Beiträge von Norius Carbo

    Sim-Off:

    Nur eine kurze Anmerkung. Carbo reist mit einem Cisium, wie in meinem Post erwähnt, was heißt, dass es keine Ladefläche gibt und der Miles auch seine Truhe nicht sehen kann, da die in dem kleinen Hohlraum unter dem Sitz verstaut ist.
    Um Iritationen zu vermeiden tue ich so, als hätte er auf den Sitz mit dem Hohlraum geschaut, weil es ja kein simOn-Fehler war. :)


    Die Schlange der Kontrolleure kam an ihn und es folgte die übliche Prozedur, so wie sie Carbo in jeder größeren Stadt sie erlebt hatte auf seiner Reise. "Salve" grüßte er freundlich zurück und hüpfte von seinem Sitz herunter, um genau jenen dann hochzuklappen und aus dem Hohlraum seine kleine Truhe hervorzuholen. Die stellte er dem Miles vor die Füße und öffnete sie. "Keine Waffen, das sind alle persönlichen Gegenstände die ich besitze."
    Ein wenig Kleidung war es, einige Schriftrollen und sonstige Gegenstände, die man normalerweise auf einer langen Reise so mit sich trug. Auch der kleine leere Lederbeutel war darin in dem Carbo öfters bei Zwischenstopps etwas Proviant für unterwegs mitgenommen hatte, doch hatte er den letzten Rest heute Morgen in Ostia aufgebraucht. Seine beiden Wasserschläuche waren am Wagen befestigt, einer war leer, der andere halbvoll.

    <<<<<


    In Ostia hatte Carbo einen Händler gefunden, der ihm einen klapprigen alten Gaul und ein Cisium, einen leichten Reisewagen zu einem Spottpreis verkaufte. Der war auch mehr als angemessen angesichts des Zustands des Wagens, doch das war Carbo egal. Er brauchte das Gefährt nur zur Überbrückung der letzten Meilen nach Rom, immerhin hatte er auch noch seine Truhe mit seinen persönlichen Habseligkeiten darin zu transportieren und Carbo war gewiss nicht gewillt dazu sie den ganzen Weg auf der Via Ostiensis selbst zu schleppen. So lud er die Truhe in den aufklappbaren kleinen Hohlraum des Gefährts und setzte sich auf den Fahrersitz und verließ Ostia. Es dauerte einen guten halben Tag, dann jedoch tauchten vor ihm die Schemen der Servianischen Mauer auf und Carbo wurde von einem ehrfürchtigen Gefühl ergriffen. Nach seiner insgesamt 40-tägigen Reise von Mogontiacum bis Ostia hatte er es endlich geschafft und war an seinem Ziel angekommen, vor ihm lag Rom, die Ewige Stadt und Hauptstadt des Imperiums!


    Was hatte er nicht schon für Geschichten über diesen Ort gehört! Und erst welche Fehlvorstellungen hatte er zu Beginn seiner Reise noch über Rom gehabt! Weit und breit keine Salzwasser-, oder Sandmeere in Sicht, sondern alles grün und blühend, denn Roms Hafen Ostia lag doch sehr viel weiter von der Hauptstadt weg, als was er gedacht hatte. Doch nun endete Carbos Reise vorerst hier. Er wollte eine Bleibe und eine Arbeit finden und sich hier einleben, ehe er zum Orakel in Cumae aufbrechen wollte. Staunend betrachtete er im Vorbeifahren eine große weiße Pyramide mit einem sehr spitzen Winkel (warum die wohl hier stand?), ehe er wenig später zu der Schlange von anderen Reisenden an der Porta Trigemina gelangte und sich einreihte, um auf die Kontrolle durch die Stadtwache zu warten.

    Das Schiff verließ den Hafen von Massilia und schwenkte auf seinen Kurs in Richtung Südost ein. Eine kräftige Briese blähte die Segel des Frachters, sodass Rudern nicht nötig war. Carbo musste vorerst nichts weiter tun und fand so die Zeit über all das zu staunen, was rund um ihn gerade geschah. Dies war seine erste Überfahrt übers Meer und sie verzauberte ihn mit ihrer Magie. Das sanfte Auf und Ab des Schiffes, wenn es auf den rollenden Wellenbergen ritt, die Seemänner rund um ihn, die ein griechisches Seemannslied angestimmt hatten und dieses einzigartig schöne Blau, wenn die Sonnenstrahlen auf das Wasser trafen. Der Junge konnte ewig dort stehen und seine Umgebung beobachten.
    Am Nachmittag dann bekam er jedoch seine erste Aufgabe. Das Deck musste geschrubbt werden. So kniete er wenig später am Boden und wischte das alte Holz mit seinem Lappen. Er verstand nicht so ganz wozu das nötig war das Deck eines Schiffes putzen zu müssen, doch vertraute er dabei dem Kapitän. Bislang war dieser ein freundlicher Mann ihm gegenüber gewesen. Ein Grieche aus Lilybaeum mit Namen Polybios. Einmal gewährte dieser ihm sogar Einblick in seine Karten, ein überaus faszinierender Augenblick für Carbo. Doch nicht wenig später und er musste wieder an die nächste Arbeit als Bezahlung seiner Fahrt. Im Kielraum des Schiffes hatte sich Wasser gesammelt, Carbo sollte sich einen Eimer schnappen und es aus dem Rumpf entfernen. Eine nasse und weniger tolle Arbeit. Zu diesem Zeitpunkt wusste er auch noch nicht, dass das für die nächsten Tage seine Hauptbeschäftigung sein würden. Wasser aus dem Kielraum bechern und das Deck schrubben. Auch die Kost war eher karg an Bord von Polybios' Corbita. Pökelfleisch, Weizenhartbrot, Käse, Zwiebeln und dazu etwas Olivenöl, mehr gab es nicht.
    So verbrachten sie die ersten drei Tage ihrer Fahrt, ehe sie ihren ersten Zwischenstopp erreichten; Aleria auf der Insel Korsika. Dort ging Polybios vor Anker, um einige Waren zu löschen und neue aufzunehmen gemäß seinen Verträgen mit den örtlichen Händlern. Carbo durfte dabei den Lauf- und Schleppburschen spielen. Aus dem Frachtraum schleppte er Kiste um Kiste und später beim Beladen ging das ganze andersherum. Dann hieß es hinein ins Lagerhaus, Kiste auf und über die Laufplanke aufs Schiff und hinein in den Frachtraum. Das erfreuliche war, dass die Mannschaft (abgesehen von zwei Wachen) den Rest des Abends frei bekam, da sie erst morgen Früh weitersegeln würden. So hatte Carbo Zeit seine schmerzenden Glieder zu schonen. Korsika war die allererste Insel, die er in seinem Leben sah und was er von ihr bislang erblickt hatte, war sie eine wahre Schönheit. Nicht auszudenken, dass er keine Zeit dazu hatte die nähere Umgebung zu erkunden. Heute aber war er zu müde, weshalb er einfach mit den Seeleuten in eine Hafentaverne mitging. Die sprachen ordentlich dem Wein zu und gröllten einander schmutzige Witze zu, während die eine oder andere Runde gewürfelt wurde. Carbo machte mit und schon leicht betrunken verstand er allmählich, wieso Matrosen ihre Abende an Land am liebsten so ausklingen ließen. Später kamen dann plötzlich einige Frauen mit stark geschminkten Gesichtern und auffälligen Frisuren an ihren Tisch. Die Männer pfiffen und riefen ihnen Worte zu, als sie sich auf ihre Schöße setzten. Eine Lupa ließ sich auch auf Carbo nieder. Sie hatte nur einen äußerst dünnen Stoff als Kleidung, der das wichtigste verdeckte. Sie räkelte sich auf ihm und führte seine rechte Hand an ihre üppigen Brüste.
    Diese Geschichte ging derart zu Ende, dass Carbo am nächsten Morgen um einige Sesterze leichter und entjungfert wieder an Bord von Polybios' Schiff ging und noch sehr verwirrt über die letzte Nacht war. Was war da nur passiert???


    Polybios segelte von Aleria aus nicht direkt nach Ostia, sondern zuerst nach Elba und dann entlang der italienischen Küste. Auf ihren Zwischenstopps in Ilva, Populonium und Cosa folgte Polybios' Mannschaft immer einem gleichen Muster, nach getaner Arbeit besaufen in einer billigen Hafentaverne und dem anschließenden Besuch eines Lupanars (wenn dieses nicht sowieso in einer Taverne intigriert war so wie in Aleria). Carbo folgte dieser Routine und nachdem sich sein Körper an die harte Arbeit an Bord erst gewöhnt hatte, hatte er großes Gefallen an diesem Seemannsleben gefunden. Besonders die leichten Mädchen sagten ihm am meisten zu, hatte er derartiges zuvor überhaupt nicht gekannt. Natürlich hatte er von Prostituierten und Lupanaren gewusst, doch ohne je die Berührungen einer Frau erfahren zu haben war dies für ihn in Mogontiacum bloß ein Gewerbe neben vielen anderen gewesen. Doch jetzt konnte er von ihnen einfach nicht genug kriegen. Dieser Rausch war stärker als jeder Alkohol, Carbo hatte auf seiner Reise wirklich mehr als nur eine neue Welt für sich entdeckt!


    Sechs Tage nach Massilia kam vor ihnen endlich Ostia in Sicht. Carbo hatte vorne am Bug gestanden, um einen ersten Blick auf das langsersehnte Reiseziel zu werfen. Dort vorne lag der Hafen der Ewigen Stadt! Er konnte es kaum fassen, er war wirklich angekommen! Mit jeder Meile, der sich der Frachter Ostia näherte, wurde Carbo aufgeregter. Polybios ließ nach dem Anlegen Carbo noch einmal ordentlich Kisten schleppen, ehe er seine Vereinbarung mit ihm als erfüllt ansah und Carbo ein freier Mann war. Morgen würde er mit seinem Schiff Kurs auf Brundisium setzen, ehe es von dort zurück nach Massilia für ihn ging. Carbo verbrachte seinen letzten Abend mit der Mannschaft. Ein letztes Mal mit ihnen saufen, würfeln und herumhuren, ehe der nächste Morgen kam und ihre Wege sich trennten.


    >>>>>

    Spätestens mit seiner Ankunft in Massilia merkte Carbo, dass er nun entgültig sein vertrautes Terrain verlassen und eine neue Welt von einer anderen Kultur betreten hatte. Dies alles hatte sich schon mit dem auftauchen der Mauern Massilias angekündigt. Er und der Händler Lucius Rufus hatten, aus Arelas kommend, in dessen Wagen einen letzten Hügel überwunden und da waren sie! Doch nicht nur das, hinter den Mauern war eine gigantische, spiegelglatte Fläche erschienen, die endlos schien und sich von links nach rechts über Carbos ganzes Blickfeld zog und er nicht anders konnte, als staunend den Mund aufzumachen. Das Meer! Carbo sah endlich das Meer!
    Tief ergriffen blickte der Junge nach vorne auf dieses Naturwunder, die davor gelegene Stadt völlig dabei vergessend. Er hatte sich immer schon in etwa vorstellen können, wie das wohl aussehen musste, wenn so viel Wasser an einem Fleck zusammenkam, doch es dann tatsächlich zu sehen war etwas völlig anderes. Ein tiefgehender, fast schon spiritueller Moment für Carbo, der bislang immer nur Berge und Wälder gekannt hatte. Doch die Ufer des Mittelmeers waren nicht zu vergleichen mit Germanien. Überhaupt nicht.
    Lucius Rufus sah ihn mit einem süffisanten Grinsen von der Seite her an. "Da hätten wir unsere erste große Salzwasserpfütze, fehlt jetzt nur noch ein Sandmeer dazu, was?"
    Carbo riss sich vom majestätischen Anblick des Mare Mediterraneum los. "Ach, halt die Klappe", konterte er und musste dann grinsend nach vorne blicken, während auch Lucius Rufus amüsiert dem rasch näher kommenden Stadttor entgegensah.



