Beiträge von Plinia Chrysogona

    Interessiert musterte Chrysogona den jungen Mann, der so gänzlich aus der Art geschlagen schien. Seine Erklärung, dass er noch nicht lang in Rom lebte, da er in Tarraco aufgewachsen war, lieferte natürlich den passenden Grund für seine Zurückhaltung. Er war schon der zweite junge Mann, den die Medica kennenlernte, der wohl der Karriere wegen nach Rom gekommen war. Sie lächelte ihn an.
    "Mir scheint, Rom ist wie ein Magnet. Es ist offensichtlich, dass viele aus den Provinzen oder vom Lande in die ewige Stadt kommen, wenn sie eine Laufbahn starten wollen. Ist das bei dir auch der Fall, Scipio?"


    Sie nannte ihn einfach mal beim Cognomen, schließlich war er ja auch so offen und freundlich zu ihr, dass es Chrysogona angemessen erschien. Als er dann auch noch auf die Idee kam, mit Traubensaft unauffällig dem überhand nehmenden Weingenuss ein Ende zu setzen, wurde er ihr immer sympathischer. Ein gewitzter junger Mann, der sicherlich seinen Weg machen würde im Großstadtdschungel.
    "Ob ich eine Vorschlag als Medica gegen zu viel Alkohol habe? Keinen besseren als du! Enthaltsamkeit wäre angebracht aber diese Camouflage ist noch viel geschickter, lieber Scipio! Du bist ein Schlitzohr! Und das meine ich jetzt nur positiv. Es wird dich weit bringen, wenn du in allem diese Klugheit und gleichzeitig die Mäßigung beibehältst. Dann lass uns auf Bacchus oder Dionysos trinken, der nicht nur den Wein, sondern allgemein die Trauben liebt. Zum Wohl!"


    Sie hob den Becher und stieß lachend mit ihm an.

    Zitat

    Original von Marcus Decimus Scipio: "Ich heiße Decimus Scipio und ja, ein entfernter Verwandter der Beiden, je nachdem wie man entfernt definiert.
    "Und du bist Plinia Chrysogona richtig....? Leider hat uns Serapio nie vorgestellt, nur von dir gehört habe ich bereits mehrfach." Er atmete mal tief ein und genoss die frische kalte Luft. "Mir geht es wie dir, etwas zuviel Troubel für mich, bin so etwas absolut nicht gewohnt. Und leider den ganzen Wein auch nicht."


    Der junge Decimer kannte ihren Namen. Nun war es Chrysogona fast peinlich, dass sie seinen Namen noch nicht mitbekommen hatte, obwohl sie einige Tage Gast im Haus der Decimer gewesen war.
    "Es erstaunt mich, dass du Ruhe suchst. Du bist doch noch so jung. In deinem jugendlichen Alter sucht man doch den Trubel, oder nicht?"

    Die Medica fand es äußerst sympathisch, dass der junge Verwandte des Tribuns ebenso wie sie vor dem lauten und ausschweifenden Fest geflohen war.
    "Wieso bist du das nicht gewöhnt? Feiert Serapio sonst nicht so aufwändig die Saturnalien. Du solltest doch auch schon ein paar dieser Feste miterlebt haben?"


    Sie schätzte den jungen Mann auf knapp unter zwanzig, doch vielleicht täuschte sie sich und er war noch jünger.

    Zitat

    Original von Marcus Decimus Scipio: Scipios Magen war voll, der Alkohol zeigte ebenfalls bereits seine Wirkung und er sehnte sich nach etwas Ruhe, zumindest kurz, und frischer Luft. Er ging hinaus in den Garten und sah dort eine Frau stehen die, von hinten zumindest, jemandem ähnlich sah den er hier bereits gesehen hatte. "Io Saturnalia! Auch auf der Suche nach kurzer Ruhe und frischer Luft?"


