Beiträge von Publius Gavius Balbus

    Balbus grinste mit seinen abgebrochenen Schneidezähnen. Er mochte die Kräuterfrau. Üblicherweise hätte er die Steilvorlage genutzt und eine ordentliche Summe verlangt. So aber warf er einen Blick auf die geschundene Seherin und Alpina und nannte dann einen angemessenen Betrag, der jedoch deutlich unter seinen sonstigen Behandlungshonoraren lag.
    "Nachdem ich ja in letzter Zeit häufiger bei dir bin um jemanden zusammenzuflicken oder zu behandeln, könnten wir mal über eine intensivere Zusammenarbeit nachdenken, Alpina? Es gefällt mir hier bei dir"


    Der Chirurgicus sah sich um. Das Haus war geräumig und wie Balbus wusste, bewohnte die Hebamme die eine Hälfte davon alleine mit ihrer kleinen Tochter. Seine Kammer im Ludus war weit weniger bequem. Wenn er sich ein wenig um sie bemühte würde sie ihn vielleicht doch noch in ihr Bett lassen.

    Zwei Zuschauer weniger. Balbus war dankbar sich endlich auf seine Arbeit konzentrieren zu können. Und das musste er.Die Wunde war infiziert und es sah alles nach einer Sepsis aus. Er schaben und reinigte die Wunde, Alpina spülte. Dann verödete er mit der in die Glut gehaltenen Sonde die Blutgefäße.


    Interessiert betrachtete er die Salbe, die die Kräuterfrau gemischt hatte.
    "Myrrhe und Weihrauch, wie mir scheint ist der Reichtum bei dir ausgebrochen, Alpina. Bei uns im Ludus muss Essig ausreichen. Ich kann die Wunde nicht verschließen. Sie muss zuwachsen. Versuchen wir es mit deiner Mischung. Und gib ihr Opiumsaft gegen das Fieber und die Schmerzen. Wenn nötig lass mich nochmal rufen"


    Dann runzelte Balbus die Stirn. "Wer bezahlt mich eigentlich?"

    Balbus war ebenso erstaunt wie Kaeso über die Ansammlung an Leuten in und vor der Taberna Medica. Er ließ sich von der Hebamme ins Bild setzten und besah sich die Patientin. Schnell war klar, dass sich eine der tiefen Wunden, die von innen heraus zuwachsen sollten, entzündet hatten. Die Entzündung überschwemmte den Körper. Wenn er nicht schnell handelte würde sie sterben. Vielleicht sogar trotz seiner Intervention. Es war nicht das erste Wundfieber das er behandelte und er hatte nicht alle seine Patienten retten können.


    Mit einem Blick auf all das, was die Kräuterfrau hergerichtet hatte, machte er sich ans Werk.
    "Ich muss den Abszess eröffnen. Dann spülen wir. Wie ich sehe hast du was vorbereitet. Ich hätte noch was Schärferes, wir werden sehen...."

    Balbus drehte sich zu Kaeso. "Skalpell, Tupfer, Kratzsonde, eventuell das Brenneisen. Besorg Glut!"


    Dann palpierte der Chirurgicus die rote und dick geschwollene Narbe, die an mehreren Stellen suppte. Er verzog das Gesicht als an einer Stelle der Eiter hervorquoll.
    "Nun denn....", Balbus ließ sich von Kaeso ein Skalpell reichen. Die Klinge blitzte auf und fuhr in die gespannte Hautoberfläche. Geschickt wich der Chirurgicus der hervorspritzenden, weißlich-gelben Flüssigkeit aus, die in Richtung seines Gesichtes spritzte.

    Dieser Kaeso nervte. Er hatte ein Tächtelmächtel mit einer der heißesten Frauen der Stadt und zierte sich so, sich ein wenig mit der kleinen Sklavin zu vergnügen. Balbus beschloss sich nicht weiter zu äußern und machte sich stattdessen daran die Fraktur zu reponieren und dann zu schienen. Dafür griff er die Hand der jungen Frau als wolle er sie zur Begrüßung schütteln, die andere Hand fixierte den Ellbogen. Sogleich zog er kräftig. Man hörte ein knirschendes Geräusch, die Sklavin schrie auf. Balbus griff mit der Hand, die den Ellbogen fixiert hatte auf den Bruch und tastete. Unter den schrillen Schreien der Frau schob und zog er noch ein wenig. Jedesmal überprüfte er das Ergebnis. Schließlich nickte er. Während die Sklavin schniefend heulte, wandte sich Balbus an Kaeso.
    "So, jetzt die Schienen und die Verbände!"


    Dann begann er die Schienen anzudrücken und mit geübten Bewegungen den Verband darum zu schlingen. Zuletzt befestigte er die Verbände mit Lederschnüren. Er überprüfte ob die Finger kalt und taub wurden oder dick anschwollen. Als er das alles nicht vorfand nickte er zufrieden.
    "Der Verband darf nicht zu fest sein, sonst wird der Bruch nicht gut versorgt, dann heilt er nicht."


    Mit einem Blick auf die heulende Sklavin nickte Balbus als Kaeso eine Schmerzmedikation vorschlug. Aber nichts teures, dachte er bei sich.
    "Naja, wir können ihr ja ein bisschen Pestwurz geben. Oder Weidenrinde...."
    Man konnte erkennen, dass der Chirurgicus das eher für ein Pacebo hielt.


    "Und was weitere Patientenbesuche angeht... Nein, für heute nicht. Wir kehren zum Ludus zurück, wenn ich meinen Lohn abgeholt habe und gefragt habe ob wir nochmal wiederkommen sollen um die Lage der Verbände und den Heilungsprozess zu überprüfen."

    Mit wehenden Tunikaschößen rannte eine Frau in die Räumlichkeiten des Chirurgicus. Balbus erkannte die blonde Frau als die Gattin des ehemaligen Aedils Helvetius Curio, den er nach einem tätlichen Angriff wieder zusammengeflickt hatte. Überrascht hob er die Augenbrauen. Sie war völlig außer Atem als sie ihn um Hilfe für die Kräuterfrau bat. Wundfieber?
    "Bei einer Wöchnerin? Es scheint eilig zu sein."


    Er drehte sich um und befahl Kaeso: "Pack alle notwendigen Utensilien ein! Chirurgisches Besteck, Heilmittel, Verbände. Und dann komm!"


    Er selbst nahm die atemlose Runa am Arm und schob sie nach draußen. "Erzähl mir auf dem Weg, was sich zugetragen hat und warum ich gebraucht werde."

    Kaesos Überlegungen waren nicht dumm, aber unrealistisch. Er schüttelt den Kopf.
    "Wir werden den Bruch jetzt schienen und dann muss sie sich eben ruhig halten. Sie ist eine Sklavin. Wollen wir mal sehen wieviel sie ihrem Dominus wert ist. Wenn er sie wertschätzt wird er mir auch ein paar Verbandskontrollen bezahlen, wenn nicht..."


    Balbus zuckte die Achseln. Es war ihm eigentlich egal was mit der Sklavin passierte. Meist gaben die Besitzer nicht viel Geld für sie aus. Es sei denn... er betrachtete die genauer. War sie das Betthäschen ihres Herrn? Möglich...
    Plötzlich grinste er diebisch. "Naja, wir könnten auch eine andere Art der Bezahlung vereinbaren. Wehren kann sie sich momentan ohnein nicht."


    Mit seinen abgebrochenen Frontzähnen grinsend blinzelte er Kaeso zu.

    Bedächtig nickte der Chirurgicus. Erstaunlich, wirklich erstaunlich! Kaeso war ein Naturtalent.
    "Ganz recht, Junge! Der Arm ist zweifach gebrochen. Zusammengehalten wird er durch das umgebende Muskelfleisch. Bänder und Sehnen gibt es natürlich auch, aber in diesem Fall halten die nichts mehr. Durchblutet ist der Arm solange keines der scharfkantigen Bruchstücken die Blutgefäße durchtrennt. Aus diesem Grund muss man sie reponieren und schienen."


