Beiträge von Publius Gavius Balbus

    Der Schiedsrichter hielt Astivus mit seinem Stab zurück bis Hiltbert sich gefangen hatte. Dies sollte ja kein kurzer Kampf mit einem schnellen Ende werden. Bato und Pugnax wollten schließlich erkennen können, ob es sich lohnte den Chauken auszubilden.


    Hiltbert rückte seinen Helm zurecht, er schien nicht optimal sehen zu können. Dann nickte er. Die nächste Runde begann. Man belauerte sich erneut. Einige Vorstöße mit dem Schild endeten im Krachen der hölzernen Körperwehr gegeneinander. Dann schnellte plötzlich Hiltberts Holzschwert hinter dem Schild hervor und traf Astivus am Oberarm nahe der Schulter, dort wo er nicht mehr von der Manica bedeckt war. Astivus fluchte, kam aber nicht aus dem Takt. Im Gegenteil: mit wütendem Anstrum drängte er den Gegner mit krachendem Schild vor sich her. Ein oder zweimal zuckte die Klinge über dem Schild hervor, doch traf er nicht. Schwer atmend zog sich Astivus in die Grundstellung zurück.


    Beide Kämpfer belauerten sich wieder. Balbus betrachtete die Muskeln des Chauken, taxierte seine Geschicklichkeit. Er suchte nach erkennbaren Zeichen einer Erkrankung oder früheren Verletzung. Es folgte ein weiterer Ausfall des Hiltbert. Während die Schilde erneut mit donnerndem Krachen aufeinander prallten, beugte er sich zu Kaeso.
    "Wenn du mich fragst, wird er einen guten Gladiator abgeben. Er ist noch unerfahren, ihm fehlt es an Technik und Taktik, aber das wird er lernen. Seine körperlichen Voraussetzungen sind gut."
    Die Männer trennten sich wieder, kreisten sich gegenseitig belauernd umeinenander. Dann machte Hiltbert einen Sprung nach vorne. Wie ein wildgewordenes Raubtier sprang er aus dem Vorwärtsschritt hoch und versuchte, während sein Rechteckschild den des Gegners traf von oben sein Schwert hinter der Deckung des Astivus ins Ziel zu bringen. Doch der ausgebuffte Gladiator entzog sich mit einer drehenden Bewegung. Beim Aufkommen verlor Hiltbert das Gleichgewicht, er fing sich zwar, doch war in diesem Moment Astivus schon hinter ihm und stieß ihn mit dem Schild um. Das Publikum johlte.
    Balbus riss erfreut die Augen auf. Er schleuderte seine Faust in die Luft. "Jugula! Stich ihn ab!" schrie er.


    Astivus Knie senkte sich auf den Rücken des gestürzten Kontrahenten. Er erhob drohend das Schwert. Hiltbert der hilflos zum Teil auf seinem Schild lag, ließ das Holzschwert fallen und hob den Arm in der Geste der Unterwerfung.
    Bato, dem die Entscheidung über den Ausgang des Kampfes oblag, winkte ab. "Mitte! Lass ab, Astivus!"

    Der Lanista Bato und sein Campidoctor Pugnax zogen sich auf die Ehrentribüne des kleinen, hölzernen Runds zurück. Einer der älteren und erfahrenen Gladiatioren des Ludus fungierte als summa rudis, als Schiedsrichter. Den langen Stab in der Hand führte er die Kämpfer auf den nachgiebigen Boden der Arena. Bei offiziellen Kämpfen gab es zwei Schiedsrichter, hier bei der Sichtung des Chauken würde einer ausreichend sein. Es ging schließlich bei diesem Kampf nicht um Leben und Tod, sondern einzig darum, ob sich Hiltbert als Gladiator eignete.


    Als Bato das Zeichen gab, dass der Kampf beginnen möge, hielt der summa rudis den Stab zwischen beide Kämpfer bis er sicher war, dass beide Provocatores ihre Postionen eingenommen hatten. Dann gab er den Kampf frei indem er begleitet von einem Pfiff auf seiner Pfeife das Signaltuch fallen ließ.


