ocella und Thoralf auf einer Anhöhe unweit des Lagers und spähte in die Dunkelheit. Von diesem Platz aus konnte man Meilenweit sehen. Angesicht der dichten Vegetation musste man jedoch scharf aufpassen und auf eventuell aufsteigende Vögel achten. Nichts war sicher und zeigte sich als das was es war. Halt´die Augen offen, Thoralf,...in zwei Stunden kommt die Ablösung. munterte Varro den Eques auf, der ihn säuerlich grinsend mit tiefen Rändern unter den Augen ansah. Ein Knuff gegen die Schulter geben machte sich Varro mit Ocella auf den Weg ins etwa 100 Fuß entfernte Lager.

    Wenn wir in diesem Tempo weiterkommen, müssten wir morgen Abend bei den Pferden sein...leg´dich hin Ocella, ich übernehme die erste Wache.

    Mit einer leichten Handbewegung verhinderte er Ocellas Wiederspruch, erkannte jedoch auch Dankbarkeit in seinen müden Augen.

    Die Strapazen des Marsch, die ungewohnte Lebensweise seit nunmehr 2 Monaten nagte an ihm, nagte an allen, auch an ihm selbst.

    Er sah Ocella zu wie er sich in die Decke wickelte und tat es ihm gleich. Die Nacht wurde wieder frisch, so wie die Nächte zuvor. Vorsichtig zog er seine Spatha aus der Scheide und lehnte sich an einen Baum. Seine Gedanken kreisten um die Missio, um die Expedition, um die Erkenntnisse aus zwei Monaten Aufklärung.

    Gab es einen perfekten Zeitpunkt für eine Strafexpedition? Traf es die Richtigen? Er hatte in den Ansiedlungen und Dörfern Menschen kennen geelernt, die im Schweiße ihres Angesichts für ihr täglich Brot schufteten. Er sah Fleiß, aber auch Gier, Neid und Rachsucht. Es gab immer jemanden der den Anderen seinen Wohlstand nicht gönnte.

    Das war die Saat. Der Funke der alles ins Verderben reissen konnte. Streitigkeiten um Weideland, Vieh oder auch um Frauen ließen regelmäßig Auseinandersetzungen mit teilweise tödlichem Ausgang folgen. Es waren einfache Menschen mit einem einfachen Codex. Sie würden sich Roms Macht niemals beugen. Varro dachte bei sich, daß es hier Kräfte gab, die Rom bezwingen konnten, denn nichts in diesem Land war so wie es schien.

    Varro sah über Ocellas Schulter hinweg auf die anderen Männer, die ihn fragend anstarrten. Keiner von ihnen machte Anstalten zur Verteidigung oder wirkte auch nur ansatzweise beunruhigt. Varro schüttelte den Kopf und sah nach unten. Wir vernachlässigen unsere Marschsicherheit. Ernst sah er Ocella an und fuhr fort. Wir stapfen hier durch Feindesland,...das Gelände hier ist unübersichtlich und für einen Hinterhalt mehr als geeignet. Die Männer hatten sich inzwischen alle eingefunden und bildeten einen Halbkreis um die beiden. Auch nicht eben normal, daß sich Equites die Gespräche von Offizieren anhörten. Der zweimonatige Einsatz hatte sie nicht nur rein Äußerlich verwahrlosen, sondern auch die Etikette vergessen lassen. Doch das focht Varro nicht an, denn trotz ihres barbarischen Aussehens und ihrer unangebrachten Zutraulichkeit waren sie seine Männer und wenn er ehrlich war verhielten sie sich im Grunde genauso wie sie aussahen. Varro sah sie an und nickte. Er wollte es ihnen durch gehen lassen,...diesmal.

    Männer, wir sind noch mehr als einen Tagesmarsch von unserem Basislager entfernt. Wie ihr seht hat sich die Vegetation seit unsrem letzten Aufenthalt hier stark verändert. Aus den Büschen können jederzeit Angriffe erfolgen. Mehr neugierig als wirklich erschrocken sahen sich die Männer um. Ihre Mimik änderte sich. Ihre Körperhaltungen nahmen wieder die Positionen ein, die Varro von ihnen gewohnt war.

    Wir werden uns besser absichern. Jeweils zwei Speculatores vorn, und an den Seiten...das Marschtempo wird erhöht. In zehn Meilen erreichen wir den Platz für unser Nachtlager, ich will in spätestens drei Stunden dort sein. Er zeigte auf vier Männer und wies ihnen wortlos ihre Seiten zur Aufklärung zu. Dann legte er Ocella die Hand auf die Schulter.

    Auf geht´s ...in Linie...ab...kurz darauf setzte sich die Truppe wieder in Bewegung. Varro wartete bis der letzte passiert war sah sich noch einmal um und folgte dann der Truppe. Vielleicht hatten sie ja Glück...

