Beiträge von Decius Germanicus Corvus

    “Das wird man sehen. Für heute lautet mein Befehl an dich, Quartier zu beziehen. Dir steht selbstverständlich ein eigenes Tribunenhaus zur Verfügung. Da ist eines frei, gleich gegenüber auf der rechten Seite. Es ist deins.
    Außerdem hast du hier in der Principia ein eigenes Officium.
    Richte dich ein und mach' dich mit allem vertraut.
    Du solltest außerdem ein wenig Zeit auf dem Rücken eines Pferdes zubringen. Ich nehme nicht an, dass du in Rom sehr viel Gelegenheit dazu hattest.
    Das wäre vorerst alles, Tribunus.“


    Die Stabsoffiziere einer Legion genießen besondere Privilegien. Das zeigt sich auch an ihren Unterkünften, die sich sehr von denen der einfachen Soldaten und Mannschaftsoffiziere unterscheiden. Ihnen stehen eigene Häuser zur Verfügung, die wenig mit der sonstigen Kasernenbebauung gemein haben, sondern stattdessen sehr stark den typisch römischen, städtischen Atriumhäusern ähneln. Wie bei diesen gliedern sich fast alle Räume um ein zentrales atrium, mit im Boden eingelassenem Wasserbecken (impluvium) und einer damit korrespondierenden Dachöffnung (compluvium). Auch die weitere Raumnutzung, mit z. B. fauces (Eingangsbereich), tablinum (Wohnraum), triclinium (Esszimmer) und cubiculum (Schlafzimmer), gleicht der ziviler Stadthäuser. Jedem Tribun steht ein eigenes Haus zu, in dem er zusammen mit seiner Familie und dem Hauspersonal wohnt. Die Tribunenhäuser befinden sich an der via principalis und zwar auf der Straßenseite, die der principia gegenüber liegt.


    Das ist das Haus von Tribunus Angusticlavius Lucius Iunius Silanus.


    “Du kennst Land und Leute? Dann bist du also mit den hiesigen Verhältnissen vertraut. Das ist sehr hilfreich. Sehr gut.“
    Der Präfekt fasste seinen Gegenüber fest ins Auge.
    “Ich habe keine Zweifel an deinen Führungsqualitäten und deiner Befähigung als Offizier. Als Absolvent der Academia Militaris Ulpia Divina mit abgelegtem Examen Secundum verfügst du über die nötigen Kenntnisse Männer zu führen. Du bist administrativ geschult und ich bin mir sicher, dass du während deines Dienstes bei den Vigiles auch ausreichend praktische Erfahrung gesammelt hast.
    Aber das hier ist die Legion! Das hier ist etwas anderes!
    Rom hat uns diese immens wichtige und zudem gewohnheitsmäßig aufrührerische Provinz anvertraut. Aegyptus ist Grenzland und manchmal beginnt diese Grenze gleich dort drüben, hinter der Porta Praetoria dieses Lagers.“

    Er zeigte mit dem Finger nach draußen.


    “Ja sicher, ich weiß sehr wohl, dass auch Rom in der Nacht, wenn die Vigiles ihren Dienst tun, ein tückischer und gefährlicher Ort sein kann. Keine Frage.
    Schon mal einen Mann getötet?“

    “Als Iuridiculus steht dir ein eigenes Haus hier im Basileia-Viertel zu. Wende dich an Lyros. Das ist der Scriba der dich zu mir geführt hat. Er wird alles nötige veranlassen.
    Auf der Halbinsel hier lässt es sich gut leben und die Luft ist sehr viel gesünder als auf der anderen Seite der Stadt.“


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    Gemäß den Bestimmungen des Codex Militaris
    wird der Legionarius
    LUCIUS CAECILIUS METELLUS
    wegen grober Verletzung seiner Pflichten
    mit Wirkung vom
    NON FEB DCCCLVIII A.U.C.
    (5.2.2008/105 n.Chr.)
    aus dem Dienst bei der
    LEGIO XXII DEIOTARIANA
    UNEHRENHAFT ENTLASSEN.


    “Hier in Alexandria ist es kaum anders. Die Leute haben andere Sorgen als den Krieg gegen die Parther.“, musste Corvus zugeben.
    “Aber ich bin nicht unglücklich darüber. Wenn sich die Leute auf der Straße zu viele Gedanken über den Krieg machen würden, dann könnten sie noch aufsässig werden. Die Truppenpräsenz ist wegen des Krieges zurzeit halbiert. Die XXIII. Legion ist in Syria und mir bleiben nur die XXII. und einige unzuverlässige Auxiliareinheiten, um in diesem Land für Ruhe und Ordnung zu sorgen.“


    Der Wein wurde gebracht und eingeschenkt. Corvus nahm seinen Becher und prostete seinem Gegenüber zu.
    “Auf dein Wohl!“

    “Kein Problem.“, gab Corvus salopp zurück und bot ihm einen der bequemen Stühle an.
    “Bitte, nimm doch platz. Du trinkst doch bestimmt einen Becher mit mir, ja? Was gibt es Neues in Rom und was hört man vom Krieg im Osten? Man sollte denken, dass ich hier in Alexandria an der Quelle vieler Neuigkeiten sitze. Aber leider erfahre ich in Wirklichkeit kaum mehr, als was in der Acta Diurna zu lesen steht. Wie ist die Stimmung in der Hauptstadt?“

    Der Praefectus Alexandriae et Aegypti Decius Germanicus Corvus erschien. Er wurde von seiner Gemahlin begleitet und von einigen Gästen, die er zu dieser feierlichen Opferung eingeladen hatte. Drei Priesterinnen schritten ihnen voran.


    Corvus hatte seine schönste Tunika angelegt. Sie war cremeweiß. Ein schmaler, dunkelroter Streifen hob sich deutlich davon ab und wies ihn als Angehörigen des Ordo Equester aus.


    Er blinzelte zum wolkenfreien Himmel empor. Die Sonne strahlte und beschien die Szenerie freundlich, ohne so gleißend und unbarmherzig zu brennen wie sie es im aegyptischen Sommer zu tun pflegte. Der Winter war in Alexandria wirklich eine angenehme Jahreszeit.
    Corvus fasste das gute Wetter schon einmal als gutes Omen auf.

    “Oh ja, dass kann ich versprechen. Alexandria ist wirklich jede Reise wert. Es ist eine wundervolle Stadt.“


    Er wandte sich zu dem Schreiber um, der mit ihm in das Atrium gekommen war.
    “Es ist gut, Lyros. Wir sind fertig für heute. Du kannst gehen.“


    Dann ließ er sich nieder.


    “Habt ihr etwas zu trinken? Wir sollten auf eure glückliche Ankunft anstoßen.“

    Cornwells Bücher sind zwar nicht in der römischen Antike angesiedelt, sondern im England des frühen Mittelalters, aber ich kann dem nur zustimmen: Sie gehören zu den besten historischen Romanen die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Wenn man seinen Stil mag – und ich mag ihn sehr – dann möchte man diese Bücher gar nicht mehr aus der Hand legen.
    Diese Reihe ist wirklich eine ganz dicke Empfehlung wert. :) :dafuer: