Beiträge von Decius Germanicus Corvus

    Einem Legionär folgend, dem er seine Reisebündel aufgebürdet hatte und der ihm zudem noch führen musste, kam Corvus zu den Offiziersunterkünften. Schnell war die richtige Baracke gefunden und sie betraten die aus immerhin zwei Räumen bestehende Unterkunft, die für die nächste Zeit sein Zuhause sein sollte.
    “Leg’ es hier ab, dann kannst du gehen.“, befahl Corvus dem Mann. Der tat wie ihm geheißen und verschwand gleich darauf, die Tür hinter sich schließend.
    Der Tribun blieb in der Mitte des Vorraums kurz stehen, ging dann nach hinten und ließ sich erschöpft auf die Pritsche fallen, für welche die Bezeichnung ‚Bett’ zuviel der Ehre gewesen wäre.
    Seine Gedanken begannen zu wandern und wie immer, wenn er in den letzten Monaten so da gelegen hatte, erschien das geliebte, von dunklen Locken eingerahmte Gesicht vor seinem geistigen Auge. Aelia.

    Der regelmäßige und erfolgreiche Gang auf die Latrinen war ein für Corvus unerlässliches Ritual. Hatten die weisen Männer auf Rhodos ihm in seiner Jugend nicht schon gepredigt, dass dies unerlässlich sei, für Gesundheit und geistiges Wohlbefinden?
    So führte ihn sein Weg auch nach der Rückkehr zur Zweiten bald an diesen würzig duftenden, stillen und so vertrauten Ort.
    Hier fand er sich auch dem einfachsten Legionär gleich und das Gefühl kehrte zurück, was es hieß, in der Legion zu sein.


    “IiiiiirrrrrghhohdieseBohnen!“

    “Sehr gut. Mein Pferd ist ein Geschenk des Senators Avarus und ich hänge sehr an ihm. Ich werde mir deinen Namen merken und es soll dein Schaden nicht sein.“
    Mit einem kurzen, wohlmeinenden Nicken verabschiedete Corvus sich.

    So lange es die WiSim nicht her gibt, dass sich die Großzahl derer, die sich als kommunale oder imperiale Magistrate verdingen, oder sich schlicht der Politik als solcher verschrieben haben, einen angemessenen Lebensunterhalt durch wirtschaftliches Handeln bestreiten können, so lange werden wir wohl kaum auf eine Besoldung durch die Staatskasse verzichten können. Im übrigen ist es doch schon jetzt so, dass man, will man wirklich reich werden, einen hohen Rang beim Militär anstreben muss.

    Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen kam Corvus an den Rand des Exerzierplatzes. Dort blieb er stehen und musterte die Reihen der angetretenen Soldaten und den Primus Pilus, der sie gerade inspizierte.


    Seine Gedanken schweiften ab, zurück zu der Zeit, als er noch selbst Probatus gewesen war und hier viele Runden um den Platz hatte laufen müssen. Er dachte an die elenden Übungen mit dem Bogen, dass war ein Jammer gewesen!
    Wie hatte der Ausbilder noch geheißen? Er musste kurz grübeln, dann fiel es ihm wieder ein: Quintilius Manus, ja, dass war es, Optio Quintilius Manus. Gefallen im letzten Germanenkrieg, wie ihm Sedulus noch erzählt hatte.


    Er riss sich von den trübsinnigen Gedanken los und schaute erneut zu den Männern, wie sie da vor ihrem Ausbilder standen. Junge, kräftige Kerle. Hoffentlich gut und mutig genug, für das, was da unweigerlich irgendwann kommen musste, vielleicht noch diesen Winter, aber bestimmt im nächsten Frühjahr.

    Sichtlich erfreut drückte Corvus dem Legionarius die Zügel in die Hand. Ein Soldat mit Einsatzwillen, dass gefiel ihm.


    “Gerne. Mein Pferd hört auf den Namen Ganymed. Sieh zu, dass er ordentlich abgerieben und versorgt wird und einen trockenen Platz im Stall bekommt. Er hat einen weiten Weg hinter sich. Diese Stallburschenbande ist normalerweise ein liederlicher Haufen, oder sollte das bei der Zweiten mittlerweile anders geworden sein?“


    Er nahm sein Bündel von Ganymeds Rücken.


