Langsam schritt Severus neben dem Iulier her und hörte sich die Ausführungen des Iuliers über den ostiensischen Helvetier an. Dabei bestätigte sich nicht nur, dass die beiden offensichtlich in Ostia zusammengearbeitet hatten, sogar eine gewisse Verbundenheit schimmerte durch die Erzählung von Dives hervor, sodass sie wohl auch mehr als nur geschäftlich, das heißt amtstechnisch miteinander verbunden gewesen waren. Aber gut, Severus hatte Titus Ocella nicht mehr persönlich kennengelernt, sodass er sich einer Wertung enthielt. Er nickte daher nur zustimmend, dass es den jungen Mann zu früh getroffen hatte, denn auch er hätte ja unter Umständen dazu beitragen können, die Gens wieder mehr in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken. Warum sollte er aber mit etwas hadern, mit dem er nichts zu tun hatte und an dem er nun auch nichts mehr ändern konnte?
Entsprechend dankbar war er für den Themenwechsel, den der Iulier nun vollzog, auch wenn die Frage darauf zielte, dass bislang noch niemand für ihn geworben hatte, geschweige denn ihn überhaupt mal erwähnt hatte. Aber gut, das war wohl schnell erklärt. Ich hatte noch nicht das Vergnügen, deine Frau persönlich kennenzulernen, Quaestorius, auch wenn mein Vetter Marcus Commodus sie, aber auch dich, während unseres ersten Gespräches positiv erwähnte. Dass Commodus mich noch nicht erwähnt hat, mag wohl auch daran gelegen haben, dass er zuletzt vielbeschäftigt war und seine Gedanken sich wahrscheinlich eher um seine Geschäfte, denn um meine Person gedreht haben. Hinzukommt, dass ich noch nicht allzu lange in Rom bin. Immer hin lang genug, um bereits eine Anstellung gefunden zu haben, aber eben so kurz, dass sich seine persönlichen Beziehungen in der Hauptstadt noch sehr, seeeehr in Grenzen hielten. Eigentlich beschränkten sie sich sogar auf die Mitglieder seiner Familie, was für ihn definitiv zu wenig war. Das könnte sich aber ja heute ändern.
Und dann - endlich - ging es ans Eingemachte. Dives kam auf das Thema zu sprechen, weswegen Severus überhaupt hier war und bei dem Iulier vorsprach. Das Patronat. Dass er dabei offenbar die Formulierung des "auslotens" amüsant fand, überraschte Severus zwar ein wenig - denn was anderes war das denn hier alles, als ein ausloten: Konnte und wollte der Iulier ihm helfen? Könnte und wollte Severus die Ziele des Iuliers unterstützen? Kamen sie menschlich miteinander zurecht? Oder gab es gleich auf Anhieb persönliche Animositäten? - ließ ihn aber recht kalt. Ja, das ist richtig. Allerdings liegen meine Ziele nicht in der Stadtverwaltung. Mein Ziel ist der Aufstieg in die kaiserliche Administration, womit ich auch meinem Großvater Marcus Verus, er hatte den Posten des Primicerius a libellis inne, nachfolgen und ihn gerne auch überflügeln möchte. Schließlich wäre ein Helvetier in der kaiserlichen Verwaltung schonmal ein wichtiger Schritt hin zur Renaissance der Gens Helvetia.
Warum glaube ich nun, dass du derjenige bist, der mich dabei am besten unterstützen kannst? Ich habe viel über dich und deine beiden politischen Amtszeiten gehört. Viel gutes, muss ich hinzufügen, denn stets war von deiner Zuverlässigkeit und deinem Engagement die Rede, sei es nun als Decemvir stilitibus iudicandis oder als Quaestor Urbanus ab actis senatus. Beides hatte er nochmal vor dem Treffen bestägend nachrecherchiert, denn letztlich hatte konkret auch die Auswahl dieser beiden Ämter eine iuristisch-verwaltungstechnische Präferenz des Iuliers ergeben. Besonders das Stichwort "Engagement" war dabei von Bedeutung für mich, denn als Klient wünscht man sich doch auch, dass der eigene Patron sich auch tatsächlich einsetzt. Hinzu kommt, dass mir deine Wahl bei deinen bisherigen Posten aufgefallen ist, denn beide scheinen auf eine Präferenz in Richtung Recht und Verwaltung hinzuweisen, womit schon mal ähnliche Interessen, wenn auch in verschiedenen politischen Ebenen, gegeben wären. Was nutzte ihm denn irgendein Münzpräger oder ein Quaestor bei der Classis? Das Amt des Quaestor Principis wäre natürlich noch besser gewesen, aber solange die Verwaltungsnähe gegeben war, reichte das Severus vollkommen aus.
So viel aber erstmal zu seinen Überlegungen. Wenn es weitere Fragen gäbe, würden die ohnehin nochmal zur Sprache kommen.