Beiträge von Galeo Sergius Plautus

    Au weia, sagte sich Plautus, als er diese Nachricht hörte, da bin ich ja grade im falschen Moment nach Roma gekommen. Eine schlimme Nachricht, wenn man noch in Erinnerung hat, was nach dem Tod des letzten Kaisers über das Imperium heringebrochen war. Der Palma war ja, den Göttern sei Dank, nicht so ein Schurke gewesen wie sein Vorgänger, aber es gab da so ein Geschwätz auf den Märkten und in den Kneipen, dass er etwas langsam regiert hätte. Immerhin, er hatte ehrlich regiert. Dann hörte Plautus, wie sein Nebenmann fragte, ob er denn nicht etwa ermordet worden sei. Na ja, sowas war ja schon vorgekommen, aber die Frage ging ihm dann doch auf den Geist.


    "He, Nachbar, was soll das? Geht das schon wieder los mit den saudummen Verschwörungstheorien?"

    Die liebe Base hatte seine Bemerkung über den Maccius Plautus ganz locker flockig auf den Kopf gestellt. Jetzt war jener umbrische Spaßmacher plötzlich ein kleiner Wicht und überhaupt nicht imstande, in der noblen sergischen Liga zu spielen. Galeos Verblüffung darüber hielt nur kurz an, nämlich just bis zu dem Augenblick, als er ihr von seiner Herkunft erzählt hatte. Da wanderte ihre Nasenspitze gleich vier Digiti nach oben und ihr Mienenspiel glich sich in Windeseile dem jener Nobelschnepfe an, die er kürzlich auf dem Mercatus getroffen hatte. Ungläubig glotzte er Fausta an. Vor allem, als sie sich nicht entblödete, die Zeiten herauf zu beschwören, als noch ALLE Zweige der Sergia ehrenhaft gewesen sein sollen. Damals soll es ja, den Göttern sei Dank, den asinischen Zweig noch gar nicht gegeben haben.


    "Ich muss Dir vielmals danken, dass Du mich auf den Kopf gestellt hast, liebe Fausta. Denn das verschafft mir einen ganz neuen Blick auf die sergischen Familienverästelungen. Glaubst Du denn allen Ernstes, dass man mit den paar Hanseln, mit denen die Sergia bis jetzt knapp über die Runden gekommen ist, noch viel Staat machen kann?"


    Er stützte seine Hände auf die Knie und beugte sich vor:


    "Glaubst Du tatsächlich, dass es irgendwas mit Vernunft zu tun hat, wenn man diesen lächerlichen, ausgefransten Rest, den uns die Jahrhunderte übrig gelassen haben, wenn man den auch noch säuberlich in eine edle Ecke und eine peinliche asinische Schmuddelecke aufteilt? Ich versuch mir grade das Gedränge vorzustellen, das in diesen beiden Coupés herrschen muss. Nee, Fausta, wenn dieser Saftladen noch mal auf die Beine kommen soll, dann verkneif Dir das."

    Plautus antwortete: "Nun, ich hatte an das Amt des Aquarius in Roma gedacht. Ich komme aus Neapolis und habe dort bei den Reparaturarbeiten an der Aqua Augusta mitgearbeitet. Ich habe hier eine Referenz des Architectus, unter dem ich dort gearbeitet habe".


    Er übergab dem Optio eine Tabula. Viel erwartete er nicht davon, weil ihm klar war, dass man hier in Roma den Architectus sicher nicht kennen würde.

    Als der Ianitor ihn angekündigt hatte, sagte Plautus kurz: "Salve, Sergia Fausta".


    Er schaute sich um. Sergias neues Officium war protzig groß. Die eher einladende Möblierung milderte das etwas ab, so dass Plautus den Gedanken verscheuchte, sich vor dem Schreibtisch zu verbeugen. Er folgte dem Wink der Dame und nahm auf einem der Hocker Platz.