    Lucius Rufus, ein Händler


    Nach dem Passieren des Tores, fanden sie sich im Inneren der Stadt wieder und Carbo bekam noch mehr zu staunen. So eine ganz und gar aus Stein erbaute große Stadt hatte er seinen Lebtag noch nicht gesehen. Er hatte ja bisher immer gedacht Mogontiacum wäre eine große Metropole, doch verglichen zum römisch-hellenischen Massilia war der Hauptort Germania Superiors ein primitives Bauernnest. Viele Häuser waren bemalt und Segeltücher schützten teils die Passanten in den Straßen vor der Hitze der Sonne. Und die Leute erst! So viele Römer mit ihren Togen auf einem Haufen bekam hier Carbo ebenfalls zum ersten Mal zu Gesicht. Auch hörte er an allen Ecken und Enden griechischsprachige Wortfetzen und Rufe, ein ganz ungewohnter Eindruck, wo er ja sein letztes griechisches Wort vor Ewigkeiten gehört hatte. Damals hatte sogar noch Carbos Ziehvater, der in allen Winkeln Noricums berüchtigte Händler aus Syrakus, Seneca Patrius gelebt, der Carbo neben Norisch und einigen germanischen Dialekten natürlich auch die Sprache seiner Heimat eingebläut hatte. Doch das war so lange her, dass der eine oder andere Teil der Sprache wohl in ihm verloren gegangen war. Natürlich war es dennoch faszinierend, die griechische Sprache einmal wieder zu hören.
    Rufus hielt vor einem unscheinbaren Laden. "Das hier ist mein Geschäft, wir sind am Ziel. Hier bin ich zuhause." Er stieg ab und begann die Felle abzuladen und durch die, von ihm aufgeschlossene, Tür zu tragen. Carbo half ihm dabei. Als das geschafft war, fragte er ihn: "Wann gedenkst du die germanischen Schmuckstücke einschiffen zu lassen? Denkst du, dass ich mir am gleichen Schiff eine Passage nach Ostia buchen kann?" Rufus blinzelte. "Ostia? Wie kommst du auf Ostia?"
    "Na weißt du nicht mehr, wie ich dich an unserem ersten gemeinsamen Tag in Argentoratum nach der Dauer gefragt hatte, wie weit es mit dem Schiff nach Ostia wäre?"
    Rufus kratzte sich am Kopf. "Nein, tut mir leid. Aber kein Wunder, das war vor fast einem Monat! Woher soll ich wissen, was ich vor einem Monat gesagt habe?"
    "Es sind 20 Tage, um genau zu sein. Ich hatte dich jedenfalls deshalb gefragt, weil ich nach Ostia will. Also ist es jetzt möglich im gleichen Schiff mitzufahren, oder nicht?"
    Lucius Rufus wusste daraufhin keine Antwort. Er könne den zuständigen Kapitän gerne fragen, doch versprechen könne er nichts, so seine Worte. Außerdem hätte der Händler auch so noch einige Geschäfte zu erledigen, jetzt wo er wieder zurück war, Carbo solle sich bis zum Abend gedulden, dann könne er ihm nähere Auskunft liefern.


    So ließ der Junge Lucius Rufus für den Rest des Tages alleine und erkundete stattdessen lieber Massilia und vor allem das Hafengebiet. Als Carbo später Hunger bekam, kehrte er in eine entzückende kleine Taverne ein, deren Schild sie als "Schiffertaverne" betitelte. Der Besitzer war ein freundlicher Gallier mit dem Namen Cäsar Kneipix, der Carbo eine überaus schmackhafte Fischsuppe servierte. Etwas vergleichbares hatte Carbo noch nie gegessen! Weiter hinten saßen drei weitere Gallier, die eine Art Kartenspiel spielten.
    Als Carbo seinen zweiten Teller Fischsuppe ausgelöffelt hatte, bezahlte er und bedankte sich überschwänglich für die delikate Mahlzeit, ehe er sich wieder ins Getümel der Stadt stürtzte. Am Hafen saß er dann am Rande einer Kaimauer und ließ die Füße ins Wasser baumeln. Er sog die salzige Luft ein und lauschte den Rufen der Seemöwen. Die Magie des Ozeans hatte auf den Jungen zu wirken begonnen. Genau die gleiche Kraft, die zahllose andere Leute vor ihm gefangengenommen hatte und die so dem Meer völlig verfallen waren. Entweder man liebte die See, oder man hasste sie. Carbo schien bislang eher zu Ersterem zu tendieren. Er saß stundenlang auf seinem Platz und beobachtete die ankommenden und abfahrenden Schiffe, wie sie eines nach dem anderen an- oder ablegten und Sklaven und Gehilfen eilig die vorgesehenen Warenladungen entweder deponierten, oder löschten. Als die Sonne schon hinterm Horizont zu versinken begann, kam Lucius Rufus zu ihm. "Ich habe soeben mit dem Kapitän gesprochen. Dort hinten, siehst du dieses eine Schiff dort? Das ist seines. Jedenfalls hat er nichts dagegen, wenn du mit ihm fährst. Du wirst mitanpacken müssen, doch dafür wirst du Kost und Logis kostenlos erhalten. Wie klingt das für dich?"
    Carbo freute sich fast schon euphorisch darüber, doch zeigte er das nach außen hin nur über ein Lächeln. "Danke für deine Hilfe! Wann geht es los?"
    "Morgen früh bei Sonnenaufgang, eine Stunde vor der Flut."


    Und so verbrachte Carbo die Nacht im Hause des Lucius Rufus, ehe es am nächsten Morgen daran ging, seine Truhe vom Wagen des Händlers auf das Schiff des Kapitäns zu verfrachten, der Rufus' Kostbarkeiten nach Ostia bringen würde. Nach einem herzlichen Abschied von seinem Reisegefährten ("Alles gute, Bursche! Und komm mich einmal wieder besuchen!"), bestieg Carbo das Schiff und nur wenig später glitt es aus dem Hafen Massilias, hinaus aufs offene Meer und Rom entgegen.


    Sim-Off:

    Kleine Referenz an Asterix eingebaut. Na, wer weiß aus welchem Band, ohne nachzuschauen? :D

    Nach ihrer Durchquerung Germania Superiors, hatten Norius Carbo und der Händler Lucius Rufus den Grenzort Geneva erreicht. Hier benötigte der alte Haudegen aus Massilia wieder einen längeren Aufenthalt, um der Cervisia zuzusprechen. Carbo hatte mittlerweile den Eindruck erhalten, dass Rufus eher ein Trinker, denn ein Händler war und letzteres nicht einmal wirklich beherrschte. Er führte Felle und germanischen Schmuck von Mogontiacum aus die ganze Strecke bis Massilia mit sich, während er auf allen Zwischenaufenthalten Geld eher ausgab, denn einnahm. Carbo hätte versucht auch unterwegs bei jedem Zwischenstopp ein, zwei Waren zu verkaufen und auch so zusätzliches Geld zu verdienen. Doch er wollte seinem Reisebegleiter nicht in seine Handelsmethoden hineinreden, immerhin reiste der Junge auf seinem Wagen mit und das auch noch quasi gratis, nach Verkauf seines eigenen Ochsengespanns und der Aufteilung des Gewinns zwischen ihm und Lucius Rufus. Dieses für ihn überaus vorteilhafte und preisgünstige Abkommen mit dem Reisenden, wollte Carbo auf keinen Fall brechen. Doch der Händler war schon irgendwo auch eine Art Überlebenskünstler, wenn man sich seine Einnahmen-Ausgaben-Bilanz ansah.
    An ihrem letzten Abend in Geneva hatte Carbo ihn gefragt, wie weit es noch bis Massilia sei.
    Nach kurzem Überlegen antwortete Rufus:



    Lucius Rufus, ein Händler


    "Oh, den Löwenanteil der Strecke haben wir hinter uns. Bis Massilia sind es jetzt nur noch um die 300 Meilen, in etwa neun Tagen sollten wir also dort sein, wenn wir uns ranhalten!" Das waren gute Neuigkeiten! Nicht nur, dass Carbo Rufus' Gesellschaft bald schon leid war, es war auch sehr erquickend für ihn zu wissen, dass er in zwei Wochen bereits in Rom sein würde, erinnerte er sich ja noch sehr gut an Rufus' Aussage in Argentoratum, wonach man von Massilia bis Ostia mit dem Schiff ungefähr sechs Tage benötigte. Das zumindest musste Carbo ihm lassen, der Mann war ein wandelndes Lexikon, was Entfernungen und die benötigte Zeit auf Reisen anging, bisher waren seine Einschätzungen immer korrekt gewesen. "Bist du eigentlich immer auf dieser Strecke unterwegs, oder wieso kennst du dich so gut aus in Germanien und in Gallia Narbonnensis?" fragte er ihn deshalb, während er an seiner Weinschale nippte. Rufus lachte. "Ach, das ist noch gar nichts! Ich bin schon auf allen großen Fernstraßen in Italien, Germanien und Gallien gewandert und habe meinen Handel getrieben und im übrigen ist es ja nicht schwer, sich die wichtigsten Entfernungsangaben innerhalb dieser Provinzen zu merken. Das Zeitgefühl kommt dann mit mehr Reiseerfahrung wie von selbst, du wirst schon sehen." Er prostete Carbo mit seiner Cervisia zu und stürzte sich dann den ganzen Humpen in einem hinunter. Carbo lächelte. Auch wenn ihn die ewige Sauferei abstieß, so hatte Lucius Rufus durchaus auch seine sympathischen Seiten, wie er fand. "Wie sieht es mit unserem weiteren Weg aus? Wird es noch steiler?"
    Der Händler wischte sich den Schaum vom Mund und schüttelte dabei den Kopf.
    "Nein, steiler wird es nicht mehr. Genava ist unser Scheitelpunkt, von jetzt an geht es wieder leicht bergab, immer den Wässern des Rhodanus nach und weg von den Alpen. Bei der Stelle, wo der Fluss um das Juris-Gebirge herumfließt und nach Norden, in Richtung Lugdunum abbiegt, verlassen wir ihn und fahren direkt nach Vienna, wo wir wieder auf sein Flussbett treffen. Von da an befinden wir uns im Tal des Rhodanus und der Rest der Reise ist ein Kinderspiel. Wunderschöne Landschaften, ein Wetterchen, das man sich nicht besser wünschen kann und stetig abfallendes Gelände bis Arelas, wo wir dann den Rhodanus verlassen und nach Osten in Richtung Massilia abschwenken."
    Carbo war überrascht. "Wie jetzt, wir überqueren gar nicht weiter die Alpen?"
    Rufus lachte. "Du hast die eigentlichen Alpen noch nicht einmal gestreift, Bursche! Nein, nein, wir umrunden hübsch dieses Massiv und halten uns an den Flüssen. Ich bin doch nicht so bescheuert und lasse mich..."
    "...dich von einem dahergelaufenen Bergstamm ausrauben, ja ja ich weiß." unterbrach ihn Carbo resigniert. Er hatte sich darauf gefreut, später erzählen zu können, er habe wie Hannibal die Alpen überquert auf seinem Weg nach Rom. "Ich hatte immer gedacht, man MUSS diese Berge überwinden, wenn man in den Süden will, egal ob zu Lande, oder Wasser? Man hört ja ständig davon?" Als wenn Rufus mit einem Begriffsstutzigen sprechen würde, sah er Carbo an und schüttelte dabei langsam den Kopf.
    "Nein, Junge, da hast du dir einen fast so gewaltigen Bären aufbinden lassen wie in dieser Sache mit den Salz- und den Sandmeeren rund um Rom. Die Alpen bedecken den Zugang zu Italien nordwärts zur Gänze, das stimmt schon, doch direkt an den Küsten kannst du auch zu Fuße hinmarschieren, ohne auch nur eine einzige Bergspitze übersteigen zu müssen. Und im übrigen liegt der Süden Galliens ja schon -wie gerade gesagt- eben im Süden und dort findest du weit und breit kein Gebirge. Das nächste liegt an der Grenze zu Hispania, die Pyrenaei, doch das ist fast schon zu südlich dort bei deren Affenhitze!" Der Händler brach in kurzes, brüllendes Gelächter aus über seinen eigenen Witz.
    Carbo fand es nicht besonders komisch, doch langsam aber sicher gewann er ein klareres Bild von der Welt. Die Alpen versperrten also nur den Zugang zu Italien und nicht, so wie er gedacht hatte, zu ALLEN Ländern des Südens. Er musste unbedingt irgendwo Landkarten auftreiben, wenn er erst einmal in Rom wäre, um seine schrecklichen Geographiekenntnisse aufzubessern! Dann konnte er auch gleich all das, auf dieser Reise, gelernte abgleichen und sich näher ansehen.


