Beiträge von Servius Matinius Ocella

    Ocella umrundete die Baracken der Turma II und betrat den Stall von Tisanders Contubernium. Es war leidlich sauber, doch es standen nur 6 statt der 8 Pferde darin, welche laut Stubenbelegung dort sein sollten.

    Er sah sich noch einmal um, vielleicht hatte er ja vorhin etwas übersehen.

    Doch es ging soweit alles in Ordnung.

    Nun, Eques,...zwei Fragen,...warum stehen hier nur sechs Pferde?...welches ist dein Pferd?


    Die Stuben waren mit 6 oder 8 Reitern belegt. Typisch für berittene Einheiten waren Kasernen-Stuben mit Durchgang zu unmittelbar anschließenden Pferdeställen. Auch Hilfskräfte und Knechte konnten in denselben Gebäuden untergebracht sein.

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    Von Juschki 3D-Zeichnung unter Benutzung der freien Software Sketchup, vom User Juschki erstellt unter Verwendung von frei verwendbaren Elementen des "3D-Warehouses" (angelehnt an Veröffentlichungen des Museums Krefeld-Linn zum Thema "Kastell-Gelduba" (Gellep). - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48818063

    Inzwischen hatte jemand Ocella geholt, das war die einfachste Art, die Aussage des Kerls zu verifizieren. Ocella trat zu der wache und warf einen Blick auf den Mann. Es war beinahe schwierig ihn zu erkennen, sie hatten sich ewig nicht gesehen. Der Dienst bei den Truppen hinterließ Spuren.

    Doch es war Avianus, er hatte die Augen des Vaters.

    Ihr Verhältnis war nie sehr eng, der Altersunterschied machte eine Freundschaft nahezu unmöglich. Deshalb nickte Ocella und reichte Avianus den Unterarm.

    Bruder,...was verschlägt dich hierher? Es war vielleicht weniger herzlich als in anderen Familien, doch respektvoll und fast schon freundlich, wie die Matinier halt miteinander umgingen wenn Fremde dabei waren.

    Korrekte Meldung, dachte sich Ocella wohl und nickte sie ab. Na schön,...dann wollen wir mal sehen ob meine Vorstellung von Sauberkeit und Ordnung mit der eurigen deckt!

    Ocella trat seine Inspektion an, ließ sich von sauber gemachten Pritschen nicht beeindrucken, sah sich Essgeschirre ebenso wie die Spatha oder Lorica des einen oder anderen genauer an.

    Er fuhr mit der Hand über Schränke und prüfte den Staubgehalt unter Stühlen und Tischen.

    Natürlich fand er auf diese Weise das eine oder andere. Doch er beließ es bei Kopfschütteln und einen guturalem Knurren.

    Danach ließ er sich die Fingernägel einiger Equites zeigen, denn er hatte im Valetudinarium gehört, daß sich dort vielfach der Grund für Entzündungen an Wunden befanden.

    Er schickte die Hälfte der Equites zum Händewaschen nach draußen, dabei zeigte er ihnen seine gepflegten Fingernägel. So haben die Nägel auszusehen, kurz und weiß! Ab sofort wird das kontrolliert! Ab sofort wird auch die Sauberkeit der Körper gepflegt!

    Er sah in teils ungläubige, teils betroffene Gesichter. Doch er setzte noch eines drauf.

    Ab sofort wird zum Dienstbeginn gelaufen, um das Castellum herum, das sind etwa 10 Stadien,...und das ganze 5 Mal, danach Leibesübungen, Waschen und antreten zum gemeinsamen Frühstück! Nun wirkten alle bestürzt, doch Ocella grinste. Euch werde ich schon zu brauchbaren Equites machen...wenn wir nicht zu einer Patrouille eingeteilt sind werden wir neben den Leibesübungen auch Kampftechniken üben...solange bis ihr sie im Schlaf beherrscht, ihr werdet mit und ohne Pferd kämpfen, mit der Spatha, dem Bogen, den Wurfspeeren, der Lanze...ich werde aus euch die beste Kopie der Turma Prima machen die wir aufbringen können!

    Das ließ er sacken. Und nach einer Weile meinte er, Fragen dazu?

