Beiträge von Publius Gavius Balbus

    Der Blick des Chirurgicus sprühte vor Wut. Wenn er nicht so ein schlechter Kämpfer gewesen wäre, hätte er Kaeso sofort eine gesetzt. Stattdessen knurrte er nur. "Hüte deine Zunge Kaeso, wenn dir dein Leben lieb ist!"


    Die Anspielung auf die schöne Geliebte des Jungen überhörte er. Im Stillen dachte Balbus "das werden wir schon sehen..." Kaeso aber gab er im Befehlston eine Anweisung.


    "Du bist heute nicht beidhändig einsatzbereit. Deshalb werde ich dir heute eine Lehrstunde darin geben, wie die Instrumente gereinigt werden und wo du in meinem Medikamentenschrank welches Heilmittel findest. Keine Sorge, ich besitze nicht mal halb so viele Arzneipflanzen wie deine Kräuterhexe. Hier geht es meist um blutige oder eitrige Wunden, Prellungen, Quetschungen und Brüche. Die dafür notwendigen Heilmittel besitze ich. Oft lasse ich mir Salben und Tinkturen von Alpina fertig herstellen. Ich bin zu beschäftigt für solchen Kram. Manches aber mische ich auch frisch. Komm, ich zeige dir wo die Schriftrollen mit den Rezepturen sind und wo du die Zutaten findest."


    Balbus erwähnte mit keinem Wort, dass er keinewegs zu beschäftig sondern schlicht zu faul und zu zittrig war um die kleinen Mengen der Arzneipflanzen abzuwiegen und zu verarbeiten. Den Wein für die Tinkuren trank er lieber selbst.

    Balbus stellte seinen Weinbecher ab. Aus der Kammer in die man Kaeso gebracht hatte, hörte er stöhnende Geräusche. Er erhob sich und schlurfte hinüber. Das volle Licht des Tages erhellte die Krankenkammer. Verwundert sah er auf Kaeso, der sich am Gitter hochgezogen hatte. Der Chirurgicus öffnete das nur anglehnte Gitter. Der verletzte Kaeso war schließlich keine Gefahr. Deshalb hatte er nicht abgesperrt.


    "Na, wieder unter den Lebenden?", fragte er sarkastisch. "Ich habe mir gerlaubt deine Augenbraue zu nähen und dir den Arm zu verbinden. Ich denke, du siehst jetzt noch interssanter aus." Balbus Weinfahne am hellichten Tag war mehr als deutlich. Dabei grinste der Chirurgicus so hinterhältig, dass alles zu spät war.


    "Du musst unglücklich gefallen sein. Dabei ist das linke Schlüsselbein gebrochen. Kein Drama. In ein paar Tagen mache ich dir einen Rucksackverband, dann kannst du mir schon wieder assistieren. Solange musst du leider zusehen."


    Er machte die Tür soweit auf, dass Kaeso hindurch konnte. "Ich hoffe, du hast deine Lektion gelernt."

    Astivus beobachtete, wie Kaeso niedersank, dann hörte er den empörten Aufschrei von Maximus, als der junge Mann zubiss. Erstaunt war der Gladiator dann doch, dass sich Kaeso wieder aufrappelte. Er sah ordentlich mitgenommen aus doch war er noch nicht am Ende. Das konnten beide Gladiatoren nicht auf sich sitzen lassen. Es hagelte noch einmal eine Serie Schläge gegen Kopf und Rumpf des Gehilfen des Chirurgicus bis Kaeso bewußtlos zusammenbrach.
    Genugtuung breitete sich auf dem Gesicht von Astivus aus und auch Maximus sonst eher dümmliches Grinsen schien die Schadenfreude auszudrücken.


    Aus dem Schatten der hölzernen Übungsarena löste sich der Chirurgicus. Er klopfte dem Gladiatorenpaar auf die Schulter.
    "Prima, Jungs. Schafft ihn mir in eine der Zellen für die ordentlich verletzten. Und du, Maximus? Brauchst du meine Hilfe?" Er wies auf den Zeh, der rot war, deutliche Zahneindrücke zeigte und anschwoll.