    Am nächsten Tag bekam Carbo Lucius Rufus nur mit Mühe wach, doch als es endlich soweit war, dass er alleine gehen konnte, konnte ihre Reise endlich weitergehen. Carbo bugsierte den noch halb betäubten Händler zu ihrem Wagen und verfrachtete ihn hinten, neben seiner Truhe, wo Rufus sich sofort wieder wie ein Säugling einrollte und weiterschlief, während Carbo sich an die Zügel setzte und die Pferde anlaufen ließ. So lenkte er den Wagen aus Geneva hinaus und hinein in die Provinz Gallia Narbonennsis, mit nächstem Ziel Vienna. Er hatte keine Ahnung wie lange das dauern würde, doch Carbo genoss die Stille, die rund um ihn herrschte, sodass es ihm nichts ausmachte, wenn die Reise dahin sogar ganze drei Tage dauern würde (was sie tatsächlich tat). Carbo war auf der Straße so ungestört und allein mit seinen Gedanken zuletzt nur bei der ersten Etappe seiner Reise gewesen, als er ganze vierzehn Tage mit seinen Ochsen zugebracht hatte. Eine Freude, sein Inneres einmal wieder schweifen zu lassen und über das eine, oder andere nachzudenken. Über vergangenes und auch über zukünftige Dinge, was Carbos weitere Lebensplanung anging. Nachdem er das Orakel in Cumae befragt hätte, würde er nicht wieder sofort zurück nach Mogontiacum reisen. Er wollte zuerst für ein, oder zwei Jahre in Rom verweilen und versuchen Geld zu verdienen, damit er sich später in seiner Wahlheimat vielleicht für den Ordo decurionum qualifizieren könnte. Ein wenig was hatte er sich ja schon erwirtschaften können, Rom war da der nächste logische Schritt. Am späten Nachmittag des ersten Tages nach ihrem Aufbruch aus Geneva, erwachte Lucius Rufus endlich aus seinem Delirium. "Wo sind wir?" murmelte er noch ganz verschlafen, während er versuchte von der Ladefläche auf den Kutschbock zu Carbo zu klettern. "Keine Ahnung, aber ich bin nirgends abgebogen, sondern immer auf dieser Straße geblieben." Der Händler sah sich kurz mit blutunterlaufenen Augen um. "Aha"
    Dann legte er seinen Kopf auch schon wieder auf seine Arme und schlief wieder tief und fest wie ein Stein, direkt neben Carbo. Dieser schüttelte missbilligend den Kopf über so viel Trunkenheit und sah dann wieder in Richtung der Straße. Auf der Strecke bis Vienna war Rufus' besoffener Zustand besonders schlimm. Den größten Teil dieser 3-tägigen Fahrt verschlief er. Mal am Kutschbock neben Carbo und mal wieder hinten auf der Ladefläche, während der Junge selbst darauf achtete, dass die Pferde auf der Straße blieben und sie selbst vorwärts kamen. Auch in den Poststationen, in denen sie Rast einlegten, war Lucius Rufus nicht wirklich zu gebrauchen, da er gleich sofort Cervisia orderte und wenn er nicht trank, dann schlief er wieder. Endlich erreichten sie ihr Ziel, Carbo parkte den Wagen samt Rufus darauf bei einer Taverne und übernachtete in ihr, ehe er am nächsten Morgen früh aufstand und gleich wieder losfuhr. Rufus hatte die Nacht in seinem Zustand auf dem Wagen verbracht. Die Sonne war bereits aufgegangen und reges Treiben herrschte auf der Straße, als auch der Händler endlich wieder halbwegs klar denken konnte. "W-Wo sind wir..?" krächzte er, sich seine Schläfen reibend und mit zusammengekniffenen Augen. Carbo bedachte ihn kurz mit einem spöttischen Blick (den Rufus nicht sehen konnte), ehe er antwortete: "Auf der Straße nach Valentina, wieso denn?" Da riss Rufus die Augen auf (und zuckte gleich wieder vor Schmerzen stöhnend zusammen) "Was?! Valentina? Was ist mit Vienna? Und woher weißt du plötzlich wohin wir müssen?" Zuviele Worte in zu kurzer Zeit, zu schnell gesprochen, mit noch zu großem Kater...wie er daraufhin feststellen musste.
    "Oh, wir waren in Vienna, wie sonst hätte ich den Wirt unserer Taverne fragen können, wie ich nach Massilia komme?"
    "Wir waren schon in Vienna? Wieso kann ich mich nicht daran erinnern?" nachdenklich kratzte sich Lucius Rufus am Kopf. "Das letzte, an das ich mich erinnern kann war, dass wir über die Alpen gesprochen haben...o-oder?" Innerlich fasste sich Carbo an die Stirn.
    "Das war in Geneva und das ist schon fast vier Tage her..."
    "Oh..."
    Mehr brachte Rufus nicht heraus, während er mit seinem Riesenkater versuchte, sich an die vergangenen Tage zu erinnern. Doch da war nichts.
    Carbo fragte sich ernsthaft, wie der Mann es bis jetzt geschafft hatte, sich nicht mit all dem Fusel umzubringen. Seine Leber musste wahrlich aus Eisen sein, anders konnte er es sich einfach nicht erklären. Alleine das kürzliche Gezeche hätte den einen, oder anderen weniger Trinkfesten gewiss in den Hades geschickt. Auf diesen Schrecken hin, dass er ganze vier Tage verloren hatte, fasste Lucius Rufus bei den weiteren Zwischenstopps und in Valentina keinen Tropfen an, wenn ihm das auch bekanntlichermaßen aufs Gemüt schlug. Er versuchte so gut es eben ging gute Miene zum bösen Spiel zu machen und zwanghaft gut aufgelegt zu sein, während Carbo es ihm deutlich ansah, dass dem eigentlich überhaupt nicht so war. Doch Rufus war ein erwachsener Mann und gewiss nicht mehr zu helfen, weshalb Carbo sich viel lieber mit der sie umgebenden Landschaft auseinandersetzte. Der Rhodanus wälzte sich gemütlich und träge in seinem Bett dahin und die Vegetation wurde nur langsam, aber stetig mediterraner, je weiter sie nach Süden kamen. Auch hatte Carbo bemerkt, dass es schon sehr viel wärmer war, als zu Beginn seiner Odyssee.


    In Arausio dann, fast zwei Tage später, getraute sich Rufus wieder des ersten Schlucks Alkohol. "Jetzt geht das schon, wir sind ja fast da" murmelte er, zuerst mit einem Blick auf seine Cervisia und dann einen von der Seite zu Carbo (ganz so, als ob er sich bei ihm entschuldigen müsste), ehe er seinen Humpen ansetzte und die ersten Schlucke tat. Carbo konnte sehen, wie es den Händler schüttelte vor Wonne. "Nektar der Götter, oh du mein Liebes", murmelte Rufus mit geschlossenen Augen. Für Carbo konnte die Reise gar nicht schnell genug beendet sein. Doch wenigstens hatte Rufus dieses Mal die richtige Menge Cervisia erwischt, um innerhalb seiner eigenen Parameter voll funktionieren zu können, ohne dabei halb betäubt hinten bei Carbos Truhe zu liegen. Ja, er saß sogar wieder neben ihm und erzählte ihm alles mögliche, von Rom und Italien und seinen Handelsreisen. Carbo hörte aufmerksam zu, denn das waren wieder die Dinge, die ihn wirklich interessierten. Das letzte Stück des Rhodanustals nahmen sie mit Trab, Carbo wollte so schnell wie möglich auf sein Schiff, weshalb sie schon nach nur einem halben Tag in Arelas ankamen und dort über Nacht blieben. "Bald ist es soweit. Massilia ist jetzt nur noch zwei Tagesreisen von uns entfernt, dann sind wir am Ziel!" Carbo jubelierte innerlich. Endlich!
    "Sind wir schon nah am Meer?" fragte er.
    "Nicht ganz, das ist noch ein paar Meilen weiter von uns weg, aber wir sind schon sehr nahe. Immerhin fließt der Rhodanus in dieser Gegend ins große Weltennass." Carbo konnte es nicht mehr erwarten das Meer zu sehen, doch so würde er sich noch zwei Tage gedulden müssen. Diese beiden Tage hatten es in sich. Sie zogen sich endlos wie cummis masticabilis, ganz so, als würden sie spüren, dass Carbo das Ende dieser Reise endlich herbeisehnte. Doch dann, nach einer Übernachtung in einer Poststation und noch einem Gewaltmarsch (zumindest für die Pferde) war es soweit und die Mauern Massilias erschienen vor ihnen am Horizont!

    <<<<<


    Es war ein erhebendes, jedoch auch etwas befremdliches Gefühl für Carbo, als er die Mauern Mogontiacums passierte und sich wirklich auf der Straße nach Geneva auf in den Süden machte. Man musste sich das erst einmal bewusst machen, nach Süden! Nach Italia! Nach Roma! Ein Kribbeln erfasste Carbo beim Gedanken an die Ewige Stadt. Er hatte schon so viel von Rom und den Ländern südlich der Alpen gehört, aus Erzählungen von Händlern und Soldaten, jedoch er selbst hatte nichts von all dem jemals mit eigenen Augen gesehen. Alles was er kannte war die halbwegs lateinisch anmutende Welt der Kelten und Germanen in Noricum und hier in Mogontiacum und der Wegstrecke dazwischen. Er wusste daher auch nicht, wie er sich genau den Süden vorstellen sollte. Er hatte gehört, Rom lege am Meer, einer unermesslich großen Ansammlung von Salzwasser, auf dem man mit Schiffen wochenlang unterwegs sein konnte, ohne jemals auf Land zu treffen. Das war etwas, das über Carbos Begriffsvermögen hinausging. Wie konnte es nur so viel Wasser an einem Ort geben? Und wieso versickerte es nicht nach und nach? Noch verwirrender war das, wenn man bedachte, dass es im Süden angeblich auch genauso große Ozeane nur aus Sand geben sollte. Das war für ihn noch unvorstellbarer, denn Sand kannte Carbo nur von den Uferbänken des Danuvius und des Rhenus her. Wie konnten riesige Flächen aus Sand und Salzwasser nur nebeneinander existieren? Und wie schafften es die Leute im Süden in solchen Extremen zu überleben? Ob die Leute in Rom alle Schiffe und zugleich Kamele besaßen, damit sie in den wässrigen und sandigen Ozeanen ihrer Heimat navigieren konnten? Carbo stellte sich das alles als ziehmliche Ödnis vor. Wie konnte dort etwas wachsen, wenn die Wässer salzig und die Böden sandig waren? Wovon lebten dann die Leute in Rom? Das würde er gewiss bald schon herausfinden.