    Balbus grinste, als Kaeso äußerte, dass er gerne einen aufgeschnittenen Arm betrachten würde.
    "Tja, danke Hekate, dass du in einem Ludus ausgebildet wirst. Vermutlich wirst du bei den nächsten Spielen die Gelegenheit bekommen, anatomische Studien am lebenden Objekt betreiben zu können. Es ist an der Tagesordnung, dass eine Stich- oder Schnittwunde so tief ist, dass du interessante Einblicke bekommen wirst."


    Balbus zeigte auf die Behandlungsmaterialien, die sie mitgebracht hatten.
    "Was brauchen wir hiervon?", fragte der Chirurgicus seinen Gehilfen.

    "Richtig, Kaeso. Durch Ertasten. Die Verdrehung des Armes zeigt, dass der Bruch zumindest disloziert ist, also beide Bruchstücke nicht aneinander stehen. Außerdem ist es durchaus möglich dass es an dieser Stelle mehrere Bruchstücke gibt. Das werden wir untersuchen müssen."


    Während er den nicht so verdrehten Arm der jungen Frau abtastete, sprach Balbus weiter. Die Frau jammerte und weinte vor Schmerz.
    "Ein Schienen der Fraktur ist unerlässlich. Sie wird die Arme nicht viel bewegen und schon gar nicht belasten dürfen für mindestens einen Mond. Wenn man das nicht macht entwickelt sich ein Scheingelenk. Die beiden Bruchkanten verbinden sich nicht und der Körper stellt irgendwann auch den Versuch ein den Bruch zu heilen. Dann würden die Arme nicht mehr zu gebrauchen sein. Sie bleiben instabil. Von Schmerzen ganz abzusehen."


    Balbus nahm sich den anderen Arm vor. Er tastete. Die Frau schrie auf und versuchte den Arm wegzuziehen. Der Chirurgicus war vorbereitet. Er hielt den Arm so fest, dass sie ihm das Körperteil nicht entziehen konnte. Schließlich nickte er. Er hatte ein drittes, kleines Fragment getastet. Dieser Arm war also zweifach gebrochen. Mit einem auffordernden Nicken trat er einen Schritt zur Seite.
    "Und nun du. Sag mir was du tastest. Sind die Arme gebrochen? Und wenn ja, wieviele Bruchstücke sind es jeweils?"

    Balbus zog überrascht die Augenbrauen hoch. Aciliana Phryne. Den Namen hatte er schon gehört. War das nicht die scharfe Geliebte seines neuen Gehilfen? Balbus Neugierde war geweckt.
    "Soso, ein Vieraugengespräch mit Kaeso. Er darf in nächster Zeit den Ludus nicht verlassen. Aus gutem Grund. Wenn die Dame ihn also sprechen möchte, dann wird sie sich wohl oder übel hierher begeben müssen."

    Er war ein helles Köpfchen. Das war es was Balbus wirklich an seinem neuen Gehilfen schätzte. Wenn sich erst der jugendliche Leichtsinn und die Flausen gelegt hatten würde er einen hervorragenden Wundarzt abgeben. Dann konnte sich Balbus mit einer Amphore Wein zurückziehen und Kaeso machen lassen.
    "Wie würdest du es überprüfen, ob die Unterarme gebrochen sind?", fragte der Chirurigicus während er auf den angeblichen Sturz der Frau einging. "Nun ja, es könnte ja sein, dass sie vorwärts auf eine Stufenkante gefallen ist. Durchaus möglich. Ihre Reaktion sagt mir aber was anderes..."


