Decius setzte sich und nahm dann wieder den Faden auf, den Tiberius ausgelgt hatte:
Erinnere Dich…
Wie Du sicher noch weißt, war der alte Bär, unser Vater, zwei mal verheiratet und hatte mit seinen beiden Frauen Söhne. Jedoch wurde ich bereits als Kind in die Obhut eines Bruders meiner Mutter gegeben, darum kennen wir uns kaum. Quintus Aelius Herma ist der Name dieses Onkels und er ist ein kleiner Steuerpächter in Sueborum Nicrensium. Als ich älter wurde, half ich ihm in der Buchführung und bei Botengängen, später trieb ich auch direkt die Abgaben von den Schuldnern ein, doch das war auf Dauer nicht die richtige Arbeit für mich. Vor nunmehr zwei Jahren verließ ich ihn, um die Welt kennen zu lernen, wonach es jungen Männern bekanntlich immer dürstet. Durch glückliche Umstände hatte ich aus dem mütterlichen Teil meiner Familie eine kleine Summe geerbt, so dass ich hoffen durfte, eine Zeit lang unbeschwert leben zu können, zumal ich etwas gespart hatte.
Ich begab mich also nach Massilia und schiffte mich auf einem der großen Handelssegler ein.
Es war eine lange und beschwerliche Reise, ihr wisst ja, wir Römer sind nicht für die See geschaffen…
Na, auf jeden Fall kamen wir so nach Alexandria. Eine herrliche Stadt, dass kann ich sagen!
Stellt euch vor, dort sind alle Straßen schnurgerade und die meisten so breit, dass auch große Ochsenkarren hindurch passen. Ja, es gibt sogar etliche, da können zwei Karren aneinander vorbei fahren. Das ist ganz anders als in Rom!
Und alle Häuser sind aus Stein erbaut. Das liegt wohl daran, dass es dort, in Ägypten, so wenig gutes Holz gibt. Aber vor allem ist Alexandria so viel feuersicherer als andere Städte.
Auch sonst hat die Stadt viele Ausschweifungen zu bieten und ein Römer, egal welchen Ranges, wird dort noch immer mit allergrößter Hochachtung und Zuvorkommendheit behandelt. Nun ja, von den meisten Alexandrinern zumindest… Auf jeden Fall lässt es sich dort prächtig leben und prassen. Doch auch die Bildung kommt nicht zu kurz. Ich habe im dortigen, sehr berühmten Museon Vorlesungen geleerter Männer besucht und viel von der Welt und wie sie beschaffen ist, gelernt.
Aber Alexandria ist auch ein teures Pflaster und bald merkte ich, dass mein Geld schneller abnahm als es mir lieb sein konnte.
Darum nahm ich im letzten Herbst, bevor die ärgsten Winterstürme los brechen, ein Schiff nach Rhodos.
Ich weiß, Rhodos ist ein elendig langweiliger, karger Fels mit einem Haufen schwafelnder Exzentriker und Exilanten besetzt. Doch das Leben ist dort sehr viel billiger und ich hatte gefallen an den Lehrreichen Vorträgen der Philosophen gefunden. Und dafür, um langatmigen Vorträgen vergeistigter Griechen zu lauschen, dafür ist Rhodos der beste Ort der Welt!
Das ging so bis in das Frühjahr. Doch inzwischen neigten sich auch meine restlichen Sesterzen merklich dem Ende entgegen und bald war der Punkt erreicht, dass ich mir das letzte Geld für die Rückreise vom Munde absparen musste. Schließlich fand ich ein Schiff, das mich immerhin nach Ariminum bringen konnte. Da ging mein letztes Geld jedoch endgültig zu Ende. Also heuerte ich bei einem Freigelassenen namens Kaeso Silurius an, der mit dem Import von Zedernholz aus Phonicia ein großes Geschäft machte. Ich ging ihm bei der Buchführung und der Aufsicht seiner Sklaven zur Hand. Irgendwann erfuhr ich durch einen Zufall vom Verschwinden meines Vaters und da dachte ich mir, es sei Zeit in die Heimat meiner Familie zurück zu kehren. Doch es dauerte noch Monate, bis ich genug verdient hatte, um mir die Weiterreise leisten zu können. Schließlich hatte ich endlich genug zusammen und konnte mich auf den Weg machen… Und jetzt bin ich hier.