Beiträge von Iulia Phoebe

    Langsam bewegte sich der Zug vom Ort des Geschehens weg. Iulia war erleichtert endlich Abstand zu ihm zu erhalten. So atmete es sich gleich viel freier. Von jungen Männern hatte Iulia erst einmal genug, wenn die alle so wären wie ihre heutige neue Bekanntschaft. Ein Glück, dass keine Namen ausgetauscht worden waren. Das letzte was sie brauchte war ein Besessener, der ihr ständig überallhin folgte. Bei diesem Gedanken winkte sie gleich einem ihrer Sklaven, auf dass er näher zu ihr komme. Als er in Hörweite war trug sie ihm auf, dass er unauffällig ein Auge auf die Gegend um sie herum haben sollte, damit der Kerl ihnen auch ja nicht folgte. Derart beruhigt fragte Iulia dann Florus Minor: "Vielen Dank noch einmal für die kürzliche Einladung zu dieser vorzüglichen Cena. Ich fand deine Tante Sorana wirklich nett. Achja, und bitte entschuldige noch vielmals, dass du eben Zeuge jener bemitleidenswerten Szene werden musstest."

    Iulia lachte und schob sich gleichzeitig elegant eine Strähne aus ihrem Gesicht. "Du gefällst mir." sagte sie. Prüfend sah sie ihre jüngere Cousine an. "Hmm das Ruß um deine Augen ist verwischt, wenn doch..."
    In eben jenem Augenblick öffnete sich die Tür und Callista, Iulias Leibsklavin, betrat den Raum, frisch zurück aus der Stadt. Ihre Herrin klatschte in die Hände. "Perfekt du kommst wie gerufen!" Erwartungsvoll sah die Sklavin sie an, als Iulia ihr auftrug: "Komm her und kümmere dich bitte um Iulia Stellas verronnener Schminke. Außerdem lasse eine Sänfte vorbereiten, wir wollen ausgehen." Callista nickte. "Wie du wünschst, Domina."


    Die Sklavin machte sich an Iulia Stellas Gesicht zu schaffen und schon kurz darauf sah diese wieder prächtig aus wie eh und je. Gleich danach eilte Callista hinaus, um die Sänfte und die nötigen Sklaven zu organisieren. Iulia sah ihrer Cousine in die Augen. "Wie fühlst du dich jetzt? Können wir los?" fragte sie freundlich. Ihr war schon aufgefallen, dass Iulia Stella noch sehr schnell die Nerven davonwarf, wenn es darauf ankam. Sie war wie ein zartes Pflänzchen, das man stets nur mit Samthandschuhen berühren durfte. So empfand Iulia sie bisher.

    Zitat

    Original von Duccia Sorana


    Die Duccia nickt freundlich auf das Lob hin.
    Als die Frau nun erklärte, in welcher Beziehung sie zu dem älteren Iulier stand, nickte sie verstehend. "Nun ich denke bei uns ist dies ähnlich. In meiner Familie, die zum größten teil in Germanien lebt ist es ähnlich. Wie sehen uns als eine große Familie. Auf die Wirklichen Verwandtschaftsverhältnisse kommt es dabei nicht an. Der Vater von Duccius Callistus ist das Oberhaupt der Sip.. Familie. Was er sagt wird gemacht, egal in welchem grad wir miteinander verwandt sind." Sagte sie und dann Blickte sie zu dem Florus Minor. "Auch wenn ich als Tante Duccia vorgestellt wurde, so habe ich keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen zu den Annaeern. Ich war mit Annaeus Modetus verheiratet. Der leider viel zu führ an einer alten Verletzung verstarb. Jedoch gab es umstände, die mich und die Familie meines Mannes eng zusammenschweißten, so das sie nun so etwas wie eine Ersatz Familie für mich sind und ich versprach Florus ihm hier bei seinem Einstand in Rom tatkräftig im Rahmen meiner Möglichkeiten zur Seite zu stehen." Erklärte Sorana der jungen Frau.