    Hiltbert und Astivus belauerten einander. Der erfahrenere Astivus begann seitwärts zu tänzeln. Den linken Fuß und die linke Schulter vorgeschoben. Hiltbert versuchte es ihm gleichzutun. Urplötzlich machte der Chauke einige schnelle Schritte vorwärts und stieß den mittelgroßen Rechteckschild vor. Beide Schilde krachten aneinander und in diesem lärmenden Vorstoß versuchte der Neuling einen Stich mit dem Schwert zu platzieren. Astivus drehte sich geschickt so, dass der Schwertstoß auf dem mit der Manica gepolsterten Schwertarm landete. Schnell zogen sich beide Kämpfer zurück in ihre Ausgangsposition.
    Es dauerte eine Weile bis Hiltbert einen neuen Ausfall versuchte. Diesen wehrte Astivus mit dem Schwert ab. Dann geschah eine Weile nichts. Den nächsten Ausfall begann der erfahrene Provocator. Wieder krachten die Schilde, der Stoß des Astivus traf Hiltbert in die ungeschütze Seite. Eine scharfe Waffe hätte ihn schwer verletzt oder sogar den Tod bedeutet. Die hölzerne Waffe würde ein tiefsitzendes Hämatom und eine Prellung verursachen. Hiltbert stöhnte auf und stolperte rückwärts. Astivus setzte ihm nach. Das Publikum raunte zufrieden, Bato diskutierte mit Pugnax.


    Balbus wandte sich seinem Gehilfen zu.
    "Siehst du? Dieser Astivus ist eine harte Nuss. Für einen Neuling wie Hiltbert ist das eine harte Prüfung. Wir wollen mal sehen, ob wir nicht gleich noch was zu tun bekommen."
    Er grinste und entblößte seine abgebrochenen Schneidezähne.

    An der hölzernen Arena innerhalb des Ludus, die den Übungskämpfen diente hatten sich bereits einige Schaulustige eingefunden. Schnell hatte sich das Gerücht verbreitet, dass es heute was zu sehen gab. Der Lanista Bato stand dort und suchte gemeinsam mit "dem Schinder" Pugnax eine passende Beinschiene, einen rechteckigen Schild und einen Helm heraus. Dazu legten sie ein Pectorale, eine halbmondförmige Brustplatte und ein hölzernes Gladius.


    Als der rothaarige Chauke erschien klopfte ihm Bato aufmunternd auf die Schulter.
    "Ich bin schon sehr gespannt, Hiltbert. Zeig was du kannst!"


    Hiltbert nickte wortkarg und begann sich die Beinschiene umzuschnallen. Pugnax legte dem Mann im Lendenschurz das Pectorale um. Der Helm musste erst mit einem Filz unterfüttert werden bis er richtig saß. Dann nickte Pugnax zufrieden.
    "Ich denke, Hiltpert ist bereit. Wie sieht es mit Astivus aus?"


    Nicht weit entfernt machte sich ein kräftiger junger Mann mit dunklem Haar kampfbereit. Sein Blick strotzte vor Selbstbewusstsein.
    Bato nickte. "Alle bereit. Es kann losgehen!"


    Sim-Off:

    An alle Bürger Mogontiacums und an alles die Lust haben: seht zu wie sich im Ludus ein Freiwilliger gegen einen geübten Gladiator schlägt. Die Öffentlichkeit ist zugelassen!

    Balbus grinste. Mehr als Gassenwissen hatte Kaeso also nicht wenn es um die Gladiatur ging. Nun denn, wie er selbst schon sagte, das würde er hier lernen. Und heute ging es los.
    "Nun, um Retiarius zu werden, hat er noch einen weiten Weg vor sich. Zunächst beginnen die Gladiatoren als Provocator. Das ist am leichtesten zu erlernen. Den heutigen Schaukampf wird er auch als Provocator bestreiten. Von der Bewaffnung und der Kampftechnik liegt der Provovator zwischen den Groß- und Kleinschildnern. So kann man gut beobachten ob er sich zum schweren oder leichten Kämpfer eignet. Aber schon jetzt ahne ich, dass er eher ein "Leichter" sein wird. Wenn er Talent hat wird er bald aufsteigen in der Hierarchie der Gladiatoren."