    Maximus schüttelte den Kopf. "Kratzer", gab er leichthin zum Besten. Dann packten die beiden Kämpfer den schlaffen Körper Kaesos und brachten ihn in eine der Zellen, die Balbus für die Schwerverletzten bereit hielt.

    Astivus spannte seine Bauchmuskeln an. Dennoch traf ihn der Kopf des Gehilfen des Chirurgicus hart. Seinen Magen schob es nach oben, die Gedärme drückte es an die Wirbelsäule. Der Kopfstoß erschütterte seinen durchtrainierten Leib und zwangen ihn zu einem Ausfallschritt nach hinten, doch riss er Astivus nicht von den Füßen.


    Noch bevor sich die jetzt mächtige Wut des athletischen Gladiators an Kaeso entlud, war Maximus bereits neben ihm und schlug dem deutlich unterlegenen jungen Mann mit voller Wucht gegen die linke Schulter. Man konnte ein Knacken vernehmen. Doch Astivus wartete nicht ab, ob und wenn ja wie sich Kaeso von dem Schlag erholen würde. Seine stahlharte Faust traf den Gehilfen an der Schläfe und ließ sie aufspringen. Blut spritze hervor.


    Dann zogen sich beide Kämpfer für einen Augenblick zurück. Sie warteten ab ob Kaeso noch Widerstand leisten würde.

    Während Astivus eher groß und athletisch gebaut war, verkörperte Maximus den bulligen Typ. Breitschultrig und muskelbepackt. Geeinsam schleppten sie Kaeso in die Arena und stießen ihn zunächst vor sich in den Sand.


    Als Kaeso aufstand sah er sich beiden Kämpfern gegenüber. Astivus näherte sich mit federndem Schritt. Er grinste.
    "Eigentlich schlage ich keine kleinen Kinder aber bei einem Lügner wie dir mache ich selbstverständlich eine Ausnahme."


    Er holte aus täusche einen rechten Haken an und landete die linke Faust in Kaesos Magengrube.
    Mit einer galanten Handbewegung lud er Maximus ein an seine Seite zu treten und beobachtete Kaesos Reaktion auf seinen Schlag.

    Langsam ging Balbus der Kleine auf die Nerven. Erst spuckte er große Töne, dann fand er lauter Ausflüchte und bog sich wie eine Weide im Wind. Es war an der Zeit ihm zu zeigen wie man mit Lügnern und Wortbrüchigen umging. Das Grinsen des Chirurgicus verwandelte sich in ein Zähnefletschen.
    "Astivus, Maximus, was machen wir für gewöhnlich mit einem Lügner?"


    Balbus warf den beiden muskelbepackten Gladiatoren einen auffordernden Blick zu. Astivus nickte bedächtig, sah zu seinem Freund Maximus hinüber und setzte sich in Gang. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, packte er Kaeso am Oberarm.
    "Wir machen einen Spaziergang, Kleiner....", knurrte er drohend.


    In diesem Moment ergriff Maximus den zweiten Arm und schob Kaeso über den Hof zur hölzernen Trainingsarena.

    Abschätzig sah der Chirurgicus seinen Gehilfen an. Er konnte immer noch nicht glauben, dass Kaeso was mit dieser Schönen vom Kybelekult hatte. Und natürlich würde er auch nicht auf Kaesos Frage antworten wie ihm ihr Anblick bekommen war. Das ging den Hänfling einen feuchten Pferdeapfel an. Aber auf die Ausrede des jungen Mannes wollte er doch eingehen und ihn festnageln.
    "Ja, lade sie ein! Du weißt doch, am Abend vor dem Auftritt der Gladiatoren wird im Ludus hemmungslos geschlemmt, gesoffen und gehurt. Das gehört zur guten Sitte. Schließlich könnte es ja das letzte Mal für einige der Kämpfer sein. Da kannst du sie einladen. Habt ihr gehört, Männer? Er hat es versprochen! Handschlag drauf!"


    Balbus hielt Kaeso den rechten Unterarm zur Besiegelung ihrer Abmachung hin.