    Die Erwähnung eines Toten war Iulia für kurze Momente unangenehm. "Tut mir so leid, mein Beileid." flüsterte sie, als Duccia Sorana ihren verstorbenen Ehemann erwähnte. Doch nicht nur bedrückendes, auch interessantes, ja aufregendes hatte Iulia gehört in der Erzählung der Älteren. "Ich finde es wirklich gut und warmherzig von dir, dass du Florus Minor derart unter die Arme greifst, bloß weil er Neu ist. Etwas ähnliches erlebe ich selbst derzeit mit einer jüngeren Verwandten von mir, die erst seit kurzem hier in Rom weilt. Sie heißt Iulia Stella. Ein wirklich liebreizendes Ding, doch auch sehr nah am Wasser gebaut. Ich denke du würdest sie mögen." Iulia genehmigte sich eine weitere Portion Meeresfrüchte. Sie bekam davon einfach nicht genug. Der Salzgeschmack der Austern, oder das Geräusch, das man hörte beim aufbrechen einer Hummerschere, um an das Fleisch zu kommen...hmmm.
    Nachdem Iulia ihren neuen Hummer vor sich am Teller fürs erste genug traktiert hatte wandte sie sich wieder an Duccia Sorana. "Du hattest vorher Germanien erwähnt. Dürfte ich dir hierzu ein oder zwei Fragen stellen? Ich Stelle mir Germanien nämlich als großes, wildes Land vor aus dem die abenteuerlichsten Geschichten kommen. Wie ist es für deine Familie so dort zu wohnen? Und falls es dir nicht zu aufdringlich erscheint, darf ich fragen was eine Sip-Familie ist? Ich hörte diesen Begriff nämlich noch nie bisher."

    "Gerne ich freue mich auf deine Nachricht!" lächelte Iulia. "Ich wohne in der Domus Iulia auf dem Esquilin. Siehst du jetzt weißt du mich finden kannst, kleine Freundin." Da trat der Sklave zum Kinde und flüsterte ihm etwas zu. Es war Zeit nachhause zu gehen. Natürlich verstand sie das. "Wenn das so ist musst du selbstverständlich schleunigst nachhause. Ich begleite dich, kleine Freudnin, bis vor deine Türe. So kann ich mir sicher sein, dass du sicher zurück zu deinen Eltern kommst. Wollen wir?"

    Iulia musste über Iulia Stellas Aussage lächeln. Sie erinnerte sie an ein gewisses kleines Mädchen vom Forum Romanum, dessen großer Traum es war Vestalin zu werden. "Große Cousine", wie süß.


    "Genau, Kopf hoch, dann wird das schon." ermutigte sie sie noch einmal und tätschelte Stellas Schulter. Auf die Frage hin was sie zuerst lernen sollte war keine schwere Antwort zu finden. "Ich schlage vor wir machen als aller erstes unseren Rundgang, oder?" lächelte sie.

    Plötzlich erlitt Iulia Stella einen halben Nervenzusammenbruch. Ein wenig überfordert nahm Iulia sie in die Arme. "Ruhig, ganz ruhig" versuchte sie sie zu beruhigen "Entspanne dich und fasse deinen Geist. Was geschehen wird wird geschehen. Du wirst den Richtigen schon finden und wenn nicht werden die Götter dafür sorgen, dass er dich findet, vertrau mir." Was konnte sie wohl noch sagen? Was sagte man so, dass ein Mensch in einer derartigen Verfassung sich wieder beruhigte? Als nächstes versuchte sie es damit: "Schau, du stehst ja jetzt Dank Marcus mehr oder weniger unter der Obhut meiner Mutter und wenn dich durch sie immer noch kein Mann bemerken sollte...nunja du kennst ja inzwischen ihre laute Art." versuchte sie sie mit diesem Witz aufzumuntern. "Gehe ganz gelassen durchs Leben, dann ergibt sich alles schon von allein. Und du weißt ja, dass ich dir immer zur Seite stehe, wir sind immerhin Cousinen! Wir halten zusammen!"


