Beiträge von Servius Matinius Ocella

    Ocella´s Zustand war in etwa vergleichbar mit einer extrem durchzechten Nacht, er nahm alles wie durch einen Schleier wahr, dumpf und stumpf drangen Geräusche zu ihm. Er hatte Durst. Immer wieder tauchten vor seinem Gesichtsfeld helle Flecken auf und wischten an ihm vorbei. Er wurde müde, alles in ihm schrie nach einem Bett oder einer Stelle wo er einfach nur liegen konnte. Seine eiserne Disziplin ließ ihn im Sattel bleiben und die Tatsache, daß sie alle ein wenig in sich gekehrt und mit sich selbst beschäftigt warenließ sein Lebenslicht langsam unbemerkt verlöschen. Neben ihm tauchte ein Reiter auf und schrie flüsternd auf ihn ein. Ocella wandte sich der Stimme zu,...war es die Stimme von Varro? Nein,...es war die Stimme seiner Mutter, ganz sicher! Aber was machte seine Mutter den hier bei der Arbeit? War etwas mit Sabo?

    Ocellas Augen waren rötlich verquollen. Seine recht Hand hielt eines der Sattelhörnchen, während seine linke die juckend, brennende Stelle an seinem Bauch hielt.

    Mutter,...was,...was...? Ein Blitz fuhr ihm ins Gesicht, instintiv riss er seine Hände hoch, was...?

    Ocella verlor durch die ruckartige Bewegung in seinem blutverschmierten Sattel den Halt und fiel seitlich herunter. Sein Pferd blieb augenblicklich stehen. Die Kolonne braucht unwesentlich länger, doch die Hufe des nachfolgenden Pferdes verfehlten ihn, was nicht zuletzt der Marschordnung geschuldet war. Irgendein alter Startege hatte die zwei Pferdelängen Abstand nach einem Gefecht wohl aus praktischer Erfahrung eingeführt.

    Ocella fühlt sich wie auf der Außenseite in einem Strudel, Hände halfen ihm, doch er kam nicht auf die Beine, er sah verschwommene Gesichter, Varro,...das war Varro. Ocella weinte, es tat ihm leid, daß er in diesem Zustand war, gelobte Besserung. Er wollte zurück auf sein Pferd, doch er konnte nicht gehen, geschweige denn stehen. Sie schafften ihn an die Strassenseite, legten ihn auf seinen Mantel. Jemand entfernte seine Hamata, schnitt seine Tunika an der Seite auf. Er bekam das zischende Geräusch nicht mit, als die Umstehenden sich abwandten angesichts seiner Verletzung. Eine Hand strich ihm die schweißnasse Stirn, eine andere Hand hielt die seine. Varro?!...Varro?...ich...ich muss zu Sabo,...Mutter,...Mutter war hier... Er stand auf. Fühlte sich leicht und unbeschwert. Unter einem ordentlichen Furz drückte er sein Kreuz durch und spuckte auf den Boden. Sein Blick fiel auf die Gruppe die da am Boden vor einem Kerl knieten oder standen.

    Was machten die denn für Gesichter? Wulfgar, Thorwald, Harald, was denn... heulen die? Dann der kleine Fango,...und Varro. Was? Wessen Hand hielt Varro da? ...und da,...der Praefectus Terentius ...der eitle Pfau Calenus...neugierig schob er sich vor um zu sehen wer da lag. Uff,...durchfuhr es ihn. Zugleich mit der Erkenntnis durchflutete ihn ein irrsinniger Schmerz der ihn niederstürzen ließ. Aauuuuu,...verdammt, wer puhlt mir denn da ...lass das du Sack, sonst tret ich dir...ooooaaaou...

    Alles tat weh,...alles. Ocella atmete vorsichtig und ließ zu, daß man ihn verband und auf die Beine half. Mit zusammengekniffener Miene sah er in erleichterte Gesichter.

    Was?...noch nie vom Pferd gefallen?...Marschordnung herstellen...auf auuuuuu...ffff. Da gab heute erstmal nichts mit reiten. Sie hievten ihn auf das Fuhrwerk mit den Gefallenen. Er lehnte mit dem Rücken gegen einen mit seinem roten Mantel bedeckten Körper, liebevoll tätschelte er die Stelle wo er die Schultern vermutete. Gute Reise mein Bruder,...ich komme heute noch nicht mit.

    Kurz darauf verfluchte er innerlich die Strassenbauer, weil einfach jeder Stein seinem Gedärm seine Position meldete. Brachte das eigentlich Unglück,...mit all den toten Brüdern? Ach, Scheiß auf Unglück! Wenn er das überleben würde, dann...Ocella schlief ein und besorgte Gesichter wandelten sich in feixende Mienen. Ocellas Schnarchen übertönte sogar die Marschgeräusche.

    Was für eine Sauerei. Dieses Barbarenpack kämpfte wie irre. Zum ersten Mal seit langer Zeit geriet Ocella an seine Grenzen, geriet in Gefahr und überlebte nur dank seiner Kameraden. Was war denn nur mit ihm los? Varro kämpfte wie eh und je. Unaufgeregt, treffsicher und gnadenlos. Er selbst hatte hingegen seine liebe Not seinen Fluß zu finden. Das lag wohl am Chaos, an der unkoordinierten Gesamtlage. Es dauerte eine Weile bis er zu sich fand, bis sich die Barbarenhaufen lichteten.

    Die letzten Schläge die er ausführte waren eher lustlos, was auch an einer Verletzung an seiner Seite lag. Sehr zum Leidwesen seiner Gegner, die qualvoll verreckten anstatt schnell zu sterben. Als der Siegesruf erschallte zog er seine Spatha aus dem Gesicht seines Gegners, sank kurz auf ein Knie und atmete auf die Spatha gestützt tief ein. Kurz darauf spuckte er angewidert aus, denn die Luft stand vor Blut und Scheiße.

    Mühsam rappelte er sich auf, tastete an seine Seite und zog eine blutig verschmierte Hand hervor. Er verzog das Gesicht...und beschloß nicht daran herumzufummeln, das sollte ein Medicus machen. Er stieg über seinen zuckenden letzten Gegner hinweg und machte sich daran verletzte Barbaren zu stechen.

    Es dauerte eine gewisse Weile bis sie ihre Gefallenen gefunden und zusammengelegt hatten. Gernot, Wulfgar, Titus und Felix hatte es erwischt, alle Anderen waren mehr oder weniger unverletzt und guter Dinge. Das erfüllte Ocella mit Freude und Stolz, denn für die Gefallenen war es ein Privileg im Kampf gefallen zu sein.

    Nach dem Aufräumen hieß es aufsitzen, was ihm leidlich gelang. Als er im Sattel saß sah er auf sein linkes Bein. Dunkles Blut sammelte sich dort aus seiner nassen Tunica.

    Er erwiederte Varro´s Grinsen, doch beschlich ihn langsam das Gefühl es nicht bis zu Hause zu schaffen. Der Schmerz wich einer Taubheit und in seinem Kopf begann ein dumpfes Dröhnen.

    Sein Pferd ging von selbst los als sie anritten, mit etwas Mühe hielt er sich im Sattel...

    Es widerstrebte Ocella ohne die Pferde in den Kampf zu gehen, doch Varro hatte natürlich Recht. Sie hätten sich nur gegenseitig behindert. So teilten sie sich auf Varro auf der linken und Ocella auf er rechten Seite der Strasse. Ein erwartungsvolles Beben durchfuhr ihn. Was da vorne geschah war mehr als diese Geplänkel der letzten Jahre. Das war ein amtlicher Kampf. Wenngleich die meisten der Barbaren eher herumdrängten ohne wirklich zu kämpfen. Die Kumpels in der Mitte des Getümmels mussten ordentlich was zu tun haben.