    Sieh da, der Kleine begehrte auf. Er ging hoch wie ein Hefegebäck. Mit einem süffisanten Lächeln hörte Balbus zu, was Kaeso zu seiner Verteidigung hervorbrachte.
    "So so, du treibst es mit Frauen, man bemerke den Plural", der Römer grinste mit seinen abgebrochenen Schneidezähnen. "Und du behauptest die Schönste Frau Mogontiacums zu besitzen! Hört, hört!"


    Balbus war laut geworden. Um ihn herum blieben die Gladiatoren stehen, die sich auf den Weg zur Palaestra machten. Grinsend sahen sie zu, wie der Chirurgicus sich mit dem neuen Gehilfen ein Wortgefecht lieferte.


    "Habt ihr gehört, Männer? Die kleine Tunte hier, die ihre Zeit lieber mit Männern in Weiberkleidern verbringt als in der Palaestra oder der Arena, behauptet die schönste Frau Mogontiacums zu "besitzen". Wer soll denn das sein? Das wirst du uns beweisen müssen! Du glaubst gar nicht, was hier für Schönheiten ein und ausgehen! Die schönsten Frauen der Stadt reißen sich darum mit Kerlen wie Astivus die Kline zu teilen oder mit Maximus im Sand der Arena zu rollen. Wenn du nicht als Lügner dastehen willst, dann wirst du es beweisen müssen! Schaff uns die schönste Frau Mogontiacums hier her! In den Ludus! Dann werden wir ja sehen ob du ein Lügner, eine Tunte oder gar beides bist!"


    Schallendes Gelächter brandete auf. Balbus Grinsen wurde breiter und breiter. Er stand im Mittelpunkt des Interesses und genoss es sichtlich.

    Aus dem Augenwinkel nahm Balbus eine Bewegung wahr. War das nicht sein tuntiger Gehilfe Kaeso? Balbus setzte sich in Gang und erwischte den Hänfling beim Durchgang zu den Kammern für die Schwerverletzten.
    "Halt! Stehengeblieben, mein Guter!"


    Mit festem Griff packte er den jungen Mann am Oberarm und zog ihn zurück. Mit einer Hand drückte er Kaeso an am Hals an den Türstock, mit der anderen griff er prüfend unter die kurze Tunika seines Gehilfen.
    "Will nur mal nachsehen ob noch alles dran ist bei dir. Nach deinem Auftritt bei diesem Zirkus könnte ja alles möglich sein."


    Balbus grinste und entblößte seine Schneidezähne. "So ne Tunte ohne Eier können wir hier überhaupt nicht brauchen, Kaeso! Überhaupt ist das eine unglaubliche Bodenlosigkeit, die du dir da erlaubst und dass du mich angelogen hast, wird Folgen haben!"


    Die Stimme des Chirurgicus wurde tief und drohend.

    Aus dem einen Becher Wein waren am Vortag mehrere geworden. Entsprechend verkatert quälte sich Publilus Gavius Balbus an diesem Morgen aus seinem Bett. Er war gespannt ob sein neuer Gehilfe genügend Mumm in den Knochen hatte, sich wieder bei ihm zu zeigen. Eiskaltes Wasser zum Waschen und ein Becher desselben hinunter gestürzt halfen ein wenig die Spuren des Vortages zu beseitigen. Balbus schlüpfte in seine Tunika. Er fluchte. Weinflecken verrieten seine Zügellosigkeit. Er zog sich um und musste auf eine ältere schon ein wenig zerschlissene Tunika zurückgreifen. Die befleckte Bekleidung gab er einem der Sklaven in die Wäsche.


    Dann öffnete Balbus die Tür seiner Kammer und trat auf den großen Innenhof des Ludus hinaus. Unbarmherzig brannte Sol vom Himmel und schmerzte in seinen Augen. Der dumpfe Kopfschmerz, der sich dadurch noch verschlimmerte, war kein Unbekannter für den Chirurgicus. Immer häufiger musste er gegen die Folgen seines zügellosen Weinkonsums ankämpfen. Ärgerlich blinzelnd sah sich Balbus nach seinem Gehilfen um. Es war spät genug. Eigentlich müsste Kaeso hier irgendwo herumwuseln.

