Beiträge von Iulia Phoebe

    Iulia Phoebe war aufgeregt bis oben hin, ihre erste Cena in einem anderen Hause Roms! Wie überrascht sie nur gewesen, als ihr angekündigt worden war, dass sie die Begleitung für Marcus Iulius Licinus für diese Veranstaltung wäre! Iulia wusste nicht was sie anziehen sollte. Auch wegen ihrer Haare verzweifelte sie am Vorabend des Ereignisses mehrere Male. Ein Glück, dass Callista, ihre Leibsklavin, ihr den Abend mit einer eleganten Hochsteckfrisur rettete. Endlich kam dann die Zeit, wo Licinus aus der Castra kurz in die Domus Iulia zurückkehrte, um Iulia abzuholen. Callista nahm sie selbstverständlich mit. Im Schlepptau von Licinus' Gefolge erreichte sie also die Domus Annaea und war wie schon erwähnt ganz aufgeregt. Als gut erzogene Dame zeigte sie das nach außen hin natürlich nicht. Eine Maske der sanften Gelassenheit umschmeichelte ihr Antlitz. Callista fand, dass die anwesende Männerschaft bestimmt entzückt vom Erscheinungsbild ihrer Herrin sein würden.


    Im Hause Annaeus angekommen waren bereits einige Gäste anwesend. Iulia staunte nicht schlecht; sogar einen Senator konnte sie unter den Leuten ausmachen! Sie achtete darauf, stets zwei Schritte hinter Licinus zu bleiben und ja möglichst nicht aufzufallen. Sie hatte bemerkt, wie sich ihr Verwandter noch im Hintergrund hielt und so beschloss Iulia, dass das auch für sie das schicklichste wäre. So stand sie da im Raume und besah sich von ihrer sicheren kleinen Warte hinter Licinus aus mit interessiertem Blick die anderen Gäste dieses denkwürdigen Gastmahls.

    Iulia musste mehrmals blinzeln, ehe sie verstand. Keine Strafe? Der einzige großjährige Iulier im Hause hatte gerade ihre NICHT jugendfreie Schriftrolle gelesen und sie bekam trotzdem keine Strafe? Das war wirklich ein Umstand, den sie wahrlich nicht fassen konnte. Natürlich freute sich Iulia darüber, doch bedachte man wer ihre Mutter war, so war sie definitiv anderes gewohnt bei Missetaten. Als Licinus dann noch Martial erwähnte musste Iulia verwirrt grinsen. Ja, Martial...


    Als Licinus am Schluss erwähnte, dass sie sich ja nicht mehr damit erwischen lassen sollte, vor allem wegen Esquilina, beeilte sie sich zu versichern: "Natürlich, sicher ich verspreche es! Ich habe diese Schriftrolle sowieso schon durch. Gleich morgen werde ich sie irgendwo am Argiletum einem Buchhändler verkaufen." Sie zwinkerte Licinus zu. Das was der alte Haudegen zu ohr gesagt hatte, hatte in Iulia ein Gefühl tiefer Zuneigung für ihn geschaffen. Er verurteilte sie nicht für das was sie gelesen hatte und das rechnete sie ihr hoch an. Besonders, wenn man bedachte, dass Männer ständig derartiges und dazu noch schmutzigeres Zeug lasen und dann wars plötzlich ok.
    "Ich werde in Zukunft besser auf meine Sachen Acht geben. Allein schon für die kleine Esquilina." versprach sie noch einmal freundlich und wartete auf ein Zeichen, ob sie sich schon entfernen dürfe.

    "Deine Freundinnen?" fragte Iulia verwirrt. Irgendwo musste sie etwas nicht bekommen haben. Wie konnten reiche Römerinnen mit einer einfachen Bürgerin befreundet sein? "Hör mal, ich geb ja zu es hat seine Vorteile mit reichen Familien befreundet zu sein, oder in ihren Diensten zu stehen, aber denkst du wirklich, dass dieser respektlose Umgang im Gegenzug es wirklich wert ist?" Sie beugte sich näher zu ihrer Gesprächspartnerin, damit sie leiser sprechen konnte. "Falls du noch irgendwelche Hilfe benötigst, wende dich gerne an mich und lass diese kirchernden Küken zum Hades fahren. Auch du bist mehr wert, als du denkst und hast derartige Kontakte nicht nötig, um es im Leben entwas besser zu haben. Falls du meinen Namen nicht mehr weißt, ich bin Iulia Phoebe aus dem Geschlecht der Iulii Caepiones und Enkelin des Ritters Tiberius Iulius Numerianuns. Die Iulier mögen zwar eines der weniger bedeutenden Senatorengeschlechter sein, doch verspreche ich dir, dass meine Familie trotzdem immer noch genug Wohlstand besitzt, um Ärmeren etwas davon abzugeben. Die Domus Iulia steht direkt am Esquilin, du kannst es nicht verfehlen, falls du einmal etwas brauchst."