    So fuhr Carbo also mit einer kleinen Kutsche, mit nur einer einzigen großen Truhe darauf, beladen mit all seinen Habseligkeiten darin, in südliche Richtung nach Geneva, das an der Grenze Germania Superiors hin zur Provinz Gallia Narbonensis lag. Wie es von dort aus weiterging wusste er noch nicht wirklich. Für ihn hörte die bekannte Welt an den Rändern Germaniens und Noricums auf und alles jenseits davon war bedeckt von nebligen Schleiern, die es mit seiner Reise zu lüften galt. Sein Ochsengespann lief nur langsam (dafür war es günstig gewesen) und so hatte Carbo alle Zeit der Welt, um sich Gedanken um die bevorstehenden Etappen zu machen und um auf Kamelen reitenden Römern, die an der Küste auf Schiffe umstiegen, um nachhause zu kommen, die Kleidung noch voll von Sand und Salzkrusten. Borbetomagus hatte er schon ziehmlich bald hinter sich gelassen und so ging es immer weiter und weiter die Straße entlang, viele ereignislose Stunden, die sich nach und nach zu Tagen reihten und ehe er es sich's versah war Carbo schon seit zwei ganzen Wochen unterwegs, als er in Argentoratum ankam. Zwei Wochen! In der Taverne, in der er die Nacht verbringen wollte, fragte Carbo einen Reisenden wie lange es noch bis Geneva wäre. Dieser sah ihn von der Seite her an und fragte ihn:



    Lucius Rufus, ein Händler


    "Wie bist du denn unterwegs?" Carbo antwortete per Ochse, als der Fremde daraufhin zu lachen anfing. "Na dann hast du ja noch eine ordentliche Strecke vor dir! Es sind von hier nach Geneva noch gute 250 Meilen. Mit einem schnellen Pferd bist du in einer Woche dort, mit deinen kastrierten Kühen jedoch...hmm ich schätze in einem Monat." Das war nicht gerade das, was Carbo unbedingt gerne hörte. Einen Monat und das gerade mal bis zur Grenze dieser Provinz! Das war untragbar für seine Eile, endlich den mysteriösen Süden zu sehen! "Wohin führt dich denn dein Weg und wie kommst du dorthin?" fragte er aus Neugier.
    Der Händler antwortete: "Ich hatte eine Ladung Amphoren mit Olivenöl darin nach Mogontiacum gebracht und bin jetzt auf den Rückweg mit ein paar Fellen für mein Handelsunternehmen in Massilia und germanischen Schmuckstücken, die für den Weiterexport nach Rom bestimmt sind, wieso fragst du?"
    "Und wie kommst du nach Massilia?" wiederholte Carbo seine Frage.
    "Na mit meinem Pferdegespann, ich will doch nicht alt und grau werden bei meinen Handelsreisen." Der Händler lachte und nippte an seiner Cervisia. Carbo kam eine Idee. "Was hälst du davon, wenn ich mit dir komme? Ich verkaufe mein Ochsengespann und wir teilen uns den Gewinn davon halbe halbe. Sieh das als meinen Transportkostenbeitrag an. Ich würde wenig Platz brauchen, nur ich und eine Truhe mit meinen persönlichen Gegenständen darin, na wie wärs?"
    Der Händler beäugte ihn jetzt mit einem ganz anderen Blick als zuvor noch. "Du hast es wohl eilig weiterzukommen, was? Dein Angebot klingt interessant. Ich schätze sowieso gerne Gesellschaft und nach dem Löschen der Amphoren hätte ich durchaus Platz für eine zusätzliche Truhe. Felle nehmen ja viel weniger Raum ein, als Olivenöl. Nun gut, ich bin einverstanden. Gleich morgen verkaufen wir deine Ochsen und dein Gefährt und dafür darfst du bei mir mitfahren, aber ich fahre nur nach Massilia, nicht weiter, verstanden?"
    Carbo nickte freudig erregt, dass es nun doch schneller gehen würde als einen Monat. "Verstanden! Dann werde ich von Massilia aus alleine weiterreisen! Wenn du mir die Frage erlaubst, wie willst du eigentlich den germanischen Schmuck, von dem du sprachst, nach Rom schaffen lassen?" Ihm war die Idee gekommen, dass er doch einfach dem Weg der Schmuckstücke folgen könnte, wenn diese sowieso für die Hauptstadt bestimmt waren. Vielleicht wäre der eine, oder andere Händler jetzt misstrauisch geworden, wenn ein, ihm völlig Fremder, nach der genauen Exportroute von kostbaren Schmuckstücken gefragt hätte, denn es konnte ja gut möglich sein, dass er zu einer Bande Krimineller gehören könnte, die dem Tross auflauern und die Kostbarkeiten an sich nehmen könnten, doch der gute Händler hatte schon die eine, oder andere Cervisia in sich hinuntergestürtzt, sodass er vertrauensvoll weitererzählte: "Oh, die werde ich im Hafen von Massilia los, wo sie per Schiff nach Ostia gebracht werden. Das ist der schnellste und billigste Weg und ich bin noch längst nicht so senil und lasse sie langsam und teuer über die Alpen schaffen, wo jeder dahergelaufene Bergstamm meine germanischen Kostbarkeiten stehlen könnte!"
    So so, interessant. Von Massilia hatte Carbo in Mogontiacum schon einiges gehört. Es war eine Küstenstadt griechischer Prägung und so ziehmlich der wichtigste Mittelmeerhafen Galliens neben Narbo Martius. Ob sich da auf dem gleichen, oder einem anderen Schiff mit Kurs nach Ostia für ihn eine Passage buchen ließ? Dann würde er zum ersten Mal das Meer sehen! Und mit Glück vielleicht auch seinen ersten Sandozean! Ob Massilia dafür schon weit genug im Süden lag? "Wie lang ist man denn von Massilia nach Ostia unterwegs?" fragte Carbo ganz beiläufig.
    Der Händler legte kurz seine Stirn in Falten, als er nachdachte.
    "Mal überlegen... von Massilia nach Ostia, hmm... das müssen gute 600 Meilen, oder etwas weniger sein. Dafür bräuchte man per Schiff so um die sechs Tage, wenn ich mich nicht irre." Darüber war Carbo sehr erstaunt. Mehr als das doppelte, als die noch fehlende Strecke nach Geneva und trotzdem nur eine knappe Woche unterwegs!
    So vebrachte Carbo mit dem Händler (der sich selbst Lucius Rufus nannte, dabei jedoch offen lassend, ob er Peregrinus, oder Römer war) zusammen den Abend bei der einen, oder anderen Cervisia, bis es Zeit zur Nachtruhe war. Am nächsten Tag fand sich relativ rasch ein Käufer für die Ochsen, ein Bauer aus der Nähe, jedoch interessierte er sich nur für die Tiere selbst, nicht jedoch für die Kutsche. Die musste Carbo extra verkaufen und bis auch das geschafft war, war der Nachmittag schon über Argentoratum hereingebrochen, sodass es unnötig war, heute noch weiterziehen zu wollen, den Worten des Händlers nach. Carbo vermutete eher, dass er lieber hier blieb und im Warmen noch ein paar Cervisia kippen wollte, als weiterzuziehen und dann im Freien zu übernachten, wenn sich das vermeiden ließ. Auch wenn sie damit einen ganzen Tag verlieren würden. Dann jedoch war es soweit, Carbos Reise ging endlich weiter!
    Lucius Rufus besaß ein stabiles Gefährt, wie es für Handelstransporte üblich war. Davor waren Pferde gespannt. Nicht so stark wie Ochsen, dafür aber schneller und das war alles, was den Jungen interessierte. Wäre doch gelacht, wenn er mit seinen Ochsen noch einen Monat zur Provinzgrenze gebraucht hätte, während Schiffe auf dem Meer für doppelt solange Strecken nur eine Woche benötigten!
    Auch beim Reisen selbst merkte er, dass es jetzt sehr viel schneller mit ihm weiterging. Nach zwei Tagen waren sie bereits im ca. 74 Meilen entfernten Cambete, einer Strecke, für die alleine schon Carbo ganze neun Tage benötigt hätte mit seinen Ochsen. Noch war es nicht wirklich spürbar, doch ihr Weg hatte sie unaufhaltsam bergauf geführt, die Alpen rückten näher. Einen halben Tag später dann erreichten Carbo und Lucius Rufus die Stadt Augusta Raurica. Hier blieben sie für zwei Tage zur Rast. Augusta Raurica war eine prächtige kleine Siedlung. Auf einer Hochebene gelegen, zählte sie gut zwischen 10.000 bis 15.000 Einwohner und bot alles, was man zu einem gemütlichen Römerleben brauchte. Carbo ließ an ihrem ersten Abend Lucius Rufus mit seinem Humpen Cervisia in einer Taverne zurück, um im örtlichen Theater eine Vorstellung zu besuchen und zu seiner großen Überraschung (und natürlich auch Freude) bemerkte er, dass die auftretenden Schauspieler genau die gleiche Truppe waren, die er selbst vor kurzem erst als Magister Vici in Mogontiacum ein Jahr lang beschäftigt hatte. Offenbar hatten sie von ihrem Engagement in Mogontiacum direkt zum nächsten, hier, in Augusta Raurica gewechselt. Nach dieser längeren Verschnaufspause stand die letzte große Etappe, innerhalb der Provinz Germania Superior, an; die Reise nach Geneva und dann hinein ins Unbekannte (zumindest für Carbo). Der Junge vermutete, dass diese zweite Etappe Augusta Raurica - Geneva wohl ähnlich verlaufen würde, als die erste von Argentoratum nach Augusta Raurica. Zuerst war Lucius Rufus ein lustiger Geselle gewesen, der Carbo viel über die Länder im Süden erzählt und einige Missverständnisse ausräumen hatte können. Anscheinend bestand Italien doch nicht bloß aus Sand und Salzwasser, sondern war ein fruchtbares, grünes Land wie Noricum, nur eben sehr viel wärmer. Die, für Carbo, so faszinierenden Ozeane aus Sand wurden Wüsten genannt und befanden sich angeblich hinter dem Mare Mediterraneum in einem Land namens Libya*. Das klang alles sehr aufregend, irgendwann einmal wollte Carbo gerne dieses Libya mit seinen Wüsten mit eigenen Augen sehen. Doch je länger die Reise gedauert hatte, desto mürrischer und wortkarger war der Händler geworden. Am Ende hatte er gar nichts mehr sprechen wollen, sondern hatte nur noch finster dreingeblickt und nur noch gebrummt. Erst ihr mehrtägiger Aufenthalt und Unmengen Cervisia hatten den strahlenden Fröhlichmann zurückgebracht, als den Carbo ihn kennengelernt hatte.


    Doch dieses Mal war es nicht ganz so schlimm. Sie kamen jetzt durch dichter besiedeltes Gebiet und bei jeder Gelegenheit stoppte Rufus seine Gäule, um "nachzutanken". So geschehen in Lousonna, Vivisco und Aventicum. Doch es waren nur kurze Aufenthalte, oder, wenn es sich anbot, nur zur Übernachtung, ehe es wieder weiterging. Dann, am Ende des fünften Tages seit ihrem Aufbruch aus Augusta Raurica, hatten sie dann endlich Geneva erreicht, den Grenzort zwischen Germania Superior und Gallia Narbonensis. Insgesamt hatte Carbo ca. 25 Tage benötigt, um Germania Superior von Mogontiacum bis Geneva zu durchqueren. 14 Tage davon hatte die Strecke mit den Ochsen gefressen, während der etwas längere Rest mit den Pferden Lucius Rufus' nur 11 Tage gedauert hatte. Ein klarer Pluspunkt für die Gäule.