    Balbus machte eine Pause und sah von einer Frau zur anderen. "Eine solche Verletzung ist typisch wenn jemand versucht einen Schlag mit einem Stab oder Stuhlbein abzuwehren. Ich kenne das von den Gladiatoren. Wenn einer der Kämpfer entwaffnet wurde und beispielsweise einen Schlag mit dem Dreizack des Retiarius abwehrt oder ein Kämpfer dem Umbewaffneten die Kante seines Schildes entgegenrammt. Der Umbewaffnete reißt zum Schutz beide Unterarme hoch, vor sein Gesicht. So entsteht eine seitengleiche Frakur am Unterarm. Hier gehe ich davon aus, dass jemand versucht hat die Sklavin mit einem Stecken oder einem Stuhlbein zu vertrimmen, um sie gefügig zu machen."

    Die Spatzen pfiffen es von den Dächern. Die Anklageerhebung, die in der Aula der Regia stattfand, versprach kurzweilig zu werden. Angeklagt sollte ein Verbrecher werden, dem man nachsagte, pervers zu sein und unzählige Weiber im Bett und sonst wo gehabt zu haben. Darunter die mausgraue Hebamme Susina Alpina, deren Gehilfen Balbus inzwischen unter seine Fittiche genommen hatte. Er mochte die Hebamme und wollte wirklich nicht, dass ihr Gewalt angetan wurde. Doch war es auch so gewesen? Die Frau war alleine. Ihr Mann war Soldat und seit Jahren auf irgendeiner Mission in der Ferne. Es konnte doch durchaus sein, dass sie diesen Typ an sich rangelassen hatte und nun, um ihren Ruf zu retten, einen Prozess anstrengen wollte. Balbus hatte jedenfalls vor sich selbst eine Meinung zu bilden.


    Der Auftakt war vielversprechend. Dieser Gurox war sicher in seinem Fäkalvokabular. Balbus grinste. Kurz drauf bestätigte der ungewaschene Kerl, was als Gerücht kursierte. Die Kräuterfrau hatte sich freiwillig mit ihm eingelassen. Interessant war auch, dass dieser Kerl Kaeso als Lustknabe einer Frau namens Aciliana Phryne bezeichnete und ihm vorwarf ihn verraten zu haben. Phryne hieß sie also, die schöne mit dem aufreizenden Körperbau! Aciliana Phryne... gut zu wissen!


    Balbus drängte sich weiter vor. Das alles war so interessant, dass er unbedingt besser hören wollte, wie es weiterging.

    Publius Gavius Balbus und sein Gehilfe Kaeso betraten das weitläufige Haus des Gnaeus Cornificius Durus. Der Custos des Anwesens war vorbereitet und führte die beiden Männer in eine Sklavenkammer nicht weit von der Culina entfernt. Dort lag eine Frau im Bett und ihrem verheulten Gesicht waren die Schmerzen anzusehen. Eine andere ältere Frau saß an ihrer Seite und machte Umschläge an beiden Unterarmen der Liegenden. Sie sprang auf und machte dem Chirurgicus und seinem Gehilfen Platz.


    Balbus nickte der Frau zu. Dann trat er ans Bett und setzte sich auf den Hocker, den die Ältere gesessen hatte. Ganz routiniert fragte er die hübsche, blonde Sklavin.
    "Wie heißt du und was ist geschehen?"



    Mit leiser Stimme antwortete die Sklavin. "Mein Name ist Brinna. Ich.. ich... bin gefallen. Auf ... auf der Treppe."


    Sie wich dem Blick des Chirurgicus aus. Balbus entferte die kühlen Wickel. Beide Unterarme der Frau waren in etwa der Mitte des Umterarmes rot und dick geschwollen. Der linke unnatürlich verrenkt. Balbus kniff die Augen zusammen. "Wie genau bist du aufgekommen?"


    Nun brach die junge Frau in Tränen aus. Sie konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Balbus sah Kaeso an.
    "Komm her, Junge, und sag mir was du siehst."

    Es dauerte eine Weile bis Balbus den Rucksackverband so angepasst hatte, dass die Frakturstufe verbunden war. Zufrieden nickte er.
    "So passt es. In wenigen Tagen wirst du kaum mehr Schmerzen haben. Höchstens bei bestimmten Bewegungen. Naja, drauf liegen wirst du noch länger nicht können. Aber das ist ja wohl nebensächlich. Wir werden den Sitz täglich überprüfen und so lernst du gleich wie man es macht, wenn du es mal bei einem unserer Gladiatoren machen musst. Es ist keine seltene Verletzung im Kampf."