    Ocella , der Fango favorisiert hatte blickte Tisander ab als ob dieser einen fahren gelassen hätte. Er sah Tisander an und meinte,

    Eques Iunianus,...Nuntio.

    Das fehlte noch, daß er sich hier auf der Nase herumtanzen lies.

    Eques Tisander,...du begleitest mich anschließend in die Stallung, dort kannst du deine Nuntio geben.

    Ocella wußte, daß der Kerl eher seine Klamotten als sein Pferd vernachlässigte. Also würde er auch über die Zustände im Stall bescheid wissen und konnte dort Rede und Antwort stehen.

    Sein Blick fiel wieder auf Fango, doch hatte er bereist gesehen was Sachstand war. Es war lediglich eine Formalie.

    Also?

    Ocella stapfte zu den Ställen. Seine Seite schmerzte etwas, wenngleich er nur den ledernen Brustschutz trug fiel ihm das Laufen schwer. Irgendetwas zog oder zerrte immer in seinem Gedärm.


    Die Ställe waren wie alle Ställe. Es gab hier mehr oder weniger auszusetzen. Das Zaumzeug war gefettet, die Sättel sauber ausgerichtet. Die Heu- und Gerstevorräte, sowie das Wasser in der Zisterne waren in Ordnung. Ebenso die Pferde, er nahm sich die Zeit und ließ sich von den Calones alle Hufe, alle Gebisse und Schwachstellen zeigen. Nun, außer, daß die Pferde der Secunda ein wenig träge und fett wirkten waren sie in einem tadellosen Zustand.


    Er besprach sich noch ein wenig mit den Calones um deren Wünsche und Ideen anzuhören. Es war wichtig sich mit diesen Kerlen gut zu stellen, die Kunst war dabei sich nicht über den Tisch ziehen zu lassen. Die Wünsche der Calenes indess waren wenig auf persönlichem Vorteil ausgelegt. Sie baten um mehr Freilauf der Pferde, um Übungen und mehr Bewegung, weil die Pferde sonst nicht mehr den Anforderungen gerecht werden könnten.


    Ocella grinste und versicherte den Calones, daß sie schon morgen einen ausgiebigen Freilauf bekommen würden.


    Auf dem Weg zurück zu den Unterkünften kam zum ersten Mal bei ihm die Frage auf, warum Varro ihn hatte gehen lassen. Warum? Es gab genug Decuriones in den Stabsstellen um die vakante Position zu besetzen. Gab es etwas Ungesagtes zwischen Ihnen? Gab es irgendetwas was sie plötzlich trennte? Wollte Varro neue Wege gehen ohne ihn? War er seiner überdrüssig geworden?


    Das verstimmte ihn ein wenig. Doch war es nur natürlich, daß der Caesar ein Auge auf Varro geworfen hatte. Ocella war Zeuge wie Varro den Caesar rettete. Doch hatte er damals nicht den Eindruck, daß es Varro darum ging. Denn der Caesar war wie die Praetorianer in deren Rüstung. Als Caesar konnte man ihn nicht erkennen, es sei denn man kannte ihn.


    Kannte Varro den Caesar? Ocella nicht,…woher auch? Zu den Zeiten als sie noch in Roma weilten war der Caesar ein halbwüchsiger, ein pickeliger Bursche, sicherlich verwöhnt und willkürlich seinen Willen einfordernd. Nein, Varro kannte den Caesar nicht, denn seine Familie war zwar etwas besser aber eben nicht so hoch angesiedelt, daß sie zum Hofstaat gehörte.


    Grübelnd rammte Ocella die Türe auf und rief, einen Blick auf Fango werfend.


    Nuntio! Oh, ihr verfluchte Saubande,…eure Tage des Faulenzens sind vorbei. Er baute sich auf zu seiner ganzen Größe und spürte wieder ein schmerzhaftes Ziehen in der Seite, was seinem Gesicht einen verbissenen Ausdruck verlieh.

    Ocella stand vor der verschlossenen Türe der Turma Secunda. Scarpus´Turma Secunda. Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Bilder, Geschehnisse aus vergangener Zeit mit Scarpus.