    Sim-Off:

    * = Libya, antiker Name Afrikas, damit zunächst nur Nordafrika, westlich des Nils so bezeichnet. Der Name "Africa" selbst bezog sich einzig nur auf die römische Provinz Africa mit der Hauptstadt Karthago im heutigen Tunesien.

    Alles im Leben kam zwei Mal. Jede Person traf man zwei Mal und jede Entscheidung wurde mindestens zwei Mal getroffen. So auch Carbos Entschluss fortzugehen, zumindest für eine Weile. Es war schon länger von ihm geplant, doch seit er zu etwas Geld gekommen war wollte er es nun entgültig durchziehen. Er wollte nach Italien reisen, um dort in Cumae das Orakel endlich über seine Vision zu befragen und dann, wenn dieser große Punkt seiner jüngeren Vergangenheit endlich geklärt und beiseite gelegt war, wollte Carbo nach Rom reisen, um endlich die Ewige Stadt und das Haupt der Welt mit eigenen Augen zu sehen. Was dann kam wusste er nicht. Soweit war er schon einmal gewesen, bereit zum Aufbruch, alles gepackt und los, doch es war dann anders gekommen. Damals hatte Carbo mehr aus Sorge um sein Leben, denn aus anderer Motivation Mogontiacum verlassen wollen, war er doch kurz zuvor niedergestochen worden und hatte nur dank Susina Alpinas Heilkünsten überleben können. Damals war er soviel weniger und kleiner gewesen. Ein abgezehrter Junge ohne wirklichen Besitz, der nicht weit gekommen war im Versuch nach Süden zu reisen. Heute war das anders, völlig anders. Carbo hatte ausreichende Finanzmittel, er war ehemaliger Amtsträger Mogontiacums (das Wort "Magistrat" getraute er sich dann doch nicht in den Mund zu nehmen) und hatte viele mächtige und liebe Menschen kennengelernt, neben all seinen gewonnenen Erfahrungen als Scriba im Dienste der Stadtverwaltung.


    So wiederholte sich also die Geschichte und Carbo war wieder einmal drauf und dran Mogontiacum verlassen zu wollen, doch natürlich geschah das nicht, ohne dass er sich von seinen Freunden verabschiedete. Als ziehmlich letzter (weil wichtigster) Freund stand darauf natürlich auch der gute alte Fabulo. Das traf sich gut, da Carbo gerade aus der Curia trat, in der er seinen ehemaligen Scribakollegen Lebewohl gesagt hatte. Da die Curia direkt am Forum lag, war es nur ein kurzer Weg in jene Ecke des Platzes, in der Fabulo Tag für Tag seine Geschichten zum Besten gab.
    Carbo mischte sich unter die dichtgedrängte Menge und lauschte der aktuellen Erzählung des Alten. Dieses Mal hatte er kein Glück und ihn gerade genau in der Mitte erwischt, als am Ende, also würde Carbo warten müssen, bis Fabulo zu Ende fabuliert hätte. Doch halb so schlimm, es war wenigstens eine interessante Geschichte; Iason und die Fahrt der Argonauten. Ob Fabulo einem festen Kreis an Geschichten folgte, die er der Reihe nach immer und immer wieder gab? Oder wählte er sie spontan aus, je nachdem welche ihm gerade einfiel? Carbo dachte eine Weile darüber nach, ehe er unterbrochen wurde, als die Menge plötzlich applaudierte. Die Argonautensage musste wohl beendet sein. Als die Leute sich zu zerstreuen begannen, trat Carbo näher und bahnte sich einen Weg zu seinem Freund. "Hallo Fabulo! Gute Geschichte!" begrüßte er ihn. Der Alte drehte sich um und als er Carbo erkannte strahlte er.


    [Blockierte Grafik: https://s15.directupload.net/images/190111/8s937zhb.jpg]


    Fabulo aka Appius Aulius Fabulator


    "Carbo, mein Bester! Danke für das Lob, ich war dieses Mal auch sehr zufrieden damit, wenn ich auch mit Herkules' Motivation etwas unzufrieden war. Die muss ich das nächste Mal stärker herausarbeiten, oder mir etwas ganz anderes einfallen lassen mit ihm." kurz stutzte der Junge. "Was?! Du veränderst die Argonautensage?!" Doch Fabulo konnte nur darüber lächeln und winkte ab. "Ach, das ist völlig normal und macht einen guten Geschichtenerzähler aus. Ich erzähle niemals eine Geschichte zwei Mal auf diesselbe Weise. Jedes Mal verändere ich Details und mache so etwas neues daraus. Es wäre doch sterbenslangweilig für mich, wenn ich immer nur das gleiche von mir geben müsste, ich will ja auch Spaß am Erzählen haben." Verblüffend! Carbo war das noch nie aufgefallen! Bisher hatte er immer gedacht, dass jede der großen Legenden eine feste Form hatten, doch dem war wohl nicht so, solange sie nicht von jemandem mit Feder und Tinte auf Papyrus gebannt waren. Nun, es war an der Zeit sich mit den wichtigeren Dingen zu beschäftigen.
    "Fabulo, mein Freund, ich komme, um mich von dir zu verabschieden, ich verlasse Mogontiacum, um nach Süden zu wandern und das Orakel von Cumae endlich zu treffen."
    Fabulo antwortete mit einem belustigenden Schnauben. "So, du willst schon wieder ausfliegen, kleiner Vogel, na dann wollen wir doch einmal sehen wie weit du dieses Mal kommst, nicht?"
    Carbo lächelte, er mochte Fabulos herzliche ironische Art. "Dieses Mal ist es mir ernst damit, ich möchte endlich mit diesem unerfreulichen Teil meines Lebens abschließen. Vielleicht sehen wir uns in einem oder zwei Jahren wieder, mal sehen was sich so ergibt auf meinem Weg."
    "Na wenn das so ist hast du von mir alles Glück der Welt und mögen die Götter dich auf allen deinen Wegen beschützen."
    Carbo lächelte ihn an.
    "Vale bene, alter Freund."
    Dann drehte er sich um und ging.


    >>>>>

    Heute war der wirklich letzte Tag von Carbos Amtszeit angebrochen. Gemäß des Gesetzes hatte er vor einer Woche einen schriftlichen Bericht seiner Tätigkeiten als Magister Vici an die Duumvirn übermittelt, damit diese ihn dann in der nächsten Sitzung des Ordo decurionum verlesen konnten. Jetzt galt es nur noch einmal seine Taten auch kurz in mündlicher Form vor dem Volke darzulegen. Wieder stand ein Podest für die Rede am Forum bereit, doch hatte es Carbo dieses Mal nicht selbst in Auftrag gegeben, sondern die Stadt, da heute ja auch noch andere scheidende Magistrate sprechen würden. Vor Carbo war ein (bald schon ehemaliger) Magister Vici aus dem Vicus Navaliorum an der Reihe. Er hatte nicht viel zu sagen, außer dass er pflichtgemäß den Laren geopfert hatte. Abseits davon jedoch hatte er seine Mitbürger erfreut und ihnen zu einem besseren Gemüt verholfen, indem er mit ihnen den Rest seiner Amtszeit in diversen Tavernen gezecht und gewürfelt hatte, seinen eigenen Worten nach und mit stolz geschwellter Brust. Dann war Carbo an der Reihe. Er erstieg das Podest und blickte hinab auf die Menge, die ihn erwartungsvoll ansah. Er war es mittlerweile gewohnt vor größeren Gruppen zu sprechen, doch es war wie ein leichter Stich ins Herz, dass es heute das letzte Mal wäre für eine sehr lange Zeit.



    "Bürger Mogontiacums, Vicani des Vicus Apollinensis, hört mich an!
    Ein Jahr ist es nun her, seit ich zuletzt an diesem Orte hier vor euch trat, um für das Amt des Magister Vici meines Stadtviertels, des Vicus Apollinensis, zu kandidieren. Ihr gabt mir eure Gunst und nun ist es an der Zeit euch darzulegen, was ich in meiner Amtszeit geschafft habe.
    Ich trat mit zwei großen Versprechen an euch heran, das erste war die Renovierung der Larenschreine und das zweite, dass ihr einmal jede Woche ein Theaterstück geboten bekommt. Nun frage ich euch Vicani, konnte ich meine Versprechen in euren Augen halten?


    Rufe der Zustimmung ertönten, auch wenn ein oder zwei Spaßvögel Nein riefen und sich dann grinsend duckten.



    Genau! Ich sehe wir sind der gleichen Meinung! Lasst mich nur kurz erklären, wie das alles im Detail ablief. Ich führte vor Beginn der Bauarbeiten persönlich eine Inspektion durch, um alle Schreine auf ihren Zustand hin zu untersuchen. Dann ging ich daran meine Bauteams an die Arbeit zu schicken. Alle Arbeiten konnten rechtzeitig und vollständig abgeschlossen werden, auf das die Laren wieder lächeln mögen. Ja sogar mehr noch, als zuvor, da ich einen eigenen Schrein den Geistern der Wegkreuzungen gestiftet habe! Der nächste Punkt auf meiner Agenda war das städtische Theater. Ich ließ es wieder in Stand setzen und holte Schauspieler von außerhalb, um diesen lange verwaisten Ort endlich wieder mit Leben auszustatten. Jede Woche gab es daraufhin ein Spektakel nach dem anderen und ich kann stolz berichten, dass es nur einmal zwei Wochen lang keine Aufführungen gab, dafür jedoch Gladiatorenspiele während der Compitalien, die ich organisiert hatte.
    Besonders möchte ich hier dem Procurator rationis privatae Numerius Duccius Marsus danken, der mir mit finanziellen Mitteln seinerseits diese fruchtbare Amtszeit ermöglicht hat!
    Ich hatte natürlich auch stets den Laren geopfert, so wie es das Amt verlangt und wann immer einer von euch, Vicani, ein Anliegen an mich hatte, so hatte ich versucht so gut es geht zu helfen. Doch nun ist das Ende meiner Amtszeit gekommen. Mögen andere an meine Stelle treten und ebenso danach streben stets euer bestes zu wollen!"


    Die Menge begrüßte Carbos letzte Worte, während dieser noch einmal dort oben stand und auf die Menge blickte, um sich diesen Moment und all die vielen Menschengesichter einzuprägen, ehe er sich dann umdrehte und langsam die Stufen hinunterstieg. Während er dies tat, kam er nicht nur dem Erdboden wieder näher, er entledigte sich auch damit seines Amtes als Magister Vici und als der zweite Fuß mogontiacische Erde berührte war Carbo wieder Privatmann.

    "Ob ich..." wieder stutzte Carbo kurz und zog dann die Brauen enger zusammen, während er nachzudenken begann. Bisher hatte er ganz natürlich angenommen, dass er auch in der weiteren Folge der Sache eine Rolle spielen würde, doch die Frage des Duumvir hatte wie ein Anker auf ein fahrendes Schiff auf ihn gewirkt. Sie hatte ihn in seinem Aktionismus gebremst, sodass er auch einmal einen kurzen Moment hatte, um sich das Ganze mit einer Schrittlänge Entfernung zu betrachten. Natürlich könnte er mitgehen und Asinus für die Männer des Duumvirs identifizieren, doch da war auch noch der Berg an Gold, den der Händler ihm übergeben hatte und Carbo hatte keine Ahnung wer sonst noch zu dieser Vereinigung gehörte. Er könnte über das Forum laufen und ein Kumpane von Asinus könnte direkt vor ihm unerkannt stehen und ihm im Vorbeigehen ein Messer in die Flanke rammen als Rache dafür das Gold des Händlers angenommen und Asinus trotzdem "verraten" zu haben.


    Doch was wenn er nicht mitkam? Dann wären die Dinge für die Kriminellen sehr viel unklarer. Natürlich könnte auch in diesem Fall Carbo sie alle verraten haben, doch wenn nur ihnen unbekannte Soldaten das Haus stürmten und sie festnahmen, dann konnte auch der Fall bestehen, dass sie auch auf andere Weise eine Spur erhalten haben könnten und Carbo war geschützter, als wenn er selbst anwesend wäre. Damit war der Fall für ihn klar.
    Nachdem er so kurz nachgedacht hatte, blickte er wieder auf und antwortete auf die Frage des Duumvirs: "Ich denke es ist sicherer für mich, wenn mich Asinus nicht sieht, außerdem bin ich kein Kämpfer, wäre also sowieso nicht wirklich von Bedeutung. Aber es ehrt mich, dass du es mir angeboten hast und dafür danke ich dir. Bitte teile es mir mit, wann du gedenkst die Bande festnehmen zu lassen, dann schicke ich dir meinen Scriba Titus mit. Er hat für mich heute Nachmittag Asinus' Haus beschattet, er weiß also wie er aussieht."
    So war es das vernünftigste. Titus sollten die Kerle nicht so gut vom Gesicht her kennen und sollte er ihnen doch einmal im Laufe des Nachmittags aufgefallen sein, so war er trotzdem sicher, wenn er eine frühere Aussage von ihm wahr machte und wirklich aus Mogontiacum verschwand, sobald Carbos Amtszeit zu Ende wäre.

    Kurz stutzte Carbo, dann senkte er den Kopf. "Es waren arbeitsreiche Wochen für mich und bis vor kurzem war es ja bloß ein beschmierter Schrein, was ja schon an sich aussagt, dass da nicht gerade Nettigkeiten oben stehen, wenn man schon so ein Sakrileg begeht. Also maß ich dem genauen Inhalt keine nähere Bedeutung zu, bevor der Händler an mich herantrat."


    Doch dann sah er dem Duumvir wieder fest in die Augen. "Doch auch wenn es so sein sollte, dass diese beiden Geschichten nichts miteinander zu tun haben, so ist bei der zweiten klar gesichert, dass dieser Asinus kriminelle Absichten mit diesen Waffen hegt, durch seine Berufung auf meinen angeblichen Ruf! Bitte, Duumvir, du weißt, dass ich als Magister Vici und auch zuvor schon als Scriba immer verlässlich und treu im Dienste Mogontiacums gearbeitet habe und dass ich ohne begründeten Verdacht, oder einem Beweis niemals andere Leute irgendeiner Sache verdächtigen würde! Ich sage, wenn wir Asinus und seine Kumpane festnehmen und verhören, dann werden wir bestimmt auch Klarheit in der Sache mit den Germanen erhalten, bei ihm ist ja seine Intention bewiesen, wer weiß, was sich sonst noch ereignen wird, wenn sich seine Organisation wirklich in Mogontiacum festsetzen kann und die diskret zu lagern vorgesehenen Waffen im besten Fall bloß an andere weitergeschmuggelt, im schlimmsten aber gegen mogontiacische Bürger eingesetzt werden! Noch ist es nicht zu spät und wir können handeln! Ich habe hier noch den Zettel mit der Adresse, den Asinus mir gegeben hat, hier sollte er angetroffen werden können!"

    Das Ende von Carbos Amtszeit als Magister Vici war angebrochen. Gemäß den Gesetzen der Stadt musste er einen Rechenschaftsbericht über seine Taten an die Duumviri übermitteln, weshalb ein Bote zum Haus des Volusus Haterius Catulus gelaufen kam, um diesen abzugeben.



    Ich, Norius Carbo, gebürtig aus der Provinz Noricum und zuletzt Magister Vici des Vicus Apollinensis des Municipium Cornelium Mogontiacensis, lege hiermit gemäß dem Decretum Decurionum ANTE DIEM VII ID IAN DCCCLXVI A.U.C. (7.1.2016/113 n.Chr.) meine Rechenschaft über meine Amtszeit ab, damit dieser Bericht in der nächsten Contio des Ordo decurionum verlesen und danach öffentlich auf dem Forum ausgehängt werden kann, gemäß unserer Gesetze.


    Ich trat mit zwei großen Versprechen meine Amtszeit an, welche da wären: die Renovierung der Larenschreine meines Vicus und die wöchentliche, regelmäßige Aufführung von Theaterstücken zur kulturellen Erbauung und Unterhaltung unserer Einwohner.
    Ich kann mit Freude hiermit verkünden, dass ich beide Wahlziele vollständig erfüllen habe können. Wenden wir uns zunächst den Larenschreinen zu. Ich führte zu Beginn persönlich eine Inspektion und Sichtung des gesamten Baubestands zusammen mit meinem Scriba durch, um alle eventuell vorhandenen Mängel aufnehmen zu können. Anschließend ernannte ich mehrere Bauteams, mit jeweils speziellen Aufgaben, die sich in zwei Kategorien aufteilen ließen: Die erste Kategorie war ausschließlich für die Grundreinigungen für weniger beschädigte Schreine zuständig und dem Abriss derjenigen, die für einen Neubau vorgesehen waren, während die Teams der zweiten Kategorie aus kundigen Steinmetzen und Bildhauern bestanden, deren Aufgabe es war die abgerissenen Larenschreine neu aufzubauen. Dabei wurde streng darauf geachtet, dass immer nur ein Schrein gleichzeitig abgebaut wurde. Erst wenn der zuvorige wieder aufgebaut war, wurde der nächste angegangen. Auch sei angemerkt, dass so viel wie möglich von den alten Schreinen aufbewahrt und anschließend in den Neubauten wiederverwendet wurden. Insgesamt wurden zehn Schreine nur gereinigt, während sechs neu erbaut wurden. Als weiterer Zusatz sei auch noch erwähnt, dass ich aus eigenen Mitteln auch einen völlig neuen Schrein der Stadt Mogontiacum gestiftet habe. Sämtliche Listen, Arbeitsverträge und sonstige Aufzeichnungen im Zuge dieses Projekts sind natürlich noch vorhanden und können vom ehrenwerten Ordo decurionum bei Bedarf gerne eingesehen werden.


    Mein zweites großes Projekt war die Durchführung wöchentlicher Theateraufführungen im örtlichen Theater solange meine Amtszeit währte. Dazu ließ ich kleinere Mängel am Theater baulich beheben und engagierte eine Schauspielertruppe aus Vindonissa aus dem Süden der Provinz. Die Arbeitsverträge liegen zur Durchsicht zur Verfügung, ebenso wie alle von mir aufgestellten Spielpläne. Mein Budget ließ eine Aufführung pro Woche zu, wobei ich jedoch anmerken muss, dass es einmal zwei Wochen lang keine Aufführungen gegeben hatte, um die so frei werdenden Mittel für Gladiatorenspiele im Zuge des Fests der Compitalien verwenden zu können, was mich zu eben diesem bringt. Pflichtgemäß kümmerte ich mich um die Organisation dieser Festtage und stellte für die feiernde Menge an vielen öffentlichen Kreuzungen Bänke und Tische mit Essen, sowie Musikern bereit. Die Gladiatoren für die Spiele stammen aus dem Ludus Genucii, der Gladiatorenschule des Quintus Genucius Proculus, etwas südlich von Mogontiacum.


    Es sei auch noch gesagt, dass ich für die Vicani meines Bezirks immer ein offenes Ohr hatte, wenn sie mit Problemen zu mir kamen und ich versuchte ihnen zu helfen. Weiters leistete ich den ehrenwerten Duumvirn Beihilfe um die Aufdeckung eines germanischen Komplotts, wo jedoch die Ermittlungen noch laufen und ich deswegen nichts näheres sagen kann.


    Zum Abschluss meines Berichts einige kurze Worte zur Finanzierung. Ich bin zuvor nur bloßer Scriba im Dienste der Stadt gewesen, wie die ehrenwerten Herren Decurionen gewiss wissen werden und ich hätte mir beileibe nicht alle meine Projekte selbst leisten können. Die Renovierung der Larenscheine und alle Theateraufführungen (mit Ausnahme der ersten beiden Vorstellungen, die ich selbst bezahlte) wurden dankenswerterweise vom großzügigen und ehrenwerten Procurator rationis privatae Numerius Duccius Marsus finanziert, dem ich an dieser Stelle noch einmal besonders meinen Dank aussprechen möchte. Die von mir gestiftete Aedicula für die Laren jedoch wurde, wie schon erwähnt, von meinen eigenen Geldern bezahlt.


    Ich, Norius Carbo, schwöre hiermit, dass sich alles hier berichtete so wie dargelegt ereignet und seine Richtigkeit hat und ich einzig und alleine die Wahrheit gesprochen habe, bei meiner Ehre!


    NORIUS CARBO
    MAGISTER VICI - VICUS APOLLINENSIS


    Der, etwas abgelegene, Platz, unweit des nordwestlichen Stadttores, war kaum wiederzuerkennen mit seinem prächtigen neuen Larenschrein. Carbo stand dort und war mehr als stolz auf seine Baukumpane. Sie hatten ganze Arbeit geleistet, nichts deutete mehr auf den Schandfleck hin, der sich hier einst befunden hatte. So war es Carbo eine ganz besondere Freude, den Schrein in seiner Anwesenheit von einem kundigen Aedituus einweihen zu lassen und ihn anschließend der Öffentlichkeit zu übergeben. Dann würde nur noch eine letzte Tat in dieser Geschichte fehlen...


    Eine Woche später war es dann soweit. Es war die letzte von Carbos Amtszeit. Direkt am Morgen stand er auf und streckte sich zuerst einmal ordentlich. Anschließend ging er an sein morgendliches Opferritual an die lares vicani, indem er zu ihren Ehren Weihrauch verbrannte und ein Trankopfer darbrachte durch das Ausgießen von Wein über seiner Patera. Auch diese Opfer würden schon sehr bald enden, wenn Carbo erst wieder Privatmann wäre. Danach machte er sich ausgehfertig und eilte zu einer großen Straßenkreuzung im Nordosten der Stadt. Hier hatten die letzten noch angestellten Steinmetze und Bildhauer in den letzten Tagen an jener persönlichen Aedicula gearbeitet, die Carbo von sich aus Mogontiacum stiften wollte, um damit die Laren zu ehren, genauso wie der Stadt ein dauerhaftes Denkmal seiner Amtszeit zu hinterlassen. Es war ein hübsches kleines Podest aus cremefarbenem Marmor, darauf befand sich die Aedicula mit dem aufgemalten Larenbildnis, das alles abgedeckt durch ein Dächlein. Es waren auch seitlich am Marmorpodest Carbos Wappen, der doppelfischschwänzige Flussgott, sowie eine Inschrift darauf zu sehen, die im üblichen, abgekürzten Latein besagte:


    DER MAGISTER VICI
    NORIUS CARBO
    HAT DIES IM VIERTEN REGIERUNGSJAHRE DES
    IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS
    TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS
    IM JAHRE ACHTHUNDERTNEUNUNDSECHZIG
    SEIT GRÜNDUNG DER STADT
    ERRICHTEN UND WEIHEN LASSEN


    Nachdem auch dieser Schrein der Öffentlichkeit übergeben war, war es endlich vollbracht, die Renovierung der Larenschreine war abgeschlossen! Wohin man ging, erstrahlten diese kleinen Heiligtümer in ihrem neuen Glanz, keiner, der einen Makel aufzuweisen hätte. Die Leute konnten guten Gewissens ihren Arbeiten nachgehen, darauf vertrauend, dass ihr Verhältnis zu den Geistern der Wegkreuzungen, dank der Arbeit Carbos, bestmöglich ausgestaltet und mehr als positiv war. Immerhin hatten sie sogar einen Schrein mehr hinzugewonnen, als am Anfang da gewesen waren, was wollte man als Kreuzungsgeist da mehr?

