Beiträge von TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS

    Als Livianus eintrat, verließ ein Notarius das Officium. Scheinbar hatte er gerade noch letzte Anweisungen erhalten. Der Kaiser war aber schon wieder beim nächsten Besucher und erhob sich von der Kline, als der Decimer eintrat.
    "Consular Decimus, wie schön, dass du sofort gekommen bist!" Er drückte dem Besucher die Hand und lächelte. "Nimm doch Platz!" Er deutete auf die etwas weniger prunkvolle, aber sicherlich ebenso bequeme Kline, die neben der kaiserlichen Liege und dem Schreibpult, an dem der kaiserliche Privatsekretär stand, die einzigen Einrichtungsgegenstände im Officium waren.


    "Ich habe einen kleinen... nun, sagen wir Überfall auf dich vor." kündigte Severus das Anliegen seiner "Vorladung" etwas wolkig an. "Vielleicht hast du bereits gehört, dass Duccius Vala, der Legat von Germania Superior, einen Unfall hatte. Er scheint überlebt zu haben, doch wird er sein Amt vorerst nicht ausführen können. Nach langen Beratungen mit meinen Beratern sind wir deshalb zu dem Schluss gekommen, dass wir ihn ersetzen. Und wir haben da an dich gedacht." Er lächelte den Decimer an. Als erfahrener Soldat und Verwalter war er sicherlich ein geeigneter Kandidat. Aber der Kaiser wollte niemanden zwingen.

    Digitus Minor war die rechte Hand des Kaisers. Alle Schreiben gingen durch seine Hand, er begleitete ihn überall hin. Niemand, nicht einmal die Augusta, wussten genauer darüber Bescheid, was Severus dachte oder plante. Der Iunier schätzte die Situation also durchaus richtig ein.


    Auf die Frage musste er trotzdem einen Moment nachdenken. Die Praefecti Praetorio waren schon eine Weile im Dienst, aber wie immer hatte der Aquilier sie aus den vertrauenswürdigsten und besten Equites ausgewählt. Marcus Statorius Icilianus Propinquus und Caius Heius Vibulanus waren vielleicht nicht die emsigsten Offiziere und delegierten viel an ihre direkten Untergebenen, aber machten bisher immer solide Arbeit. "Die Präfekten genießen mein volles Vertrauen." Er strich sich durch den Bart. "Der Trecenarius, dieser Tiberius Verus, ist neu." Der Mann hatte sich beängstigend schnell in seine neue Aufgabe eingearbeitet. "Es ist nicht so, dass ich ihm nicht vertraue, aber du könntest durchaus ein Auge auf ihn haben. Die Speculatores sind ja eine recht sensible Einheit und ich musste ihn ein wenig belehren, dass wir hier in Rom nicht ganz so viel Willkür walten lassen können wie mit den Provinzialen. Besonders, was Senatoren und Equites betrifft. Ich denke, er hat das verstanden, aber falls es diesbezüglich zu Problemen kommt, wäre es mir lieb, wenn du einschreitest." Als ehemaliger Chef der Kanzlei wusste er ja, wer die wichtigen Köpfe waren, die nicht einmal ein Kaiser ohne Risiko provozieren durfte.

    Nachdem sich niemand traute, von selbst zu beginnen, beschloss der Kaiser, von oben nach unten zu gehen. Die andere Richtung wäre vielleicht schwierig gewesen, weil die Pläne des Quaestor Consulum ja direkt vom Consul abhingen: "Claudius, du hast angedeutet, dass du mit dem Fortgang der Kommissionsarbeit nicht recht zufrieden bist. Habe ich das richtig verstanden? Oder wo siehst du offene Fragen für deine verbleibende Amtszeit?"

    "Ich bin sicher, dass du den Verantwortlichen finden wirst." erwiderte der Kaiser. Dann seufzte er tief. Es gefiel ihm nicht, Misstrauen gegen seine eigene Leibwache zeigen zu müssen.


    Nach einer kurzen Denkpause fragte er schließlich: "Gibt es sonst etwas, was du bezüglich deiner neuen Aufgabe wissen möchtest?"

    "Nun, ein paar Dinge kann ich dir sicherlich auf den Weg geben." antwortete der Kaiser, als Silanus sich seinerseits irritiert gab.