    Als Chrysogona von hinten angesprochen wurde, erschrak sie zunächst. So dunkel wie es war dauerte es eine Weile bis sie erkannte, dass sie ein bekanntes Gesicht vor sich hatte. Der junge Mann war ein Verwandter des Gardetribuns. Sie hatte ihn im Haus der Decimi bereits gesehen ohne ihm persönlich vorgestellt worden zu sein.
    "Io Saturnalia!", erwiderte die Medica. "Beides. Ich brauchte dringend ein wenig Abstand von diesem Trubel und frische Luft tut auch gut. Ich fürchte, ich vertrage den Wein nicht so gut oder habe schon zu viel davon genossen. Jetzt muss ich auf jeden Fall eine Pause einlegen. Und du? Du bist ein Verwandter von Decimus Serapio und von Camelia wohl auch, nicht wahr? Wie ist dein Name?"

    Der Kaiser kam ihr entgegen. Die Medica bemühte sich um Professionalität, auch wenn sie feststellte, dass der Puls Purzelbäume schlug vor Nervosität.
    "Du weißt, dass deine Gesundheit dummerweise nicht mehr reine Privatsache ist, sondern eine Angelegenheit von reichsweiter Wichtigkeit für die Zukunft des Staates. Deshalb muss nicht nur ich größte Sorgfalt walten lassen, sondern ich vertraue auch darauf, dass du alles in deiner Macht stehende tun wirst, damit du bester Gesundheit bleibst."


    Sie lächelte verschmitzt und machte ihm damit unmissverständlich klar, dass sie die Verantwortung für seine Gesundheit nicht alleine übernahm. Ihm kam bei dem gemeinsamen Projekt eine Schlüsselrolle zu.
    "Neben der nun folgenden Anamnese und Untersuchung möchte ich nur noch einmal deutlich machen, dass ich hoffe, in dir einen aktiven Mitarbeiter und umsichtigen Helfer zu haben. Der große Alexander ist jung gestorben weil er den dionysischen Genüssen im Übermaß zugesprochen hat. Ich erwarte keine Enthaltsamkeit vom ersten Mann im Staate, aber vielleicht doch, dass er das Geschenk der Götter - einen gesunden und starken Körper - nicht vorsätzlich in den Orcus der Geschichte befördert. Habe ich mich klar ausgedrückt?"


    Ihr Blick war ernst. Eine eigenartige Situation. Er war deutlich älter als sie und noch dazu der Kaiser und doch musste sie ihm eine Predigt halten. Chrysogona atmete tief durch. Sie erwartete keine Antwort, deshalb fuhr sie gleich fort.
    "Auf deine Mithilfe bin ich auch bei der Anamnese angewiesen. Teile mir bitte mit, ob und wenn ja welche Kinderkrankheiten oder andere schwere Erkrankungen du durchgemacht hast, ob du Verletzungen oder Knochenbrüche hattest oder andere Gebrechen, von denen ich wissen sollte."


    Sie zückte ihre Wachstafel, bereit sich Notizen zu machen, und sah ihn erwartungsvoll an.

    So wie dieses Fest hatte Chrysogona sich das wilde und ausschweifende Leben dekadenter Römer vorgestellt. Das aber gerade ihr kultivierter und gebildeter Gastgeber zu diesem Kreis gehörte, hatte sich die Griechin nicht träumen lassen. Natürlich hatte sie gewusst, dass die Saturnalien in Rom mit rauschenden Festen gefeiert wurden, doch diese Freizügigkeit und Verschwendungssucht überraschte die sittenstrenge Medica.
    Zum Glück hatte Chrysogona eine große Paradiesvogelmaske mit zahlreichen bunten Federn gewählt, hinter der sie ihre Schamesröte einigermaßen verstecken konnte. Dem Anlass entsprechend war sie in ein violettes Kleid gehüllt, das sich völlig von ihren sonstigen, faltenreichen weißen Gewändern unterschied, die sie in ihrer Funktion als Medica trug. Federn schmückten die Hals- und Ärmelausschnitte des Kleides sowie ihr Haar. Sie trug die dunklen Haare offen. Zu großzügigen Korkenzieherlocken onduliert, fielen sie bis weit über die Schultern hinab.


    Mit großer Neugierde probierte Chrysogona die ungewohnten Köstlichkeiten, die aufgetischt wurden. Sie hatte den süffigen Wein der Decimer schon mehrfach nachfüllen lassen, als ihr die Kombination aus leicht bekleideten Menschen und zotigen Possen zu viel wurde. In schnellem Schritt strebte sie dem Garten zu, um sich an der frischen Winterluft abzukühlen. Nur noch leise vernahm man hier die Musik und das Gelächter, der lautstark feiernden Festgäste. An eine Balustrade gelehnt sah Chrysogona in den Nachthimmel hinauf und versuchte sich im Reigen der Sternbilder zu orientieren. Um auch die glühenden Wangen abzukühlen, öffnete sie die Schleife ihrer Vogelmaske und nahm jene ab.

    Der Austausch von Informationen über die familiären und beruflichen Hintergründe ging weiter. Die Wünsche für eine glückliche Hand bei ihrer Arbeit nahm die Medica dankend an.


    Dann aber konnte sie deutlich am Gesichtsausdruck ihres Gesprächspartners sehen, dass die Frage nach den Fußstapfen in die der Helvetier trat, ins Schwarze getroffen hatte. Sie konnte nur nicht eruieren, ob ihn der frühe Tod der Eltern so schmerzte oder die Aussage, dass er dem Großvater nacheiferte. Ein wichtiger Mann in der Kanzlei des Kaisers war der alte Helvetier gewesen. Chrysogona versuchte sich auf vorsichtige Weise dem Problemherd zu widmen.
    "Es ist ein schweres Los so früh beide Eltern zu verlieren. Ich habe keine Mutter gehabt. Sie starb bei meiner Geburt. Aber zumindest der Vater ist mir geblieben und eine wichtige Stütze gewesen. Ich nehme an, dein Großvater war dir auch ein wichtiger Orientierungspunkt im Leben, nicht wahr? Und ich bin sicher, du wirst dem Namen Helvetius alle Ehre machen. Interessant, dass sich mein Vater und dein Großvater kannten. Leider habe ich von meinem Vater nur sehr wenig über Personalien in Rom mitbekommen. Seine Briefe waren und sind immer sehr privater Natur. Kannten sie sich gut?"


    In diesem Moment sah sie den Gardetribun, der in Begleitung eines sehr gutaussehenden Mannes und einer Leibwache den Hortus betrat. Er hob grüßend die Hand. Chrysogona winkte ihn zu sich.
    "Wie schön, dich hier zu sehen, Decimus Serapio! Ich hätte mir denken können, dass wir uns hier wieder begegnen."


    Sie wandte sich zur Seite um den Helvetier ins Gespräch miteinzubeziehen. Da die Medica nicht wusste, ob die Männer sich kannten, übernahm sie die Vorstellung.
    "Tribun, das hier ist Marcus Helvetius Severus, Stadtschreiber in der Basilika Julia. Helvetius Severus, das ist mein ehemaliger Gastgeber, Faustus Decimus Serapio, Tribun der Praetorianer. Und darf ich fragen, wer der Mann an deiner Seite ist?"
    Chrysogona grüßte den Fremden mit schräggestelltem Kopf und einem leichten Nicken.

    Der Helvetier erwartete also keine bekannten Gesichter und Chrysogona war gespannt, wie zahlreich die Zuhörerschaft noch werden würde. Sie würde ohnehin niemanden kennen, war sie doch erst so kurz in der Stadt. Durch ihre exklusive und damit auch abgeschiedene Lebensweise auf dem Palatin war sie noch nicht viel unter die Menschen gekommen, die sich außerhalb des kaiserlichen Dunstkreises aufhielten. Mit Ausnahme des Gardetribuns und einiger seiner Familienmitglieder sowie der Zwillingsmutter Sergia Fausta hatte sie noch niemanden persönlich kennengelernt.