    Gerüchte verbreiteten sich in der Provinzhauptstadt Mogontiacum in Windeseile. Balbus war zugetragen worden, dass an diesem Tag die abschließende Prozession der Göttin Kybele stattfinden würde. Und da er kürzlich erst seinen neuen Gehilfen in den Reihen dieser Wahnsinnigen gesehen hatte, die sich selbst verletzten und wie man ihm versichert hatte, sogar im Wahn entmannten, wollte der Chirurgicus wissen, ob Kaeso auch heute dabei war. Ganz nebenbei wollte Balbus sehen ob die rotblonde Schönheit wieder dabei war.


    Der Chirurgicus konnte immer noch nicht glauben, dass sich so ein junger Mann in Frauenkleider hüllte und wie ein Verrückter gebärdete. Ausgerechnet sein neuer Gehilfe musste sich so zur Schau stellen.
    Balbus nahm sich vor, dass er Kaeso zur Rede stellen würde, sobald der in den Ludus zum Dienst zurückkehrte. Der konnte was erleben!


    Und tatsächlich. Aufgebrezelt wie eine Tunte lief Kaeso an der Seite des Prozessionswagens, der bunt geschmückt das Magna Mater-Heiligtum verließ. Allen voran eine alte Schwuchtel, der greise Priester dieses Haufens und neben ihm die Schöne, deren aufreizende Tanzbewegungen ihm so gefallen hatten. Neugierig betrachtete er die Frau. Es konnte einfach nicht wahr sein, dass dieser Hänfling in den Weiberklamotten so eine Frau ins Bett bekam. Was lief falsch auf der Welt, wenn so eine Rassefrau einen weibischen Jüngling gestandenen Mannsbildern vorzog?
    Balbus Zorn wuchs und als er die bewundernden und verliebten Blicke seines Gehilfen sah, der die Schöne nicht aus den Augen ließ. Da reichte es dem Römer. Er beschloss trotz der frühen Stunde eine Caupona aufzusuchen und sich einen Becher gemischten Wein zu gönnen, um den Ärger herunterzuspülen. Vielleicht würde ein Becher nicht reichen....

    Für Balbus war es nichts ungewöhnliches einen Korb zu bekommen. Wenn man wie er in einer Gladiatorenkaserne arbeitete, hatten die Frauen meist nur Augen für die muskelbepackten Kerle, die in der Arena ihr Leben riskierten. Sie schätzten weder die Arbeit, die er tat, noch seine eher schmächtige Figur. Dennoch ärgerte ihn die Abfuhr.


    Er drehte sich wieder der Prozessionsgruppe zu. "Du hast Recht, Weib. Sie ist das hübschere Opfer!"


    Schon kurz darauf hatte er die Dunkelhaarige vergessen. Fasziniert beobachtete er die Bewegungen der Rotblonden. Er sah auch die offensichtliche Verliebtheit seines Gehilfen in diese Frau. Die hatten doch was miteinander! In Balbus kam die Eifersucht hoch. Was hat dieser schmächtige Taugenichts, dieser Niemand, der sich als Gehilfe einer Hebamme und dann als Gehilfe eines Chirurgicus verdingen musste, was er nicht hatte? Wieso gab so eine Venus ihm den Vorzug und warum bekam er einen Korb nach dem anderen? Balbus Stimmung wurde immer düsterer. Als die Prozession um eine Ecke bog an der es ein Thermopolium gab, blieb er zurück und orderte erstmal einen Becher Wein. Schnell wurden drei draus.