    Sim-Off:

    Mit Marcus mein ich Iulius Licinus

    Die Gegenwart von Florus Minor verschaffte Iulia einen Teil ihrer Selbstsicherheit zurück. Der Händler im Hintergrund nervte sie enorm, weshalb sie in Richtung von Callista unwirsch mit der Hand wedelte. "Bezahl ihn!" Callista beeilte sich dem nachzukommen. Immerhin hatte sie heute schon genug Kreide auf der Schiefertafel ihrer Herrin angesammelt.


    Als das erledigt und der Schaden bezahlt war sagte sie: "Gut, ich wäre soweit. Von mir aus können wir los." Sie winkte ihren Sklaven, die sich sogleich in ihre Richtung in Bewegung setzten.

    Die ganze Gesellschaft ließ sich nun zum Essen nieder. Die Männer auf Klinen die Frauen auf Stühlen. Iulia hatte noch nie einen Sinn darin gesehen, wieso man beim Essen liegen sollte, wo es sich ja so viel bequemer aß. Und erst der ganze Spaß mit verdrehten Wirbelsäulen im Alter. Das konnte doch nicht gesund sein. Für Frauen geziemte es sich auch ohne der Vorschrift der Männer viel besser im Essen zu sitzen, wie sie fand. So konnte man ja immerhin besser seine vornehme Körperhaltung beibehalten.
    Iulias Augen leuchteten, als dann die ersten Speisen angerichtet wurden. Welch köstlicher Duft nur im Zimmer lag!
    Als die Männer dann die ersten Bissen zu sich nahmen hielt es auch sie für angemessen mit der Vorkost zu beginnen. Während sich Iulia an Meeresfrüchten erfreute setzte sich nachdem alle Hausherrinnenpflichten erfüllt waren jene Frau zu ihr, die ihr als Duccia Sorana vorgestellt worden war. Duccia Sorana sprach sie an. Nachdem Iulia ihren Bissen hinuntergeschluckt hatte antwortete sie ihr: "Guten Abend Duccia Sorana, auch mir ist deine Bekanntschaft eine große Freude. Alles ist wirklich vorzüglich arrangiert, Glückwunsch." Als Duccia Sorana dann auf Licinus zu sprechen kam musste Iulia lächeln. "Nein, Iulius Licinus ist bei weitem nicht mein Onkel, wir sind eher weitläufig verwandt. Das ist eine unserer Familienunarten in der Domus Iulia, dass alle älteren Personen von den Jüngeren Onkel oder Tante genannt werden, sofern es sich nicht um die eigenen Eltern, Großeltern, oder irgendwelchen Urgroßeltern handelt." Iulia nippte an ihrem Wasser. "Natürlich haben die Iulier genauso großes Interesse an Stammbäumen und Vorfahren wie andere Familien. Die Sache ist die, dass der iulische Stammbaum nun einmal sehr groß ist und so spart man sich eine Menge Zeit. Wie sind denn die Familienmitgliedsbezeichnungen in deiner Familie geregelt?" fragte sie höflich.

    Der Händler zetterte in der Tat noch. Iulia wurde das allmählich zu viel. So hatte sie sich einen gemütlichen kleinen Vormittagseinkauf wirklich nicht vorgestellt. Hilfe suchend sah sie sich in der Menge um und tatsächlich, bemerkte sie dort in der Menge nicht ein vertrautes Gesicht? "Lucius Annaeus, den Göttern sei Dank! rief sie und lief auf ihn zu. Natürlich stoppte sie in öffentlich angemessenen Abstand vor ihm. "Lucius Annaeus, ich hatte gerade einen fürchterlichen Vormittag. Ich bitte dich, wärst du so freundlich und würdest du mich nachhause in die Domus Iulia geleiten?"
    Auch wenn sie mit einer Sänfte und einigen Sklaven hier war, für heute hatte Iulia spontan ihr Sicherheitsgefühl in dieser Stadt verloren und ihr verlangte es nach männlichem Schutz eines freien Römers.