    Iulia hatte die liebevolle Fürsorge der Fremden nicht vergessen, die sie einst an der Tiberbrücke einem armen alten Mütterchen angedeihen hatte lassen. Es würde ihr eine große Freude bereiten ihr helfen zu können. Immerhin kam im Leben immer alles zurück.

    Über diese kindliche Frage musste Iulia lachen. "Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung wie warm es im Inneren des Tempels ist, doch du kennst ja die Hochsommer in der Stadt. Ich glaube da ist ein kleiner Steintempel mit einem Feuer in der Mitte tatsächlich immer noch kühler." Interessant, die Kleine brachte Iulia auf Fragen, die sie sich selbst noch nie vorher selbst gestellt hatte und einer näheren Untersuchung durchaus würdig wären.

    Iulia hatte gerade auf ihrem Bett gelegen und ein wenig von Misenum taggeträumt. Sie vermisste das Landleben doch schon irgendwo! Genaugenommen war es ja auch niemals ihre freie Entscheidung gewesen nach Rom zu ziehen, aber seis wies ist, sie war nun einmal hier.


    Kurz erschrak Iulia, als es da plötzlich an ihrer Tür klopfte. "Ja, bitte?" fragte sie und stand rasch auf, um ihren Besucher angemessen begrüßen zu können, wer es auch immer sei. Als Frau wollte man sich ja keine Blöße geben. Wer es wohl sein mochte? Ein Besucher von außerhalb, oder einer der Sklaven mit irgendeinem Anliegen? Ihre Leibsklavin Callista jedenfalls konnte es nicht sein, da Iulia wusste, dass sie sich gerade auf den Märkten befand. Callista hätte auch niemals angeklopft.

    Dieser Vater hatte ja anscheinend sehr genaue Vorraussichten und Planungen, was die Zukunft seiner Tochter anging. Ganz anders, als ihr eigener Vater, der selbst nie gewusst hatte, was der nächste Tag wohl bringen mochte und als liebste Zeitvertreibung die gute alte Faulenzerei gehabt hatte. Iulia hätte sich gerne einen strengeren Vater gewünscht, der als Vorbild dienen hätte können. So jedoch hatte ihre Mutter, Servilia Gemina, die Vatersrolle zusätzlich übernehmen müssen. Ein Umstand, der einigen Kummer in ihrer Familie ausgelöst hatte.


    Umso mehr freute sich deshalb Iulia für die kleine Valeria Vestina. Sie war noch jung und aufgeweckt und sah mit ihren staunenden Augen nichts als Wunder in der Welt. Sie würde nichts von den körperlichen Lastern der Jugend vermissen und auch nie Armut erfahren, da sie als Vestalin beides niemals kennenlernen würde, Zeit ihrer Dienerschaft bei Vesta. "Du kannst sehr stolz auf dich sein, wenn du zu einer Vestalin erwählt wirst und alle Bürger Roms werden sich mit dir freuen" sagte sie freundlich. "Denn du hast Recht, die Vestalinnen sind die wichtigsten Frauen in unserer Stadt, sogar noch wichtiger als die Kaiserin, da sie das Ewige Feuer der Vesta hüten. Solange dieses Feuer brennt wird auch Rom stehen, hast du das gewusst kleine Freundin?"

    Mist! Mit eingezogenem Kopf stoppte Iulia, schlich zurück und händigte die Schriftrolle aus. Ob die Bestrafungen eines Marcus Iulius Licinus härter ausfielen, als die einer Servilia Gemina, wenn er erst die Gedichte von Meleagros von Gadara zu lesen bekam? Soooo knapp und sie hätte es aus dem Zimmer geschafft!
    Wieso nur verfolgte sie an diesem Tag diese verdammte Schriftrolle ständig?! Einmal wo falsch hingelegt und da hatte man den Salat...