    Balbus verfolgte die Show. Nicht nur die Darbietung der Kultanhänger war beeindruckend sondern auch das Gezeter einiger Zuschauerinnen, die sich ein Wortgefecht mit seinem neuen Gehilfen Kaeso lieferten. Balbus erkannte die Hebamme, Susina Alpina, die offensichtlich ebenso entsetzt von Kaesos Auftritt war wie die Duccierin. Es schien ihr nicht nur um Kaesos tuntenhaftes Äußeres zu gehen sondern vielmehr um die Frau, die im Zentrum der Feierlichkeiten stand. Diese wurde von der Duccierin ebenson wie von einer anderen Frau als Hure bezeichnet. Der Chirurgicus musterte die so diffamierte interessiert. Sie war eine schöne Frau, mit allem gesegnet wohin man als Mann gerne seinen Blick wendete. Dazu bewegte sich diese Tänzerin und offensichtlich wichtige Teilnehmerin an den Mysterienfeiern mit großer Eleganz. Balbus beobachtete ihre Bewegungen eine Weile und kam nicht umhin sich vorzustellen wie es wohl wäre wenn sie diesen Hüftschwung bei einem gemeinsamen Tanz mit ihm üben würde. Er beschloss, dass er sie nicht von der Bettkante schubsen würde.


    Eine schöne Dunkelhaarige gesellte sich zu den Zuschauern. Balbus ließ seinen Kennerblick schweifen. Was für ein Glück er hatte Zuschauer dieser Prozession zu sein. So viele gutaussehende Frauen auf einmal!
    Er drehte sich der Dunkelhaarigen zu als die gehen wollte.
    "Schöne Frau, wohin des Wegs? Darf ich dich ein Stück begleiten?"

    Wie es der Zufall wollte war Balbus an diesem Tag in der Stadt unterwegs um Besorgungen zu machen. Die Musik war schon von weitem zu hören. Neugierig ging er ihr entgegen. Die Klänge von orientalischen Instrumenten lockten ihn an. Und siehe da! Ein buntes Völkchen bewegte sich tanzend und singend durch die Stadt. Ah! Die Frühlingsprozession der Kybeleanhänger. Hübsch anzusehen mit all dem Schmuck, vielleicht ein bisschen übertrieben. Bei näherem Hinsehen erkannte Balbus, dass in den Frauenkleidern auch Männer steckten. Grell geschminkt und aufgetakelt wie Weibsen. Zum Totlachen! Wer machte sich nur so zum Affen?


    Grinsend stellte sich Balbus zu einem kleinen Grüppchen. Mit dem Ellbogen stupste er einen jungen Soldaten an, der neben ihm stand.
    "Na? Wäre das nicht eine schicke Uniform für dich? Die sind doch alle vom anderen Ufer, oder nicht?"


    Ein besonders heraugeputzes Musikantenpaar tanzte auf die Gruppe zu. Urplötzlich verschwand das Grinsen vom Gesicht des Chirurgicus - als er seinen neuen Gehilfen in einem weibischen Kleid mit Amuletten, Bändern und anderem Tand behängt, die Trommel schlagend an sich vorbeitanzen sah.
    "Bei Mars, das darf doch nicht wahr sein! Kaeso!"


    Er starrte auf den sich selig drehenden jungen Mann. Durfte man überhaupt Mann zu so einer Tunte sagen?

    Für Balbus war die Sache abgehakt. Er hatte seine Zustimmung gegeben, nun konnten sie sehen ob Bato den Chauken als Gladiator verpflichtete. Zielstrebig lief der Chirurgicus voran und erwartete, dass Kaeso und Hiltbert ihm folgten.


    Das Tablinium des Lanista lag an der Straßenfront des Ludus. Man hörte bereits Stimmen, als die drei sich näherten. Bato unterhielt sich mit Pugnax. Balbus klopfte.
    "Intrate!" kam die Aufforderung von drinnen.


    Der Lanista hatte es sich in seinem Sessel bequem gemacht und auch Pugnax flezte auf einem bequemen Lehnstuhl. Für die neu Hinzukommenden gab es nur noch einfache Klappstühle. Balbus schob Hiltbert einen Stuhl so hin, dass er Bato und Pugnax gegenüber saß. Kaeso und der Chirurgicus hielten sich am Rande des Geschehens.
    Ganz in seinem Element wandte sich der Lanista an den Chirurgicus.
    "Nun, Balbus, was kannst du uns vermelden? In welcher Verfassung ist Hiltbert?"