    Varro war bald aufgefallen, daß der eingezeichnete Weg auf der Karte immer weniger im Gelände ersichtlich wurde. Innerhalb weniger Wochen waren Pfade überwuchert mit nicht endenwollendem Grün. Er wußte die Truppe die sich durch das Dickicht schlug bei Ocella in guten Händen und machte sich mit Ariald und Baldwin auf um dem Trupp als Speculatores voran zu gehen.

    Es gab Mythen und Legenden um diese Wälder, mancher munkelte sie wachsen über Nacht vom Samen in beschauliche Höhe heran. Nun war er kein sehr abergläubischer Mensch, eher ein Kopfmensch. Doch das wuchernde Grün allenthalben machte ihn nachdenklich. Zwar waren es hauptsächlich Farne und niedere Büsche die an die Sonne wollten, doch sicher ist sicher. In Legenden fußt stets ein Körnchen Wahrheit.

    Nach einer Stunde im lockeren Dauerlauf hatte er genug gesehen, er hieß die beiden Equites an zu warten bis die Truppe aufschloß und lief abseits der Jahrhunderte alten Trampelpfade auf seine Männer zu. Dabei versteckte er sich als er ihrer gewahr wurde und ließ sie passieren. Hiernach flankierte er sie um sie wieder unbemerkt zu überholen.

    Seine Männer waren erfahrene Kämpfer, geschult und gestählt im Kampf. Man konnte ihnen kaum etwas vormachen, aber hier, in diesem jungen Unterholz, in dem nichts krachte und weniger Geräusche verursachte als die marschierende Gruppe, wären sie einem Überraschungsangriff zunächst ahnungslos ausgeliefert. Er gut koordinierter Schlag würde sie um die Hälfte dezimieren bevor sie zu den Waffen greifen konnten. Er lief ein wenig weiter vor bis zu einer Lichtung, kontrollierte sie auf eventuelle Gegner und wartete dann auf seine Männer. Olaf war der erste der auf ihn zukam. Ordentlich wie er war machte er eine Nuntio, da tauchte auch schon Ocella auf. Sein Freund, der jetzt im Ernstfall wahrscheinlich tot oder verletzt wäre.

    Es gab immer einen Messias,...immer einen Befreier, den Einen der alles wieder auf Anfang setzte. Varro schloß kurz die Augen und rieb sich die Nasenwurzel. Einen Augenblick später sah er die Männer vor ihm an und nickte leicht. Gut gemacht, danke Männer.

    Dann wandte er sich allen Männern zu die ihn im Halbkreis gegenüber standen. Er betrachtete die Gesichter, bemerkte ihre Erschöpfung, aber auch ihren Willen ihm weiterhin zu folgen. Männer! ...Equites! begann er und sah sie wohlwollend an. Wir haben unsere Missio erfüllt...Abmarsch noch Mogontiacum in 10 Minuten.

    Ein Raunen der Erleichterung drang zu ihm. Auch er war froh aus diesen Wälder zurück in die Zivilisation gehen zu können. Raus aus diesen Klamotten, einen Tag in der Therme um den Schmutz und die sprießenden Haare entfernen zu lassen. Es war ihm ein Rätsel warum man solch eine Art zu leben verteidigen und sich den Vorzügen der römischen Lebensweise entziehen wollte. Wußte man es nicht besser? Er war überzeugt, daß die meisten dieser Hinterwäldler keine Ahnung hatten welchen Vorteil sie aus der Hand gaben.

    Was war wichtiger uralte Kultur und Lebensweise oder Anpassung an ein besseres System?

    Während die Männer ihre Halbseligkeiten fest verpackten und die Spuren des Lagers beseitigten warf er einen Blick auf die Karte. Sie würde in nicht allzu ferner Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Sie würde Wegweiser der Rache eines Mannes sein, der all jene betrafen würde die es gewagt hatten ihn und seine göttliche Person zu missachten und schlimmer noch anzugreifen. All jene die es gewagt hatten und all jene die so waren wie sie, ob sie nun deren Ansichten teilten oder auch nicht.

    Das Lager wurde langsam wieder eine Waldlichtung vor dem See und die Männer sammelten sich zum Abmarsch.

    Varro nickte Ocella zu und die Männer rückten ab. Varro ließ jeden einzelnen passieren und schenkte jedem Einzelnen das Gefühl einer starken Bindung indem er sie bewußt als Person ansah und wahrnahm. Wigalt war der letzte und Varro folgte ihm nach einem letzten Blick in die Runde.

    Zwei Tagesmärsche bis zum Pferdelager, dann würden sie sich wieder in römische Equites verwandeln. Zwei Tagesmärsche, wenn nichts dazwischen kam.

    Varro starrte in die Richtung dieses undurchdringlichen Landes welche sie nun nicht mehr gehen würden. Was mochte dort auf sie warten, sollten sie es dereinst doch tun?