    Der ernste und eher gelangweilte Gesichtsausdruck ihres Geprächspartners schien eine Änderung durchzumachen, er begann zu grübeln und prompt folgte dann die Frage nach ihrem Vater. Chrysogona wusste, dass ihr Gensname in Rom nicht unbekannt war und die Verbindung von der momentanen Medica personalis des Kaisers zu dem Plinier, der einen seiner Vorgänger betreut hatte, war nicht schwer zu herzustellen.
    "Mein Vater ist Gaius Plinius Phoebus, der einst Leibmedicus des Kaisers Valerianus gewesen ist, bevor er nach dessen Ermordung Rom den Rücken kehrte und nach Alexandria zurückkehrte. Ich bin also in die sehr großen Fußstapfen meines Vaters getreten und führe die Familientradition fort, indem ich versuchen werde dem ersten Manne des Staates ein möglichst langes Leben zu verschaffen. Wenn die Götter es geben, werde ich hoffentlich erfolgreicher damit sein als es mein Vater war."


    Sie sah den Helvetier offen an. Die Stellung, die sie innehatte mochte für Außenstehende reizvoll erscheinen und nicht ohne Grund hatte Chrysogona den Schritt gewagt. Dass sie aber nicht minder gefährlich war, weil eine Fehldiagnose, Fehlbehandlung oder ein Giftattentat auf sie zurückfallen konnten, dürfte den wenigsten klar sein.
    Mit leicht schräg gestelltem Kopf und neugierigem Blick spielte die Medica den Ball zu Helvetius Severus zurück. "Bist auch du in so große Fußstapfen getreten? Ich kenne mich in Rom nicht aus und weiß nicht viel über die Gentes der Ewigen Stadt. Eiferst auch du einem erfolgreichen Vater nach?"

    Der Helvetier machte seinem Cognomen alle Ehre. Er blieb reserviert und auch ein wenig misstrauisch. Chrysogona war es gewöhnt mit Misstrauen und Distanziertheit behandelt zu werden. Als Frau, die nicht nur über eine gute Allgemeinbildung verfügte, sondern auch über ausreichend Selbstbewusstsein und die zudem einen Beruf ausübte in dem hauptsächlich Männer anzutreffen waren, kannte sie es nicht anders. Gerade Männer begegneten ihr meist, wenn nicht mit Herablassung und Geringschätzigkeit, so doch mit einem gewissen Misstrauen. Sie ließ sich also nichts anmerken sondern nickte höflich als der Stadtschreiber gestand auch das erste Mal auf einem solchen Treffen zu sein und, wie sie vermutet hatte, nicht nur des Sujets wegen sondern auch der Gesellschaft wegen gekommen zu sein. Sie ging selbstverständlich davon aus, dass er sie unter die niveauvollen Menschen zählte und bestätigte seine Frage.
    "Ja auch ich komme nicht nur der Philosophie wegen sondern auch um mir einen Kreis zu erschließen in dem ich mich zukünftig sicherlich gerne bewegen würde."


    Nun hätte er eigentlich den Absprung schaffen können, wenn er denn gewollt hätte, doch es schien, dass auch den Helvtier die Neugier plagte. Er fragte nach ihrer Herkunft.
    "Mein Geburtsort ist Alexandria. Ich bin griechischer Abstammung. Mein Vater hat am Museion von Alexandria als Medicus Vorlesungen gehalten. Dort bin ich in einem sehr illustren Kreis gebildeter Männer groß geworden. Ich würde mich freuen auch hier in Rom Anschluss an einen ähnlichen Kreis zu bekommen. Am Asklepieion von Kos bin ich in erster Linie mit Medizinern in Kontakt gekommen. Deshalb reizt es mich jetzt ein wenig über den Tellerrand zu blicken."