    Die Barbaren waren dermaßen aufgeputscht, daß sie nicht mitbekamen, daß sie von hinten angegriffen wurden. Die Kumpels mit den Bögen dünnten die Meute ordentlich aus.

    Endlich gab Varro das Angriffszeichen. Ocella´s Herz machte einen Sprung. Na schön,...! grollte er seinen Männern zu. Wir kämpfen uns zum Fuhrwerk vor und schirmen das dann ab um die Kumpels dort zu entsetzen. Die haben genug gekämpft,...grinsend zog er seine Spatha...Nett, daß siue uns welche übrig gelassen haben...

    Er nickte seinen Kameraden zu, wohlwissend daß sie nicht alle wieder zusammen kommen würden und ging los, fast schon gemütlich.

    Hey! rief er dem Barbaren zu, der mit dem Rücken vor ihm stand. Dieser wandte sich irritiert um und starb mit einem fragenden Gesicht. Ocella hakte, schlug, drängelte und stieß sich bis zum Fuhrwerk vor, dann nahm er das Schild hoch und bildete mit seinen Männern einen Schildwall um die Barbaren zurück zu drängen.

    Nachdem alles verstaut und festgezurrt war ging es los. Sie ritten die Pferde auf der Strasse im leichten Trab warm. Ihm grauste vor dem Ritt ein wenig, die Wiesen waren tückisch wenn sie nass oder feucht waren, andererseits konnte man auch keine 5 Stunden mit Hufschuhen auf der Strasse reiten, sie waren eh nur war für die leichte Gangart, sonst versagten schon mal die Schnallen und sie flogen einem um die Ohren.

    Vor ihnen kam die leichte Linkskurve welche die Starsse am Limes entlangführte, doch ersparte ihnen der Ritt in das Gelände hier fast 5 Meilen. Sie bogen ab und hielten den Trab bei, die Hufe klatschten und der Boden spritze ihnen die Beine hoch. Doch waren sie frohen Mutes, das Wetter hielt sich und die Sonne hatte eine angenehme Wärme.

    Ocella warf einen Blick nach links auf Varro. Die saß wie immer, eins mit seinem Pferd, fliessend in der Bewegung und genoß ganz offensichtlich den Ritt. Nichts an ihm deutete darauf hin, daß sie in eine ungewisse Zukunft ritten in welcher mancher von ihnen seinen Weg ins Elysium antrat.

    Sie waren nun ein mal was sie waren und sie taten nun einmal was sie taten, wenn sie es schlecht machten, wurden sie dafür bestraft...hallten Varro´s Worte in seinem Kopf. Er hatte sich wenig verändert in den 20 Jahren ihrer Freundschaft.

    Nun gehörte es nicht unbedingt zu Ocellas prägendsten Talenten anderen Menschen zuzuhören, auch verstand er nur die gängigsten lokalen Wörter, etwa um einen Handel klar zu machen oder eine Lupina zur Aktion aufzufordern. Was er aber verstand waren Worte wie "Mannen", "fehtan" Borbetomagus, Sigurd , vermaledeit, malan,...einhunt....

    Er schnappte diese Worte auf, weil die beiden Gefangenen sich ständig etwas zuzischten. Er trollte sich zu Wigand und zählte die aufgeschnappten Worte auf.

    Die Übersetzung klang vielversprechend. Er ging zu Varro der an ein Fenster gelehnt dem Unwetter zusah.

    Eine Weile sahen sie gemeinsam aus dem Fenster und Ocella meinte,

    Was für ein Scheißwetter,...und das im Mai...

    Er spuckte aus und kratzte sich die Nase. Ich hab´da was gehört, die beiden Misthaufen tuscheln wie die Waschweiber und Wigand meinte es hörte sich an wie Marsisch,...die ähem,...die Kerle reden von einem Sigurd der mit hundert Mann um Borbetomagus herumlungert um uns zu schlagen,...ich meine,...was wenn es stimmt?

