Beiträge von Decius Germanicus Corvus

    Der Mann dachte mit. Anerkennend nickte Corvus.
    Da es aber nötig gewesen war offen vor das Tor der Castra zu treten, um überhaupt hinein zu gelangen, weil er ohnehin annahm, niemand könne ahnen was ihn hierher gebracht hatte, ja, dass er genau aus diesem Grunde alleine gekommen war, hielt er weitere Geheimnistuerei für unnötig.


    “Wenn mich der Legat in seinem Officium empfangen könnte, dann wäre mir das sehr recht.“


    Die Gefahr belauscht zu werden bestand hier wie dort, fand Corvus.

    Corvus' Züge hellten sich kurz auf.
    “Ein Kamerad aus alter Zeit? Ich freue mich, Decurio!“, antwortete er und erweckte dabei ein wenig den Eindruck, als ob er sich an den Anderen erinnerte. Obwohl das sicherlich mehr gewesen wäre als man erwarten konnte. Die Schar seiner Offiziere war damals sehr groß gewesen. Das er mit 'Praefectus' angesprochen wurde gefiel ihm aber ganz bestimmt.


    Er nickte verständig.
    “Oh ja, wir erleben besondere und sehr schwierige Zeiten. Ich verstehe, dass sie erhöhte Wachsamkeit erfordern.“


    Wieder sah er zu dem Legionarius: “Ich wäre sehr froh, wenn sich jemand um mein Pferd kümmern könnte.“, dann erneut zu Cursor: “Danke, Decurio.“, und machte sich daran, ihm zu folgen.

    Noch auf dem Pferd sitzend sah der Reiter auf den Soldaten herab.
    “Ich bin Decius Germanicus Corvus, einst Praefectus Aegypti und Legatus Legionis der XXII. Deiotariana und XXIII. Cyrenaica!“, antwortete er nachdrücklich.


    Dann stieg er ab.


    Mit der Rechten griff er langsam unter den Mantel und brachte ein Spatha zum Vorschein, dass Langschwert eines Kavalleristen. Einen Augenblick lang zögerte er. Dann hielt er es dem Soldaten mit dem Griff zuvorderst hin.


    “Weitere Waffen trage ich nicht.“
    Mit noch mehr Nachdruck fuhr er fort: “Ich muss mit deinem Kommandeur sprechen, mit Titus Aurelius Ursus. Ich habe eine Botschaft für ihn, von äußerster Dringlichkeit, die ich nur persönlich überbringen kann.“

    Die Reise dauerte länger als es dem ungeduldigen Reiter an der Spitze recht war. Das lag nicht alleine an den langsamen und schwerfälligen Karren, denn die Reisegruppe mied die großen Städte an der Straße wo es ging und versuchte sie möglichst erst in der Abenddämmerung oder am frühen Morgen zu passieren. Manchmal warteten sie einen halben Tag bevor es weiter ging und manchmal umfuhren sie eine Stadt sogar umständlich und zeitraubend auf unbefestigten Wegen.
    So ging es über Narnia am Flusse Nar und über Mevania, an Nuveria vorbei nach Norden. Man passierte Tadinum und Pitinum Mergens, bevor die Küste des Mare Adriaticum und schließlich Ariminum erreicht wurde. Von hier aus ging es weiter nach Nordwesten, in die Aemilia, nach Bononia, Mutina und Parma. Als man endlich bei Placentia an den Padus gelangt war, ohne aufgehalten, aufgegriffen oder sonstwie behelligt worden zu sein, glaubte man sich immer sicherer und genehmigte sich volle drei Tage Rast. Erst danach ging es weiter, jetzt ziemlich genau nach Osten. Cremona war die letzte große Stadt vor ihrem eigentlichen Ziel: Mantua!
    In Sichtweite der ersten Gräber vor der Stadt schlugen sie ihr Lager auf.