    Eine Weile lang musterte der Chirurgicus die Bewegungen des Rothaarigen. Dann schweifte sein Blick über die Badegäste. Heftige Diskussionen waren im Gange, ob der Freiwillige ein guter Gladiator sein würde. Sogar erste Wetten auf den später folgenden Schaukampf wurden abgeschlossen. Balbus grinste wieder.
    "Hörst du sie? Sie wollen ihn alle in der Arena sehen. Bato wird ihn nehmen, denke ich. Aber er muss gut verhandeln. Dafür bin auch ich wichtig. Meine Einschätzung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Mannes bestimmt den Preis ebenso wie seine Leistung auf dem Kampfplatz. Was nützt dir ein toller Kämpfer, der die Schwindsucht hat oder die Göttliche Krankheit? Er sieht aber nicht so aus, als wenn er schwach auf der Brust wäre. Die Untersuchung findet nach dem Schaukampf statt. Lass uns zum Ludus rübergehen. Dort wird er gleich eingekleidet. Gekämpft wird heute nur mit Holzschwertern. Schließlich geht es nur darum seine Eignung abzuschätzen. Komm, Kaeso!"


    Sim-Off:

    Badegäste sind herzlich eingeladen, den Schaukampf zu verfolgen. ;)

    Zitat

    Original von Kaeso. Hierzu habe ich keine Frage mehr, doch vielleicht könntest du mir unterwegs sagen, was Bato meinte als er dich fragte, hast du ihm erzählt warum du einen neuen Gehilfen brauchst? Demnach hattest du vorher einen Gehilfen, was war oder ist mit ihm?“


    Die Frage war Balbus sichtlich unangenehm und es dauerte eine Weile bis er sie beantwortete.
    "Ich hatte einen Gehilfen. Matto. Ein grober Klotz, dumm und brutal, aber er war sich nicht zu schade für diese blutige Arbeit. Naja, er war dem Wein zugeneigt, wenn du verstehst was ich meine..."
    Balbus vermied es zu sagen, dass er seinem Gehilfen im Weingenuss kaum nachgestanden hatte.
    "... wie auch immer im Suff sind wir in Streit geraten. Das hier ist sein Werk.."
    Der Chirurgicus zeigte auf die zwei abgebrochenen Schneidezähne. "... im Gegenzug habe ich ihm auch ordentlich eingeschenkt." Wieder erzählte er nur die Hälfte. Denn Balbus hatte seinem besoffenen Gehilfen eine Sonde tief in den Unterleib gerammt. Schließlich war es um die Gunst einer der Lupae gegangen, die in dieser Nacht mit den Gladiatoren feierte.
    "Am Ende musste ich ihn zusammenflicken", gab der hagere Chirurgicus zu. "Er hat dann den Ludus verlassen und seither bin ich wieder ohne Gehilfen gewesen."


    Inzwischen hatten sie den Ludus durchquert. Die Palaestra lag zwischen dem Ludus, der Therme und der Arena. Sie war sowohl für die Gladiatoren als auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Badegäste ertüchtigten sich hier mit gymnastischen Übungen, Ballspiel oder Ringkampf. Die Kämpfer des Ludus ebenfalls.
    In einer Ecke hatte sich ein kleiner Pulk gebildet. Balbus war froh endlich das Thema wechseln zu können. "Da! Das wird er sein. Vermutlich macht er sich warm und versucht schon einmal die Badegäste zu beeindrucken."


    Sie drängten sich durch die Menschenmenge. Auf dem Sandplatz schwang ein schmaler doch gut gebauter Rothaariger die Hanteln. Der Mann wr groß und hatte einen wilden Bart. Er entsprach dem Klische eines Barbaren. Mit einem Blick erkannte Balbus, dass dieser Mann eher für die Armatura eines Thraex oder Hoplomachus und letztendlich zum Retiarius taugte. Mit Kennermiene taxierte der Chirurgicus die Bewegungen, suchte die nackte Haut nach Narben oder Anomalien ab. Dann drehte er sich zu Kaeso um.
    "Na, was sagst du? Taugt er was?"

    Zitat

    Original von Kaeso


    Balbus seufzte. Also noch nichtmal Verbände wickeln konnte der neue Gehilfe. Nun denn. Der Chirurgicus nahm das frische Verbandszeug und legte los. Zunächst fixierte er mit zwei 8er-Touren das Stück Stoff, das auf der Wunde lag. Dann wickelte er noch einige Runden so kunstvoll, dass die Verbandbahnen exakt nebeneinander lagen. Das Handgelenk war fest bandagiert.