    "Ja sicher, Du kannst einfach Plautus zu mir sagen, Fausta". Er sah in ein schönes Gesicht mit einem kleinen Kinn, das eine bestimmte schutzbedürftige Weiblichkeit signalisierte, die bei Männern blitzschnell den Drang nach Heldentaten auslöst. Plautus war gewarnt, denn oft genug war er auf die spitzen Schreie neapolitanischer Weiber reingefallen. Und siehst du, Galeo: schon kam die Anspielung auf Maccius Plautus.


    "Ja, ja, ich weiß, er ist in Sassina geboren. Aber bitte, lass mir nicht die Ehre angedeihen, mich mit Maccius Plautus zu vergleichen. Ist absolut nicht meine Liga."


    Danach die unumgängliche Frage nach dem Zweig der Familie. Ja, nix mit Noblesse, sondern Plebs aus Neapolis.


    "Nimm's leicht, Fausta. Ich gehöre zu dem verlotterten Familienast des unsäglichen Numerius Sergius Asina. Mein gramgebeugter Vater hieß Lucius Sergius Catilina. Auch er musste immer wieder Vergleiche mit einem berühmten Namensvetter aushalten." Plautus lächelte, "War aber auch nicht seine Liga".


    Achja, das Cognomen Plautus. Wahrscheinlich ekelten sich die patrizischen Familien schon seit Romulus' Zeiten davor, ihren Mitgliedern DEN Beinamen zu verpassen. Aber ... Plautus kramte in seinem Hirn, doch da war einer:


    "Nee, Fausta, da gibt's einen: Gaius Sergius Plautus, vor ungefähr dreihundert Jahren seines Zeichens Praetor Urbanus. Nichts zu machen: Plattfüße gibt's eben in jeder Familie", sagte Plautus feixend in Faustas schmales Lächeln.

    Plötzlich war der schwarze Mann wie zu einer Statue erstarrt und sein Blick fixierte an Plautus vorbei irgendeinen Punkt in einer fernen Unendlichkeit.


    Plautus stand hilflos davor. Niemand hatte ihm gesagt, wie man mit regungslos gewordenen schwarzen Männern umgehen muss. So versuchte er dann doch nochmal, den Ianitor anzusprechen. "Du mich tun gebringen zu Sergia Fausta?"

    Nach dem Showdown auf dem Markt schlenderte Plautus an den Thermae vorbei, blieb kurz stehen und entschloss sich dann doch, dort hinein zu gehen, obwohl er erst gestern das sergische Balneum genossen hatte. Die Thermen hier waren tatsächlich viel interessanter.


    Zögernd schaute er sich um und ging dann zum Calidarium, in dem ein Römer wie ein Wal herumschwamm, kurz prustend auftauchte, um dann wieder unter der Wasseroberfläche zu verschwinden. Ein anderer Römer saß regungslos im Wasser und schaute dem ersten zu. Ganz kurz kam ihm Ovids Gedicht über die Frösche in den Sinn, aber er hielt sich zurück, daraus zu zitieren. Stattdessen blieb er am Rand stehen.


    "Salvete, meine Herren, gewährt ihr mir noch ein Plätzchen in diesem herrlichen Becken?"

    Zitat

    Die Dame: „Criton, ich möchte gehen!“


    Während der Urbaner-Optio weiterhin an den Pfefferminzplätzchen herumnibbelte, war die hochnobelfeine Dame, deren Name immer noch ein Geheimnis war, offenbar zu einem Ergebnis gekommen: Sie pfiff ihren Kampfhund zurück.


    Plautus rekapitulierte seine eigenen Worte, die er vorhin zu ihr gesagt hatte und sagte leise: "Wenn etwas im Scherz gesagt wird, ist es unfein, es ernst zu nehmen".


    Er trollte sich.