    Servilia Gemina, Witwe des Kaeso Iulius Iuvenalis


    "Dann ist ja alles geklärt." sprach Servilia Gemina und erhob sich. Auch Iulia stand auf, da offensichtlich war, dass Licinus jetzt ein wenig arbeiten wollte. Noch einmal ein Lächeln und die Aussage: "Gut Iulia Stella, dann schlage ich vor richte dich erst einmal bei uns ein, ich gehe solange unseren lieben Vetter von der frohen Kunde berichten, dass er den Anstandswauwau für uns spielen darf, da wird er sich bestimmt freuen." Dieses Mal gab sich Iulia keine Mühe ihr Amusement zu verbergen. "Wenn du soweit bist, komm einfach heute oder morgen in mein Cubiculum und gib mir Bescheid, wann du zu unserem Spaziergang aufbrechen willst. Bis dann!" Und mit diesen Worten wandte sich Iulia um, um ihrer Mutter zu folgen. Diese war schon halb zur Tür hinaus. Noch ehe Iulia jedoch drei Schritte getan haben konnte, hatte sie bemerkt, dass Servilia Gemina die Meleagros-Schriftrolle am Tisch vergessen hatte. Mit einer blitzschnellen Handbewegung schnappte sie sich Iulia und verbarg sie in den Falten ihrer Gewänder, ehe auch sie sich in Bewegung in Richtung Ausgang setzte.


    Sim-Off:

    Ok, ich freu mich. :D

    Iulia kicherte. Die Kleine war schon süß. "Nun gut, wenn du in derart starken Händen bist brauch ich mir wohl keine Sorgen machen." sagte sie der Kleinen. Sicherheitshalber noch einmal über die Schulter sehend, ob sich ja auch keine Gefahr der jungen Vestina näherte fragte sie dann: "Offenbar war nicht nur ich abgelenkt gewesen. Was hast du denn hier so fest angesehen?"

    Sim-Off:

    Wie willst du sonst mit einer fremden Kinder-ID ins Gespräch kommen, etwa mit der Frage "Willst du von mir Süßigkeiten"? :D


    Als Iulia sich wieder gefangen hatte war sie sehr erleichtert, dass auch der Kleinen nichts passiert war. Eigenartig, dass außer dem Sklaven aber sonst niemand bei ihr war. "Tut mir noch einmal Leid, dass ich so abgelenkt war. Mein Name ist Iulia Phoebe und wie heißt du kleine Freundin? Wo sind denn deine Eltern? Sie werden sich bestimmt schon Sorgen machen" sprach sie.
    Das waren unsichere Zeiten und wenn Iulia eins wusste, dann das, dass sie ihre eigenen Kinder so jung niemals alleine vor die Tür lassen würde, nur in Begleitung eines einzelnen Sklaven. War da nicht vor allzu kurzer Zeit ein Sklavenaufstand in Rom gewesen?

    Es war ein sonniger Tag in Rom und Iulia freute sich hinaus zu kommen. Doch nicht unbedingt in Form einer Sänfte und umringt von Sklaven, sie wollte Spazieren gehen. Alleine.
    So sah sie sich in der Domus Iulia um wo wer gerade zugange war. Von den Männern war nichts zu sehen. Sehr gut schon einmal.
    Nach einem Blick in Servilia Geminas Cubiculum sah sie, dass ihre Mutter gerade ein Mittagsschläfchen hielt. Perfekt. So würde ihr keiner dazwischen kommen, wenn sie gehen wollte. Mit breitem Lächeln steuerte Iulia zur Porta. Dort meldete sie Wonga, dem Türsklaven: "Ich gehe aus und komme irgendwann wieder zurück." Wonga grunzte nur und kratzte sich am Kopf. Diese Herrschaft immer nur.


    Draußen in Freiheit steuerte sie ihre Schritte rasch in Richtung Süden. Ihr gefiel es den vielen Leuten rund um sich bei ihrem Tagewerk zuzusehen. Eigentlich wollte sie nur Spazieren gehen, weshalb sie kein festes Ziel hatte. Umso überraschter blickte sie auf, als sie sich plötzlich auf dem Forum Romanum wiederfand. Dieser Platz war einfach einzigartig auf der Welt und Iulia hatte ihn vermutlich doch schon irgendwie die ganze Zeit unbewusst angesteuert. Wohin wollte man in Rom schon groß gehen, wenn nicht auf das Forum?