    Aber der Reiter verweilte nicht. Nach ein paar dürren Worten verließ er die Gruppe und trieb sein müdes Pferd in Richtung der nahen Castra.

    Ein einsamer Reiter kam vor das Tor der Castra. Er trug einen Reisemantel mit kunstvoll besticktem Saum, der aber schmutzig und staubbedeckt war. Sein Pferd schien ein edles Tier zu sein, was angesichts seines müden Zustandes aber kaum noch zu erkennen war. Hatte der Mann hatte eine längere Reise hinter sich? Wo war dann sein Gepäck?


    Mit noch immer befehlsgewohnter Stimme rief er die Torwachen an: “Heda! Ich komme in wichtiger Mission! Lasst mich herein!“

    Es war ein herrlicher Frühlingsmorgen. Das Land hatte die Fesseln des Winters endgültig abgeworfen, die Vögel begrüßten den noch jungen Tag mit fröhlichem Gezwitscher und die Straße führte vorbei an frisch ergrünten Wäldchen und saftigen Weiden. Die Gegend südlich von Capena zeigte sich dem Reisenden als Abbild des idyllischen Arkadien, wie es Vergil in seinen bukolischen Gedichten beschrieb.


    Auf der Straße, der Via Flaminia, konnte man zu dieser frühen Stunde eine Reisegruppe erkennen. Sie mochte einem arglosen Beobachter als höchst gewöhnlich erscheinen und das sollte sie auch.


    Scheinbar war dies ein recht wohlhabender Händler auf dem Weg nach Norden. Er ritt zu Pferd voran. Ihm folgten drei Karren, ebenfalls von Pferden gezogen, die seine offenbar nicht allzu gewichtigen Waren transportierten und auf denen einige seiner Sklaven mit ihm reisten. Ein paar andere, die ihrem Äußeren nach vor allem dem Schutz ihres Herrn und seiner Besitztümer verpflichtet waren, liefen nebenher.


    Kein ungewöhnlicher Anblick also. Zumindest hoffte es der Reiter. Denn er war kein Händler und nicht alle seine Sklaven und Bediensteten waren echt...

    “Es ist das Sicherste, Patron.“, redete Corvus auf ihn ein: “Der Centurio Quintilius hat durchaus recht; Sklaven werden von niemandem beachtet. Sie sind allzeit um uns herum, aber man nimmt sie kaum wahr. Die Wachen werden nach einem Senator suchen, nicht aber nach einem Sklaven. Der Gedanke ist durchaus richtig.“

    Das sein Plan so schnöde scheiterte, das ärgerte den von sich und seinen Ideen überzeugten Corvus ein wenig. Aber andererseits wusste der Prätorianer natürlich besser als er, wie die Kontrollen organisiert waren und wonach am ehesten gesucht würde. Wenn kein Karren zu beschaffen war und wenn die Bedrohung bereits so nah war, dann war ein sofortiger Aufbruch vielleicht wirklich das Beste.


    “Man wird mich nicht erkennen.“, gab also doch recht verständig Auskunft.
    “Ich war lange Zeit in Aegyptus und seit meiner Rückkehr nach Italia, lebe ich in Misenum. In Rom bin ich selten. Nein, ich denke, ich könnte mich hier unerkannt bewegen.
    Ein Händler und seine Sklaven also? Das soll unsere Tarnung sein?“

    Sein Blick galt Quarto.