    Immer wieder tauchte in diesen Gedanken auch Sabo auf, sein Bruder. Was wollte ihm sein geist damit sagen? Daß es falsch war seinen Weg zu verlassen? Immerhin hat er es zum Suboptio bei der Classis gebracht. Niemand, wirklich niemand hätte das gedacht! Ad bestias! Manche wünschten sich die Säckung, viele wollten ihn lebendig begraben oder Enthaupten.

    Doch ihre Familie zählte zu den honistores (honestiores = Ehrenhafte) und damit unterlagen sie anderen Ausführungsbestimmungen als die „Niedrigeren“ (humiliores).

    Ocella wischte die Gedanken an seinen Bruder zur Seite. Wenn der wüßte wem er die Beförderung zu verdanken hatte.

    Er ließ den Kopf im Nacken kreisen, schloß die Augen und konzentrierte sich auf seine neue Aufgabe. Die Bilder verschwanden, wenn auch Sabo hartnäckiger war.

    Einmal tief einatmen. Durch die Türe drangen die Stimmen der Equites.

    Ocellas Hand stieß die Türe auf und er betrat wie ein Wetterleuchten die Stube.

    Sofort wurde er wahrgenommen und die anwesenden Unglücklichen sprangen auf um kurz darauf zu erstarren.

    Sah er da Angst in den Gesichtern?

    Man hat mich gebeten für die Abwesenheit eures Decurios hier nach dem rechten zu sehen!

    Fast 7 Monate war Atius Scarpus nun schon absent. Auf Patrouille verschollen hieß es nach einem Monat, ...vermisst im Felde nach einem halben Jahr. Es grenzte an ein Wunder, daß nun ein Lebenszeichen aufgekommen war.

    Ocella stand mitten im Raum und sah sich um. Nun, da Scarpus seine beiden Stellvertreter mitgenommen hatte war die II. so etwas wie eine Kommune geworden. Die Diensteinteilungen sahen eine Aufteilung zu den einzelnen Patrouillen der anderen Turmae vor, aber die Lebensumstände der Turma hatte man schlicht vergessen.

    Er nickte und meinte gefährlich leise. So Kameraden, jetzt bringen wir mal Ordnung in die Bude, wir sind hier nicht im Lupanar von Caesarea, hier sieht es ja aus wie bei Festus unter der Cline! Ihr habt Zeit bis ich die Ställe inspiziert habe,...besenrein und gelüftet!

    Mit ernstem Blick sah er die Equites an, dann wies er auf einen der Tische. Und ab sofort kein Glücksspiel mehr und es wird hierdrin nicht mehr geraucht!

    Sprachs und wandte sich zum gehen als er Fango und Tisander bemerkte. Ein teuflischer Plan mäanderte durch seinen Kopf.

    Eques, Iunianus, Eques Tisander,...die beiden haben noch einen Sinn und Gefühl für Ordnung,...sie werden das Chaos hier lichten und beaufsichtigen!

    Ausführen.

    Die Türe knallte ins Schloß,...und Ocella rieb sich fast schon vergnügt die Hände,...das würde ein Spaß werden. Wie wohl die Ställe aussahen?



    Ocella, froh das vermaledeite Dinge endlich los zu sein bemerkte Varro´s Blicke und strich sich über das Gesicht. Hatte er noch Essensreste...? Ein Blick auf seine Hand ließ ihn erstarren. Die Asche vom Aemilier war auf seinem Gesicht.

    Er musste sofort klären ob das Unglück brachte,...bestimmt,...ganz bestimmt.

    Die Information, daß er die II. übernehmen sollte ging in diesem Gefühlschaos fast unter. Fast schon fahrig nickte und winkte er ab, ...ja mach´ich, kein Problem,...ich äh,...nun ich hab´noch,...also, da ist...

    Seine linguistischen Möglichkeiten näherten sich dem eines Einzellers. Er musste weg, zu einem Priester, zu einem Wasserkübel, aus seiner Tunica, die auf voll war. Herrschaftszeiten, war denn überhaupt noch Asche in dieser Sch...urne?

    Sicherheitshalber trat er auf Varro zu und kontrollierte den Deckel,...für alle Fälle. Dann winkte er mit dem Zeigefinger Sieh zu daß der Deckel verschlossen bleibt,...ich muss dann mal... sprachs und stob, halbwegs gesittet, jedoch nahe einer Panikattacke davon.

    Lieber inmitten von Barbaren als inmitten von adligen Geistern.

    Na also, Varro kam gerade aus der Principia, daß passte ihm ganz gut. Salve, ...salve! Gut daß du kommst! empfing er ihn, die Urne weit von sich haltend. Das hier sind die streblichen Überreste von diesem Aemilier,...du sollst ihn zu seinem Vater, dem LAPP bringen...ich kann dir nicht sagen, wie froh ich bin, daß du da bist und ich dieses Ding loswerde.

    Ocella galt gemeinhin nicht als ängstlicher Typ, doch lag in seinem Gesicht ein Ausdruck von unendlicher Erleichterung.


    Die Urne mit der Asche des Aemiliers stand, abgedeckt von einem wenig würdevollen Lappen in einer Ecke seiner Unterkunft, wo Ocella sie aufbewahrte bis er sie Varro übergeben konnte. Diese verfluchte Ding bereitete ihm Unbehagen, verfolgte ihn bis in seine Träume, wo ein Geist ihn heimsuchte.

    Als die Nachricht von Varro´s Rückkehr zu ihm drang, nahm er den Lappen von der kostbaren Urne und wischte damit über die schimmernd rötliche Oberfläche. So Aemilius, jetzt bringe ich dich zu Varro, dann geht es zu deinem Vater und dann sicherlich nach Hause, da kannst du dann mit deinen Ahnen plauschen und dir ein schönes Dasein machen. Hauptsache er ließ ihn in Frieden, er brauchte seinen Schlaf. Etwas fahrig nahm er die Urne und der Deckel, fehlerhaft angebracht löste sich. Beim Versuch ihn abzufangen geriet die Urne ins Wanken und ein Teil der Asche entkam seinem Gefäß. Unter Ocellas ungläubigem Starren bedeckte sie auf dem Weg zum Tisch seinen Unterarm und staubte ihm ins Gesicht. So eine Sch...verdammter Mist, verflixter!

    Voller Panik griff er die Urne mit beiden Händen und schob die Asche vom Tisch wieder hinein. Diesmal prüfte er die Festigkeit des Verschlusses bevor er sie wieder abstellte.

    Ungläubig starrte er auf seinen Unterarm, der grau vor Asche war. Der Versuch sie abzuklopfen misslang leidlich und er beschloss sie abzuwaschen. Im Stabulum fand er einen Kübel Wasser, versenkte beide Arme darin und rubbelte sich frei von der Asche.

    Doch vergaß er sein Gesicht und den Ärmel seiner Tunica.

    Verunsichert, aber zufrieden ging er zurück zur Unterkunft und redete sich aus, daß er von nun an regelmäßigen Besuch vom Geist des unglücklichen Aemiliers bekommen würde.

    Er griff die Urne und stiefelte heraus. Sollte Varro das Ding verwahren.

    Ocella kam mit dem Aschetrupp zurück zum Campus. Inzwischen hatten sich alle Anwesenden verdrückt und die Asche erkaltete.

    Wortlos wies er seine drei Helfer an die noch verbliebenen Knochen zu sammeln und in eine Kiste zu legen. Er begann die Asche zusammen zu fegen.

    Ein seltsamer Ort um über den Sinn seines Lebens nachzudenken. Aber wo sonst wenn nicht in den Überresten derer deren Leben geendet und ihre sterbliche Hülle zu dem wurde woraus sie standen, lebten, litten.

    Er schaufelte die Asche von den zusammengekehrten Haufen in den Bleibehälter. Dabei dachte er an die toten Kameraden, an all die Toten die bereits von ihm gegangen waren. Verblüfft stellte er fest, daß es viele, sehr viele waren. Immer schon, seit er denken kann ist der Tod sein beständiger Begleiter. Der Behälter war voll, er nahm einen weiteren.

    Der Kampf neulich, nichts besonderes, seine Verwundung, auch nichts besonderes, war ja nicht das erste Mal.