    So schlenderte sie also zwischen den Leuten umher und erfreute sich an der prachtvollen Architektur des Platzes. Mächtige Tempel zu Ehren der Götter standen hier Seite an Seite mit Gebäuden des Volkes wie der Curia Iulia, dem Versammlungsort des Senats, oder den Basilicae, die Markthallen der Händler und Krämer. Ob Iulia wohl in die Basilica Aemilia hineinsehen sollte für ein wenig neuen Schmuck? Sie wäre nicht weit von dieser entfernt gerade. So im Nachdenken querte sie den Platz und nahm dabei nicht wahr, dass ein kleines Mädchen direkt auf ihrem Weg stand. So rempelte Iulia sie aus Versehen ein klein wenig an, ehe sie die Kleine bemerkte. Erschreckt hob sie ihre Hände an den Mund. "Tut mir leid!" rief Iulia erschreckt und wich einen Schritt wieder zurück.


    Servilia Gemina, Witwe des Kaeso Iulius Iuvenalis


    Angesichts der jüngsten Entwicklungen hatte auch Servilia Gemina vorerst die lüsterlichen Schriftrollen ihrer Tochter vergessen. Dass Licinus ihr Iulia Stella anvertraute, um ihr alles über Haushaltsführung beizubringen freute sie sehr. Sie strahlte und antwortete nickend: "Ich werde mein bestes geben, Marcus Iulius." So furchtbar sich Servilia auch absichtlich und unabsichtlich die meiste Zeit über verhielt, so verstand sie trotzdem als Spross der altehrwürdigen gens servilia (immerhin eine der wenigen alten Familien, die ihren Stammbaum noch auf republikanische Zeiten zurückführen konnten, ein selten gewordener Luxus unter Roms Eliten) eine Menge von Anstand und guter Erziehung; zu sehen an der Erziehung ihrer eigenen Tochter. Es würde wohl ganz so werden wie damals in Misenum, als Servilia auch Iulia Phoebe in der Villa von Onkel Proximus an die Pflichten einer guten Hausfrau herangeführt hatte. Natürlich waren derartige Übungen bis zur Heirat niemals beendet, weshalb sich auch ihre Tochter keinesfalls davor drücken konnte, sondern genauso wie jetzt auch Iulia Stella immer noch mit in die Presche springen musste. Der Gedanke an die Ehe brachte Servilia einen kleinen Stich bei. Hoffentlich würde sich bald ein guter Ehemann für ihre Tochter finden!
    Zuhause in Misenum hatte es viermal nicht geklappt (4x verlobt, 4x der Versprochene vorzeitig verstorben). Wenn dem nun auch in Rom so wäre, wäre Servilia wahrlich verzweifelt und bei den Göttern... Rom wollte nicht, dass eine Servilia Gemina wahrlich verzweifelte!




    Auch Iulia hatte Misenum kurz in ihren Gedanken gehabt, jedoch nicht aus ehelichen Gründen, wie ihre Mutter. Diese Iulia Stella, wie sie sie nur ansah. Nach außen hin eine emotionslose, allem ergebene Maske, wie sie aristrokratischen Mädchen schon von klein auf eingetrichtert wurde, doch der traurige Zug ihrer Augen verrieten ihre wahren Gefühle. Dieses Mädchen kam aus der Provinz und fühlte sich fremd und unsicher in Rom, genauso wie es Iulia selbst nach ihrem Auszug aus Misenum ergangen war und auch heute noch teilweise erging. Sie hatte immer noch keine wirklichen Freunde hier, außer einer näheren Bekanntschaft mit einer Claudia und abgesehen davon verließ sie so gut wie nie das Haus und pflegte wenn überhaupt nur gleichaltrige Kontakte in Form ihres Vetters Gaius Iulius Caesoninus.
    Sie beide gemeinsam hatten wohl noch geistig in Rom anzukommen und sich an die hier vorherrschenden Gepflogenheiten anzupassen. Gewiss, Iulia war eine Art Aristrokratin, stammte sie doch in direkter Linie vom iulischen Ritter Tiberius Iulius Numerianuns ab.
    Doch die adeligen Mädchen aus Rom verhielten sich eben vollkommen anders, wie sie in den Thermen erst kürzlich miterleben hatte müssen.
    Das Landleben prägte einen, es machte einen... nunja bodenständiger und dafür war Iulia dankbar. Niemals wollte sie so ein oberflächliches, kicherndes Gör aus gutem Hause sein, wie sie sie hier inzwischen zuhauf beobachtet hatte. Auch wenn ihre Mutter streng war, so bewahrte sie als Servilierin trotzdem immer noch die alten Standesideale dieser republikanischen Familie in sich, die sie an Iulia weitergegeben hatte. Onkel Proximus und das einfache Leben in seiner Landvilla hatten bestimmt ihr übriges hinzugegeben.