    Ocella warf einen Blick auf die Männer, die beieinander standen oder saßen. 20 gute Männer.---

    Ich fürchte gegen hundert Mann können wir nichts ausrichten ohne selbst drauf zu gehen...nichts desto trotz müssen wir natürlich davon ausgehen daß sich da was herumtreibt.

    Es war noch nie seine Art einem Kampf oder einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, doch schätzte er immer seine Möglichkeiten vorher ein und hier war es eindeutig hilfreich sich Verstärkung zu holen. Er sah Varro an, der nach wie vor aus dem Fenster sah.

    Es war manchmal ein Kreuz mit diesen Barbaren. Sie verstanden nur eine Sprache. Doch Ocella verstand diese Sprache. Mit einigem Genuss rammte er dem kleinen Barbaren das Knie in die Leiste. Er musste verhindern daß sich sein Kameraden verletzten, womöglich sogar hinfielen. Aber er war gnädig. Sein Knie verschonte das Gemächt, so konnte der kleine Scheißer, sollte er das hier überleben, noch viele kleine Barbaren zeugen, quasi für Nachschub sorgen.

    Der Barbar krümmte sich ein wenig,...Weichei!

    Wieder waren Ocellas Dienste gefragt. Aufwecken...gerne...so ein Tritt in den Hintern hatte noch niemanden geschadet.

    Und während er seine Absichten umsetzte fiel ihm auf, daß der Himmel langsam zuzog.

    Wie eine Vorahnung bekam er von Grunwalds Weckversuch einen Schwall ab und sah ihn vorwurfsvoll an.

    Nun sieh dir das an, verdammt, Tunica nass, Füße nass und der Kerl pennt immer noch.

    Um sich zu entrüsten trat er nocheinmal in den Hintern, woraufhin der Malträtierte aufstöhnte.

    Na bitte schön,...wurde auch Zeit,...da kommt gleich mächtig was runter!

    Er hielt sich die feuchtklamme Tunika von den Beinen und wies mit dem Kinn nach oben.

    Ocella schüttelte grinsend der Kopf. Wenngleich sein großer Bruder inzwischen zwar uniform und deutlich zivilisierter auftrat, so blitzte immer noch ein klein wenig Wahnsinn durch. Borbetomagus wird warten müssen, ...mehr als ein Nachmittag frei ist zur Zeit nicht drin...Er schwang sich vom Pferd, ließ die Zügel fallen, klopfte dem Pferd auf den kräftigen Hals und trat auf seinen Bruder zu. Da er in Uniform war unterließen sie es im Angesicht der Wachen sich auf die übliche Weise zu begrüßen und beließen es beim Unterarmschütteln. Ich hab den Händler ausfindig gemacht, er ist wenig begeistert in solchen Mengen zu liefern...er produziert mit seiner Familie, und das sehr...nun sagen wir ...intensiv langsam.

    Er zuckte die Schultern. Deswegen sind sie so gut und gelinde gesagt auch so ...ähem...wertvoll.

    Es hatte damals intensiver Verhandlungen bedurft,...45 Sesterzen für die Langärmeligen und 35 für die Kurzen. Viel Holz für Klamotten, auch wenn sie es durchaus wert waren. ...unter 40 Sesterzen pro Tunica mit einer großzügigen Lieferfrist von 20 pro Monat ist nichts zu machen...er hat noch etwa 50 auf Lager, allesamt ungefärbt,...das Färben würde nochmal kosten,...soll aber länger halten. Er warf einen Blick zurück auf sein Pferd, welches stoisch auf der Stelle stand.

    Vexillarius Matinius Ocella für Suboptio Matinius Sabaco...meldete sich Ocella an der Porta. Er hatte dienstfrei, es war schönes Wetter, so saß er auf seinem Pferd und starrte die Wache an.