    Sie sah sich um. "Erwartest du noch jemanden den du kennst?"

    Sein Name war also Marcus Helvetius Severus und er war Stadtschreiber. Severus, wie passend: der Ernsthafte, der Strenge. Aber vielleicht war es auch nur eine Maske um in der harten Welt der römischen Bürokratie sein Gesicht zu wahren.


    Chrysogona ging auch nicht weiter auf die zurückliegende Geburt ein, sie war hingegen neugierig, was ihn in den Hortus Amafidii trieb.
    "Dann erzähl mir mal, Helvetius Severus, bist du das erste Mal hier oder hast du schon mehrere Vorträge gehört? Ist Philosophie ein Steckenpferd von dir oder geht es dir mehr darum, Leute mit Niveau zu treffen?"


    Die Medica konnte nicht aus ihrer Haut. Gewohnt Ursachenforschung zu betreiben und den Dingen auf den Grund zu gehen, stellte sie direkte und investigative Fragen.

    Die Kaiserin bot ihr an sich zu setzen. Chrysogona ließ sich gemischen Wein geben, das Obst rührte sie aber zunächst nicht an. Sie wollte nicht den Mund voll haben, wenn die Augusta eine Antwort von ihr erwartete. Die erste Frage ließ nicht lang auf sich warten. Chrysogona atmete tief durch. Die erste Frage und die erste Klippe.
    "Es tut mir sehr leid, Augusta, aber ich darf dir auf diese Frage keine Antwort geben. Mich bindet die Schweigepflicht. Nur wenn dein Mann mich persönlich von dieser Schweigepflicht entbindet und mir erlaubt, dir Auskunft über seinen Gesundheitszustand zu geben, darf ich darauf antworten"


    Die Medica senkte demütig den Blick. Wie würde die Kaiserin auf diese ablehnende Antwort reagieren?
    Doch gleich sah sie wieder auf. DIe nächste Frage konnte sie beantworten. "Du tust sicher gut daran, ihn ab und an einzubremsen. Es ist seine exponierte Stellung kombiniert mit einer Veranlagung zum Perfektionismus. EIne ungesunde Mischung. Aber in dir hat er sicherlich eine wichtige moralische Stütze. Das ist nicht zu unterschätzen. Nutze dass er dir zugetan ist dafür, ihn ab und zu sanft daran zu erinnern, dass es auch ein Privatleben neben der Führung des Reiches gibt. Er wird dich zur Erdung dringend brauchen."

    Langsam trafen die ersten interessierten Hörer ein. Und siehe da! Ein bekanntes Gesicht. Die Leibmedica des Kaisers erkannte den jungen Geburtshelfer sofort wieder. Sein langer Blick verriet ihr, dass auch er sie wiedererkannte.


    Chrysogona nickte ihm zu und kam dann näher.
    "Salve..., äh.... ich fürchte, wir haben uns unlängst bei der Entbindung der Zwillinge von Sergia Fausta nicht namentlich vorgestellt, nicht wahr? Mein Name ist Plinia Chrysogona. Darf ich erfahren, wie der unerschrockene Geburtshelfer heißt, der mir so tatkräftig zur Hand gegangen ist?"


    Sie schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln.

    Chrysogona hatte Post bekommen! Sie entrollte die Schriftrolle. O wie schön! EIne Einladung zu den Saturnalien! Die Griechin freute sich sehr, dass der Decimer sie nicht vergessen und zu seinem Bankett eingeladen hatte.


    Gleich setzte sich sich an den Schreibtisch und verfasste eine Antwort.


    Ad
    Tribunus Cohortis Praetoriae
    Faustus Decimus Serapio
    Casa Decima Mercator
    Roma


    Salve Decimus Serapio,


    ich habe mich wirklich sehr über deine Einladung zum Bankett anlässlich der Saturnalia gefreut. In ehrlicher Vorfreude: Io Saturnalia!