    Sie lächelte Iulia Stella deshalb aufmunternd zu. Es würde schon alles gut für sie werden, wenn sie sich nur erst an den Lärm und die Leute in Rom gewöhnt hatte. Stella würde sich rasch zurrechtfinden, da war sich Iulia sicher. Als Licinus ihr auftrug, sie solle die Neue mit den regulären Lieferanten und Dienstleistern des Hauses bekanntmachen nickte auch sie wie schon zuvor Servilia und antwortete: "Wir werden keinen einzigen auslassen. Nicht bald und Iulia Stella wird selbst den unbedeutendsten Barbier der Gegend persönlich kennen." Vielleicht würde es auch ihr selbst guttun, außer Caesoninus auch einmal eine weibliche Gleichaltrige als Begleiterin bei Ausgängen zu haben. Apropo Caesoninus, wieso sollte eigentlich nur sie alleine aufgrund von Iulia Stellas Ankunft hier festsitzen? Ihrem Vetter würde ein wenig Familienpflichtprogramm bestimmt nicht schaden! Mit einer eleganten Kopfbewegung wandte sie sich deshalb an Licinus und fragte: "Jetzt wo Iulia Stella meine Mutter und mich kennengelernt hat, sollte nicht auch Gaius Iulius zu uns stoßen und sie ebenfalls begrüßen? Wenn, dann sollte sie gleich die ganze Familie in einem kennenlernen und es würde von allen in Rom anwesenden Iulii ja nur noch er fehlen."
    Selbstverständlich trug Iulia bei diesem kleinen Seitenhieb auf ihren Vetter ihre übliche aristrokratische Maske zur Schau, weshalb Licinus nichts besonderes an ihrem Gesichtsausdruck finden würde. Die anwesenden Frauen jedoch, die diese Maske ebenfalls beherrschten, würden aber ein triumphierendes Glimmern in ihren Augen erkennen, wenn sie sie ansehen würden.

    Iulia sandte ein Dankgebet hinauf zu den Göttern. Diese wunderbare andere junge Iulia hatten ihr nur die Unsterblichen schicken können!
    Die beiden Damen fügten sich und ließen sich nun ebenfalls bei den beiden anderen nieder. Als Iulia Stella ihre Geschichte erzählte, blickte sie einmal verstohlen zu ihrer Mutter. Servilia Geminas Blick ruhte auf der Neuen und sie lauschte ihren Worten sehr aufmerksam. Wage Hoffnung machte sich in ihr breit, dass sie aus der Schriftrollen-Affäre wohl doch jetzt halbwegs unbeschadet hinaus käme. Höchstens einen Rüffel würde sie noch erhalten, mehr aber vorraussichtlich nicht mehr. Ihre Mutter war wie ein Vulkan. Wenn sie aus einem aktuellen Anlass ausbrach, dann mit aller Gewalt und Macht die diesen Feuerbergen innewohnte. Doch waren ihre Schlote erst einmal versiegt und das Magma erstarrt, dann blieb sie gewöhnlich ruhig(er), falls so ein Thema später einmal nochmal angesprochen werden musste. Alleine jetzt schon mochte Iulia die Neue, weil sie ihr durch ihre bloße Anwesenheit zumindest einen einzigen Ausbruch ihrer Mutter erspart hatte, den Iulia ansonsten voll abbekommen hätte.


    Auch Iulia hatte Iulia Stella aufmerksam zugehört. Es war eine ganz interessante Geschichte ihrer selbst. Die gefallenen Namen waren spurlos an ihr vorrübergezogen, sie kannte sowieso keinen von ihnen. Servilie Gemina machte jedoch bei einem Namen große Augen.



    Servilia Gemina, Witwe des Kaeso Iulius Iuvenalis


    Als Iulia Stella geendet hatte lachte sie kurz auf und sprach: "Wie klein die Welt doch ist. Von meinem verstorbenen Mann, Kaeso Iulius Iuvenalis, hieß einer seiner beiden Brüder auch Tiberius Iulius Antoninus. Beidesamt Söhne des großen und edlen iulischen Ritters Tiberius Iulius Numerianuns."