    "So", sagte Balbus. "noch Fragen? Wenn nicht, sollten wir zur Palaestra gehen. Dort wird sich der Chauke vorbereiten, der sein Leben dem Ludus verpfänden will."

    An diesem Morgen versogten Balbus und Kaeso die eitrige Wunde des Gladiators Hilarus. Der Abszess hatte sich nicht erneut gefüllt, wenn auch die Wundränder noch schmierig und gerötet waren. Balbus fluchte leise, säuberte die Wunde erneut mit Essigwasser und trug dann eine stark riechende, grünliche Salbe auf. Dann sah er Kaeso herausfordernd an.
    "Kannst du Verbände wickeln? Also ich meine so richtig, nicht einfach so rumtüddeln sondern so, dass es auch den ganzen Tag hält?"

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    Laenius Bato, der Lanista war nicht allein. Neben ihm saß ein bereits in die Jahre gekommener Muskelberg, dem man deutlich ansehen konnte, dass auch er ein Gladiator gewesen war.


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    Balbus trat näher und grüßte mit einem saloppen Winken. "Salvete, entschuldigt bitte. Ich wusste nicht dass ihr eine Besprechung habt. Stören wir?"


    Bato schüttelte den Kopf. "Schon recht, Balbus. Was willst du? Und was bringst du uns da für einen Hänfling?"


    Der Muskelberg guckte ein wenig dümmlich, sagte aber nichts. Balbus entschloss sich, Kaeso gleich beiden vorzustellen.
    "Das hier ist Kaeso. Er ist mein neuer Gehilfe. Bislang ist er der Kräuterfrau Susina Alpina zur Hand gegangen. Er hat also schon einige Kenntnisse über Heilpflanzen erworben. Das kann uns hilfreich sein."
    Zu Kaeso gewandt vollendete Balbus die Vorstellungsrunde. "Kaeso, das ist der Lanista des Ludus, Laenius Bato, und der Mann bei ihm ist Pugnax, der Doctor, also der Campidoctor, beim Exercitus würde man Exerziermeister sagen. Wir nennen ihn nur "den Schinder"."
    Der Chirurgicus grinste breit und auch der alternde Muskelberg verzog ein wenig das brutal wirkende Gesicht.


    Batos abschätziger Blick ging an Kaeso hinunter und wieder hinauf. "So so, einen neuen Gehilfen hast du... hast du ihm erzählt warum du einen neuen Gehilfen brauchst?"


    Balbus winkte ab. "Lass mal die ollen Kamellen, Bato. Kaeso wird sich sicherlich gut machen hier im Ludus."


    Der Lanista grinste wieder und zwinkerte Kaeso zu. "Na, dann bin ich mal gespannt!" Er wandte sich wieder Balbus zu. "Morgen sehe ich mir mit Pugnax einen aussichtsreichen Freiwilligen an. Er könnte als leichter Kämpfer eingesetzt werden. Ich erwarte dich zur 6. Stunde auf dem Kampfplatz, dann kannst du ihn auf seine Eignung untersuchen. Ich will mein Geld nicht in ein Wrack investieren. Er sollte schon einige Kämpfe überstehen können."

    Balbus lachte laut auf. "Du und ein Training mit den Gladiatoren? Du Handtuch? Mach dich nicht lächerlich! Sie werden dir noch früh genug eine Abreibung verpassen, dass dir Hören und Sehen vergeht. Das machen sie mit jedem Neuling, wenn er mal frech wird... "


    Balbus zuckte die Achseln. "Es steht dir frei selbst zu entscheiden wie du deine Freizeit verbringst. Deiner Statur nach kannst du ohnehin nur ein leichter Kämpfer, also ein Traex oder ein Hoplomachus, werden. Lass das mal lieber sein, Kaeso. Die machen Puls aus dir. Zunächst aber musst du schon froh sein wenn du ein Harentarius wirst, ein Gehilfe, der die müden Kämpfer massiert, die Verletzten und die Toten abtransportieren darf. Die werden immer gebraucht."