    Als Proximus "ihre Frau" ansprach antwortete Iulia nur: "Das ist meine Leibwächterin, nächstes Mal komm offen wie ein Mann und schleich dich nicht wie ein Dieb heran. Und was du gegen den Dolch hast versteh ich nicht. Du willst doch einer jungen Frau nicht verwehren ihr Essen mit irgendwas schneiden zu können, oder?" In der Latrine hatte er ganz nett ausgesehen. Aber seine merkwürdige Aktion und seine sonstige Abart ließen ihn schnell in Iulias Augen verblassen. Ja sogar mehr noch. Möglicherweise war er gefährlich. Ein Irrer.


    Iulias Vermutung bestätigte sich dann bei Proximus' eigenartigen Abgang. Mitleidig schüttelte sie nur den Kopf. "Was war das gerade?" fragte sie in Richtung Callista. Auch wenn sie heute unaufmerksam gewesen war, Iulia war heilfroh sie bei sich zu haben. Was wäre nur geschehen, wenn dieser Verrückte sie in die Finger bekommen hätte?!

    Der Händler erzählte ihr gerade von den herausragenden Vorzügen seiner Figuren, als Proximus sich näherte. Iulia lauschte ihm ganz gebannt und auch Callista blickte interessiert auf die Katzenfigur in den Händen des Ägypters. Dies erklärte auch wieso der Iunier überhaupt so nahe an sie herankommen konnte. "Salve, schöne Frau!" ertönte es da plötzlich an ihrem Ohr. Sie erschrak und ließ dabei die Statuette fallen. Krachend zerschellte sie. Callista die Leibsklavin wirbelte herum, packte Proximus an der Gurgel und hielt ihm mit drohendem Blick einen Dolch an die Kehle. Der Händler zetterte über die kaputte Ware und Iulia rang nach Luft. Als sie jedoch erkannte wer sich da an sie herangepirscht hatte zog sie eine Braue nach oben. "Schon gut, ich kenne ihn." sagte sie in Richtung ihrer Sklavin, deutete mit einem Blick jedoch an, dass sie sich in ihrer Nähe halten sollte. Mit einem abschätzigen Blick ließ Callista Proximus los und zog sich lauernd hinter ihre Herrin zurück. Iulia baute sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor dem Jungen auf. "So so, wenn haben wir denn da? Etwa schon fertig mit dem großen Geschäft?" fragte sie ihn. Iulia wusste nicht so recht was sie von ihm halten sollte. Er war ihr völlig fremd, er war vermutlich jünger als sie nach dem Gesicht zu urteilen und das wichtigste er war ihr nachgerannt. Warum auch immer. Mit Callista würde sie sich später unterhalten über ihre mangelhafte Wachsamkeit. Wäre Proximus ein Attentäter gewesen, wäre Iulia jetzt tot. Eine nicht zu tolerierende Sicherheitslücke. Leicht verstimmt erwartete sie die Verteidigung ihres männlichen Überfalls.

    Die Aufregung war völlig umsonst gewesen. "Silana also, welch schöner Name" sagte Iulia. Ihr genügte diese Angabe vollauf. Außerdem rechnete sie ja auch nicht mit einem Gensnamen, dachte sie ja immer noch es mit jemanden aus der Unterschicht zu tun zu haben. Außerdem hatte Silanas Aussage sie auf andere Gedanken gebracht. Seufzend strich sie einen Wassertropfen von ihrer rechten Brust, als sie sprach: "Hmm, ich frage mich wie es sein mag verheiratet zu sein. Weißt du, ich war schon vier Mal verlobt in meinem Leben und vier Mal ist mein Versprochener vorzeitig verstorben. Manchmal glaube ich, dass ich von den Göttern verflucht bin. Iulias Blick glitt ins Leere. "Ich weiß gar nicht richtig wie es so ist mit einem Vater oder einem Ehemann zusammenzuleben, da mein Vater früh gestorben ist und ich praktisch nur von meiner Mutter erzogen wurde. Sie ist eine Servilia. Du hast von dieser Familie bestimmt schon einmal gehört, oder?" Iulia bezweifelte es zwar, jedoch wollte sie ihrer neuen Bekannten ebenfalls wieder Gelegenheit geben etwas zu sagen. Außerdem musste sie darauf achten nicht wie ein Wasserfall loszureden und ihr quasi ihr ganzes Herz auszuschütten. Doch das Thema Heirat bedrückte sie sehr und sie wurde davon immer etwas melancholisch.

    Iulia lächelte Annaeus Florus Minor freundlich zu. "Vielen Dank für deine nette Begrüßung. Mein Name ist Iulia Phoebe." stellte sie sich vor. Anschließend führte der Gastgeber sie und Licinus zu den anderen Gästen, wo sie einander bekannt gemacht wurden. Der Senator hieß also Purgitius Macer, interessant. Ja, von einem Senator Purgitius hatte sogar Iulia schon einmal etwas gehört. Alle Achtung.
    Und sogar eine Frau mit dem Namen Duccia Sorana war anwesend. Umso besser, dann wäre Iulia nicht die Einzige auf dieser ansonsten lupenreinen Würstchenversammlung.

    Auf dem Markt wälzten sich die Sänften der Reichen und Schönen wie Raupen durch die Menge. In einer dieser Raupen saß Iulia. Sie hatte immer noch dieses Hochgefühl von vorhin in sich. Gerade eben hatte sie eine neue Kollektion an Halsketten für abendliche Gastmahle erworben. Ihre Sklaven vor der Sänfte bahnten den Trägern einen Weg durch die Menge, während Callista, Iulias Leibsklavin, immerzu neben der Sänfte ihrer Herrin einherging, um sich mit ihr zu unterhalten und wenn nötig kurz nach vorne zu eilen, um den "Wegebahnern" mitzuteilen, wohin die domina als nächstes hinzugehen wünschte. Iulia ließ sich zwar in einer Sänfte herumkutschieren, jedoch stieg sie (anders als Patrizier) lieber von selber aus, wenn sie mit Händlern sprechen wollte, oder sich einen der Stände näher besah. Man war ja immerhin noch Plebejer.


    So entdeckten ihre Augen in einem der hinteren Ecken einen bezaubernden kleinen Stand eines ägyptischen Händlers, der elfenbeinerne Katzenfiguren aus seiner Heimat feilbot. Entzückt ließ Iulia erneut halten und stieg aus, um sich die Sache näher zu besehen.

    Jetzt wo Iulia Stella erst einmal im Raum war gelang es Iulia wie von selbst sie nett und freundlich anzulächeln. Sie verstand sehr gut wie es Stella erging. "Natürlich kannst du mich von nun an jederzeit aufsuchen, wenn du einsam bist. Wenn meine Mutter richtig liegt sind wir ja immerhin Cousinen!" lachte sie.

    Iulia fühlte wie all der Druck und das Unbehagen sie verließen. Welch erleichterndes Gefühl! Währendessen blickte sie einmal kurz zu ihren Sitznachbarn. Der jüngere der beiden sah in ihren Augen wirklich gut aus! Offensichtlich gefiel auch sie ihm, denn er starrte Iulia an und zwinkerte dann schelmisch. In einem Anflug jugendlicher Übermütigkeit schenkte Iulia dem Kleinen ihren verführerischsten Augenaufschlag und erhob sich anschließend mit der Eleganz einer Göttin. "Viel Spaß noch Jungs" neckte sie sie und verließ anschließend die Latrine. Die Blicke des Jüngeren hatten ein Hochgefühl in ihr ausgelöst. Sie fühlte sich begehrt. Sie fühlte sich wie eine Frau. Auf zum Markt und Einkaufen gehen!

