Beiträge von Julia Duccia Germanica

    Ich drückte seine Hand fest und trostspendend. Ich sah zu ihm auf, versuchte ihn mit meinem Blick zu beruhigen.


    "Wir würden dich in Rom besuchen kommen. Doch... was genau ist mit der Legio? Meintest du damit die Sache wegen Subdolus oder ist da noch mehr? Und möchtest/darfst du darüber sprechen?"

    Ich sah ihn ein wenig fragend an, wusste ich doch inzwischen womit dieser Schritt verbunden war. Ich lächelte und ergriff seine Hand, streichelte mit meinem Daumen über seinen Handrücken.


    "Hm... Das muss ein ziemlich harter Schritt für dich sein, aber sei dir gewiss: Die ganze Familie wird hinter dir stehen und das ist doch wenigstens etwas ermutigend oder?"

    Ich nickte und gemeinsam gingen wir wieder zu dem umgefallenen Baum. So gefiel es mir ohnehin besser, ich war nicht gerne in so großer Gesellschaft und dieses Mal schien es als würden es sehr viele werden. Am Baum angekommen und setzten wir uns und ich lehnte mich an Flavius Schulter.


    Die Sonne warf schon rote Strahlen über den dunkler werdenden Himmel und ich schloss glücklich lächelnd die Augen. Ich war zuhause. Nirgendwo könnte ich so glücklich sein wie in Germanien und ich wollte auch nirgendwoanders hin. Ich küsste Flavius lächelnd auf die Wange.


    "Was denkst du genau in diesem Augenblick?"

    Ich war überrascht und das sah man auch meinem Blick an.


    Wirklich? Das ist ja wunderbar und lass mich dir zudem nachträglich gratulieren... Ich freue mich schon so darauf, dich wiederzusehen. Aber wollen wir nicht jetzt nach Hause? Sie warten gewiss schon auf uns!

    Wielange hast du denn noch frei...?


    Eigentlich hatte ich ihm noch mehr zu gestehen, doch davon würde ich ihn jetzt verschonen. Auch Flavius brauchte eine Pause von den denkwürdigen Nachrichten. Meine Gedanken schweiften plötzlich ab zu Maximian, ich freute mich schon so auf unser Wiedersehen, Wielange war es schon her? Einen Monat?

    Ich antwortete grummelnd und doch leicht lächelnd...

    "Du bist auch nie um eine Antwort verlegen. Danke. Und trotzdem werde ich es wiedergutmachen."


    Ich drückte mich fest an seinen Leib und seufzte tief. Wie sehr ich meinen Bruder vermisst hatte wird mir erst jetzt voller Schmerz klar. Schmerz aus dem Grunde, dass ich ihn bald wieder würde loslassen müssen.


    "Wir müssen bald einmal wieder zu dritt ausreiten, wenn du dann Zeit haben solltest. Wie früher: Flavius, Valentin und die hilflose Iulia die damals noch fast vom Pferd gefallen wäre. Wie wärs?"

    Ich nickte trotzig.

    Doch, ich beschere euch immer soviel Kummer, natürlich muss ich mich entschuldigen. Verzeih mir, dass ich dich so verletzt habe. Es war nicht meine Absicht... Ich machs wieder gut, versprochen.


    Ich lächelte. Es tat gut einfach sich fallen zu lassen und gehalten zu werden. Gehalten von einem so wunderbaren Menschen. Ich hatte das Gefühl jegliche Distanz wurde aus dem Weg geräumt...

    Ich sah ihn an, sah ihm genau in die Augen und schüttelte ansatzweise den Kopf...

    Ich könnte es nur erahnen. Ich glaube du könntest dir ebensowenig ausmalen was ich gefühlt hatte als ich Valentin wiedersah und daraufhin dich und sogar Lucia. Das kann man nicht nachempfinden, nur fühlen.


    Schüchtern tastete ich nach seiner Hand und hielt sie fest in der meinen.


    Ich... habe in Britannia auch immerzu an dich gedacht... Und meine Träume... Immerzu sehe ich den hilflosen Valentin gegen diesen übermächtigen Gegner. Wann wird das alles endlich vorbei sein? Auch in unseren Herzen?