    Sie waren nun am Vorhang angekommen, der den Trakt des Lanista begrenzte. "Ich weiß, dass so ein junger Mann wie du sich ausprobieren muss und Fehler machen muss. Du wirst noch einiges an Lehrgeld zahlen müssen. Aber vielleicht nur einmal diesen gut gemeinten Rat von einem, der selbst viele Fehler im Leben gemacht hat und nichts ausgelassen hat: gebrauche deinen Kopf nicht deinen Körper, um es im Leben zu was zu bringen!"


    Mit ernster Miene schob der Chirurgicus den Vorhang beiseite. Laut rief er einen Namen. "Bato? Bist du da?"

    Balbus hörte Kaesos Gebrummel wohl. Er grinste. Der Chirurgicus hatte Humor und der Kleine gefiel ihm. Und er war sich sicher, dass Kaeso noch erleben würde, dass ein Ludus alles andere als ein Altenheim war.
    "Die Patienten, um die man sich nachts kümmern muss, sind selten in der Verfassung einem gefährlich zu werden. Dennoch ist es besser sie sicher zu verwahren. Auch weil sie teuer sind."


    Der Chirurgicus rieb den Daumen an Zeige- und Mittelfinger. "Weißt du was so ein Gladiator kostet? Je nach Waffengattung und Rang bekommt der Lanista für einen Gladiator pro Kampf zwischen 500 und 1500 Sesterzen. Davon muss er an den Gladiator 20 - 25 % abdrücken. Je nachdem ob es ein Sklave oder ein Freiwilliger ist. Du musst davon ausgehen, dass ein guter Gladiator in seiner Karriere zwischen 20 und 40 Kämpfe absolviert. Da kommt was zusammen. Stirbt er, muss der Editor zwischen 5000 und 15000 Sesterzen an den Lanista zahlen, um den Verlust zu kompensieren. Was ja nicht wirklich möglich ist. Also, nun weißt du, was für Goldschätzchen wir da hinter den Gittern haben. Wenn die türmen, ist der Lanista ein kleines Vermögen los."


    Gavius Balbus wies auf die nächstbeste Zelle. Sie sah verhältnismäßig groß und gut ausgestattet aus. Eine bequeme Kline, Kissen und Decken und ein paar kleine Einrichtungsgegenstände und Luxusgüter waren zu erkennen. Der Gladiator, ein Muskelberg von wohl 30 Sommern, nickte gleichgültig. Er schien es zu kennen, dass man ihn zur Schau stellte.
    "Das hier ist Pinnas, Primus Palus der Secutores. Also der höchstrangige Secutor. Er ist ein Freiwilliger, ein Auctorator. Das bedeutet, dass er sich an den Lanista verkauft hat. Der Lanista darf ihn einsperren, in Ketten legen und in die Arena bringen, ganz wie er will. Sollte er die vertraglich vereinbarte Zeit überleben, winkt ihm eine nette Summe. Alleine die Geschenke und Geldpreise ermöglichem ihm ein komfortables Leben hier."


    Sie kamen an einigen Einzelzellen vorbei, die gut bis mäßig ausgestattet waren. Die meisten gehörten den Primi Pales, den Höchstrangigen der Kampfgattungen. Manche waren Freiwillige, aber es waren auch Sklaven und sogar einer dabei von dem Balbus sagte, dass er einst ein verurteilter Verbrecher gewesen war, den man "ad ludum", zur Ausbildung in der Gladiatorenschule verurteilt hatte. Er war Retiarius und hieß Ferox.
    Es folgten Zellen, in denen zwei oder mehr Gladiatoren untergebracht waren. Die Anfänger, Tirones, teilten sich zu sechst eine etwas größere Zelle.
    Zuletzt zeigte Balbus auf eine Kammer mit einer stabilen Tür und einem großen Schloss. "Das ist die Waffenkammer. Die Gladiatoren dürfen selbstverständlich keine Waffen bei sich haben. Sie bekommen sie nur zu speziellen Kampftrainings oder den Kämpfen ausgeteilt."


    Den Zeigefinger wieder ausstreckend, wies der Chirurgicus auf einen durch einen Vorhang abgetrennten Teil des Gebäudes.
    "Dort drüben ist der Trakt, den der Lanista bewohnt. Komm ich stelle dich ihm vor."