    Doch irgendetwas war seitdem anders.

    Ocella sah von seiner Arbeit auf. Der einzelne Haufen da hinten, das war der neue Subpraefect.

    Er kannte ihn nicht, hatte zwar geholfen ihn herzurichten, schönes Patrizierbürschlein. Doch jetzt? Wer konnte schon seine Asche von der eines Germanischen Hilfstruppenreiters unterscheiden. Genauso grau und flockig, genauso tot und vergangen.

    Wind kam auf und blies in die Aschehaufen, wehte Teile davon.

    Ocella trieb die Equites zur Eile. Nahm die Urne des Statthalters und schaufelte hinein was ein an Asche noch erhaschen konnte.

    Bald war die Urne voll und er schloß den Deckel.

    Na los,! Rief er seinen Helfern zu. Bringt die Knochen und die Asche ins Sacellum. Dort hatten sie seit jeher ihre Toten gebracht. Es würde eine kleine Zeremonie geben und sie würden eins sein mit ihren Kameraden.

    Die Urne mit den Überresten des Subpraefecten würde er Varro bringen. Der hatte die zweifelhafte Ehre sie dann dem LAPP zu überreichen. Vielleicht würde Varro ihn bitten mitzukommen. Natürlich würde er mitkommen. Er würde immer mitkommen. Es war einfach sein Bedürfnis bei Varro zu sein, auch wenn Sabaco das als hündische Ergebenheit herabwürdigte.

    Der sollte sich gerade stillhalten. Alles an ihm war verderbt, düster, anrüchig. Kaum zu glauben, daß sie Brüder waren. Ocella war sicher, Sabacos Eifersucht Varro gegenüber war völlig unbegründet. Sabaco war sein großer Bruder, Varro sein Freund. Das erhob ihn nicht über Sabaco, aber das schien dieser nicht zu verstehen. Würde er für Sabaco sterben? Wenn es sein mußte. Würde er für Varro sterben? Zweifellos und ohne zu zögern. Die Bande des Blutes waren dick, die Bande der Freundschaft und Kameradschaft dicker. Sie wurden täglich erweitert und gefestigt. Das war bei Sabaco nicht der Fall. Zuviel an ihm war absurd, seine Eifersucht nervtötend. Varro war sein Vorbild, dagegen konnte Sabaco nicht anstinken. Ocella liebte ihn, wie man einen Bruder nur lieben konnte. Ein letzter Blick auf den Platz. Alles war weggekehrt, nur noch der verbrannte Rasen erinnerte an die Cremation. Ocella strich sanft über die wertvolle Urne. Und das was ihr in uns zurück gelassen habt.

    Dann machte er sich auf die Urne zu Varro zu bringen. Die Gedanken an seinen Bruder lösten sich auf.

    Ocella stieß die Türe zur Stube auf und trat ein und mit ihm hallte ein stechender Befehl durch den Raum.

    STateeeeee!

    Die Anwesenden eilten zu ihren Pritschen und erstarrten dort zu Salzsäulen. Wie nett. Ocella grinste und flanierte durch den Raum. Warf einen interessierten Blick hierhin und dorthin. Schüttelte den Kopf und sah entrüstet vor sich hin. Bald darauf stand er wieder vor der Eingangstüre und sah die frischgebackenen Eques an. Er nickte leicht als er begann;

    Soso, ihr seid also der Nachwuchs,...teilweise schon Helden mit Kampferfahrung!

    Sein Blick fiel auf Fango und Tisander. Eure Zeit als Tirones ist vorbei und ihr werdet nun euren Stammeinheit zugeteilt, ...dient ehrenhaft, kämpft machtvoll und seid ein Vorbild für all jene die zu uns aufblicken! Was ja nicht allzu schwer war, schließlich saßen sie meistens auf Pferden. Doch es war durchaus so gemeint und Ocella holte eine Tabula hervor.

    Alwin...Turma III

    Zismos... Turma IV

    Fango...Turma II

    Tisander... Turma II

    er sah auf und die beiden an.

    ...sieh an, die beiden Turteltäubchen bleiben zusammen! Na prima,...Decurio Atius Scarpus wird euch schon die Flügel stutzen!