    Plautus guckte erstmal erstaunt, denn er hatte noch nie einen schwarzen Mann gesehen. Dann versuchte er, aus dem Kauderwelsch des Ianitors eine sinnvolle Aussage herauszufiltern. Als er das geschafft hatte, kam ihm der Gedanke, dass es sicher hilfreich wäre, wenn er sich bei seiner Antwort die verwegene Grammatik dieses schwarzen Mannes zu eigen machte.


    "Ich nix wissen, ich aus Neapolis. Aber wenn Du Ianitor, dann ich Galeo Sergius Plautus. Du gekönnen tun mich bringen zu Sergia Fausta".

    Es war nicht weit von der Casa Sergia zur Casa Iulia. Man musste nur den Collis Viminalis überqueren, an der Casa Octavia vorbei und nach vielleicht zwei Stadien stand man schon vor der beeindruckenden Casa Iulia.


    Plautus überquerte die Straße, ging an die große Porta und klopfte kräftig.

    Ein tiefer Friede hatte sich inzwischen über die Szene gelegt (mal abgesehen von dem Droh-August, der sich vor Plautus auftürmte). Der Liebestrank-Betrüger war momentan in sich gegangen und hatte sein Reklamegeschrei eingestellt. Die feine Dame trippelte ebenso wie ihre Begleiterin immer noch von einem Füßchen auf das andere, weil sie sich partout nicht entscheiden konnte. Derweil tändelte der Urbaner-Optio unverdrossen mit den Zwillingskaulquappen. Und der Drohaugust hatte bisher auch keinen Mucks von sich gegeben.


    Sein berühmter Namensvetter Titus Maccius Plautus hätte sich umgehend und freudestrahlend daran gemacht, aus dieser Szene eine abendfüllende Komödie zu fabrizieren.


    Innerlich lächelnd setzte Sergius Plautus die Besichtigung des Schlagetots fort, wozu er jetzt etwas den Kopf heben musste. Als das Gesicht des Kerls in sein Blickfeld kam, zuckte er zusammen. Eine Visage, die einem die Tränen in die Augen trieb.


    "Sag mal, Großer, was treibt eigentlich solch ein dahergelaufener Gangster wie Du mitten in der Urbs Aeterna?"

    Zitat

    „Hat dich einer nach deiner Meinung gefragt, Bürschchen?! Schleich dich und lass der Domina ihren Frieden!“


    Wie aus dem Boden gewachsen tauchte plötzlich ein riesiger Fleischklops auf, häßlich wie ein Matratzenladen, und sonderte Drohungen ab. Plautus verschränkte die Arme und blieb stehen.


    "Ich bin ein römischer Bürger und kann meine Meinung sagen, ohne dass mich irgendwer darum gefragt hat. Und damit Du Dir nicht darüber im Unklaren bist, wem Du gleich eins in die Fresse hauen wirst, sage ich Dir auch meinen Namen: Galeo Sergius Plautus aus Neapolis."

    Zitat

    „Aus welchem Loch du immer herkommst krieche zurück. Da schneit es eher schwarz, bevor deine ungewaschenen Finger auch nur in die Nähe meiner Schwester kommen.“


    Oh, das zweite Kätzchen hatte gefaucht. Plautus zuckte ein bißchen zusammen, fing sich dann aber wieder.


    "Wie? Hast Du Bohnen in den Ohren? Hab ich nicht grade eben gesagt, dass ich meine dreckigen Finger bei mir behalte, solange sie nicht erwachsen ist?"


    Dann ließ er ein breites Lächeln in sein Gesicht kriechen. "Stell Dir mal vor, wie ich in meinem Loch sitze, den Himmel anstarre und sehnsuchtsvoll darauf warte, dass schwarzer Schnee fällt."

    Stirnrunzelnd nahm Plautus die spitzzüngige Bemerkung des kleinen Pipimädchens wahr. Na ja, die spitze Zunge wurde den Frauen ja schon bei der Geburt als Geschenk mitgegeben. Er kannte das schon aus Neapolis.