    Er warf dabei einen Blick auf die Fadenscheinige Tunica der Wachposten und beschied, daß es allerhöchste Zeit war den Kumpels vernünftige Kleidung zu gönnen.

    In seinen Packtaschen hatte er vier Tuniken zu Auswahl, für den Sommer und dem Winter in langärmeliger und dickerer Ausführung. Er hatte von seinem Kontakt auch ein paar Beinkleider bekommen, wie sie bei der Ala benutzt wurden. Insgesamt hatte der Weber ihm eine interessante Marge genannt, alles darüber war für ihn.

    Es war schon erstaunlich wie sehr die Preise und Qualitäten differierten.

    Varro redete immer so verdammt vornehm. Ocella glaubte nicht, daß diese Arschgeburt ihn verstand. Wenngleich er ihm immer bekannter vorkam. Er sah genauso aus wie einer von diesen Kerlen die sich beim Gehöft abgesetzt und in den Fluss gestürzt hatten. Insgeheim zollte er dem Barbaren Respekt dafür. Es war sicher im Winter nicht eben einfach solch ein Vorgehen zu überleben. Als der Typ nicht gleich anfing zu quatschen trat ihm Ocella ein wenig entgegen. Ihm war egal wie groß ein Gegner war, er kannte die Schwachpunkte des menschlichen Körpers.

    Na los du Mistfink,...antworte auf die Fragen!

    Oh wie gerne würde er ihn ein wenig zwingen?! Oder einfach nur mal kurz in die Eier zu treten, das half meist die ersten Hemmungen zu überwinden. Vor seinem Auge sah er die getöteten und geschändeten Leiber seiner Kameraden, die Opfersteine...

    Es war doch immer das selbe. Wieso sah Varro so etwas? Natürlich, jetzt fiel ihm auf, daß der Mistkerl eine Gladius- und eine Puggio-Scheide hatte. Ocella wurmte das dermaßen, daß er vortrat und den Gefangenen mit dem Mittelfinger auf die Nasenwurzel schnippte. Das verursachte einen kurzen dumpfen Schmerz, der einem die Tränen in die Augen treiben konnte, wenn er für den Schnipper so kräftige Hände wie Ocella hatte.

    Na los du Trollfurz,...du verstehst uns doch?! Er griff den Burschen ins dichte Haupthaar und zog den Kopf nach oben. Grinsend meinte er, ...das war nur mein Finger,...stell dir vor ich nehme die Faust?! Oh ja, nur zu gerne würde er diesen stinkenden Misthaufen eine Kostprobe seiner Faustkampfkünste geben. Er neulich hatte er sie zusammen mit seinem Bruder in der weiland abgebrannten Taberna Silva Nigra gründlichst erproben können. Ein wenig Beifallheischend sah er sich zu Varro um, doch dieser rieb sich gerade mit geschlossenen Augen die Nasenwurzel. Ein untrügliches Zeichen dafür, daß er Ocellas Vorgehen nicht guthieß und lediglich ihre lebenslange Freundschaft ihn vor einer Disziplinierung bewahrte.

    Ocellas Grinsen verschwand augenblicklich und er wandte sich wieder dem Gefangenen zu.

    Aber das ist doch alles kein Problem!...der Benefizarier, ...der dem ihr die Füße abgehakt habt,...der lebt und wird sich garantiert an deine Hackfresse erinnern!

    Ocella bluffte, er hatte keine Ahnung ob der Kumpel seine Verletzung überlebt hatte, fand seinen Bluff aber durchaus intelligent.

    Ocella nickte den kleinlauten Benefizarieren zu und meinte, ...ich würde mich jetzt an deiner Stelle mal zuende rasieren!...wie siehst das denn aus? Ein kurzes Zwinkern und er folgte Varro zu dem Gefangenen. Rund herum standen die Equites und machten sich bereit für den Abmarsch. Keiner von ihnen war zu Schaden gekommen, alle hatten überlebt und einmal mehr von Varros taktischem Geschick profitiert. Er trat zu Varro und dem Gefangenen. Ocella sah ihn an und bemerkte an ihm nichts besonderes, ein stinkender Waldläufer. Zottelig und nicht sonderlich gepflegt. Seinesgleichen lag dort hinten und bestaunte die Radieschen von unten.