    Iulia fiel auf, dass ihre Mutter von ihrem verstorbenen Mann ausnahmsweise einmal nicht schlecht geredet hatte. Vermutlich von dem Umstand hergehend, dass sie für diesen Tag auch so schon genug Minuspunkte bei der iulischen Männlichkeit angesammelt hatte. Wahrlich ein Tag voller Wunder.

    Das war es also mit ihren wunderbaren Fluchtplänen. Abgefangen war sie geworden, sie arme Maus und das von einem besonders alten und brummigen Kater, der auf den Namen Marcus Iulius Licinus hörte. Jetzt wo sie so urplötzlich in dieses Gespräch geplatzt war, wäre es mehr als vermessen gewesen, wenn sie trotzdem einfach weiter zur Tür gelaufen wäre, ohne entsprechende Erlaubnis des Iuliers. Doch hinter sich polterte bereits ihre Mutter in den Raum. Das würde Ärger geben. So oder so. Iulia biss sich auf die Lippe und blickte verzweifelt einmal zu ihrer Mutter und dann sehnsuchtsvoll zur Porta der Domus Iulia, doch sie wusste, dass sie bereits verloren hatte. Wenigstens hatte die Anwesenheit des männlichen Iuliers auch etwas gutes an sich. Ihre Mutter würde ihre Wut jetzt wohl oder übel hinunterschlucken müssen und so entging sie wenigstens einem stundenlangen Gebrüll. Trotzdem war es noch nicht überstanden.


    Als Servilia den Raum mit der Eleganz einer Bombe betrat erstarrte auch sie kurz, als sie Iulius Licinus erblickte. Dieser hatte Besuch von einem hübschen jungen Ding wie sie feststellte, offenbar hatten sie und ihre Tochter ihr trautes Beisammensein gestört. Servilia war derart baff von dieser unerwarteten Wende der Verfolgung ihrer Tochter, dass sie ihr Gekeife völlig vergaß. Nun durften sich die beiden Tadel vom alten iulischen Haudegen anhören, was Servilia zumindest ein kleines Fünkchen ihres Temperaments zurückgab. Sie schnaufte noch einmal tief durch und versuchte dann möglichst beherrscht und ruhig zu sprechen, was ihr in diesem Moment alles andere als leicht fiel.



    Servilia Gemina, Witwe des Kaeso Iulius Iuvenalis


    "Verzeihe, Marcus Iulius, falls ich dich gestört haben sollte, doch du kannst dir nicht vorstellen womit ich unsere liebe Iulia hier gerade erwischt habe." Bedeutungsvoll wedelte sie kurz mit der Meleagros-Schriftrolle, doch im Angesicht von Licinus' Gast hielt sie es für angebrachter nicht zu erwähnen welchen Inhalt dieses Skandalstück enthielt. "Ich entschuldige mein Verhalten noch einmal und verspreche dir Tochter, dass das ernste Konsequenzen haben wird." sagte sie bereits ruhiger, jedoch mit einem Seitenblick auf ihre Tochter der töten konnte. Iulia zog noch weiter ihren Kopf ein und lief dunkelrot an. Sie wollte nichts als weg.


    Als Licinus dann Iulia Stella ihnen vorstellte, horchten Mutter wie Tochter auf. Noch eine Iulia! Servilias erster Gedanke war, dass sie hübsch sein mochte und Iulia fasste einen klammen Hoffnungsschimmer, dass sie in ihr vielleicht eine gute Freundin finden könnte.


    Als die Stimmung wieder annähernd auf Normalzustand abgeklungen war fragte Servilia Gemina: "Marcus Iulius, erlaubst du, dass ich mich mit meiner Tochter wieder zurückziehe?" Iulia schloss kurz die Augen. Bitte dachte sie, bitte sag Nein.

    Iulia war aufs höchste von den Versen des Dichters Meleagros von Gadara verzückt. Gerade las sie wieder eines seiner wollüstigen, erotischen Gedichte. Welch Empfindungen sie dabei immer durchströmten! Iulia konnte nicht benennen, was sie genau empfand, oder wozu diese Empfindungen da waren, doch für sie stand fest, dass sie sie wieder und wieder verspüren wollte. Ihr gefiel das Kribbeln, das sie hinter ihrer Stirn spürte, wenn sie von großen muskulösen Männern las, oder die kühlen Schauer in ihrem Nacken, wenn davon die Rede war, dass sich eine Frau ganz den fleißigen Fingern ihres Liebhabers hingab.