    Vale,
    Plinia Chrysogona


    Medica personalis Augusti

    Sergia Fausta war eine tapfere Frau. Sie schaffte es, sich aufzurichten und auch ihren Sohn zu begrüßen. Faustus und Fausta sollten die Zwilliinge also heißen. Chrysogona schmunzelte über so viel Fantasie.
    Die Plazentae wurden geboren. Beide waren intakt und es sah so aus, als wenn diese Geburt vorerst zumindest ein gutes Ende nehmen würde. Die Medica säuberte ihre Hände und reinigte auch Fausta von Blut. Dann bastelte sie aus einigen Körperbinden und Tüchern eine Art Unterwäsche, die den Wochenfluss auffangen sollte.


    Als alles soweit fertig war, bot sie dem jungen Geburtshelfer an, den kleinen Faustus zu nehmen.
    "Gib du mir nun ruhig das Kind. Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du den Abtransport von Sergia Fausta organisieren könntest. Wir brauchen eine Sänfte, nicht so zugig ist und Träger dazu. Außerdem einen großen Korb mit Decken für die beiden Kinder. Sie dürfen nicht auskühlen beim Transport."


    Zu der erschöpften Wöchnerin sagte sie. "Wohin sollen wir dich bringen lassen, Fausta? Ich weiß ja nicht, wo du zuhause bist. Natürlich werde ich dich und die Kinder begleiten und auch morgen wieder nach dir sehen. Hast du eine Amme für die Kinder oder stillst du sie?"

    Noch war Chrysogona sehr neu in der Stadt. Sie hatte sich deshalb den Weg zu dem Haus des Amafidius zeigen lassen. Die Griechin war neugierig auf die Lehre des Epikur von der sie zwar schon das ein oder andere gehört hatte, doch da sie eher bislang mit der stoischen Philosophie in Kontakt gekommen war, noch nie eine Vorlesungsreihe gehört hatte. Die Aussicht darauf ihren Kenntnisstand zu erweitern und ein wenig an die alte Tradition des Museions von Alexandria anzuknüpfen, in dessen heiligen Hallen sie quasi aufgewachsen war, entzückte die Medica. Ja, außerhalb der Medizin gab es noch andere spannende Wissensgebiete.


    Sie betrat den noch leeren Garten und sah sich neugierig um. Wie viele Römer waren wohl der Philosophie zugetan? Würde sie hier vielleicht Zugang zu einem interessanten und interessierten Kreis gebildeter Personen bekommen?

    Der Gardetribun achtete auch Verschwiegenheit. Das gefiel Chrysogona. Auf seine Warnung, dass alles was sie besprachen absolut unter das Siegel der Verschwiegenheit fiel, nickte die Medica.
    "In meinem Beruf gibt es eine Schweigepflicht. Ich bin sehr korrekt damit und so wird auch alles was wir unter vier Augen besprechen, nicht über diese Schwelle kommen."


    Dann stellte Decimus Serapio seine Sichtweise der Gefährdung des Kaisers da. Chrysogona hörte aufmerksam zu. Als die Sprache auf Bankette und Einladungen außerhalb des Palastes kam, nickte sie nachdenklich. Alles was nun folgte betraf sie direkt oder indirekt.
    "Es ist gut zu wissen, dass der Kaiser und seine Familie auf einen Vorkoster vertrauen und seine Dienste in Anspruch nehmen. Ich hoffe, der Mann begleitet sie auch außerhalb. Denn prinzipiell kann jedes auf einem Markt oder bei einer Cena eingenommene Nahrungsmittel vergiftet sein. Wie ich hörte, ist die Augusta sehr eigenwillig und gerne auch mit wenig Begleitung auf dem Forum unterwegs. Es braucht ihr nur jemand eine Leckerei anbieten..."