    Zu Balbus Erstaunen schien Kaeso wenig beeinträchtigt von der Verletzung. Er wollte wissen welche Aufgabe er für ihn hatte. Der Chirurgicus nickte ihm zu.
    "Also gut. Ich möchte dass du mich begleitest. Ich bin von einem der angesehenen Bürger der Stadt angefragt ob ich mir eine seiner Sklavinnen ansehen könne. Er ist ein reicher Kaufmann, der über den Rhenus Geschäfte macht. Es soll sich um Verletzungen an beiden Armen handeln. Ein Sturz auf der Treppe. Es ist nicht so gut wenn du die Kiste mit den Instrumenten, Medikamenten und Verbänden trägst. Das könnte die Heilung beeinträchtigen. Aber auf einem Wagen ziehen - das ginge. Ich habe dir einen Leiterwagen organisiert. Komm, lass uns gehen!"

    Als Balbus an diesem Tag einen seiner Gladiatoren eingerenkt hatte, der sich bei einem Trainingskampf einen Hexenschuss zugezogen hatte, traf er mit einem bulligen Kerl zusammen, der vor dem Behandlungsraum wartete. Mit Stirnrunzeln fragte er den Mann nach seinem Begehr.
    "Was willst du?"

    Kaeso stellte eine kluge Frage. Balbus gab nur ungern zu, dass sich sein neuer Gehilfe als durchaus klever erwies. Er grinste mit seinen abgebrochenen Zähnen.
    "Zunächst ist der Schmerz zu groß für eine solche Manipulation. Wobei ich es schon hätte machen können. Doch ich hatte das Gefühl, dass dein Körper zunächst mit den vielen anderen Verletzungen und Prellungen fertig werden musste. Jetzt ist der erste Schmerz der multipen Prellungen abgeklungen, da kann ich den Rucksachverband anlegen ohne dir zu viel Schmerzen zuzufügen. So schnell bildet sich kein neuer Knochen 1-2 Tage nach dem Ereignis ist völlig ausreichend."


    Er ließ Kaeso seine Tunika ausziehen und palpierte mit den Fingern die Clavicula. Dabei fand er die frakturierte Stelle indem er den linken Arm des Gehilfen nach unten zog. Dadurch wurde die Stufe, die durch die Fraktur entstanden war, sicht- und fühlbar. Kaeso stöhnte schmerzerfüllt auf. Balbus ließ kurz im Zug nach. Er nahm Kaesos Rechte und legte sie auf die Stelle.
    "Hier, fühl selbst!"


    Noch einmal zog Balbus an Kaesos Arm. "Spürst du die Stufe? Ich werde dir jetzt aus diesem Lederriemen zwei Schlingen um die Schultern legen und über dem Rücken gekreuzt binden. Dabei muss ich mehrfach tasten ob die Stufe schon verschwundne ist. Bis beide Frakturpartner glatt aneinander liegen. Dann kann der Knochen heilen. Wir werden den Sitz des Verbandes täglich überprüfen müssen."

    An diesem Morgen war Balbus mal nicht so verkatert. Er hatte den vergangenen Abend nicht gezecht, sondern sich mit dem Lanista Bato über die möglichen Gladiatorenpaarungen für das anstehende Ludus unterhalten. Sie hatten selbstverständlich nicht auf dem Trockenen gesessen, doch Balbus hatte sich zurückgehalten und diese Abstinenz bescherte ihm einen leichten und schmerzfreien Kopf.


    Er schlenderte pfeifend zum Behandlungsraum. Kaeso saß davor und wartete. Balbus grinste ihn fröhlich an und klopfte ihm freudschaftlich auf die zum Glück nicht verletzte Schulter.
    "Sol zum Gruße, Kaeso! Frisch ans Werk! Na, dann wollen wir dir mal einen hübschen Rucksackverband machen."