    Ein bitterer Zug flog über sein Gesicht. Scarpus war seit Tagen vermisst. Varro ließ ihn zwar suchen, aber bisher erfolglos. Seit dem Lebenszeichen durch die Classis gab es zwar wieder Hoffnung und zwei der Kameraden waren zurück, aber sie lagen im Delirium. Er hoffte Scarpus würde es schaffen, war ein prima Kumpel.

    Er verlas die restlichen Namen und klappte dann die Tabula zusammen.

    Dienstbeginn bei der Stammeinheit ...Morgen früh. Räumt jetzt alles auf und überlasst die Stube euren Nachfolgern.

    Ihr seid jetzt Equites der ALA I Aquiliana Singularis...! Offiziell zwar noch nicht, aber wenn der Caesar das sagte dürfte es wohl stimmen.

    Er nickte den Kerlen zu und verließ die Stube, wohlwissend was jetzt dort abgehen würde.


    Es war wieder einer von diesen Tagen. Man dachte an nichts Böses, da stand eine Figur vor dem Lager. Ocella hatte weder ausgesprochene Lust noch die nötige Zurückhaltung um seinem Gegenüber respektvoll oder auch nur ansatzweise höflich zu begegnen.

    Decurio Germanicus Varro befindet sich auf einer Patrouille,...wird gegen Sonnenuntergang zurück erwartet.

    Oh ja, er war auf Patrouille, ohne ihn,...er sei mit seiner Verletzung noch nicht so weit. Aber sich hier mit Lackaffen abgeben zu müssen. Und die Wache war ja auch nicht wirklich ungefährlich, sonst bräuchte man ja keine Wache.

    Ocella blickte den Princeps Praetorii genauso blutleer und desinteressiert an wie ein Scriba in der Regio einen Bittsteller.

    Im Gegensatz zu diesem war er jedoch ein höflicher Mensch, trotz allem.

    Möchtest du ihm eine Nachricht hinterlassen oder...? na, er würde wohl kaum hier warten wollen.

    Die Chose war endlich vorbei. Der Praefectus gab das Signalzum Wegtreten. Was er nach einem kurzen Seitenblick mit Varro auch sofort in die Wege leitete. Nach dem Einrücken in die Unterkunft musste er das Aschenkommando einrichten.

    Die Prima blieb bis zum Schluss und rückte als letzte Formation ab.

    Ocellas Blick fiel auf die glimmenden Häuflein, die einst seine Kameraden gewesen waren.

    Kameraden,...Brüder. Sie waren ein Teil von ihm und es schmerzte an sie zu denken, an ihr Lachen, ihre Eigenarten, an ihren Mut im Kampf, ihren Übermut beim Herumtollen.

    Ihm wurde aber auch klar, daß er beinahe mit ihnen ins Elysium gegangen wäre. Ein unangenehmes Ziehen in der Seite schien ihn daran erinnern zu wollen. Er richtete sich auf , noch war es nicht soweit und wenn, dann wäre es auch gut gewesen. Sie starben mit Ehre und Ruhm, wer konnte das schon von sich behaupten?

    Ocellas Blick war leer als er auf die Flammen starrte. Seine Gedanken gingen zurück in die Tage seiner Kindheit. Rau, brutal und skrupellos war die Bande der sein Bruder vorstand. Irgendwann, die Urbs zitterte längst vor ihrer Willkür, entdeckte Sabo seine Vorliebe für Feuer, die bis heute ihre Faszination nicht eingebüßt hatte.

    Ocella fragte sich ob diese Liebe wohl krankhaft oder wahnhaft war. Denn Sabo wirkte fast schon in höchste Sphären entrückt wenn er wieder einmal einen Brand legte, sei es um des Brandes willen oder um irgendeine Freveltat zu vernichten.

    Der Scheiterhaufen fiel in sich zusammen. Glut stieg empor und verglühte in einem Funkenregen. Von den Körpern war nichts mehr zu sehen, der Geruch von verbranntem Fleisch war verschwunden. Fast 1,5 Stunden standen sie nun hier. Hatten Reden gehört, gesungen und mancher eine Träne verdrückt.