    Die Medica runzelte die Stirn. Dann kam der Gardetribun auf ihren Part zu sprechen. Hier fühlte sich Chrysogona gleich in ihrem Element.
    "Vorsicht ist die Mutter der Kiste mit dem Gustatiorium. Aus diesem Grund halte ich ein Theriak für ebenso wichtig wie eine Auswahl an Antidoten. Ich hoffe, den Kaiser davon überzeugen zu können, dass er zumindest zu bestimmten Gelegenheiten auf den Gebrauch eines Theriaks zurückgreift."


    Ihr Blick ging wieder zu ihrem Gesprächspartner. Sah er das genauso?

    Du hattest mal angedeutet, dass der Kurs in Rom auch stattfinden könnte, zu einem späteren Zeitpunkt... gilt das Angebot noch? Denn in der nächsten Zeit wird Chrysogona nicht in Alexandria teilnehmen können (könnte es in Rom auch nicht) aber ab Februar würde sie sehr gerne teilnehmen. Besteht die Möglichkeit?


    Übrigens gilt für mich auch die Problematik mit der WiSim. Könnte sie trotzdem teilnehmen?

    Chrysogona wurde eingelassen und natürlich galt ihr erster prüfender Blick der Frau des Kaisers. Sie war jung und schön. Schwarze Haare und braune Augen, dazu eine schlanke Figur, die sich jedoch in einer unerwartet einfachen Tunika nur erahnen ließ. Die Medica trat vor die Kaiserin hin und neigte zum Gruß das Haupt.
    "Salve, Augusta!"


    Die Medica trug wie üblich ihr faltenreiches griechisches Gewand. Sie war ungeschminkt und der einzige Schmuck, den sie trug, waren zwei kleine goldene Ohrringe.
    "Es freut ich, dass du mich so bald empfangt. Deinen Mann habe ich ja bereits kennengelernt. Jetzt die Frau an seiner Seite zu treffen vervollständigt das Bild. Ich fände es schön wenn wir uns erst einmal ein wenig unterhalten könnten. Die relevanten Fragen ergeben sich dann vermutlich nebenbei."


    Chrysogona versuchte der Augusta die Anspannung zu nehmen. Schließlich wusste auch sie nicht, was sie erwartete. Also wartete sie ab, ob die Kaiserin ihr einen Platz anbieten würde.

    In einem persönlichen Brief hatte Chrysogona sich der Kaiserin vorgestellt und um einen Termin ersucht, bei dem sich die beiden Frauen kennenlernen konnten. Die Augusta hatte prompt reagiert und die Medica zu sich eingeladen. Chrysogona war neugierig die Frau kennenzulernen, die an der Seite des ersten Mannes stand und von der sie schon einiges gehört hatte. Nun war sie auf ihren persönlichen Eindruck gespannt.
    Eine kaiserliche Sklavin führte die Medica zu dem Raum, den die Kaiserin ausgewählt hatte. Sie verschwand im Inneren und Chrysogona wartete darauf, eingelassen zu werden.

    Chrysogona war nervös. An diesem Morgen sollte sie das private Cubiculum des Imperators aufsuchen, um die Erstanamnese und die erste Untersuchung vorzunehmen. Nun war Chrysogona bislang nur selten Gast in männlichen Schlafzimmern gewesen. Zudem wusste sie sehr wohl, dass nicht vielen Menschen der Einblick in diese intime Welt des Kaisers gewährt wurde. Begleitet von einem kaiserlichen Sklaven, der auch die Instrumente und die Tabula der Medica trug, erreichte sie das Cubiculum des Aquiliers.


    Die Griechin ließ den Sklaven anklopfen und ihr Erscheinen ankündigen. Dann setzte sie ihre professionellste Miene auf. Die Tür schwang auf und gab den Blick auf das kaiserliche Bett inklusive des Imperators im Nachtgewand frei. Chrysogona räusperte sich.
    "Guten Morgen, mein Kaiser!"


    Sie blieb in respektvollem Abstand stehen und wartete darauf, dass der Aquilier sie näherzutreten bat.