    Mit zufriedener Miene sah Balbus seinem neuen Gehilfen zu. Als der Boden wieder sauber war, nahm Balbus den Lehrling mit und zeigte ihm wo er seine Tunika und den Schwamm auswaschen konnte. Dann begann er den Jungen herumzuführen. Neben dem Behandlungsraum und zwei Kammern in denen verletzte Gladiatoren untergebracht werden konnten, befanden sich in unmittelbarer Nähe die Kammer des Chirurgicus und zwei weitere kleinere Kämmerchen. Eine davon bewohnten zwei Sklaven, die in ihrem Dienst Reinigungs- und Versorgungsaufgaben hatten. Die zweite war frei.
    "Hier kannst du dich häuslich einrichten."


    Balbus wies auf die feucht-muffige Kammer, die in sich in ihrer Größe zwar nicht von Kaesos Cubiculum in der Casa Helvetia unterschied, jedoch durch die Natursteinwände und die muffige Feuchtigkeit weit weniger wohnlich war.
    "Ich bin gleich neben dir untergebracht. Wenn ich rufe, erwarte ich, dass du sogleich erscheinst. Sollten wir schwer verletzte Kämpfer in einer der Kammern dort beherbergen, wirst du nachts mehrfach aufstehen und nach ihrem Zustand gucken müssen. Du siehst, ihre Kammern sind vergittert. Viele der Gladiatoren sind Sklaven oder Verbrecher. Vergiss das nicht! Das hier ist keine Hebammenpraxis oder Taberna Medica! Das hier ist die Endstation eines Mannes bevor er den letzten Kampf seines Lebens kämpft."


    Balbus wartete, bis Kaeso seine Sachen abgelegt hatte, dann winkte er dem Jungen, sich ihm erneut anzuschließen.
    "Komm, ich zeige dir den Rest der Anlage und stelle dich einigen Leuten vor."

    Mit einem fetten Grinsen sah Balbus wie es den Jungen würgte und er angwidert den Eiter aufwischte. Dennoch zollte er ihm Respekt, denn Kaeso fiel nicht um oder rannte davon sondern zog es durch. Er schien bereit zu sein.
    Balbus nickte anerkennend. "Sic est! So sei es! Ich nehme dich als Lehrling an, Kaeso. Aber bevor ich dir zeige wo du dich hinlegen kannst, muss hier saubergemacht und aufgeräumt werden."


    Der Chirurgicus nahm das schmutzige Skalpell und wusch es in dem Essigwasser aus. Dann tauchte er es in eine kleine Flasche mit einer dunklen Flüssigkeit. "Hochkonzentrierter Essig", murmelte er als er Kaesos fragenden Blick sah. Dann wusch sich Balbus die Hände in der Schüssel mit Essigwasser und ließ auch Kaeso seinem Beispiel folgen.
    "So, nun nimmst du den Schwamm und wischst die Eiterspritzer von dem Stuhl hier und anschließend kippst du das Wasser auf den Boden und scheuerst ihn mit der Bürste da." Sein Finger deutete auf eine große Bürste. "Wenn du fertig bist, zeige ich dir deine Schlafstatt und gebe dir einige einfache Tuniken, die du für die Arbeit hier verwenden kannst. Diese wirst du auswaschen müssen. Es wäre ja schade drum. Die ist doch noch nagelneu, oder?"

    Als sich Schritte näherten sah der Chirurgicus auf. Er hatte einen der Sklaven erwartet, die im Ludus Hilfsdienste erledigten, aber stattdessen stand der Junge vor ihm, den die Kräuterfrau ihm als Gehilfen angeboten hatte. Balbus entblößte seine beiden abgebrochenen Schneidezähne.
    "Salve, Kaeso! Du kommst gerade recht. Nimm dir den Schwamm da und tauch ihn in die Schüssel mit Essigwasser! Cave! Gleich wird es spritzen!"


    Das Grinsen wurde noch ein wenig breiter. Balbus wartete bis Kaeso seinem Befehl gehorcht hatte, dann ließ er die blitzende Klinge in die Eiterbeule fahren. Sofort spritze die stinkende, gelbliche Flüssigkeit hervor.
    "Hmm", untermalte der Chirurgicus halb genießerisch halb angwidert mit tiefstem Sarkasmus sein Tun. "Wie schön!"


