Servilia Gemina, Witwe des Kaeso Iulius Iuvenalis
"Gäste?! Besprechung?!" Servilia traf fast der Schlag, als sie Iulius Dives' Zeilen gelesen hatte. "Iulia! Dein Cousin setzt uns auf die Straße! Dieser familienuntaugliche Nichtsnutz will uns nicht in seinem Domus haben! Oooh wenn DAS der Familiensinn der Iulier ist, dann bin ich froh, dass ich mit keinem dieser Sippe mehr verheiratet bin! Was erlaubt sich dieser Kerl überhaupt, sich so rücksichtslos über uns hinwegzusetzen! Schande! Schande über ihn! Kein Wunder aber auch, was will man schon von Leuten erwarten, die von lumpigen ZWIEBELBAUERN aus der Fremde abstammen! Nicht zu fassen! Keiner dieser Bande verdient es einen so altehrwürdigen, römischen Namen zu tragen! Oh ihr Götter! Blicket auf diese EMPORKÖMMLINGE und belegt sie mit allen euren Flüchen! An die Luft gesetzt! Von der eigenen Familie! Unfassbar! Aus Misenum vertrieben, in Rom geschmäht..."
"Nana?"
"...und dann erst ihre Haltung in der Öffentlichkeit! Als ob sie vom göttlichen Divus Iulius persönlich abstammen würden! Wo doch jeder weiß..."
"Nana..."
"...und erst dieser Dives! Oh welchen Groll er nur geweckt hat, dieser Sohn stinkender, griechischer Bauern wird sich noch wünschen, dass..."
"MUTTER!!!!"
Erst, als Iulia Phoebe sie "Mutter" nannte, hörte Servilia auf, sich in einen ununterbrochenen Schwall von Beschimpfungen über die gens iulia zu ergehen, sondern blickte stattdessen verwirrt ihre Tochter an. Es waren schon außergewöhnliche Umstände nötig, dass Iulia sie "Mutter" und nicht "Nana" nannte. Servilia holte tief Atem, während Iulia auf sie einredete: "Nana, bitte beruhige dich, es ist noch nichts entschieden, wir..."
"Nichts entschieden? Nichts ENTSCHIEDEN?! Natürlich! Dein Cousin hat nicht umsonst..."
"Mutter! Du tust es schon wieder! Mäßige dich, immerhin sind wir immer noch in Onkel Proximus' Haus. Was tust du, wenn er selbst, oder einer der Sklaven dich gehört hat und das an Marcus Iulius weitergibt? Dann werden wir bestimmt kein Obdach in Roma mehr haben. Am besten, wir mäßigen uns." "Aber..." Iulia schüttelte energisch den Kopf. "Nein Nana, wir bleiben ruhig und besuchen Marcus Iulius erst einmal in Rom. Mal sehen, was dort auf uns zukommt. Dann erst werden wir wissen, wie es weitergeht."
Dies war eine Ausnahmesituation. Beide Frauen, ob des Drucks und der aktuellen Geschehnisse, die auf sie einstürzten, benahmen sich ganz und gar unrömisch. Servilia, die Ältere, keifte und zeterte, wie sich das für eine Frau aus gutem Hause so überhaupt nicht gehörte und Iulia, die Jüngere, zeigte eine Entschlossenheit und strategisches Denken (immerhin belehrte sie damit ihre eigene Mutter), die Frauen besser den Männern überlassen sollten, während sie sich still und vorbehaltlos hinter ihren Ehemann oder Vater zu stellen hatten. Doch in diesem Moment kümmerte es keiner der Frauen, was das römische Ideal der Weiblichkeit war. Servilia schimpfte ungehalten und ihre Tochter versuchte sie zu beruhigen und gut auf sie einzureden.
Die Redekunst der Phoebe gewann schließlich die Oberhand. Servilia Gemina stimmte zu nach Rom zu reisen und die Verwandschaft ihrer Tochter zu besuchen. Was dort jedoch dann geschehen würde, wussten nur die Götter.
So kam es schließlich, dass Servilia Gemina und Iulia Phoebe, zusammen mit der griechischen Sklavin Callista, die Villa Iulia apud Misenum verließen, in Richtung Rom. Ungewiss war ihre Zukunft und ein weiterer Zustand mochte diese Zukunft noch ungewisser gestalten -ob ja oder nein, wieder hatten nur die Götter darauf eine Antwort- denn Servilia Gemina war bei ihrem Auftritt als Furie durchaus gehört worden.