    Er rückte sich auf seiner Kline zurecht. "Als erfahrener Beamter der Kanzlei ist dir sicherlich bekannt, welche Aufgaben die Cohortes Praetoriae haben und wie wichtig mir eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist." Er strich sich rasch durch den Bart und hob dann den Zeigefinger. "Zuletzt gab es ein paar Missverständnisse, wie mir scheint. Es gab wohl einen Zwischenfall in den Archiven hier: Einige deiner neuen Männer haben vor den Augen des A Memoria Akten verschwinden lassen und sich dabei hochgradig ungebührlich verhalten. Ich habe den Präfekten bereits aufgefordert, die Verantwortlichen vorzuladen. Bisher ist aber nichts geschehen."


    Der Kaiser sah seinen Tribun eindringlich an. "Dieser Zwischenfall hat mich doch ein bisschen irritiert, wie du dir denken kannst. Die Konfiskation von Akten aus meinen eigenen Archiven ohne meine ausdrückliche Erlaubnis ist doch ein bedenklicher Akt." Da Severus noch nicht wusste, von wem diese Aktion ausging, konnte er auch nicht sagen, wie er sie einordnen sollte. "Umso glücklicher bin ich, mit dir einen Mann zu haben, dem ich vertrauen kann und der beide Seiten kennt. Es wäre mir lieb, wenn du in dieser Richtung etwas herausfinden könntest. Und mir dann Bericht erstattest."

    Der Kaiser hörte aufmerksam zu. Er kannte jeden dieser Männer. Aber manche schieden bereits aus, kaum waren sie genannt. Für Germania Superior war regulär ein consularer Statthalter vorgesehen. Und einer mit militärischer Erfahrung, sodass Flavius Gracchus direkt ausschied. Er hatte sowieso eine schwächliche Gesundheit, wie man hörte. Purgitius Macer hatte Germania bereits verwaltet. Nachdem er gerade erwogen hatte, den Duccier abzusetzen, um zu verhindern, dass er eine Hausmacht aufbaute, war es sinnlos, nun einen Mann einzusetzen, der bereits jahrelang in der Provinz tätig gewesen war.
    "Beraume eine Audienz für Decimus Livianus an. Wollen wir sehen, was er von der Idee hält." entschied er schließlich. Der Decimer amtierte zwar momentan in einem anderen Amt, aber für italische Posten waren leichter Kandidaten zu finden.

    "Ich werde zuerst einmal Duccius Vala dazu hören." entschied Severus. Er war ein Freund von klaren Verhältnissen und wollte nicht hinter dem Rücken des Ducciers zu ermitteln beginnen. Bisher hatte Vala ihm ja keinen Grund gegeben, misstrauisch gegen ihn zu sein.


    "Aber ich werde mich auf die Suche nach einem Nachfolger für ihn machen."

    "Ja, das ist gut. Oder der Legat der anderen Legion. Welche war das noch gleich?" Im Groben hatte der Kaiser die Legionsstandorte im Kopf. Aber bei Germania Superior und Inferior kam er doch manchmal etwas durcheinander.


    Er strich sich durch den Bart. Ein fehlender Statthalter war eine Sache, die sich nicht so einfach nebenher regeln ließ. "Schreib außerdem, dass wir für Duccius' Genesung beten und hoffen, ihn bald wieder hier in Rom begrüßen zu können." Severus hatte seiner Frau ja versprochen, dass Vala sich für seine Amtsführung verantworten würde. Was immer dabei herauskam.


    "Und dann sollten wir uns schleunigst auf die Suche nach einem Nachfolger machen. Die Augusta wird in meinem Namen einen Besuch am Limes machen. Das ist eine gute Gelegenheit, gleich einen neuen Legaten einzusetzen. Haben wir da jemand impetto?"

    Der Kaiser saß meist den ganzen Vormittag in seinem Officium und empfing Mitarbeiter oder bearbeitete Korrespondenz. Silanus hatte einen Termin, also war der Raum gerade frei, als er eintrat.
    "Komm rein, Iunius." Er deutete auf eine Gästekline (er selbst lag auf seiner, sein Sekretär stand am Schreibpult daneben). "Da bist du ja schneller gekommen als erwartet! Ich wollte dich eigentlich befragen, ob du dein Amt bereits gut angetreten hast." Wenn er sich noch nicht einmal beim Präfekten gemeldet hatte, musste der Aquilier aber wohl etwas umdisponieren.