    Der so behandelte Gladiator zuckte kurz und ließ ein undefinierbares Brummen aus seiner Kehle entweichen. Dann aber grinste er erleichtert. Balbus drückte die Wunde aus. So lange bis kein frischer Eiter mehr kam, sondern Blut. Er wies Kaeso an, immer wieder den Schwamm auf den geöffneten Abstzess zu drücken. Zuletzt schmierte der Chirurgicus eine stark riechende Salbe auf die Wunde und verband sie mit dem sauberen Tuch.
    "Wir sehen uns morgen, Hilarus!" verabschiedete der hagere Wundarzt den Gladiator und wandte sich dann dem Jungen zu.
    "Na? Angekommen in der Welt der Gladiatoren? Du wirst die Schattenseiten des Ruhmes in der Arena kennenlernen. Möchtest du immer noch bei mir in die Lehre gehen?"

    Reichlich verkatert zog Gavius Balbus ein blitzendes Skalpell aus seinem Etui. Er begann es gegen das Licht zu halten um zu überprüfen ob es scharf und sauber war.


    Die Saturnalienfeiern im Ludus waren ausschweifend und ermüdend gewesen. Der Lanista hatte mehrere Amphoren Wein und ein üppiges Mahl spendiert. Woher die leichten Mädchen gekommen waren, wusste angeblich keiner so genau. Zumindest waren genug hübsche Frauen da gewesen, dass auch Balbus zum Zuge kam. Dazu hatte er irgendwann aufgehört die Becher zu zahlen, deren Inhalt seine Kehle hinabgeronnen war. Entsprechend müde, von Kopfschmerzen geplagt und unmotiviert begann er das neue Jahr. Janus zeigte ihm heute eher die hässliche, alte Fratze, nicht das Gesicht des hübschen Jünglings.


    Mit einem Seufzer näherte sich der Chirurgicus einem der Gladiatoren, der einen Abszess an der Hand hatte. Rot und dick geschwollen präsentierte sich die Geschwulst. An der Basis zeigte sich ein gelblicher Rand. Eiter! Balbus legte sich ein sauberes Tuch und eine Schüssel mit Wasser und Essig zurecht. Dann grinste er den Gladiator an.
    "Nun, ich fürchte das neue Jahr beginnt nicht gut für dich. Dann wolln mer mal!"

    Die Hebamme verhandelte nicht. Sie schien ihren Gehilfen dringend loswerden zu wollen. Balbus stutzte. Was für ein Bürschlein war dieser Kaeso? Wen holte er sich da in seine Obhut? War er faul oder frech? Oder untauglich zu allem? Er hatte nicht den Anschrein gemacht ein Hornochse zu sein, als Balbus ihn in der Taberna Medica kennengelernt hatte.
    Ein anderer Verdacht beschlich den Chirurgicus. Hatte der junge Mann sich der Kräuterfrau unsittlich genähert? War das der Grund warum sie ihn loswerden wollte?


    "Er kann jederzeit anfangen. Arbeit gibt es hier genug!"


    Balbus lachte vernehmlich und deutete auf einen jungen Gladiator, der gerade auf den Chirurgicus zukam. Eine Platzwunde am Kopf war das sichtbare Zeichen eines intensiven Trainingskampfes.


    "Und du bist hier auch jederzeit gerne gesehen, Alpina! Glaub mir, eine alleinstehende Frau wie du würde hier unter meinen Jungs schon einen Bettwärmer finden." Breit grinsend fügte er hinzu. "Ich würde dir sogar den Platz neben mir anbieten...."

    Der Chirurgicus zwinkerte Alpina vertraulich zu.


    "Na, ein junger Mann ist ja wohl kein adäquater Ersatz für eine hübsche junge Frau, oder nicht? Zumindest wenn man nicht auf Männer steht."


    Balbus lachte laut los, als Alpina sichtlich errötete. Dabei entblößte er seine beiden abgebrochenen Schneidezähne.


    "Nun gut, Spaß beiseite. Das klingt ja ganz gut und in jedem Fall muss der Junge aus eurem Mütter-Kinder-Versorgungszentrum raus. Das ist nix für einen Mann. Und auch wenn er das erst noch werden muss, ist er hier wesentlich besser aufgehoben. Ein wenig nachteilig ist, dass er so ein schmächtiges Handtuch ist."