    Balbus richtete sich auf. Man sah ihm an, dass er es genoss im Mittelpunkt zu stehen. Allzuoft kam das nicht vor.
    "Hiltbert ist in guter körperlicher Verfassung. Keine erkennbaren Erbdefekte oder schlecht ausgeheilte Verletzungen. Sehr gute Muskelanlagen, ein ausreichend trainierter körperlicher Zustand. Mit dem notwendigen Kraft- und Konditionstraining wird er schnell den Zustand der anderen Kämpfer erreicht haben."


    Der Chirurgicus schenkte dem "Schinder" ein gewinnendes Lächeln mit seinen abgebrochenen Schneidezähnen. Der nickte bejahend. Balbus fuhr fort.
    "Das Blut ist gesund, die Untersuchungen von Urin und Stuhl stehen noch aus. Ich erwarte nichts besonderes. Morgen kann ich eine endgültige Aussage treffen."


    Bato nickte zufrieden. Dann wandte er sich an Hiltbert.
    "Hiltbert, dein Kampf war nicht wirklich beeindruckend..." Er machte eine bedeutsame Pause, sah den Chauken lange an und drehte derweil einen Holzstab zwischen den Fingern. "Dennoch willst du dich als Auctoratus, als Freiwilliger, für die Gladiatur verpflichten, nicht wahr? Weißt du, was das für dich bedeutet?"


    Der Germane nickte. Bato begann dennoch ihn aufzuklären.
    "Als Freiwilliger musst du denselben Eid schwören wie die Sklaven. Du versklavst dich für eine vorher bestimmte Zeit bis du diesen Holzstab, den rudis, als Zeichen deiner Freilassung erhältst." Wieder drehte er den Stab geschickt und zugleich bedeutungsvoll zwischen den Fingern. "Offiziell giltst du mit dem Unterzeichnen deines Auctoramentums als "infam", rechtlos. Aber eine politische Karriere strebst du wohl ohnehin nicht an, was?"


    Schallendes Gelächster begleitete die rhetorische Frage des Lanistas. Balbus stimmte mit ein und sah auffordernd zu Kaeso hinüber es ihm gleich zu tun.


    Hiltbert schüttelte den Kopf und Bato fuhr fort. "Du verpflichtest dich also, wenn du in meinem Ludus dienst zu 30 Kämpfen. Bezahlt wirst du je nach deiner Waffengattung und dem Palus, also dem Rang innerhalb dieser Armatura. Kennst du diese?"
    Als der Germane wieder nickte, erweiterte der Lanista seine Vertragsbedingungen. "Pro Kampf erhältst du 25 % des Preises, den der Veranstalter für dich zahlt. Von ausgezahlten Siegesprämien erhältst du 50 %, Sachgeschenke gehören dir alleine. Dazu sind Kost und Unterkunft im Ludus frei, sowie eine einfache Garnitur Bewaffnung und Schutzkleidung. Du wirst nicht eingesperrt wie die Sklaven. Ist das akzeptabel?"


    Der Chauke sah angesichts der Zahlen und Prozentangaben etwas überfordert drein. Pugnax raunte Bato noch etwas zu. Dieser nickte.
    "Richtig. Ich vergaß. Der Ludus stellt den Chirurgicus für deine Verletzungen, im Falle einer Verletzung während eines Kampfes, die zur dauerhaften Kampfunfähigkeit führt, muss der Editor, also der Veranstalter, eine festgesetzte Summe zahlen. Wir haben ein Begräbnis-Collegium, in das aus deinem Preisgeld 1 % eingezahlt wird. Stirbst du trägt das Collegium die Kosten des Begräbnisses und des Grabsteins. Der Ludus hat ein eigenes Gräberfeld an der Via Borbetomagus. Sonst noch was?"
    Er sah sich fragend um.


    Nachdem kein Widerspruch kam besiegelten der Chauke und der Lanista den Contrakt mit einem Handschlag.

    Balbus hörte die Bitte seine Assistenten. Er runzelte die Stirn. Alles an Kaesos Verhalten zeigte dem Chirurgicus, dass der Junge log.
    "Soso, in einer Amtsangelegenheit. Nun denn, wenn es so wichtig ist." Balbus machte ein gewährende Handbewegung. "Dann will ich dich nicht aufhalten. Ich halte die Stellung. Nacharbeiten wird nicht nötig sein, aber ich erwarte dich so bald wie irgendmöglich zurück und hoffe, dass du nicht allzuoft Amtsgeschäfte hast."