    Balbus öffnete die Tür und ließ Kaeso eintreten. Er griff sich einen festen Lederriemen und eine Wachstafel. Dann begann er die Anatomie des Schultergelenks aufzuzeichnen und zu benennen.
    "Das ist das Akromion", sagte er zum Dach des Schultergelenks. "Und dieses hier ist die Clavicula - das Schlüsselbein. Und hier drüben ist das Sternum - das Brustbein. Wenn die Clavicula bricht, dann zieht das Gewicht des Armes den lateralen (seitlichen) Anteil der Clavicula hinunter. Der mediale Anteil, der am Sternum mit Bändern befestigt ist, bleibt oben stehen. Dadurch kann der Knochen nicht zusammenwachsen. Es entsteht ein Scheingelenk und eine Instabilität."


    Der Chirurgicus glättete mit dem Ende des Stylus die anatomische Darstellung der Clavicula, zeichnete eine Fraktur ein und dabei die verschobenen Teile des Schlüsselbeins. Dann sah er Kaeso ernst an.
    "Damit die Fraktur heilen kann, müssen beide Knochenteile aneinanderstehen und auch so bleiben. Kannst du mir folgen, Kaeso?"

    Balbus musste grinsen als sein junger Gehilfe zum wiederholten Male versuchte, ihm das Herrichten als Weib als Kultausübung zu verkaufen. Doch was ging es schließlich ihn an. Solange Kaeso nicht im Kleid zur Arbeit erschien. Er zuckte also die Achseln.
    "Hör zu, Kaeso! Solange du nicht im Kleid zum Dienst erscheinst und deine Arbeit ordentlich erledigst, gibt es nichts weiter zu besprechen. Ich werde dir keinen dieser Lüstling auf den Hals jagen."


    Der Chirurgicus sah sich feixend um. "Allerdings wirst du lernen müssen, dich selbst zu wehren. Aber das ist jetzt nicht das Thema. Eingeschlossen hatte ich dich, weil du im Opiumrausch warst. Du warst nicht Herr deiner Sinne. Es bestand die Gefahr, dass du dich und andere verletzt während du wie wild um dich schlägst. Das hast du im Wahntraum nämlich gemacht. Außerdem habe ich dich hier besser unter Kontrolle. Ich verbiete dir noch einmal eigenmächtig an meinen Arzneischrank zu gehen! Werde ich dich noch einmal dabei erwischen, dass du dich bedienst ohne mich um Erlaubnis zu fragen, bist du die Stelle als Gehilfe los! Ich hätte dir selbstverständlich was gegen die Schmerzen gegeben, wenn du mich gefragt hättest. Wohldosiert! Aber so viel Mumm hattest du wohl nicht in den Knochen!"


    Knurrend drehte sich der Chirurgicus um. "Genug jetzt. Frag in Zukunft wenn du etwas brauchst. Für mich ist die Sache damit erledigt."

    Als Balbus von seinem Tagwerk zurück in die Unterkünte der Gladiatoren kam und nach seinem Gehilfen guckte, fand er diesen auf dem Bett sitzend.
    Der Chirurgicus schloss das Gitter auf.
    "Komm raus, Kaeso! Ich hab die Faxen dicke. Es wird Zeit, dass du dich ans Arbeiten gewöhnst! Richtig arbeiten! Morgen früh mache ich dir einen Rucksackverband. Dann lernst du gleich wie man so eine Claviculafraktur versorgt. Und dann wird gearbeitet. So wie es sich gehört. Ich werde dir in den kommenden drei Monden keinen Tag freigeben und auch die Abende an denen du Freigang hast werden sich an einer Hand abzählen lassen. Und wehe du schleichst dich davon! Dann bist du den längsten Tag Gehilfe des Chirurgicus Publius Gavius Balbus gewesen. Dann kannst du dir deine Karriere in den gepuderten A... stecken, du kleine Tunte!"