    Er sah sich um und wies auf die muskelbepackten Kolosse, die sich mit Gewichten und gymnastischen Übungen fit hielten.


    "Wir werden sehen, ob er sich hier behaupten kann. Bezahlen kann ich ihm nur wenig, aber er kann hier schlafen, wenn er möchte. Eine kleine ungemütliche Kammer mit feuchtem Mauerwerk kann ich anbieten und von den Rationen der Gladiatoren kann er was abbekommen. Er braucht ja nicht viel, so wie er aussieht. Ich halte mich auch ganz gut damit am Leben. Sind die Konditionen akzeptabel?"


    Balbus verschränkte die Arme vor der Brust und sah die Hebamme abwartend an.

    Die erfreuliche Unterbrechung des Alltags kam in Gestalt einer Frau, die von einem Leibwächter begleitet wurde. Erst beim Näherkommen erkannte er die Hebamme Alpina, die ihren Mantel eng um sich gezogen hatte. Balbus ging ihr entgegen. Schon häufig hatte er der Geburtshelferin zur Seite gestanden, wenn die Situation ausweglos war und es nur noch ein Mittel gab - den Schnitt mit dem Skalpel.


    "Salve, Susina Alpina. Womit kann ich dienen? Soll ich einer Gebärenden das Kind aus dem Leib schneiden oder mal wieder eine Stichwunde nähen? In letzter Zeit hast du scheinbar deutlich mehr mit blutenden Männern zu tun als mit schreienden Babies und Wöchnerinnen. Möchtest du nicht gleich als meine Gehilfin anfangen? Blutende Wunden gibt es hier jede Menge, da kannst du noch was lernen."

    Gelangweilt beobachtete Balbus das Training der Provocatores gegen den Palus. Immer wieder ließ der Magister sie den Angriff mit dem Gladius proben. Den rechteckigen Schild vor sich haltend, das beschiente Bein nach vorne ausschreitend näherte sich einer der Neulinge im Gladiatorenberuf dem Holzpfahl. Die Provocatores hatten noch wenig Kampferfahrung, sie wurden förmlich gedrillt um eines Tages Retiarius, Murmillo oder Secutor zu werden. Für Balbus, den Chirurgicus, gab es beim Kampf gegen den Palus selten Arbeit.


    Im Schatten der Gladiatorenkaserne stand der Murmillo Taurus. Ein grobschlächtiger Muskelberg mit schütterem dunkelblondem Haar. Er war Primus Palus, also der siegreichste und erfahrenste Kämpfer in dieser Gattung. Balbus verachtete den blasierten Kerl, der sich unglaublich viel auf seine Erfolge in der Arena einbildete. Sicherlich war er ein großartiger Kämpfer, der alle Tricks und Schliche eines langjährigen Gladiators kannte, doch der römische Chirurgicus hatte den Muskelprotz als Jammerlappen kennengelernt, der wegen jeder Kleinigkeit die Balbus Behandlungsräume aufsuchte und sich Salben, Umschläge und Pillen geben ließ.
    Ein wenig Neid war vielleicht auch dabei, das wollte Balbus nicht unterschlagen. Denn Taurus kam an bei den Frauen. Sie schickten ihm Talismane, brachten ihm Leckereien und bezahlten die Wachsklaven dafür eine Nacht mit ihrem Idol in seiner Kammer verbringen zu dürfen. Wenn Balbus mal wieder spät von einem Einsatz außerhalb des Ludus zurückkehrte hörte er ihr Stöhnen und konnte früh morgens die verheirateten Weiber zu ihren gehörnten Männern zurückkehren sehen. Schon einige Male hatte er überlegt, ob er sein Gehalt durch ein wenig Denunziation aufbessern sollte, doch dann hatte er eine Möglichkeit gefunden, die ihm noch besser gefiel. Er fing die schleichenden Frauen ab, wenn sie ihm gefielen und erpresste sie. So kam auch er ab und an in den Genuss eines Schäferstündchens.


    Mit einem Lächeln auf den Lippen verfolgte Balbus nun wie einer der Sklaven Taurus den Helm und die Beinschienen reichte. Gegen wen er wohl heute seinen Trainingskampf absolvieren würde?