    "Mach Dir keine Sorgen, Kleines. Du musst ja wohl noch einiges zulegen, bevor wir beide uns miteinander vergnügen können."


    Etwas erstaunt verfolgte er, wie die Sklavin der Dame dann doch mit Pauken und Trompeten dem Aberglauben verfiel und dazu riet, die gepanschte Lorke des Händlers auszuprobieren. Kein Zweifel, Frauen haben, wenn es um solche Dinge geht, die auf unerklärliche Weise zwischen Himmel und Erde schweben, extrem schwache Abwehrkräfte. Er sagte zu der Dame:


    "Is doch Garum wie Liquamen, schöne Frau. Ob Du jetzt die Lieberskräuterlorke trinkst oder nicht, das Schicksal wird seinen Lauf nehmen, so oder so. Viel nutzbringender wäre es doch, wenn Du Dich dazu aufraffen würdest, Venus ein Öpferchen zu bringen. Hilft immer."

    Plautus blieb stehen.


    "Was schreist Du hier so herum, dass die Vögel vom Himmel fallen? Von dem Gebrüll wird Deine Brühe auch nicht besser".


    Da schubste ihn ein Kerl beiseite, der sich durch die Menge wühlte, um genau zu diesem Krämer durchzukommen. Plautus rief ihm nach:


    "He, pass auf, wenn Du Dir mit dem Zeugs dann eine Traumfrau geangelt hast, wirst Du schnell merken, dass Du nachher noch 'nen Trank brauchst. Nämlich einen, mit dem man die Weiber zum Schweigen bringt. Und das wird teuer, mein Freund!"

    "Oh, Sergia Fausta. Sergia die Glückliche. Na, dann dürfte ja Alles bestens laufen, Severa. Schön, ich werde ein kleines Weilchen warten und dann zur Casa Iulia gehen. Vielen Dank für Deinen Rat."


    Nachdem Makitros angekündigt hatte, dass das Cubiculum hergerichtet sei, erhob sich Plautus.


    "Sehr gut, ich wünsche Dir noch einen schönen Abend, Severa. Ich bin wirklich müde und ich weiß nicht, ob das Bad mich nochmal aufrütteln wird. Makitros, zeig mir das Bad! Vale, Severa und nochmals Dank."

    Die Frage nach dem Wein überrumpelte ihn etwas, hatte er doch bisher nur daran gerochen. Eilig trank er einen kleinen Schluck und nahm das Aroma in sich auf.


    "Fabelhaft, ich könnte mich mit ihm anfreunden. Du hast aber recht, die Reise hat mich etwas matt gesetzt, vor allem das stundenlange Pflastertreten quer durch Roma. Da ist die Aussicht auf ein Bad doch recht wohltuend. Ich freue mich sehr über die herzliche Aufnahme in diesem Haus, Severa."


    Er hatte zwar auf dem Weg hier her überlegt, ob er in eine der großen Thermen gehen sollte, hatte aber dann doch der Neugierde auf das Haus seiner Sippe den Vorrang gegeben. In der Therme hätte er nur Zeit verloren. Andererseits wäre es natürlich gut gewesen, schon mal jemand kennenzulernen, den man vielleicht später noch brauchen könnte. Das brachte ihn auf seine Pläne und gleich danach auf Severas hochfliegende Worte.


    "Gemach, gemach, Severa. Berühmt, sehr reich ... Pah, ich muss da ganz klein anfangen. Aber, wenn es Dir keine Mühe macht, überleg Dir mal, welche wichtigen Leute ich kennenlernen sollte. Das wäre doch mal schon die Schnur, mit der ich das Tau heranziehen könnte, an dem ich dann hochklettern kann".


    Das mit dem noch herumhängenden 'aber' überging er, zumal er sah, dass Severa daduch ein bißchen ins Wackeln gekommen war.