    Ich sah ihn bestürzt an.


    Von was für einem Pakt sprichst du?


    Ich kam nicht ganz mit, langsam fand ich mich immer weniger mit meinem Schicksal ab und meine Hände ballten sich zu Fäusten... Ich sah zu ihm auf.


    Und... ich gehe nicht. Wenn du mich brauchst, dann bleibe ich. Bleibe ich bei dir.

    Wie sonst hätte er mein Verhalten auch interpretieren sollen... Ich überlegte wie ich sprechen sollte, doch mir fiel nicht ein einziges Wort ein. Also ließ ich mein Herz sprechen.


    Flavius, ich wollte dich nie zurückweisen, es tut mir leid wenn es so aussah. Und ich würde auch nicht wollen, dass du dein Leben gibst. Dafür ist es zuviel wert. Ich nehme es keinem Übel, denn wenn die Schuld jemanden trifft, dann mich. Verzeih. Ich... muss allein sein.


    Ich log. Meine Lügen hallten in meinem Kopf wieder, als ich in Flavius liebevolle Augen sah. Sein besorgter Blick. Doch konnte ich die Wahrheit sagen, die da doch so ungerecht war? Und überhaupt, was würde ich tun wenn ich erst einmal allein war?


    Ich nahm seine Hände vorsichtig von meinen Schultern, doch ich sah ihn nicht an. Ich traute mich nicht, in seine Augen zu sehen, hatte Angst er könnte meinen Neid, meinen so egoistischen und unbegründeten Neid in meinen Augen sehen. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass ich so reagieren würde.

    Ich sollte aus ihrer aller Gedächtnis gelöscht werden? Gerade dass ich nicht aufzufinden gewesen war, hätte doch Hoffnung schüren müssen... Doch es traf niemanden eine Schuld und das war das Schwierigste für mich. Weder Vater, der gesucht hatte, noch Mutter, die gebangt hatte, noch Flavius und Valentin die selbst nur noch halb da waren.


    Es war halt ich gewesen, die das schlimme Los gezogen hatte. Ich hatte alles auf einen Schlag verloren, selbst mein Gedächtnis. Oder sollte ich mich dessen auch noch freuen? Ich sah weiterhin starr geradeaus auf den Boden. Ich hatte mich verstecken wollen, in einem leeren Fass, doch hatte man mich gesehen. Warum hatte es ausgerechnet mich getroffen? Im Nachhinein kam mir dazu der Gedanke: Besser ich als Lucia oder Venusia...


    Langsam erhob ich mich und klopfte mein Gewand aus. Ich hörte mich sprechen ohne selbst den Inhalt meiner Worte genau zu kennen. Sie hatten damals alles drangesetzt und mich nicht gefunden. Ich ward allein gelassen und niemanden trafdie Schuld.


    Verzeih... aber... Ich...


    Weiter sprach ich nicht sondern ging langsam den Feldweg hinab, der von Mogontiacum fort führte. Ich musste nachsinnen. Jetzt wünschte ich mir, der Tod hätte mich ereilt. Oh ich wünschte mir ich wäre von Britannias Klippen gesprungen. Ich wünschte es, da ich nun keine Wut gegenüber meine Familie hätte fühlen können. Ich tat ihnen unrecht und wusste es. Doch ändern tat es nichts an der Sache und an meinen Gefühlen.

    Ich starrte bei seinen Worten etwas verloren gegen seine Brust. Hieß das es wäre ihnen gar nicht aufgefallen wenn ich weggeblieben wäre? Sie hatten gar nicht auf mich gewartet? In mir machte sich Enttäuschung und ... War es Schmerz?... breit. Sie hatten mich abgeschrieben...


    Ich schob mich von ihm weg und saß versteinert gerade. Sie hatten nicht an mich geglaubt. Hatten mich verlassen. Wielange sie wohl gesucht hatten? Ich hatte mich sofort auf die Suche gemacht, als ich wieder ich selbst war... War es gerecht mich da jetzt noch drüber aufzuregen? Irgendwie konnte ich es nicht so recht glauben. Hätten sie an mich geglaubt hätte ich bei meiner Familie großwerden können. Die alte Dame war mir mehr Mutter geworden als meine leibliche... Sie stand mir in der schwersten Zeit meines Lebens bei.