    Das Blitzen in Balbus Augen und die hochzuckenden Augenbrauen würden Kaeso klar machen, dass er ihm kein Wort glaubte, aus Großzügigkeit heraus aber nicht nein sagte. Vermutlich ging es um eine Frau. Wenn ein junger Kerl so nervös war, stotterte und seine Mimik nicht im Griff hatte, dann stand gewiss ein geheimes Verhältnis dahinter. Balbus hoffte nur, dass es keinen Ärger gab. Hoffentlich hatte sich Kaeso nicht mit einer verheirateten Frau eingelassen, deren wutschnaubender Ehemann bald im Ludus auftauchte.

    Balbus nickte als er die Aussage seines Assistenten hörte.
    "Richtig, Kaeso. Also beides natürlich. Ja, du bist noch unerfahren aber nicht dumm und nicht blind. Deine Antwort ist auch richtig. Das Blut zeigt keine Auffälligkeiten. Hiltbert scheint gutes Blut zu haben. Nun müssen wir noch Urin und Stuhl überprüfen. Wenn das nicht gleich möglich ist, werden wir das morgen früh machen. Er wird ohnehin die Nacht hier verbringen. Na, Hiltbert, kannst du uns was von deinen Ausscheidungen liefern?"


    Der Germane war angefressen. Er beschwerte sich zunächst lautstark, dass man ihn für nichts und wieder nichts zur Ader gelassen hatte und stellte sich auch sonst stur. Balbus grinste.
    "Ich kenne Bato. Er wird dich nicht unter Vertrag nehmen bis er nicht meine Zustimmung hat. Wir können warten."


    Er wartete wieder ab, bis der angehende Gladiator seine Schimpfkanonade losgelassen hatte, dann grinste er Kaeso zu. "So mein Junge, wir nehmen ihn jetzt mit zu Bato. Wenn wir Glück haben können wir bei den Verhandlungen zugegen sein. Wenn nicht..." Er zuckte mit den Achseln. "... dann wirst du ein anderes Mal erfahren wie man Gladiator wird und zu welchem Preis. Das hast du schon ganz gut gemacht, Junge. Das nächste Mal darfst du das Skalpell führen. Un nun komm, Kaeso!"

    Feixend beobachtete Balbus wie ratlos Kaeso vor den Instrumenten stand. Als er ein Skalpell griff hob sich die Augenbraue des Chirurgicus und noch höher wanderte sie als er den Arm des noch immer schimpfenden Germanen ergriff und ein Tonschälchen unterhielt. Schließlich aber verließ Kaeso doch der Mut. Balbus nickte ihm zu.
    "Grundsätzlich gibt es zwei Stellen an denen man einen Patienten bevorzugt zur Ader lassen kann. Den Arm unterhalb der Ellbeuge oder das Bein an der Wade oder am Knöchel. Es richtet sich nach der Stelle der Verletzung oder Erkrankung. Da Hiltbert aber nichts hat, können wir es uns aussuchen. Der Mann ist Kämpfer. Wirst du also den Arm nehmen, wenn du es dir aussuchen kannst?"


    Diese rhetorische Frage war schnell beantwortet.
    "Nein, wir nehmen den Unterschenkel. Es muss auch nicht viel Blut sein. Nur soviel, dass es den Boden der Tonschale bedeckt."


    Balbus nahm einen Stoffstreifen und band den Unterschenkel unterm Knie ab. "So staut man das Blut im Bein" sagte er. Als nächstes wusch er den Bereich wo er den Aderlass vornehmen wollte mit heißem Wasser ab. Die Ader trat an der Innenseite der Wade deutlich hervor. "Sieh gut zu!", forderte Balbus, nahm Kaeso das Skalpell aus der Hand und schlitzte die Ader auf. Nur ein kleines Stück, doch schnell floss das Blut. Balbus löste den Stoffstreifen. Mehr Blut floss in die untergehaltene Schale. Dann griff sich der Chirurgicus ein weiters Stück Stoff, drückte es darauf und band es mit starkem Druck fest.