    “Dein Name, Legionarius?“

    Corvus führte Ganymed in die Ställe.
    “Ja, mein Bester, dass kennst du noch, ich weiß.“
    Als ob er seinem Herrn antworten wollte, schnaubte sein dunkelbrauner Hengst vernehmlich.


    “Heda, ein Stallbursche zu mir!“

    “Wenn es erlaubt ist, dann würde ich mich zunächst gerne einmal den Männern vorstellen und mir einen Eindruck von ihrem Ausbildungsstand und ihrer Einsatzbereitschaft machen. Mir geht es dabei weniger um die alten Haudegen, die in Hispania und gegen die Germanen gekämpft haben. Aber viele Centurien mussten nach den hohen Verlusten mit Neulingen aufgefüllt werden, wie ich annehme. Ich wüsste gerne, was ich von ihnen erwarten und abverlangen kann, bevor ich mit ihnen in eventuell an den Feind gerate und mich blind auf sie verlassen muss. Wie die Geschichte zeigt, kann es selbst im Winter zu Übergriffen der Germanen kommen, sollte der Rhenus zufrieren.“


    Er genehmigte sich noch einen Schluck.


    “Darf ich fragen, wie es um die Moral der Zweiten bestellt ist? Wie hat sie die Verluste des Krieges verkraftet?“

    “Nun, ich habe hier in der Gegend meine Jugend verbracht. Das war bei meinem Onkel mütterlicherseits, ein wenig den Rhenus aufwärts. Er war Steuerpächter und ich half ihm beim Eintreiben der Abgaben. In dieser Zeit habe ich natürlich auch das germanische Landvolk kennen gelernt, das diesseits des Limes lebt und Rom tributpflichtig ist. In der Legion hatte vor allem Kontakt zu romanisierten Germanen, also Männern, welche die römische Staatsbürgerschaft erlangt haben und Rom dienen.
    Aber ich beherrsche die germanische Sprache nicht, wie ich einräumen muss und glaube auch, dass wir geborenen Römer niemals die barbarischen Sitten und Gebräuche dieses Volkes endgültig werden ergründen können. Die Germanen sind nun einmal keine Griechen und in gewisser Hinsicht noch nicht einmal mit den Galliern vergleichbar. Die Gallier haben sich ihrem Schicksal ergeben und sich in das Imperium eingefügt aber die Germanen, zumindest diejenigen, die jenseits des Limes hausen… also… die sind doch wie wilde Tiere, wie Wölfe, man darf ihnen nicht trauen und niemals den Rücken zukehren. Dennoch müssen wir versuchen uns einige von ihnen nutzbar zu machen, wenn ich das sagen darf. Ein geschickter Mann kann auch einen Wolf bis zu einem gewissen Grad abrichten, so sagt man.“

    “Ach, Rom ist das alte und doch heiß geliebte Scheusal wie immer.“, erwiderte Corvus grinsend, nachdem er sich auch gesetzt hatte.
    “Die Wahlen zum Cursus Honorum sind gerade vorüber, wie du sicher weißt. Mein Vetter Germanicus Avarus hat einen Platz als Praetor Urbanus errungen, was die Familie mit Stolz erfüllt. Der Wahlkampf war überraschend ruhig, gemessen an früheren Zeiten. Aber dafür sorgte der letzte Volkstribun in seiner Amtszeit für Aufsehen. Ein Octavier, ich weiß nicht, ob du ihn kennst. Er ist noch recht jung, ein Sohn des alten Octavius Anton. Die Sache mit der Steuerfreiheit für Patrizier gärt noch immer unter den Plebejern. Es würde mich nicht wundern, wenn deshalb in der Subura noch einmal Dachziegel fliegen.“

    Corvus wurde, von der Porta Praetoria kommend, direkt in die Principia geführt. Vor dem Officium des Legaten fand sich, wie nicht anders zu erwarten, ein geschäftiger Scriba.
    “Salve! Melde dem Legatus Legionis das Decius Germanicus Corvus, sein neuer Tribunus Angusticlavius, da ist und darum bittet, zu ihm vorgelassen zu werden.“

    Die feuchte Kälte war Corvus in alle Glieder gekrochen, als er an diesem Morgen den alt vertrauten Weg zum Castellum hinauf ritt. Dampfende Wolken entwichen den Nüstern seines Pferdes, als er das Tor erreichte, vor dem bereits ein anderer Reiter auf Einlass wartete.
    “Salvete!“, rief er, halb den Wartenden grüßend, halb zur Palisade hinauf, dass man ihn auch hörte.