    Sein Blick suchte und fiel auf Varro. Wie ein Reiterdenkmal saß er auf seinem Schimmel, die Augen scheinbar auf den Scheiterhaufen gerichtet.

    Langsam wurde es Zeit. Gleich würden die Überreste in eine Urne gefüllt werden und feierlich zum Ort der letzten Ruhe geleitet wird. Das würde aber nur die betroffene Prima durchführen.

    Die anderen Kameraden würden zu ihrem Dienst zurückkehren und sicherlich ihren Gedanken nachhängen.

    Auf dem Appellplatz angekommen löste sich Ocella aus dem Verband und brachte sein Pferd zu den Signiferii, wo man ihm die Standarte der Ala II Numidia überreichte.Mit einigem Stolz nahm er sie entgegen und positionierte sich an der vorgegebenen Stelle. Rechts und Links von ihm die übrigen Standartenträger mit den Insignien ihrer Turmae. Vor ihnen stand Decurio Calenus mit dem Bildnis des Kaisers. Da kam der Vornehme Haufen, lauter Prominenz. Ocella reckte sich im Sattel und hielt die Standarte. Mit eiserner Miene starrte er auf das Podium.

    Natürlich fehlte das eine oder andere Teil an seiner Paraderüstung, so war seine Gesichtsmaske unauffindbar. Doch das war eher kein Problem, denn sie sollten vor dem Caesar ja ohne Maske antreten. Sie waren ja unter sich. Die ganze Woche hatte er seinen Brustpanzer poliert und aus den Roststellen waren dunkle Punkte geworden. Patina die im spiegelnden Eisen fast schon gewollt aussah. Einer der Kameraden zog die Riemen fest und half beim Anlegen der Waffen und des Mantels. Er trug eine der neuen Tunicae und seine Gedanken gingen zu seinem Bruder Sabo. Seit dem Valetudinarium hatten sie sich nicht mehr gesehen. Ob es der Hass auf Varro war? Ocella seufzte und wartete auf den erhobenen Daumen seines Kameraden. Alles saß, alles gut. Er griff sich seinen Helm und stiefelte in die Hände klatschend nach draußen wo die Calones die geschmückten Pferde angebunden hatten.

    Ihm folgten die übrigen Equites. Alles senkten vor den leeren Pferden der Gefallenen ihr Haupt und stiegen dann mit ernstem Gesicht in die Sättel.

    Der Decurio hob und senkte den Arm und es ging los.

    Der Appell stand bevor. Nicht nur ein einfacher Appell, nein, einen mit hohem Besuch. Der Caesar war im Castellum, also musste alles nur besser klappen als sonst. Die Equites focht das nicht an. Sie bereiteten in Ruhe ihre Paraderüstungen vor. Überall wurde poliert, gewachst und ausgebessert.

    Ocella ging von Stube zu Stube und empfand Freude die Männer so in ihre Arbeit vertieft zu sehen. Dann betrat er die letzte Stube. Insgesamt 4 Equites der Prima waren gefallen. Die Tradition sah vor, daß immer ein Neuer in das Bett des Gefallenen zog um dessen Andenken zu wahren um ihm zu beweisen, daß man ein würdiger Nachfolger sei. Der Geist des gefallenen Kameraden begleitete den Neuen und schützte ihn, bis er ein vollwertiges Mitglied der Prima geworden war. Es war umgezogen worden, denn eine weitere Tradition besagte, daß ein Neuer immer zu drei altgedienten Kameraden ziehen sollte, die ihn aufnahmen. Die letzte Stube war komplett gefallen.

    Ocella schniefte.…es war das Los das sie gezogen hatten.

    Die Gefahr zu fallen war allgegenwärtig. Doch sie waren Krieger, im Kampf zu fallen war das höchste Opfer um stolz vor Ihre Ahnen treten zu dürfen.

    Ocella hatte keine Ahnung ob das so war, er wußte noch nicht einmal wie er seine Ahnen finden sollte. Seit seiner Verletzung hatte sich etwas in ihm geändert. Er war nicht mehr so erpicht darauf sich mit Barbaren zu messen. Nicht daß er Angst hätte, nein,…es sah eher so aus als hätte er seine Unschuld verloren und stand den Dingen nun nüchterner gegenüber.