    Es war einer dieser herrlichen Tage an denen jeder Marktstand einen förmlich anrief mit den Worten: "Komm! Sieh nur her zu mir! Kauf ddoch was schönes komm her und kauf etwas! Kaufen! Kaufen! KAUFEN!" Und so gab Iulia diesem Ruf natürlich gerne Folge und ging schon früh mit ihrer Leibsklavin Callista und einem kleinen passenden Gefolge per Sänfte einkaufen. Normalerweise hatte sie es doch immer noch lieber, wenn sie selbst laufen konnte, andererseits herrschten in der Hauptstadt der Welt andere Sitten und wenn man es recht bedachte...sooo verkehrt war eine Sänfte auch wieder nicht, wenn man beladen mit Einkäufen dann wieder gemütlich heimwärtszog anstatt sich (zusammen mit allen Begleitern) mit überschweren Taschen und Sonstigem beladen heimwärtszuquälen. Die Domus Iulia lag auf dem Esquilin, was bedeutete, dass sie zuerst hinüber zur Casa Octavia, dann auf den Vicus Patricius und anschließend durch das Argiletum mussten, wenn sie auf die Foren im Herzen Roms wollten. So zog ihr kleines Gefolge durch die Stadt und war auch schon beinahe am Forum Romanum angekommen, als Iulia am Argiletum plötzlich anhalten ließ. Sie hatte eine wunderbare kleine gallische Schenke zwischen zwei Buchläden entdeckt. Die Fassade war mit altem Holz und Kalk urig gestaltet, damit sie wirkte wie von einem Gebäude von nördlich der Alpen. Zusätzlich noch prangte ein großes Holzschild über dem Eingang und der Großteil der Gebäudevorderansicht war von Weinranken überwuchert. Das Schild verkündete stolz: "Jasomirnix' Weinstube".
    Iulia war sofort begeistert von der Aufmachung des Ladens und verspürte urplötzlich gewaltigen Durst. So stieg sie aus und ging auf die Taverne zu. Beim Eintreten merkte sie wieviel dunkler, kühler und angenehmer es hier war als draußen. Wie machte das der Gallier nur?! Freundlich wurde sie vom Lokalbesitzer begrüßt. Da sie nicht so früh am Tag Wein trinken wollte, bestellte sich Iulia einen einfachen Traubensaft. Oh Götter, schmeckte der gut! Ihre Augen leuchteten beim Geschmack dieses Nektars der Unsterblichen und so bestellte sie sich gleich noch einen Krug, danach noch einmal und noch später einen weiteren.


    Zufrieden wie eine Eidechse in der Sonne kam sie nach einer gefühlten Ewigkeit wieder heraus und bestieg mit einem seligen Gesichtsausdruck wieder ihre Sänfte. Ihr Zug setzte sich erneut in Bewegung. Doch schon nach einer Weile merkte Iulia, dass dieses ewige Geschaukel der Sänftenträger ihrer Blase nicht gut bekam. Schnell machte sich ein Drücken bemerkbar das immer stärker und stärker zu werden versprach. "Bringt mich zur nächsten Latrine!" befahl sie den Sänftenträgern. Offensichtlich hatte sie es mit dem gallischen Traubensaft übertrieben. So folgten die Sklaven dem Befehl und setzen an der nächstgelegenen Kloake die iulische Sänfte ab. Iulia betrat die Latrine und sah sich nach einem freien Platz um. Ah, dort! Sie steuerte auf ihr Ziel zu, direkt zwischen einem alten Mütterchen zu ihrer Rechten und zweien Männern zu ihrer linken. Sie unterhielten sich, einer der beiden schien noch besonders jung zu sein. So setzte sich Iulia elegant mit gerafftem Rock, um der Natur ihren Lauf zu lassen.

    Auch Iulia nickte. "Dann werde ich dich gerne einmal in den Häusern der Vestalinnen besuchen, falls ich je hören sollte, dass du es geschafft hast, kleine Freundin." sagte sie in beschwörerischem Tonfall. Ein Pakt ward geschlossen worden. Für jene, die weniger hochtrabende Worte hören wollten; ein Versprechen war gegeben worden.

    Iulia kicherte, als sie von der netten Fremden als "liebenswert" bezeichnet wurde. Die Gute war schon schräg! Während sie sprach betrachtete sie (zugegebenermaßen mit etwas Neid) diese prachtvollen, glänzenden Locken am Haupte ihrer Konversationspartnerin. So füllig und fest! Und dieser Glanz! Hatte Iulia schon diesen einmaligen Glanz bemerkt?
    Achja... Glückspilzinnen gab es wirklich einige auf der Welt.