    "Hier, drück das fest zu und leg das Bein hoch!" befahl er dem angehenden Gladiator. Er selbst beugte sich mit Kaeso über die rote Flüssigkeit.
    "Wir beobachten ob das Blut flüssig und hellrot, dunkel oder klumpig ist. Schleim oder Schaum wären auch Anzeichen für eine Krankheit. Also? Was siehst du, Kaeso?"

    Die folgende Untersuchung richtete ihr Augenmerk auf die körperliche Verfassung des Hiltbert. Balbus suchte den Körper gezielt nach alten Verletzungen und Gebrechen ab. Nebenbei befragte er ihn. Es stellte sich heraus, dass Hiltbert in einer Auxiliareinheit gedient hatte, dann aber wegen ständiger Reibereien mit seinen Vorgesetzten und einer Messerstecherei unehrenhaft entlassen worden war. Deshalb war er zwar ein guter Kämpfer und geübt mit Schert und Schild, doch arm wie eine Tempelmaus. Ihm blieben nur wenig Optionen. Entweder als Hilfsarbeiter mehr schlecht als recht ein Auskommen zu finden, sich als Söldner anwerben zu lassen, wobei ihn germanische Stämme wegen seiner Nähe zur römischen Armee argwöhnisch beäugten, oder aber seinen Leib einem Lanista wie Bato zu verkaufen. Er wählte letztere Möglichkeit.


    Die Untersuchung ergab ein paar kleine Narben, nichts von Belang. Mit seinen knapp 25 Wintern konnte er sich durchaus berechtigte Hoffnungen auf eine Missio nach Ablauf der Gladiatur machen.
    Balbus hatte die normale Untersuchung beendet und kam nun zu seinen speziellen Untersuchungsmethoden.
    "Ich brauche nun noch Urin, Stuhl und vor allem Blut von dir, Hiltbert", sagte er sachlich.


    Hiltbert funkelte den Chirurgicus zornig an. "Was? Was willst du? Spinnst du, Römer?"


    Balbus lächelte ungerührt. "Wenn du als Gladiator akzeptiert werden willst, muss ich sicher sein, dass deine Säfte in Ordnung sind. Also Urin, Stuhl und Blut. Das übernimmt mein Gehilfe hier. Ich werde ihm dabei zusehen, wie er dich zur Ader lässt."


    Dassselbe Lächeln wie er es dem Germanen schenkte, hatte Balbus für seinen Gehilfen übrig. Man konnte meinen ihn feixen zu sehen.

    Als Balbus den Blick seines neuen Gehilfen sah, wurde ihm bewusst, was er gerade gebrüllt hatte. Er fand zwar nichts dabei. Schließlich war es der Job eines Gladiators irgendwann sein Leben in der Arena auszuhauchen, aber hier ging es ja nur um eine Schauprobe.
    "Was glotzt du so, Kaeso? Ich habe mich mitreißen lassen. Das kommt vor. Mit dem Holzschwert ersticht er ihn sowieso nicht. Aber der Junge hat´s drauf! Das wirst du schon noch sehen, du Zimperliese! Und jetzt komm! Unsere Arbeit ruft."


    Der Chirurgicus bahnte sich einen Weg durch die Zuschauer und traf am Ausgang der Arena auf Bato und Pugnax. Man wartete auf die Kämpfer. Astivus ließ sich auf die Schulter klopfen und mit einem gönnerhaften Lächeln klopfte Bato dem Unterlegenen auf die Schulter. Hiltbert schüttelte enttäuscht den Kopf.
    "Mach dir nix draus. Astivus ist ein Ass! Es ist keine Schande gegen ihn zu verlieren. Wenn du deine Armatura ausgezogen hast, gehst du mit dem Chirurgicus in seine Räume und lässt dich untersuchen. Anschließend sehen wir uns in meinen Räumlichkeiten, dann besprechen wir das Geschäftliche."


    Balbus wartete bis Hiltbert seine Rüstungsteile und Waffen abgegeben hatte, dann nahm er ihn mit sich.