    Ich sah zu Boden, wusste nicht was ich tun, denken oder fühlen sollte...

    Flavius hielt mich nun bestimmt für eine Mörderin. Bislang hatte ich es auch stets gerecht gefunden was ich getan hatte, doch nun stiegen Zweifel in mir auf. Hätte ich ihn nicht töten dürfen?


    Ich habe ihm vollkommen verstört ein Messer in die Brust gestoßen, als er sich mir wieder zugewandt hatte. Normalerweise hätte er es nie zugelassen, doch er hatte sicher nicht damit gerechnet. Dann bin ich in zerrissener leidung fort, ins Ungewisse. Viele jagten mich fort, dachten ich wäre eine Diebin. Was ich dann bis zu einem Zeitpunkt auch war. Eine alte Frau hat mich mit nach Britannien genommen, ich wusste nicht mehr wer ich war, wusste nur noch: Endlich nicht mehr allein... Und da blieb ich ... bis ich nach Rom kam.

    Ich weinte nicht. Warum? Hatte ich zuviel geweint? Hatten zuviele klare Tränen den Boden benetzt? Ich dachte an damals... meine halbe Zeit hatte ich benommen auf dem Bett verbracht. Ich... Hatte ich Flavius das alles gerade wirklich erzählt? Was sollte es helfen? Es schien, als erahnte ich seine Gedanken, doch dass er diesen ...


    Er ist tot...


    Sprach ich monoton. Nein, der "Stammkunde" leider nicht, doch wenigstens der "Verkäufer". Ich hatte nie Hass empfunden, doch einmal vom Hass zerfressen trägt man ewig Kälte in seinem Herzen. Und Trauer. Depressivität die mich mein Leben verfolgen würde und manches mal sicher in den Wahnsinn treiben wird.

    Sollte ich wirklich weiter erzählen? Konnte ich es weiter erzählen? Ich atmete tief durch und ließ ein paar wenige Minuten die frische Luft durch meine Lungen strömen. Ich wunderte mich sehr, dass meine Tränen nicht kamen.


    Das wiederholte sich nahezu Tag für Tag. Ich wurde schlechter behandelt als ich es mir je zu träumen wagte, bekam kaum noch zu Essen und... Ich weiß nicht was war, doch den anderen habe ich nicht mehr wiedergesehen - ob er zuvor für mein Wohlbefinden zuständig war?


    Ich mochte nicht weitererzählen, glaubte mein Herz würde zerbersten. Ich öffnete meinen Mund ein Stück um weiterzuerzählen doch kam nur ein erstickter Laut heraus. Ich war allerdings eher in Trance denn am Weinen, denn meine Stimme war teilnahmslos als ich fortfuhr...


    Jedenfalls wurde ab dem Tag alles schlimmer... ich wurde für Geld - vermute ich - anderen Männern dargeboten, doch kann ich mich nur noch an einen wirklich klar erinnern, die meiste Zeit verbrachte ich ob Unterernährung im Halbschlaf. Und...


    Ich schweig und starrte vor mich hin.

    Ich sah mich kurz um und griff meines Bruders Hand um hinter die Tore zu gehen. Wir setzten uns auf einen umgefallenen Baumstamm und ich schnupperte. Es roch so nach nassem Gras, ich liebte diesen Duft. Die nicht häufigen Bäume um uns herum strahlten in schönem Grün und ich rang mir ein kurzes Lächeln ab, doch als ich meine Worte zusammensuchte verschwand es. Murmelte leis...


    Wie geht es wohl dem Baum, den ich damals gepflanzt habe? Ob er noch steht oder ob auch er gefällt wurde...


    Ich sah zu Boden, ich hatte es wahrlich geschafft aus einer kleinen Frucht einen Eichenbaum heranwachsen zu lassen. Das war damals mein ganzer Stolz gewesen. Ich sah zu Flavius.

