@ Iunia: Diese beiden Zitate hab ich nur mal exemplarisch aus einer ganzen Latte von sich völlig widersprechenden Textstellen ausgewählt, weil sie die beieden Extrempositionen am besten auf den Punkt bringen. Natürlich haben wir mit Stauffer einen prüden Kirchenmann am Werk, aber soweit ich das aus dem herauslesen konnte, was andere über S. geschrieben haben, zieht sich diese Ansicht schon durch die Bank; die Philosophie und Vorleben des Autors nicht trennen wollte oder konnte.
Genauso, wie die Ansicht, dass Seneca überhaupt ein Gott der lateinischen Sprache und Philosophie gewesen ist, die sein außerphilosophisches Leben vergisst.
es gibt aber auch einige Zwischentöne, die sagen: "mhm, ja, äh nein... oder so. Äh prima Latein auf jeden Fall :D".
Diese Widersprüchlichkeit steht bei Seneca (wie auch bei Augustus und anderen) auf einem handfesten historischen Fundament und ist nicht nur durch die jeweilige "politisch-religiös-moralische" Haltung der beurteilenden Historiker zustande gekommen:
Seneca hat, wi er auch selbst schreibt ab einem gewissen Punkt Neros Ausscheifungen nicht mehr kontrollieren können und musste wohl oder übel bei der Party mitmachen. Auch seine Rolle in dem Mord an Neros Stiefbruder Britannicus ist unklar... wikipedia ist da sehr aufschlussreich
Außerdem war da natürlich seine Raffgier. Das Geld, das man ihm schuldete hat er brutal eingetrieben. Dagegen hat er in seiner Philosophie immer das schöne Mantra, dass der Arme glücklicher als der Reiche ist, wenn er nur die nötige Virtus hat.
Auf der anderen Seite wiederum hat er versucht seinen Reichtum, mit dem die Stoa ja so ihre Probleme zu haben scheint, zu rechtfertigen, aber:
Aus Wikipedia:"Seneca-Experten bemängeln, große Teile dieser Arbeit dienten der Rechtfertigung des eigenen Reichtums mithilfe zweckhaft ausgewählter Philosopheme. Richard Mellein spricht in diesem Zusammenhang von Senecas „scheinheiligem Opportunismus“.[67]"
und die entsprechende Fußnote 67
"Richard Mellein, De vita beata, in: Kindlers Literaturlexikon, Kindler Verlag, Zürich 1964, S. 2613. Der Altphilologe Vasily Rudich kommt zu dem Schluss, dass Seneca sich in dieser Schrift nicht vom Streben nach intellektueller Klärung der Spannung zwischen verba und acta, von „Worten“ und „Taten“ habe leiten lassen, sondern von seinem Eigeninteresse habe leiten lassen. Außerdem wendet er ein, Seneca habe die Untersuchung unter Hintanstellung der psychologischen und politischen Implikationen rein auf die Ethik beschränkt. Daher sei ihm eine unparteiische Stellungnahme unmöglich gewesen. (Vasily Rudich, Dissidence and Literature Under Nero. The Price of Rhetoricization, Routledge, 1997, S. 88–96)"
Im ganzen geht Seneca in seinen Briefen also seinem Freund Lucilius mit Belehrungen über Tugenden auf die Nerven, die er selbst gar nicht vorleben konnte.
Zu deinen Argumenten, dass man solche Dinge mit der damilgen Moral und Ethik betrachten sollte: S. Handlungsweisen passten wie gesagt oftmals weder zur Stoa, noch zum Mos Maiorum (genausowenig wie die Handlungsweise des Augustus, ja eigentlich ein Fan von Virtus, Pietas; und der Livia, die du angesprochen hast
Wer genau hat Livia denn gelobt? Wenns Ovid war... in der Ars Amatora breitet er ja ganz andere Moralvorstellungen aus. Also fast gar keine
Auch über Nero kann man glaub ich diskutieren. Ob er jetzt Rom angezündet hat, oder nicht, jedenfalls hat er nicht die zerstörten Stadtviertel wieder aufgebaut, sondern sich ne schicke Hütte mit dem bezeichnenden Namen "Domus Aurea" dorthin gestellt.
worauf ich hinauswill: Wie würdet ihr, wenn man die vielleicht tendentiöse Überlieferung und Kommentierung mal außer Acht lässt, Seneca nur aufgrund seiner Taten und Schriften beurteilen?
Sollte man Leben und Schriften trennen und sagen das ist der Mensch und das die Philosopie, oder gehört das zusammen?
Wenn man nachdenkt, trifft das ja nicht nur auf Seneca zu. Viele haben Wasser gepredigt und Weil getrunken. Sollte ma ndas also bei einer Beurteilung berücksichtigen oder nicht. Das ist hier die Frage
@Helvetius: Danke, den Pauly werd ich mir mal anschauen