    Ach was war das für ein rauschender Kulturgenuss! Woche für Woche jagte ein Theaterhighlight das nächste!


    Auf Sophokles' "König Ödipus" als Eröffnungsspektakel, folgte in der Woche darauf "Antigone" und als Abschluss der Thebanischen Trilogie sein posthum veröffentlichtes Drama "Ödipus auf Kolonos" in der dritten Woche. Dann durften sich die Leute am Satyrenspiel "Kyklops" von Euripides erfreuen und zittern, wenn darin Odysseus die Höhle des Zyklopen Polyphen betrat. "Kyklops" machte auf der Bühne danach dem Stück "Medea" Platz.


    In der sechsten Woche stand die erste Komödie von Carbos Amtszeit am Programm. Das städtische Theater zeigte auf seine Veranlassung hin "Lysistrata" von Aristophanes. Einer Geschichte, in der sich die Frauen Athens und Spartas miteinander verschworen hatten, um endlich Frieden zwischen den Männern zu erzwingen. Dafür besetzten sie unter Führung der Titelheldin die Akropolis und verweigerten sich sexuell ihren Männern. Das Stück kam grandios beim mogontiacischen Publikum an und wollte das groteske Stück auch in der nächsten Woche noch einmal sehen. Dann, in der nächsten Aufführung saß der Krieg in der Komödie "Die Wespen", ebenfalls von Aristophanes, auf der Anklagebank.


    So ging es dann das ganze Jahr hindurch weiter, bis zur letzten Woche von Carbos Amtszeit als Magister Vici des Vicus Apollinensis. Die letzte Woche, also auch das letzte von ihm organisierte Theaterstück fürs Volk. Danach wäre sein Vertrag mit der Schauspieltruppe aus Vindonissa erfüllt und nach ihrem einjährigen Aufenthalt hier würden sie Mogontiacum wieder verlassen, um woanders ihre Kunst zu zeigen. Das lokale Theater wäre dann wieder verwaist. Carbo seufzte schwer, als er vor dem Theater stand und sich dies durch den Kopf gehen ließ, ehe er einen Schritt nach vorn setzte und das Theater betrat, um der letzten Aufführung beizuwohnen. Es war wirklich unendlich schade, dass dieser wöchentliche Höhepunkt der Stadt nun nicht mehr vorhanden wäre. Er musste zugeben, bei all seiner Arbeit und den vielen Amtspflichten bei weitem nicht alle Stücke der Vindonissier gesehen zu haben, doch trotzdem hatte er es sich angewöhnt gehabt, es sich nach einem harten Arbeitstag einmal die Woche mit ein wenig kultureller Zerstreuung und Unterhaltung im Theater gut gehen zu lassen und auszuspannen, während er seinen literarischen Helden dabei zusah, wie sie kämpften, oder starben, lachten, oder weinten, das Glück ihres Lebens fanden, oder elendig zugrunde gingen.
    Da er den Leuten für das Ende seiner Ära nichts bedrückendes, oder schweres aufbürden wollte, hatte Carbo wieder eine Komödie von Aristophanes ausgewählt; "Die Frösche". Darin steigen Dionysos und Xanthias in die Unterwelt hinab, um die toten Tragödiendichter Aischylos und Euripides miteinander um den Ehrensitz des Meisters der Tragödie wettstreiten zu lassen. Dabei zündeten die Schauspieler ein wahres Feuerwerk an Zitaten aus den beiden Werken der konkurierenden Dichter und das Publikum ergötzte sich aufs beste an all den getätigten Anspielungen und Übertrumpfungsversuchen. Carbo sah währenddessen mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu. Am Ende entschied sich Dionysos schließlich für Aischylos als dem Gewinner. Das Volk applaudierte, die Schauspieler verbeugten sich grinsend. Es war eine grandiose Vorstellung gewesen, doch nun war es vorbei und der letzte Vorhang gefallen.



    Sim-Off:

    Ich beende mit diesem Post das Ausspielen des Theaterstücks "König Ödipus", da Carbos Amtszeit zu Ende und somit einfach keine Zeit mehr ist, die restlichen Teile zu posten. Ich hoffe ich enttäusche damit niemanden. SimOn wurde es natürlich zur Gänze aufgeführt.

    Carbo blieb vor Catulus stehen. "Salve Duumvir, tut mir leid, dass ich dich zu so später Stunde noch störe, doch ich habe eine beunruhigende Entdeckung gemacht. Vermutlich steht das Wohl ganz Mogontiacums auf dem Spiel, falls wir nicht schnell handeln, doch ich erzähle wohl besser alles der Reihe nach."


    Carbo durfte jetzt nichts falsch machen, je eher das Stadtoberhaupt in Kenntnis gesetzt war, umso besser war es für sie alle. Deshalb galt es ruhig und besonnen zu bleiben und Haterius Catulus so klar und langsam wie möglich von allem zu berichten. Also begann er: "Alles fing damit an, dass ich in Vorbereitung auf die Renovierung der Larenschreine, eine Inspektion des betreffenden Baubestands durchgeführt hatte. Dabei war mir ein besonders schändlich entweihter Schrein aufgefallen, der mit germanischen Runen beschmiert worden war. Eine wirkliche Erniedrigung für die Geister dieser Kreuzung! Ich konnte die Runen selbst nicht lesen, doch vermutete ich schon damals aus ähnlichen Erfahrungen aus meiner Heimat Noricum, dass dies entweder eine Drohung, oder eine explizit aggressive Botschaft von Germanen an die Römer sein sollte, immerhin ist es ein ernstes Vergehen den Frieden zwischen den Göttern und damit auch eingeschlossen den Laren, mit den Römern zu stören." Er machte eine kurze Pause, um seine Gedanken zu ordnen, ehe er fortfuhr:
    "Heute habe ich den nächsten Baustein in diesem Puzzle erhalten. Um die Mittagszeit trat ein Händler namens Asinus, wenn das denn wirklich sein Name ist, an mich heran und sagte er benötige meine Hilfe. Er wollte, dass ich ihm dabei helfe, dass sich sein... "Handelskonsortium" auch auf Mogontiacum ausbreiten könne und bat mich zudem um eine Lagermöglichkeit für eine größere Menge Waffen zu finden." Wieder unterbrach Carbo kurz, damit der Duumvir leicht seinen Ausführungen folgen konnte, trotz seines unangekündigten "Überfalls" auf ihn.
    "Ich fragte natürlich wieso sie damit zu mir kämen und nicht einfach in einem der zahlreichen Lagerhäuser der Stadt anfragten. Er war mir spätestens jetzt eigenartig vorgekommen, doch der Höhepunkt war erreicht, als er mir eröffnete, dass seine Vorgesetzten Diskretion verlangen und er mir speziell vertrauen würde aufgrund eines unverdienten kriminellen Rufs meiner Person, der bei meiner Ankunft von vor zwei Jahren, aufgrund falscher Gerüchte, aufgetaucht war, doch das weißt du ja schon längst." Diese alten Gerüchte wieder aufzuwärmen war bloße Zeitverschwendung, es genügte sie zu erwähnen, damit der Duumvir die Zusammenhänge sah.


    "Die Erwähnung dieser Lügen über mich war für mich der Beweis, dass das alles eine kriminelle Sache ist! Ich schickte meinen Scriba los, um den Kerl auszuspionieren und nach seiner Rückkehr berichtete er mir, Asinus hätte sich mit Germanen getroffen!"
    Carbo klatschte in die Hände. "Für mich ist der Fall klar, Asinus' kriminelle Organisation will die Germanen mit Waffen versorgen, damit die, gemäß ihrer Drohungen am Larenschrein, ein Blutbad in Mogontiacum anrichten können! Oder zumindest an sonstigen Einwohnern in der Nähe. Wir müssen sie aufhalten, ansonsten sterben Römer!"

    Norijs Carbos' größtes Projekt während seiner Amtszeit, der Renovierung der Larenschreine, näherte sich dem Abschluss. Alle Schreine waren gereinigt worden und erstrahlten in neuem Glanz. Der Marmor erstrahlte wieder in blütenweißem Schein, beschädigte, oder abgebrochene Teile waren ersetzt worden und die auf den Schreinen zu sehenden Malereien waren wieder gestochen scharf zu sehen in ihren kräftigen Farben. Auch die neu zu errichtenden Larenschreine standen allesamt wieder und waren eingeweiht. Bei ihnen war das besondere, dass Carbo in den Malerein dezent sein Wappen, den doppelfischschwänzigen Flussgott einarbeiten hatte lassen, so wie das auch schon frühere Amtsvorgänger von ihm beim Neubau eines Schreines gehandhabt hatten.


    Alle Schreine waren also abgeschlossen, alle bis auf einen.
    Carbo stand vor dem erbärmlichen Stückwerk von Schrein, der über und über mit germanischen Runen beschmiert war. Dieser Schrein hatte Carbo bereits in seinen Alpträumen verfolgt, war er doch in eine weit dunklere Geschichte verwickelt. Die Rettungsversuche des Bauwerks durch einen von Carbos Renovierungstrupps, hatten dem Schrein eher noch mehr geschadet, als genutzt. Überall sah man, wo man die Oberfläche abgekratzt hatte, um eingemeisselte Runen zu entfernen und um die aufgemalten Schmähungen loszuwerden hatte man kurzerhand den ganzen Schrein übermalt. Leider jedoch hatte man die abgeschlagenen Stellen erst später versucht zu ersetzen (was teils sowieso misslungen war, oder völlig schräg aussah) und dann noch einmal darübergemalt, das zu allem auch noch mit einem anderen Weiß-Ton, sodass man deutlich die unterschiedlichen Renovierungsschichten ausmachen konnte. Ein Graus von einem Flickenteppich, der sich Larenschrein schimpfte.


    Nun, da er das Geld (dank Asinus) dafür hatte, war es Carbo mehr als ein Vergnügen, diesen Schandfleck endlich und entgültig vom Erdboden zu tilgen und durch einen makellosen Neubau zu ersetzen. Nichts sollte mehr auf die unrühmliche Vergangenheit und die Rolle dieses Schreins hinweisen, die er bei dem germanischen Komplott gespielt hatte. So sah Carbo ihn nur noch einen Moment voller Verachtung an, ehe er dann dem hinter ihm wartenden Bautrupp befahl: "Reißt das verdammte Ding ein, ich will nicht den Hauch eines Überrests davon je wieder sehen müssen."
    Die Arbeiter traten vor und begannen damit den geschändeten Larenschrein mit ihren Spitzhacken zu bearbeiten...