    Du erinnerst dich, ich... wurde damals entführt. Der Weg führte nach Gallia wo... Er wohnte, ich weiß es nicht. Ich wachte zumindest eines morgens in einer kleinen Hütte auf. Hübsch eingerichtet...


    Ich redete drum herum, doch was brachte es mir? Ich sah zu Boden und sah auf das Gras. Wieviel Leben sich dort wohl tummelte dass wir so nicht zu sehen vermochten? Und wieviele wohl mit einem Schlag getötet wurden? So wie ich damals...?


    Doch weniger hübsch von den Bewohnern her... Die ersten Tage kam ich hervorragend mit den beiden aus. Ich schätze sie auf Mitte 30, beide. Vielleicht Brüder? Sie verpflegten mich gut, doch... eines Nachts... legte sich mein Entführer zu mir und... Verlangte nach mir, als ich Schreien wollte hatte er mich niedergeschlagen...

    Ich sah verbittert auf den Boden. Der Regen war schon ein wenig her, doch würde es erneut beginnen so wäre es wie perfekt geschaffen für eine traurige Theatervorstellung... Ich seufzte tief und kämpfte - erfolglos - gegen die Tränen an. Woher wusste er von meinen Albträumen?

    Ich bin nicht klein..


    versuchte ich mit einem spaßigen Boxer in seinen Bauch, das Thema zu wechseln. Doch nach einem Blick in seine Augen wusste ich, dass meine Worte mehr als unangebracht waren... Würde ich es ihm erzählen können? Würde ich es durchstehen? Würde er verstehen? Würde ich es überhaupt so wiedergeben können, wie es war?


    Ich erzähle es dir... Allerdings nur unter einer Bedingung: Auch du kommst mit Sorgen zu mir, wenn du welche hast. Ich bin zwar immer noch schutzbedürftig, doch ich liebe meine Brüder und auch sie müssen einmal sprechen..


    Damit würde er sich automatisch verpflichten, es mir zu sagen wenn es ihn zu sehr treffen würde. Die Aussprache würde unserem Verhältnis sehr gut tun, doch verletzen wollte ich ihn nicht.

    Ja, mir gehts ansonsten hervorragend! Bin momentan sozusagen in der besten Phase meines Lebens... Und bei dir?


    Gut, das konnte man jetzt verstehen wie man wollte. Ob einfach nur ein Guter Tag, ob verliebt, ob schwanger... Wobei das letztere wohl am naheliegensten war, wobei ich ganz und gar nicht darauf erpicht war. Weder auf den Weg dorthin noch auf ein Kind am Hals...

    Nun ließ ich sämtliche Distanz verschwinden und warf mich förmlich an ihn, am liebsten würde ich weinen. Weinen, weil ich erst jetzt wieder Geborgenheit fühlte. Weinen, dass ich solche tollen Brüder hatte. Weinen, bei den Erinnerungen an die Vergangenheit. Weinen vor Glück.


    Ich dich auch, Bruder... du bist für mich mit der wichtigste Bestandteil meines Lebens... Ich bin immer für dich da, so wie auch du für mich, ich möchte dich nicht sehen wenn du etwas in dich heineinfrisst...


    Ich musste nun doch weinen, zugleich lächelte ich. Jeder der uns nicht kannte und an uns vorüber ging, dachte sicherlich wir waren ein Paar. Doch sollten sie das ruhig denken. Ich liebte ihn und es mochte sein, dass es etwas über die geschwisterliche Liebe hinausging, ich mochte es nicht beurteilen. Doch mein Herz hatte ich ohnehin Maximian geschenkt... Der Gedanke daran würde Flavius sicherlich verletzen... Ich seufzte leicht und wechselte in meinen Gedanken das Thema.


    Den Großteil kennst du ja bereits und ich glaube, es wäre nicht gut darüber zu sprechen. Es ist vergangen und es würde dir nur noch wehtun, was wir uns ersparen können.


    Ich sprach mit sanfter Stimme und genoss die Nähe meines Bruders, den ich so selten an meiner Seite hatte.