    Unendliche Wälder, Marschland, Sümpfe, sie wären freilich die größere Herausforderung als die recht spärlichen Dörfer. In nun fast zwei Monaten hatten sie keine Ansiedlung aufgefunden die mehr als 200 Seelen stellte, davon 3/4 Nichtkombattanten. Wo waren die Männer? Wo kamen sie vor allem immer her?

    Sie hatten mehr als einmal eine größere Gefolgschaft aufgerieben. Demnach als mindestens zwei Dörfer um ihre Jugend gebracht. Hier war nichts davon zu beobachten. Die wenigen Hütten und Langhäuser waren bewohnt, es gab ausgeglichen viele Männer in den Ortschaften.

    Das ließ nur den Schluß zu, daß die Plünderer von weiter her kamen,...also von dort hinten, dort im terra incognita.

    Ocella stand neben ihm und sah wieder einmal aus wie eine Müllkatze. Varro lächelte kurz in der Erkenntnis, daß sie alle, auch er selbst so aussahen und vor allem rochen.

    Varro nickte leicht und entgegnete, Ja, wir warten noch auf Thorbrand´s und Wigalt´s Rückkehr dann brechen wir hier ab und es geht zurück gen Mogontiacum.

    Die beiden Eques waren im der Ortschaft am anderen Ende des See´s und sollten dort eine Aufklärungsmissio durchführten.

    Er wandte sich ab und klopfte Ocella auf die Schulter. Veranlaße alles Notwendige, wenn die beiden hier sind, ...was ja nicht mehr allzu lange dauern sollte, gibt es eine kurze Einweisung von mir und dann ziehen wir in Richtung Sonnenuntergang. Er nickte Ocella zu und begab sich dann zu seinem Schlafplatz. Er mußte noch den See in die Karte einbringen und nachher die Angaben der beiden Speculatores hinzufügen. 54 Ortschaften hatten sie entdeckt...auf dem Rückweg würden sie einen anderen Weg nehmen und noch die eine oder andere hinzufügen. Sueben, Chatten und Cherusker, kaum noch Marser, aber auch Langobarden und Hermunduren, wenn auch nur als fahrende Händler hatten sie angetroffen. Allesamt friedlich und ihrem Tagwerk ergeben. Mehr als einmal kamen ihm Zweifel ob es ihnen jemals gelingen würde dieses Land, reich an Holz und Bodenschätzen ganz zu besetzen. Die Ortschaften lebten mehr für sich, pflegten aber einen regen Austausch an Waren und Menschen. Es gab verpflichtende Bündnisse und Rivalitäten.

    Varro ahnte, nein er wußte, daß sie sich im Ernstfall, etwa einer römischen Eroberung verbünden würden und das wäre ein Desaster. Denn die Stärke der römischen Legion, ihr Formationskampf war in dem vorherrschenden Gelände nahezu nutzlos. Man würde sich anpassen müssen, Taktiken entwickeln um den zu allem Entschlossenen wilden Kriegern zu begegnen. Varro zeichnete den See ein und dachte über die Dinge nach.

    Da meldete der Wachposten die Rückkehr von Thorbrand und Wigalt.

    Varro drückte den Rücken durch. Wie lange waren sie nun unterwegs? 7,...8 Wochen? Obwohl die Tage wärmer wurden waren die Nächte noch empfindlich kalt. In eine Decke gehüllt die Hände um einen Becher mit heißem Würzwein betrachtete er aus einer gesicherten Position den einzigen Zugang zu ihrem Versteck. Wie seine Männer hielt auch er seine Wache über die schlafenden Kameraden. Gedanken kamen und gingen. Gesichter tauchten vor ihm auf und gingen wieder in die neblige Unendlichkeit seiner Gedankenwelt. Morgen würden sie die Missio beenden und sich auf den Weg zurück zum Castellum machen.

    Morgen,...das war nicht mehr allzu fern. Der Würzwein ramm angenehm warm durch seine Kehle und erwärmte Brust und Bauch.

    Sein Blick glitt über die schlafenden Männer, alle in wildem Räuberzivil, alle, wie er selbst auch bärtig und abgezehrt. Wie es hungrige Waldläufer nun einmal sind.

    Ihre oberste Pflicht war es nicht aufzufallen, deshalb liefen sie zu Fuß durch die Wiesen und Wälder. Die Pferde waren gut bewacht in einer geschützten Stellung und wurden von 10 Mann bewacht. Die meisten waren krank oder hatten sich verletzt, sie würden die Aufklärung also nur behindern. Es war gut so, denn der Erfolg gab ihnen Recht.

    Er hob seinen Blick und sah über den Wipfeln der Bäume das Sterben der Nacht und die Geburt des Tages.

    Ein letzter Schluck und er wandte sich um Ocella zu wecken, was er auf sehr rustikale Art dann auch tat.