    Ihre heiteren Gefühle änderten sich jedoch schlagartig in Verwirrung, ja sogar einer Spur Misstrauen, als die junge Frau da plötzlich etwas von einer Maske erzählte, die jeder Mensch tragen würde. "Maske" war ein aristrokratischer Begriff unter den wohlhabenden Geschlechtern Roms, jedoch nie und nimmer ein Wort, dass eine einfache Frau aus der Surbura gebrauchen würde. Ein Schatten huschte kurz über Iulias Gesicht, doch verflog er eilig wieder. Der letzte Satz machte auch keinen Sinn von ihr, wenn sie so nachdachte. Nichts davon hatte Hand und Fuß. Natürlich nickte Iulia jedoch brav, als sie mit ihrer Erzählung zu Ende war. "Du magst Recht haben mit deiner Meinung, jedoch ist sie nichts für mich. Ich bevorzuge es ohne Arrangements zu leben, was in meinem Fall bedeutet, dass ich entweder wahre Freunde um mich schare, oder bewusst alleine durch die Welt schreite. Falsche Freunde sind in meinen Augen Zeitverschwendung, ja wenn du von "Anhäufungen seltsamer Ereignisse" sprichst sehe ich sie sogar als Gefahr an. Was sind solche Bekanntschaften schon wert. Ich vertraue in so einem Fall lieber auf die Familie, oder meinem Ehemann, wenn ich einen hätte." Iulia reckte das Kinn. Natürlich ging ihre Ganz-oder-Gar-Nicht-Haltung fürs Leben nur soweit, soweit sie nicht mit den Interessen der Familie kollidierte. Wenn diese ihr eröffnete, sie müsse ein Scheußal zum politischen Wohl und Vorwärtskommen der Iulier heiraten, so würde sie sich fügen. In Bereichen jedoch in denen Iulia selbst Macht hatte (wie eben der Auswahl ihrer persönlichen Freunde), war sie gnadenlos. Entweder man war ehrlich mit ihr, oder hatte verspielt.
    Inzwischen war Iulia noch eine Frage in den Sinn gekommen. Wie war überhaupt der Name der Fremden mit dem schönen Haar, den reichen Pseudo-Freundinnen und einer ungewöhnlich gehobenen Ausdrucksweise für jemanden aus der Surbura? Sie hatten sich immerhin zuletzt an der Tiberbrücke und auch heute schon eine ganze Weile unterhalten und trotzdem wusste Iulia immer noch rein gar nichts über ihr Gegenüber. Wer war ihr Vater? Aus welcher Familie kam sie?
    "Darf ich fragen wie du heißt?" fragte Iulia zaghaft, um den ersten vorsichtigen Schritt ihrer Untersuchungen zu beginnen.

    Iulia hob eine Braue. Sie fand es eigenartig, dass Iulia Stella so ein Aufhebens um das Betreten eines Raumes einer Verwandten machte. Andererseits war sie ja immerhin noch neu im Domus. Bestimmt würde sich dieses umständliche Benehmen legen, wenn sie erst vertrauter wäre mit allen Hausbewohnern. So reckte Iulia leicht das Kinn, setzte eine unbekümmerte Miene aus und sagte freundlich: "Stella! Es freut mich, dass du mich besuchen kommst! Tritt nur herein, du störst mich keineswegs. Wie geht es dir?" Iulia fühlte sich anhand der Art wie sie ihr geantwortet hatte so, als ob sie mit einer Fremden sprechen würde. Ganz automatisch hatte sich bei ihr ihre Haltung und die zur Schau getragene reservierte Gelassenheit im Mienenspiel eingestellt.


    Reiß dich zusammen, du sprichst mit einer Verwandten! Verwandte! Keine Fremde! Bevor Iulia Stella noch etwas von Phoebes Cubiculum zu Gesicht bekommen hatte (ergo die Tür noch weit genug geschlossen war, um alles darin zu verdecken) hatte Iulia noch einmal energisch den Kopf geschüttelt und sich um eine natürlichere Miene bemüht. Witzig eigentlich, dass sie inzwischen ebenso die einen oder anderen Leute entweder als Mitbewohner, oder Fremde in der Domus Iulia empfand. War sie vor gar nicht allzu langer Zeit ja selbst noch eine Fremde für die damaligen Iulier hier gewesen.