    Corvus sah etwas besorgt auf Quarto. Ob sich der dann doch recht stolze Consular in einen Sklaven verwandeln lassen würde?
    “Vielleicht genügt auch eine einfache Tunika und ein grober Mantel, wie ihn die Landleute tragen.“, meinte er beschwichtigend.
    Er wusste doch, dass sich die Senatoren gerne als bescheidene Bauern ausgaben, auch wenn dies angesichts ihrer oftmals pompösen Landgüter eine absurd bescheidene Attitüde war.
    In der Vergangenheit, bei den Speculatores, hatte er selbst einige verdeckte Missionen geleitet. Darum fühlte er sich dazu berufen, einen Fluchtplan vorzuschlagen:
    “Ein Ochsenkarren wäre gut. So einer, wie die, mit denen Nachts die Bauern des Umlandes die Märkte beliefern. Wir sollten noch bei Dunkelheit aufbrechen, denn bei Tageslicht ist die Gefahr zu groß, dass mein Patron doch von irgendwem erkannt wird. Selbst in Verkleidung. Sein Gesicht ist vielen bekannt. Aber so ein Karren fällt nicht weiter auf, wenn er vor der Morgendämmerung die Stadt verlässt, weil doch Fuhrwerke bei Tage in Rom verboten sind. Der kürzeste Weg führt uns auf der Via Flaminia aus der Stadt, dann nach Ariminum und von dort aus auf der Via Aemilia weiter nach Norden.“

    Jetzt schaltete sich wieder Corvus, der langjährige Offizier, in das Gespräch ein:
    “Patron, dass bestätigt nur noch, was wir bereits gesagt haben: du musst die Stadt verlassen und das rasch. Hier bist du nicht mehr sicher!“
    An Valerian gewandt:
    “Du sagst, du kannst den Consular sicher aus der Stadt bringen? Wie soll das vor sich gehen?“

    Corvus las den Befehl des Praefectus Urbi ebenfalls, der jedoch nicht von ihm selbst, sondern von seinem Scriba unterzeichnet worden war.
    “Mmh... ich sehe es genau so wie Lucius Quintilius, Patron; wenn man dich erst in die Castra Praetoria geschafft hätte, dann wäre dein Leben in höchster Gefahr, selbst wenn Salinator vor einer offiziellen Anklage zurückschrecken sollte. Ein Sturz, eine Herzattacke, etwas in der Art, dass ließe sich leicht fingieren.“
    Er machte ein besorgtes Gesicht, als er Valerian die Wachstafel zurück gab.

    Corvus verzog das Gesicht.
    “Es ist schon eine ganze Weile her.“, gab er zu. “Viele Offiziere werden inzwischen in anderen Einheiten dienen. Den heutigen Praefectus Aegypti und die beiden Praefecti Legionis kenne ich nicht besonders gut. Es wäre ein Wagnis, sich auf ihr Wohlwollen zu verlassen.“

    Corvus musste ein säuerliches Gesicht unterdrücken, als ihn sein Patron als Ruheständler hinstellte. Auch wenn es, bei Lichte betrachtet, durchaus der Wahrheit entsprach.
    Er stand jetzt ebenfalls auf.
    “Das ist richtig. Mir unterstanden alle dort stationierten Einheiten des Exercitus Romanus und jeweils eine Legion direkt; zuerst die XXII. Deiotariana, später die XXIII. Cyrenaica.“, bestätigte er, bevor er sich an die beiden Iulier wandte und sich ein Lächeln abrang: “Ich freue mich, euch kennen zu lernen.“

    Interessiert erwartete Corvus, wer da wohl kommen würde. Er glaubte nicht, dass es Speculatores waren, die sich als Klienten ausgaben um sich Zutritt zu verschaffen. Zu seiner Zeit hatte man sich für gewöhnlich mit roher Gewalt beholfen, wenn man in ein Haus wollte, in dem man nicht willkommen war.

    “Darum sage ich doch, du musst weg aus Rom! Hier bist du nicht sicher und du kannst auch nichts bewirken! Wir haben doch gehört, dass er schon damit begonnen hat, Senatoren verhaften zu lassen. Du wirst ihn hier nicht mit Worten aufhalten, denn er wird dich gar nicht zu Wort kommen lassen!“, beschwor Corvus erneut seinen Patron.


    “Außerdem wird nicht alles in Rom entschieden. Am Ende kann Salinator über die Stadtkohorten bestimmen wie er will und könnte trotzdem nicht gegen die Legionen regieren!“