    Sim-Off:

    Entschuldigung, Thread übersehen.

    "Jaja, so ein Jahr ist viel kürzer, als man denkt!" erwiderte der Kaiser auf die Bemerkung des Claudiers. Auch wenn er offensichtlich gut mit seinen Mitarbeitern auskam, waren seine Vorhaben wohl recht ambitioniert gewesen.


    Dann traf der letzte Gast ein, der ebenfalls begrüßt wurde: "Ave, Aurelius!" Sein Begleiter war offensichtlich auch ein römischer Bürger, aber Severus konnte ihn nicht genau einordnen. So oder so waren sie aber heute komplett.
    "Ich begrüße euch alle herzlich. Wie ihr seht, wollen wir heute in einer etwas gemütlicheren Runde miteinander ins Gespräch kommen. Nehmt also Platz, der Mulsum wird gleich gereicht!" Mit diesen Worten wies der Kaiser auf das imposante Triclinium, auf dem sie heute reichlich Platz haben würden. Ursprünglich hatte er überlegt, alle Magistrate zugleich einzuladen. Aber dann hätte er kaum Gelegenheit gehabt, jedem von ihnen genug Zeit zu widmen. Also waren sie aufgeteilt worden.


    Die Rangfolge der Gäste war dank der Ämter relativ leicht herzustellen: Der Kaiser lag auf seinem Stammplatz. Der Consul links daneben, dann sein Quaestor. Aurelius Lupus und sein Tiro bekamen dagegen die Plätze rechts vom Kaiser, sodass die gegenüberliegende Kline leer blieb.
    Als alle lagen, trugen die Diener Honigwein als Aperitif auf. Der Kaiser vollzog ein kleines Trankopfer und prostete dann den Gästen zu.
    "Ich habe euch eingeladen, um ein wenig über eure laufende Amtszeit zu erfahren." erklärte er. "Das Jahr ist noch nicht ganz vorbei, aber vielleicht ist es doch eine gute Gelegenheit, eine Zwischenbilanz zu ziehen und festzustellen, was noch bis zum Ende des Jahres geschehen soll." Er sah kurz in die Runde. Vielleicht begann ja einer von selbst.

    Der Kaiser strich sich nachdenklich durch den Bart, als der Ab Epistulis die Nachricht überbrachte. Es wirkte fast wie eine Fügung der Götter, dass er ausgerechnet zu dem Zeitpunkt einem Unfall erlag, als er sowieso hätte abgelöst werden solle.
    "Dann sollten wir uns nach einem Ersatz umsehen. Gibt es jemanden vor Ort, der die Provinz bis dahin interimistisch leiten könnte?"

    Da spürte man wieder die Unkonventionalität der Augusta. Andere Matronen hätten vielleicht Bedenken gehabt, allein in die Ferne zu reisen. Nicht so Veturia Serena. Sie packte die Dinge an, als wäre sie ein Mann. Und das war wiederum eine wertvolle Stütze für ihren Mann.
    "Iulianus wird aber hier bleiben müssen!" mahnte er deshalb, um seiner Gattin die Tragweite ihrer Entscheidung deutlich zu machen. "Ich möchte nicht riskieren, dass dem kleinen Mann etwas zustößt. Sollte Appius etwas geschehen, ruht schließlich die Zukunft Roms auf seinen Schultern!"


    Zu ihrem Anliegen mit dem Tiberier war auch etwas zu bemerken: "Wie gesagt, ich habe auch keinen Anlass zu der Annahme, dass Duccius Vala den Tiberier ungerecht behandelt hat. Die Würdigkeit für eine Auszeichnung ergibt sich immer auch aus dem Kontext, unter dem eine Heldentat vollbracht wurde. Insofern müsste ich schon ein wenig mehr über den Fall wissen, um die Entscheidung des Legaten zu revidieren." Am besten, indem Duccius Vala sich direkt hier in Rom verantwortete. Severus konnte ja nicht ahnen, dass sein Statthalter einen tragischen Unfall ereilen würde, ehe er abgesetzt werden konnte.

    Der Kaiser war überrascht, dass Torquatus nicht persönlich über das Treffen mit dem Prudentier vortrug. Aber vielleicht war er heute krank, dass der Bericht schriftlich einging.
    "Der Vorschlag ist angenommen." bestätigte er dem Primicerius, der für den Fabier den Brief referieren musste. Severus las ungern selbst.

    Der Kaiser begann die verschiedenen Argumente zusammenzunehmen: Zwei Equites als Eltern, der erforderliche Besitz, dazu die Fürsprache eines bedeutenden Patrons und sogar eine gewisse Bildung. Wenn man annahm, dass er auch sonst eine gewisse Bildung genossen hatte, reichte das im Grunde.
    "Na wenn der junge Mann so viele Vorzüge hat, dann sollten wir ihm sein Fortkommen nicht unnötig erschweren." entschied der Aquilier deshalb und gab seinem Privatsekretär ein Zeichen. "Ich werde auch mit dem Praefectus Vigilum sprechen, ob er sich des jungen Pompeius annehmen könnte." Wenn der Oberkommandeur schon in der Stadt war, musste man sich ja zumindest ein bisschen absprechen. Falls die Pompeier sich nicht sowieso schon darum gekümmert hatten.

    "Nun, noch befinden wir uns ja im Rahmen." antwortete der Kaiser. Genaue Zeitangaben waren ja immer so eine Sache in Rom. Besonders bei Einladungen kam es doch häufig vor, dass die Gäste nach und nach eintrudelten. Wer ließ sich schon ständig eine Wasseruhr oder ähnlich präzise Zeitmessgeräte laufen?


    Auf die Frage nach dem Anliegen des Essens musste Severus ein wenig lächeln. "Um ehrlich zu sein, handelt es sich um eine kleine Fehlkommunikation mit der Kanzlei, die zu dieser Einladung führte." Irgendwer hatte scheinbar einen fast ein Jahr alten Befehl seines Privatsekretärs gefunden und für aktuell gehalten. Ordnung war eben das halbe Leben!
    Dann räusperte er sich und wurde wieder ernst. Der Consul war natürlich zu wichtig, um ihn einfach grundlos auf den Palatin zu bestellen. "Aber tatsächlich kommt es mir recht gelegen, dass ich die Gelegenheit habe, nun einmal alle Magistrate gemeinsam zu sprechen, noch bevor ihre Amtszeit zu Ende ist." Er strich sich durch den Bart. "Es geht für mich heute darum, eure Zwischenbilanzen zu hören und mich zu informieren, welche Dinge noch zu erwarten sind. Oder ob es an irgendeiner Stelle Probleme gibt." Als Princeps sah der Aquilier es auch als seine Aufgabe, für die Magistraten dazusein.


    Bevor Menecrates antworten konnte, ging aber die Tür auf und der flavische Quaestor erschien. "Salve, Flavius!" grüßte er zurück. Vorerst blieb er aber trotzdem bei dem Claudier stehen. Die Höflichkeit verlangte immerhin, zuerst das eine Gespräch zu beenden (vor allem mit einem Consul), ehe man sich Rangniedrigeren zuwandte.


    Der Kaiser nickte wissend zu den eher floskelhaften Antworten des Flaviers. Aber was hätte er auch anderes antworten sollen?
    "Die Karriere deines Sohnes verfolge ich natürlich mit großem Interesse." bestätigte er dann in Bezug auf Gracchus junior. Er hatte ja schon mehrmals mit ihm gesprochen. Und die Chance in Germanien hatte er ja offensichtlich meisterhaft genutzt! "Und ich bin gespannt, ob er sich auch im Senat so gut machen wird wie im Angesicht der Barbaren." Diese Geschichte war ja an das kaiserliche Ohr gedrungen. Und sicher ebenso nach Baiae.


    Zur aktuellen Tagespolitik deutete Severus schließlich mit dem vollen Weinpokal in Richtung des Consul. "Claudius Menecrates nutzt sein Consulat für einige Gesetzesinitiativen, wie mir mein Quaestor berichtet. Es geht um Vertragsrecht und Wagenrennen." Er strich sich durch den Bart. "Ein etwas trockenes Thema, aber lebhafte Diskussionen, wie ich hörte."