    Die Zornesfalte auf der Stirn des Römers war tief und eindruckvoll. Er meinte genau was er sagte.
    "Drüben, im Aufenthaltsraum der Gladiatoren gibt es noch Fleischsuppe. Das ist was für dich. Stärkt die Knochen. Das kannst du brauchen. Hol dir da noch einen Teller und dann will ich dich für heute nicht mehr sehen. Morgen zur Hora prima bist du bereit. Verstanden?"

    Balbus stellte fest, dass Kaesos Erektion zwar verschwand, aber der Junge immer noch nicht erwachte. Er schien noch immer tief im Reich der Träume zu sein. Balbus kniff die Augen zusammen. Eigenartig.
    Er trat auf Kaeso zu und kniff ihn in den Arm. Als das nur eine ungezielte Abwehrreaktion hervorrief ohne ein Erwachen nach sich zu ziehen, öffnete Balbus dem jungen Mann gewaltsam das linke Auge. Obwohl nun LIcht in Kaesos Auge fiel verengte sich dessen Pupille nicht. Teichgroß und schwarz starrte ihn das Auge an ohne zu fixieren. Bei Medea! Dieser kleine Mistkerl war an seinem Medikamentenschrank gewesen! Belladonna oder Opium? In jedem Fall ein hochwirksames Alkaloid. Mandragora? Verflucht! Er sollte diese Arzneien mit einem Schloss sichern. Balbus nahm sich vor eine entsprechende Truhe anzuschaffen. Nun aber musste er zunächst den Jungen ausnüchtern.


    Es gab nicht viel was man gegen den Rausch aus den Tränen des Schlafmohns und dem dazugehörigen Entrückungszustand machen konnte. Balbus beschloss Kaeso wieder in die Zelle zu verfrachten, die er für die Schwerverletzten bereit hielt. Dieses Mal würde er absperren, damit der Junge ihm nicht entkam wenn er nüchtern wurde.
    Balbus rief ein paar starke Helfer und die trugen den träumenden Kaeso in die Ausnüchterungszelle.


    Balbus widmete sich währenddessen dem Tagesgeschäft. Es war an der Zeit, dass er mit Kaeso ein ernstes Wort sprach. So einen Gehilfen konnte er nicht brauchen. Einen der entweder in Weiberkleidern zu ekstatischen Klängen tanzte oder sich dem Drogenrausch hingab. Da führte kein Weg hin.
    Missmutig stapfte Balbus über den Hof des Ludus zur Palaestra. Er wollte sehen wie sich die Hand des Gladiators machte, die erst kürzlich noch eitrig gewesen war.

    Kaeso war so gut wie unsichtbar in diesen Tagen. Balbus konnte es ihm nicht verdenken. Der Denkzettel war deutlich gewesen und den Chirurgicus war zudem klar, dass einige seiner Schützlinge, die auf hübsche Jungs standen, die offen ausgesprochene Tatsache, dass Kaeso gerne Weiberkleidung trug und von ihm als Tunte bezeichnet worden war, als direkte Aufforderung betrachteten.
    Vermutlich musste Kaeso seine Wunden lecken und ließ sich sein bestes Stück noch einmal von der schönen Priesterin polieren bevor man ihm einen Prügel in den Hintern schob.


    Mürrisch und mal wieder verkatert suchte der Chirurgicus nach seinem Gehilfen. Er öffnete ohne anzuklopfen die Kammer des jungen Mannes und fand diesen, immer noch reichlich verbeult aussehend auf seinem Bett liegend vor. Offenbar träumte er wild, denn er bewegte fuchtelnd die Arme und murmelte Unverständliches. Der deutlich erkennbaren Erektion unter seiner Tunika entnahm Balbus, dass er einen erotischen Traum hatte. Dir werde ich helfen! Statt zu arbeiten pflügst du deine Kybelehure im Schlaf!
    Gehässig grinsend nahm der Chirurgicus die Kanne mit Wasser, die neben Kaesos Bett stand und goß den Inhalt mit Schung auf die erwartungsfrohe Männlichkeit des Gehilfen.