    Varro fixierte den Kerl, irgendetwas beschäftigte seinen alten Freund.

    Was hast du vor? ...aus solchen Typen bekommst du eh´nichts heraus. Wir sollten ihn exekutieren und uns auf den Heimweg machen.

    Ocella wunderte sich nicht, daß die Kameraden mit ihren Pferden so schnell vor Ort waren. Überhaupt ging alles sehr schnell.


    Nach kurzer Zeit war alles ruhig. Nur das Schnaupen der Pferde und das Stöhnen der Verletzten störte die Ruhe.


    Macht die Kumpels los und legt die Verletzten um. Varro hat einen, das reicht für eine Befragung.


    Dann wandte er sich ab und betrachtete den Wald. Irgendetwas in ihm vibrierte, sein alter Sinn für besondere Gelegenheiten. Egal ob nun ein nahender Ehemann die traute Zweisamkeit mit seinem Weib störte, der Händler das Stibitzen des Apfels nicht bemerkte oder sich irgendetwas verbarg.


    Da war etwas…er musterte den Waldrand der sich in 50 Fuß dunkel und abweisend ausbreitete.


    Dieser vefluchte Wald.


    Als Varro zu ihm trat nickte er nur zustimmend und war froh seinen Freund wohlauf zu sehen.


    Mnja,… murmelte er. Wollen wir hoffen, daß da hinten nicht noch etwas auf uns lauert!


    Hinter ihnen erlösten die Equites die drei Verletzten von ihrem irdischen Dasein und schafften die Leichen zu den anderen. Die Benefizarier standen betreten zusammen und sahen zu ihm und Varro.


    Na los,…wollen wir uns mal anhören warum diese Hornochsen sich haben überrumpeln lassen!


    Normalerweise gab Varro die Befehle, aber irgendwie war ihm danach. Er knuffte Varro gegen die Schulter und stampfte los.

    Ocella nickte grimmig und gab den letzten 6 Männern im Zug Zeichen ihm zu folgen. Endlich kam Leben in die Bude.


    Gut Männer, wir lassen alles am Pferd was klappert und glänzt. Bewaffnung, Spatha, Puggio, Bögen. Wir sehen uns das Ganze mal von Nahem an.


    Er wartete bis sich die Männer von ihren Helmen, Mänteln und klappernden Ausrüstungsteilen befreit, Spatha und Bogen auf den Rücken und den Puggio in die Hand genommen hatten.. Dann nickte er ihnen grimmig zu und sie verschwanden im Unterholz des angrenzenden Waldes.


    Es war schon eine Herausforderung die Strecke bis zur Station geräuscharm zurück zu legen. Immer wieder knackte ein Ast oder stob ein Vogel genervt schnatternd auf.


    Sie erreichten schließlich den Rand des Waldes zur Lichtung des Postens und verbargen sich um zu beobachten. Kein Rauch kam aus dem Kamin, ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Nichts zu sehen, nichts zu hören. Doch da,…nacheinander traten zwei Kerle aus dem Haupthaus und es waren keine Benefiziarier. Ocella kniff die Augen zusammen, blinzelte. Die Typen kamen ihm bekannt vor,…vor ein paar Tagen bei diesem Fußabhacker…ja…verdammt, das waren sie.


    Aufpassen Männer! Ich sehe zwei Feinde,…wir warten.


    Nach und nach kamen weitere Kerle aus dem Haus, die vier Benefiziarier im Schlepptau.


    Ocella zählte sie durch. Es waren 10 Mann.


    Gundalf, gib Varro das Blinksignal,…4x blinken!