    Im Gruppenraum waren die Habseligkeiten der Gefallenen Brüder aufgestellt. Ein jeder Bruder konnte sich zur Erinnerung etwas nehmen. Viel war es nicht. Ein paar verbeulte Schüsseln, Löffel aus Horn und Holz. Eine Flöte, ein altes Messer, Erinnerungen an die Heimat mit denen nur die Toten etwas anfangen konnten. Etwas Schmuck. Nachdem jeder etwas genommen hatte wurde der Rest verbrannt und so mit den Toten im Elysium vereint.

    Was blieb war die Erinnerung, die aber im Alltag immer mehr verblasste und sich die Einzelnen in das Heer der Vielen stellten, als die Toten der Ala II Numidia.

    Ocella klatschte in die Hände,

    Na los jetzt ihr müden Krieger, wir müssen noch den Empfang der Neuen organisieren. Wäre doch schade wenn ihr erster Tag bei der Prima ihnen nicht im Gedächtnis bleiben würde!

    Unter dem schadenfrohen Lachen verließ Ocella die Baracke in Richtung Ställe, es gab noch viel zu tun. Wenngleich sie im Kampf gegenseitig das Leben opfern würden, so waren sie doch im Alltag zuweilen wie die kleinen Kinder.

    Ocella riss die Türe des Schulungsraums auf und nickte dem Deplicarius zu.

    Offenbar hatte dieser die Ergebnisse noch nicht verkündet, war aber für ein paar dieser Saftgurken ohnehin nicht von Belang - Feldbeförderung hieß das Mittel der Stunde.

    Ocella setzte sein finsterstes Gesicht auf und starrte in den Raum. Was für ein Haufen! Die sollten die Grenze verteidigen? Die sollten ihn ,...Varro irgendwann ersetzen?

    Und nachdem der Sesterz dann endlich gefallen war und die Mistkäfer umgesetzt hatten, daß ein Vorgesetzter den Raum betreten hatte, begann der erste in die Vertikale zu gehen und Haltung anzunehmen. Ocella atmete hörbar ein und wartete bis die ganze Klasse sich bequemt hatte.

    Setzen! schnautze er die Klasse an. Dann stellte er sich neben den Duplicarius ANTE DIEM IV KAL SEP DCCCLXXI A.U.C. (29.8.2021/118 n.Chr.) findet auf dem Exerzierplatz ein Appell statt!

    Diejenigen unter euch, die ihre Abschlußprüfung bestanden haben, finden sich zu gegebener Zeit dort ein, Paraderüstung für Mann und Pferd!

    Nach den Ernennungen zum Eques werden diejenigen unter euch, die an der kleinen Auseinandersetzung teilgenommen haben von Caesar mit einer Auszeichnung geehrt... Er sah Fango und Tisander dabei kurz an, ebenso Andriscus. Danach kehrt ihr hierher zurück und werdet auf die Turmae verteilt.

    Er grinste wölfisch. ...und dann ist es vorbei mit dem Lotterleben!

    Ein kurzes Nicken für den Andriscus und Ocella verließ den Raum wieder. Fango in der Prima...was hatte sich Varro nur dabei gedacht? Der würde seinen Gaul mit Blumengirlanden schmücken!

    Der Wachhabende zog die Schultern hoch und trat an den Reiter heran. Furchtlos blickte er zu den finsteren Gesellen hoch und entgegnete,

    Aquilius Bala hat sich nicht als Caesar vorgestellt, daher darf er passieren. Ihr jedoch werdet eure Waffen ablegen, denn auch die Praetorianer haben sich an die Gesetze zu halten.

    Er trat von Furius zurück, salutierte vor Caesar und sagte in einwandfreiem Latein,

    Salve mein Caesar! Willkommen bei der Ala II Numidia, der Kamerad wird dich zum Praetorium geleiten.

    Dann warf er dem Paretorianer einen gleichmütigen Blick zu und aktivierte mit einer Geste die Wache gegebenenfalls einzugreifen.