    Tief versunken las sie auf ihrem Bett in ihrem Cubiculum. In letzter Zeit war so viel passiert. Wann hatte sie Meleagros das letze mal gelesen? Es musste wohl noch zuhause bei Onkel Proximus in Misenum gewesen sein. Da plötzlich knallte die Tür auf und einem Wirbelwind gleich stürmte Servilia Gemina, Iulias Mutter, herein, in Händen eine Käseplatte mit Walnüssen und frischen Weintrauben haltend.



    Servilia Gemina, Witwe des Kaeso Iulius Iuvenalis


    "Hallöööööchen, kleiner Sperling, ich bringe dir was feines!" flötete sie. Ertappt schrak Iulia hoch und ließ die Papyrusrolle zu Boden fallen. Ihre Mutter blieb im Raum stehen und betrachtete verwirrt ihre Tochter und ihren schuldbewussten Gesichtsausdruck. "Ach, was hast du denn? Naja sieh her, ich hab eine leckere Kleinigkeit für dich in der Küche herrichten lassen." Sagte sie und stellte mit Schwung die Käseplatte am Bett ihrer Tochter ab. "Danke, Nana." murmelte Iulia mit eingezogenem Kopf. "Aber gerne doch, Liebes." sprach Servilia mit einem liebevollen Blick auf ihre Tochter. Der zweite fiel auf die am Boden liegende Schriftrolle. "Oh, sieh nur Kind, dein Papyrus ist dir vorhin zu Boden gefallen. Was liest du denn da schönes? Lass einmal sehen." Iulias Augen weiteten sich vor Schreck, als sie realisierte, dass ihre Mutter nach der Schriftrolle griff. "Nicht!" rief sie und wollte noch die Hand ausstrecken, um vor ihr die Rolle zu schnappen und in Sicherheit zu bringen, doch zu spät. Servilia Gemina war schneller gewesen und entrollte das Papyrus, um zu sehen, welch ehrwürdigem Dichter ihre Tochter heute ihre Zeit schenkte. War es wohl Aristoteles, oder gar Cicero?


    Doch die Miene der Mutter verfinsterte sich schlagartig, als sie erkannte, von welchen bedeckten und unbedeckten Körperteilen sie da gerade las und was Mann und Frau zwischen den Zeilen dieser Rolle nicht alles miteinander trieben. "WAS IST DAS TOCHTER, BIST DU NOCH GANZ BEI TROST?!" begann sie loszubrüllen. Iulia, die sich beim Lesen stets genau vor diesem Tag gefürchtet hatte sprang auf und begab sich auf Sicherheitsabstand zu ihrer Mutter. "Aber Nana..." "KEIN ABER!" unterbrach Servilia Gemina sie schnaubend wie ein Stier. Sie begann schimpfend und keifend auf ihre Tochter zuzugehen, dabei immer wild mit der Schriftrolle in der Hand herumfuchtelnd, als Iulia beschloss, dass es wohl zu ihrem Besten war die Flucht zu ergreifen. Schnell wandte sie sich um und lief zur Tür. "BLEIB WO DU BIST TOCHTER! WIR BEIDE HABEN EIN PAAR WÖRTCHEN MITEINANDER ZU BEREDEN!" rief ihr Servilia dunkelrot im Gesicht hinterher. Doch schon war Iulia zur Tür hinaus. Sie würde einfach hinaus auf die Straßen laufen und dann warten und erst wiederkommen, wenn der schlimmste Zorn ihrer Mutter verraucht war.


    Eilig lief sie durch die Räume des iulischen Anwesens, ihre Mutter etwas entfernt im Schlepptau. "Komm her! *Keuch* Warte auf mich!" rief sie ihr schnaufend hinterher, doch Iulia dachte nicht daran ihr diesen Wunsch zu erfüllen und sich danach ein stundenlanges Gebrüll darüber anzuhören, von wegen sie sei noch zu jung für derartige Texte und was sie sich dabei überhaupt gedacht hätte usw. usw. bla bla wie strenge aufbrausende Mütter eben bei solchen Themen immer waren...
    Schon die Porta hinaus in die Freiheit vor Augen lief Iulia gehetzt ins Tablinum und bemerkte dabei Marcus Iulius Licinus und eine fremde junge Frau bei sich. Überrascht blieb sie stehen. "Oh." gab sie nur von sich. Wer das wohl war?