    Gundalf verschwand und Ocella gab Befehl die Bögen zu spannen. Wenn die Typen die Kumpels hören werden sie etwas aufgeregt sein, dann geben wir ihnen saures um sie noch mehr zu verwirren. Von Links nach Rechts, jeder visiert einen an und wartet auf mein Kommando!


    Knirschend protestierte der Bogen gegen seine Inanspruchnahme während Ocella sein Ziel anvisierte.


    Die Hufe erklangen, Gundalf kam zurück und es entstand Unruhe bei den Germanen.


    …und ab!


    Zielsicher flogen die Pfeile von den Sehnen und streckten 6 der Germanen nieder.


    Spatha raus und ab!


    Bis zu den Typen waren es 30 Schritte. Böse lächelnd trat Ocella aus dem Dickicht und lief mit glänzender Spatha auf die Gruppe zu.

    Mit zwiespältigen Gefühlen hörte Ocella seinem Bruder zu. Ob es ein Fehler war in zur Classis zu bringen und dann auch noch als Suboptio? Wenn man ihm so zuhörte glaubte man mit dem 14 jährigen zu sprechen der damals nach dem Brand in der Suburba so mirnichts dirnichts verschwunden war. Ocella leerte seinen Becher und füllte nach, Sabo´s Becher direkt mit, der wie nicht anders erwartet leer war. Der Feuerknecht begann Tranchen aus dem Schinken des Wildschweins zu schneiden.

    Ja, paß´bloß auf, die Typen bei der Classis haben einen ganz eigenen Humor, mit denen ist noch weniger zu spaßen als bei der Legio! Ocella winkte der Schankmagd und bestellte zwei ordentliche Portionen. Die Ala patrouilliert nach wie vor. Inzwischen überschneiden sich die Routen aber mit denen der Ala I Flavia Singularium. Die haben ein Marschlager eingerichtet und sind mit drei Turmae dabei...demnächst soll noch Verstärkung von der Cohors II Raetorum equitata kommen,...also die Sache läuft...und trotzdem sind immer noch kleinere Banden unterwegs...für mich ein Zeichen, daß die sich nicht absprechen oder ihre Erkenntnisse teilen.

    Kurz darauf kam die Schankmagd herbei und stellte eine amtliche Portion zusammen mit einer Honig-Kräutersoße auf den Tisch. Ihre Avancen unterließ sie diesmal, denn sie hatte begriffen, daß die beiden Kerle anderes als fleischliche Freuden im Sinn hatten.

    Ocella probierte an der Soße und verzog grinsend das Gesicht. Zusammen mit dem würzigen Braten würde das sicherlich gut munden. Er lud seine Portion auf einen Teller und schob ihn Sabo hin, dann nahm er sich selbst etwas. Das Wasser lief ihm schon im Mund zusammen. Nach einem köstlichen Bissen verdrehte er die Augen...

    Ocella hörte seinem Bruder zu und freute sich ihn so ausgelassen und entspannt zu sehen. Was? Du hast deine eigene Bude? Ich hab´ja schon gehört daß diese Classis Knaben eine andere Vorstellung von den Dingen haben. Aber daß Cato ihn auf das Flaggschiff verfrachtet hat!?? Naja, geil ist das irgendwie schon, aber da bist du natürlich auch im direkten Blickwinkel des Alten. Da darfst du dir keine Fehler erlauben... Ob das der runderneuerte Sabo hinbekam? Ocella hoffte es.

    Du darfst nie an dir zweifeln Sabo, hör´zu und sieh dir an wie es die alten Hasen machen!

    Sie waren beide zu lange dabei um sich Illusionen zu machen.

    Wie ist der kommandierende Offizier? fragte er...während ihm der Duft des Wildscheins am Spieß langsam den Magen nach innen stülbte.