    Nach seinem kuriosen Treffen mit dem Händler Asinus war Carbo gleich zu seinem Scriba Titus gelaufen, dabei natürlich sorgfältig darauf achtend, dass niemand ihm folgte. Er traute es diesen Kriminellen durchaus zu, dass sie ihn beschatten ließen, wo sie doch etwas von ihm wollten. Seinen grummeligen Scriba trug er auf sofort auf mehreren Umwegen (zur Sicherheit) zur angegebenen Adresse zu laufen, die der Händler auf ein Stück Papyrus gekritzelt hatte, um dort nachzusehen, ob er irgend etwas näheres herausfinden konnte. Carbo selbst wiederum würde seinen Alltagsgeschäften nachgehen, ganz so wie immer. Sollte er tatsächlich beobachtet werden, so würden sie nichts verdächtiges bei seinem Tun bemerken. Carbo sprach mit Leuten, die seine Hilfe benötigten, besuchte die Baustellen der letzten Larenschreine und trug seinem Spezialteam, bestehend aus den angeheuerten Steinmetzen und Bildhauern, umgehend den Entwurf einer völlig neuen Aedicula auf, die er der Stadt zum Geschenk machen wollte. Dank Asinus' "Bestechungsgeld" war ja Geld vorerst kein Problem mehr für ihn. Es war schon eine unerhört hohe Summe für die zu erwartenden Gegenleistungen, doch Carbo vermutete, dass es als eine zusätzliche Absicherung der Drahtzieher zu sehen war. Indem sie ihm soviel Geld zahlten, hofften sie bestimmt Carbos Gier nach mehr zu wecken, sodass er umso loyaler für sie arbeiten würde, doch in diesem Punkt würden sie sich verrechnen und zwar ordentlich.
    Den ganzen Tag über hoffte er endlich auf ein Zeichen von Titus, doch er blieb abwesend. Ein wenig beunruhigte es ihn schon, wenn er auch nicht völlig sicher sein konnte, ob er sich deswegen Sorgen machen sollte. Titus' Abwesenheit konnte bedeuten, dass es bislang einfach noch nichts berichtenswertes gegeben hatte, oder es war ihm zu blöd geworden für Carbo den Spion zu spielen (anstatt sich zuhause von einer Sklavin verwöhnen zu lassen) und war nachhause gegangen, oder... Titus war erwischt worden. Carbo hoffte das natürlich nicht. Vielleicht war sogar das positive Gegenteil der Fall, dass er gerade an etwas unglaublich heißem auf der Spur war. So konzentrierte er sich weiterhin auf seine Pflichten als Magister Vici, wenn er auch ziehmlich abgelenkt war.


    Am späten Nachmittag tauchte Titus endlich wieder auf der Bildfläche auf. Er schreckte Carbo heftig, da er ihm von hinten an die Schulter fasste, während der Magister Vici gerade durch eine schmale Seitengasse gelaufen war, auf dem Weg (wieder mal) zum Forum. "Titus, bei allen Göttern! Was fällt dir ein mich so zu erschreckenn!"
    "Tut mir leid, Boss."
    "Egal, hast du irgendetwas herausgefunden?"
    Titus sah ihm im Gehen mit einem vielsagenden Blick an und antwortete: "Ich habe zwei Männer ins Haus gehen sehen, einer davon hatte so ein Allerweltsgesicht, so wie du es mir beschrieben hattest, das muss dieser Asinus gewesen sein. Der andere hatte ein markant spitzes Kinn und eine Glatze, keine Ahnung wer das gewesen sein soll, doch da ist noch etwas...später mal haben zwei Germanen das Haus betreten." Carbo keuchte auf. "Germanen? Bist du sicher?!"
    Titus erriet, welchen Gedankengängen sein Boss gerade folgte. "Du denkst an den beschmierten Larenschrein, oder?"
    "Genau an den! Für mich ist das kein Zufall, dass ein römisches Heiligtum in der Stadt mit germanischen Runen beschmiert und entweiht wird, während ich kurz darauf von einer Art Wagfenhändler wegen illegalen und heimlichen Waffendepotationen innerhalb der Stadt angesprochen werde und wir herausfinden, dass sie mit Germanen zusammenarbeiten. Ich denke dieses "Handelskonsortium" versorgen die Germanen mit Waffen, ich muss das sofort den Duumviri melden, damit wir ein Blutbad innerhalb der Stadt verhindern können!"


    Mit diesen Worten ließ Carbo Titus stehen und eilte zur Curia Mogontiaci. Dort angekommen eilte er zum Sprechsaal der Duumvirn und sagte der Schildwache: "Salve, ich bin Norius Carbo, Magister Vici des Vicus Apollinensis. Ich muss einen der beiden Duumvirn in einer dringenden Angelegenheit sprechen!"

    Immer noch ganz perplex starrte Carbo auf den prallen Geldbeutel, der wie ein verführerisches Pendel vor ihm leicht hin und her schwang. All diese Münzen und das nur ganz für ihn alleine! Alles was er dafür machen musste war, dass er mit dem Aedil sprach und einen Lagerplatz für Waffen beschaffte. Doch natürlich hatte er da immer noch ein paar Fragen: "Warum gerade ich? Es gibt genug Lagerhäuser in der Stadt, wo man gegen ein kleines Entgeld seine Ware lagern kann." Da hüstelte der fremde Händler.



    Asinus, ein Händler


    "Gewiss, Magister Vici, doch legen meine Arbeitgeber Wert auf eine gewisse Diskretion und bei deinem Ruf...", da wurde Carbo hellhörig. "Was? Was ist denn mit meinem Ruf?" unterbrach er ihn. Das alles kam ihm irgendwie eigenartig vor. Asinus lächelte ihn nur milde an, ehe er antwortete: "Na dein Ruf, Magister, demnach du dich in gewissen revolutionären Kreisen zu bewegen verstehst." Carbo verstand die Welt nicht mehr. "Hä? Dass ich..." Dann jedoch fiel es ihm wie Schuppen aus den Haaren. Meinte der Kerl etwa dieses uralte falsche Gerücht, das zeitgleich zu seiner Ankunft in Mogontiacum vor zwei Jahren aufgetaucht war? Wo er sich mit dem Decurio der Ala II, Atius Scarpus in der Taberna Silva Nigra unterhalten hatte und dann plötzlich am Nachbarstisch eine Schlägerei ausgebrochen war und es hinterher geheißen hatte, Carbo sei dafür verantwortlich und zudem der Anführer einer Revolution gegen das Imperium? War Carbo nicht sogar wegen dieses blöden Gerüchts von einem Verrückten niedergestochen worden und beinahe gestorben? Und dieser Nonsens von Behauptung geisterte also immer noch in der Welt herum und zog Gesindel wie diesen Asinus zu ihm hin?!
    Wut machte sich in Carbo breit und er war schon drauf und dran dem Kerl die Meinung zu geigen und seinen Ruf reinzuwaschen, als ihm ein Gedanke kam. Was, wenn dieses "Handelskonsortium" in Wahrheit eine kriminelle Vereinigung war? Dann wäre sein Mitspielen bei dieser Farce vielleicht ein Mittel gleich die ganze Bande zu schnappen? Denn kriminell war die Sache offensichtlich, das war spätestens klar, als sich Asinus auf die Gerüchte um Carbos Person berufen hatte, um zu erklären, wieso er gerade zu ihm gekommen war. Jetzt galt es nur nicht aus der Reihe zu tanzen, ehe er sich mit seinen Vorgesetzten in Verbindung setzen konnte.
    "Oh, diesen Ruf meinst du also...ja, also ja, das stimmt schon." "Sehr gut" nickte Asinus zufrieden und wartete mit einem aufmerksam lauschenden Gesichtsausdruck auf Carbos weiterführende Antwort für sein Anliegen. Kurz überlegte er: "Also, ich sehe zu was sich da machen lässt, ich melde mich wieder bei dir. Wo finde ich dich, wenn ich genaueres weiß?" Asinus kramte kurz in einer Gürteltasche und zog dann ein Stück Papyrus hervor. Er überreichte es Carbo mit den Worten: "Hier, darauf steht, wo ich zu finden bin, es ist die Adresse eines Freundes bei dem ich wohne. Es genügt, wenn du eine schriftliche Nachricht schickst, ich werde dann von mir aus wieder an dich herantreten", mit einem Blick auf den Münzbeutel meinte er: "sieh dies als Vorschuss für deine Dienste an, vielleicht gibt es noch mehr bei weiterer guter Arbeit, Vale."
    "Verstanden", murmelte Carbo schon wieder etwas verwirrt. War er gerade von dem Kerl rekrutiert worden?? Naja, auf jeden Fall musste er sich sofort mit dem Duumvir in Verbindung setzen, die Sache schien ernst zu sein!

    Als sie endlich den Flecken erreicht hatten, den Asinus wohl für am sichersten befand, blieb er stehen und drehte sich zu Carbo um. Dieser vermutete, dass ihm ihr Treffpunkt, die Stufen der nahen Curia Mogontiaci, wohl zu unsicher war, was Lauscher anging. Zu leicht konnte man sich da um einer Ecke herum, zwischen den Säulen, oder im Hauseingang verstecken und jedes gesprochene Wort mithören, doch Carbo fand schon, dass Asinus in seinem Wahn, ja nicht belauscht zu werden, schon übertrieb. Ihm selbst jedenfalls fiel kein "großer" und "wichtiger" Beweggrund ein, für den man so ein großes Geheimnis drumherum spann und am Ende doch nur einen Magister Vici betrauen wollte, anstatt gleich den Aedil, oder gar die Duumvirn. "Was ist denn nun so wichtig?" fragte Carbo abgespannt. Verdammt, er wollte endlich zu Mittag essen! Und er hatte auch so noch genug zu tun, als sich um wichtigtuerische Händler kümmern zu müssen. Noch einmal sah sich Asinus kurz um, ob auch wirklich ja niemand in der Nähe war (bis repetita non placent semper...*seufz*), ehe er ENDLICH mit der Sprache herausrückte:



    Asinus, ein Händler


    "Magister, zwei Dinge, die erste würde eine banale Handelsangelegenheit betreffen, wo ich auf deine Hilfe hoffe." Eine Spur ungeduldiger, als beabsichtigt fragte er: "Sehr gut! Und was soll das genau sein...?" Asinus beugte sich vor und antwortete:
    " Ich gehöre einem Handelskonsortium an, das seine Aktivitäten gerne auf Mogontiacum ausweiten möchte, könntest du bitte beim Aedil ein gutes Wort für uns einlegen, damit wir auch anderswo in der Stadt, als bloß am Forum unsere Waren verkaufen können?"
    Innerlich war Carbo kurz vorm Explodieren vor lauter Ungeduld. Was?! Wegen einer solchen Lapalie holte man ihn quasi vom Essen?! Sollten sie sich doch einen Laden hier in der Stadt kaufen und hier sesshaft werden, wenn es ihnen schon nach der Marktordnung ging! "Ich werde nachsehen, was sich da machen lässt." brummte er nur. Was wohl das zweite Anliegen war? "Weiters", fuhr Asinus wie aufs Stichwort hin weiter fort: "benötigen wir einen Ort, wo man eine größere Menge Waffen lagern kann" meinte Asinus, während Carbo hellhörig wurde. "Was, Waffen?!" irgendwie hörte sich das alles komisch für ihn an und im Moment wusste er nicht einmal so spontan aus dem Kopf, ob Mogontiacum überhaupt eigene Gesetz über das Führen von Waffen besaß, so wie Rom, oder ob es da bestimmte Lizenzen, oder sonstige Einschränkungen für Waffenhändler gab (wobei Asinus irgendwie nicht den Eindruck eines solchen Händlers auf Carbo machte). "Natürlich würden wir dich für deine Mühen für uns dementsprechend entschädigen." meinte er und zog einen dicken Münzbeutel hervor und hielt ihn dem Magister Vici vor die Nase. Carbos Augen wurden groß. So viele Sesterze! Das mussten genug sein, um eine eigene Aedicula UND den Germanenschrein neu errichten zu lassen und trotzdem würde noch etwas für Carbos nächste Amtszeit als Aedil übrig bleiben. Doch ganz geheuer war ihm die ganze Sache immer noch nicht. Sollte er das Geld annehmen? Alle noch offenen Finanzierungsprobleme seiner aktuellen und nächsten Amtszeit wären damit auf einen Schlag gelöst!
    Doch war das alles auch wirklich legal?