Der Rest des Marsches an diesem Tag verlief unter einer gewissen Anspannung. Allen Männern war bewußt wo sie waren, daß sie jederzeit von allen möglichen Seiten mit einem Angriff rechnen mussten. Die Vorhut und die seitlichen Späher waren unsichtbar für die Gruppe, lediglich ihr Fluchen, wenn sie im Dickicht durch Dornen oder Brennnesseln liefen zeugte von ihrer Anwesenheit. Doch fluchten sie in ihrer Muttersprache, welche besonders bei Olaf, der aus dem hohen Norden Germaniens recht drollig.
Varro trieb um seine Männer. Er war mal vorn, mal in der Mitte, mal hinten. Immer wieder half er Gestrauchelten auf die Beine, munterte auf, trieb an.
Die Tage waren inzwischen länger hell und so dauerte es auch entsprechend länger sie auf den Beinen zu halten.
Bei Sonnenuntergang erreichten sie dann ihren gesetzten Lagerplatz. Die von den Kameraden versteckten Vorräte und Decken wurden ausgegeben und die Wachen eingeteilt.
Feuer war verboten, niemand sollte sie lokalisieren können. Das geschäftige Treiben ließ langsam nach und als die Sterne am Himmel funkelten, auch der letzte die angelegte Latrine genutzt und sich in die Decke gewickelt hatte verstummte das Gemurmel. Varro stand mit Ocella und Thoralf auf einer Anhöhe unweit des Lagers und spähte in die Dunkelheit. Von diesem Platz aus konnte man Meilenweit sehen. Angesicht der dichten Vegetation musste man jedoch scharf aufpassen und auf eventuell aufsteigende Vögel achten. Nichts war sicher und zeigte sich als das was es war. Halt´die Augen offen, Thoralf,...in zwei Stunden kommt die Ablösung. munterte Varro den Eques auf, der ihn säuerlich grinsend mit tiefen Rändern unter den Augen ansah. Ein Knuff gegen die Schulter geben machte sich Varro mit Ocella auf den Weg ins etwa 100 Fuß entfernte Lager.
Wenn wir in diesem Tempo weiterkommen, müssten wir morgen Abend bei den Pferden sein...leg´dich hin Ocella, ich übernehme die erste Wache.
Mit einer leichten Handbewegung verhinderte er Ocellas Wiederspruch, erkannte jedoch auch Dankbarkeit in seinen müden Augen.
Die Strapazen des Marsch, die ungewohnte Lebensweise seit nunmehr 2 Monaten nagte an ihm, nagte an allen, auch an ihm selbst.
Er sah Ocella zu wie er sich in die Decke wickelte und tat es ihm gleich. Die Nacht wurde wieder frisch, so wie die Nächte zuvor. Vorsichtig zog er seine Spatha aus der Scheide und lehnte sich an einen Baum. Seine Gedanken kreisten um die Missio, um die Expedition, um die Erkenntnisse aus zwei Monaten Aufklärung.
Gab es einen perfekten Zeitpunkt für eine Strafexpedition? Traf es die Richtigen? Er hatte in den Ansiedlungen und Dörfern Menschen kennen geelernt, die im Schweiße ihres Angesichts für ihr täglich Brot schufteten. Er sah Fleiß, aber auch Gier, Neid und Rachsucht. Es gab immer jemanden der den Anderen seinen Wohlstand nicht gönnte.
Das war die Saat. Der Funke der alles ins Verderben reissen konnte. Streitigkeiten um Weideland, Vieh oder auch um Frauen ließen regelmäßig Auseinandersetzungen mit teilweise tödlichem Ausgang folgen. Es waren einfache Menschen mit einem einfachen Codex. Sie würden sich Roms Macht niemals beugen. Varro dachte bei sich, daß es hier Kräfte gab, die Rom bezwingen konnten, denn nichts in diesem Land war so wie es schien.