    Iulia starrte Claudia Silana immer noch mit Kuhaugen an. Sie war sich die ganze Zeit nicht sicher gewesen, wen sie da vor sich hatte, doch als die fremde Frau sich ihr genähert und sie angesprochen hatte, fiel es ihr wie Schuppen aus den Haaren. "Moment, jetzt weiß ich wieder woher ich dich kenne! Du, du bist doch dieses nette Mädchen von der Tiberbrücke gewesen, die vor meinem Vetter so tapfer für diese alte Frau eingestanden ist! Wow!"


    Auch wenn Iulia jetzt wieder völlig im Bilde war, so war sie doch ein wenig verdattert. Wieso war sie hier? Die Thermen waren zwar gratis, doch musste die Frau unter Tage nicht für ihren Unterhalt arbeiten? Und wer waren diese Mädchen gewesen, die sie da vorher begleitet hatten? Ihrem Aussehen und ihrem Benehmen nach waren sie allesamt Angehörige der Oberschicht gewesen. Doch was hatten sie dann nur mit dieser neuen Bekannten Iulias zu schaffen? "Diese Mädchen von vorher, waren sie grob zu dir?" fragte Iulia im Affekt. Sie hatte zwar nicht gewusst wer dort aller vorher dabei gewesen war, aber was sie wusste war, dass junge Frauen aus gutem Hause arrogant, herablassend, grob und einfach nur miese, miese Biester sein konnten. Vielleicht benötigte sie ja Hilfe?

    Nach dieser ausgesprochen unhöflichen und aufdringlichen Ruhestörung badete Iulia wieder in aller Ruhe für sich allein zwischen all den anderen weiblichen Badegästen. Entspannt lehnte sie am Beckenrand und hatte die Augen geschlossen. Angenehm war das heiße Wasser und etwas Dampf waberte um ihren Kopf. So ließ es sich leben. Während Iulia so vor sich hindöste, fragte sie sich, wie es wohl drüben bei den Männern gerade so sein mochte. Schade, dass Geschlechtertrennung in römischen Bädern herrschte.


    Beim Gedanken an badende Männer ertappte Iulia sich dabei, wie ihre Gedanken ein klein wenig mehr ins unzüchtige abrutschten. Wie wohl all diese Männer untenrum aussehen mochten, wenn sie ins Bad stiegen? Ein ganzes Becken voller nackter Männer und sie Iulia mitten unter ihnen. Hmm das wäre schön. Wenn Servilia Gemina, Iulias Mutter, jetzt wüsste, welche Gedanken da durch den Kopf ihrer Tochter flatterten, sie wäre bestimmt aufs höchste nun... "ungehalten". Doch sei's wie's ist, Iulia war jung und erlaubte sich derlei Gedanken. Über Dinge wie Treue musste sie ja noch nicht nachdenken bei der Tatsache, dass jeder ihrer bisherigen Versprochenen das Zeitliche gesegnet hatte. Überaus ärgerlich, doch jetzt im Moment störte sie sich nicht besonders daran. Einen Freier konnte man sich auch noch morgen besorgen. Ein Gang über das Forum Romanum mochte schon genügen und ein junger Politikerhengst mochte sich Hals über Kopf in sie verlieben.


    So ihren Gedanken nachhängend lag sie also im warmen Wasser, als eine Gruppe neuer Mädchen das Bad stürmte. Zunächst schenkte Iulia ihnen keine Beachtung. Nach einer Weile wurde es ihr aber doch zu laut. Sie öffnete die Augen und erhob sich etwas. Um das Becken zu wechseln, oder sich bloß nur gerader wieder hinzuplatzieren, das konkret zu entscheiden war Iulia nicht mehr möglich. Das Gesicht einer der Mädchen hatte sie gebannt. Keine Ahnung woher, doch sie kannte dieses Gesicht von wo? Nur wo? "Wo" als Ortsangabe war gut, da konnte sie gleich Orte wie "Mond" oder "Olymp" einsetzen....
    Hmm, doch es musste erst kürzlich gewesen sein. Nur woher bei allen Göttern?! Ganz vergessen was sie da tat fixierte sie nachdenklich dieses Mädchen, verzweifelt ihr Hirn zermatternd, warum sie ihr so verdammt bekannt vorkam.