    Wohlwollend betrachtete Ocella seinen älteren Bruder. Die Schankmagd kam und stellte ihm einen Humpen Met und die kleine Brettmahlzeit hin. Darf es sonst noch etwas sein? fragte sie und beugte sich demonstrierend vor um ihre Auslegeware im besten Licht zu zeigen. Nett...dachte Ocella, aber heute war Herrenabend! Ich denke wir warten noch ein wenig bis das Schwein dort fertig ist...bring uns einfach noch eine Kanne von dem Met! Die Schankmagd nickte und machte sich davon.

    Na, es scheint dir ja nicht wirklich schlecht zu gehen bei der Classis?! begann Ocella sein Gespräch und nahm einen Schluck von dem erstaunlich gutem Met. Es blieb abzuwarten ob die Qualität im Laufe des Abends auf diesem Niveau blieb oder der Wirt ihn modifizierte. Die Schankmagd kam, stellte die Kanne ab und zwinkerte Ocella noch einmal auffordernd zu, doch er ignorierte sie nach wie vor.

    So stand er also zum ersten Mal in der neuen Taberna. Es wirkte alles neu, unabgenutzt, ja heller. Der neue Wirt war ein Veteran der II. und hatte ein großes Herz für die Milites aus Mogo. Jeder bekam bei seinem ersten Besuch einen Humpen Met und eine Brettmahlzeit mit Schinken, Käse und Brot. Dementsprechend voll war es auch. Ocella begrüßte bekannte Gesichter die alle mit hochroten Wangen ihre frei Mahlzeit vertilgten und sich über die Lage der Dinge austauschten. Die Schankmagd geleitete ihn zu einem freien Tisch in der Nähe des großen Kamins in dem ein großes Wildschwein über den Flammen briet. Ein Knecht ließ den Körper über der Flamme rotieren, während er immer wieder ein gewürztes Öl auf die bereits gegarten Stellen strich. Ein unbeschreiblicher Geruch stieg auf und verursachte ebensolche Lust auf ein Stück Wildschwein...die aber nicht kostenlos war. Der neue Wirt wußte schon was er tat und so stand kurz darauf sein Humpen Met und seine kleine Cena vor ihm. Fehlte nur noch Sabo...

    Ocella hatte an diesem Tag freiwillig den Wachhabenden übernommen, weil er sich das Spektakel ansehen wollte, alleine um den guten Calenus von seinem weißen Pferd fallen zu sehen.

    Mit seiner typischen Miene (siehe Avatar) betrachtete er die Gruppe um den bestens ausstaffierten Calenus, der auf seinem weißen Dingsda wie ein vom Himmel gefallener Halbgott aussah.

    Das hörte sich ja alles gut an, war bestimmt gut geplant, denn planen konnte er der gute Calenus. Er nickte seinen beiden Tirones zu und hoffte sie würden die Missio heil überstehen.

    Andriscus bekam ein Augenzwinkern und die unmissverständliche Geste auf die Burschen aufzupassen.

    Nicht doch, dachte sich Ocella und schüttelte leicht den Kopf. Natürlich hast du noch nie etwas Falsches getan, aus deiner Sicht. Es gab nur zwei Arten mit Sabo klarzukommen, man liebte ihn oder man fürchtete ihn. Sein Selbstverständnis war klar gegliedert,...die Welt ist so wie ich es denke...

    Ocella hob die Hand und winkte seinem Bruder kurz zu . Alles Gute bei der Classis! Wir sehen uns!

    Dann ging er zurück in das Castellum, gedankenverloren...

    Anscheinend hatte Ocella bei seinem Bruder ein paar Unklarheiten beseitigt. Sabo machte einen befreiteren Eindruck als vorher. Er winkte ab und entgegnete, Quatsch, ...jetzt pflege halt auch deine Zähne... weiter kam er nicht, denn sein Bruder presste ihm die Luft aus den Lungen. Die Zeit drängte etwas, er musste wieder rein. Doch etwas hielt ihn zurück. Diesen Gesichtsausdruck kannte er, er verhieß nichts Gutes. Bau jetzt keine Scheiße hörst du Sabo?