Tiberios sah auf seine Hände, die auf dem Tisch lagen und überlegte, was er denn antworten wollte.
Bisher in seinem Leben war ihm stets gesagt worden war, wohin er zu gehen, wo er zu schlafen, was er essen, was er zu arbeiten hatte und wem er angehörte. Auf gewisse Weise hatte er sich um existenzielle Fragen nie Gedanken machen müssen, jetzt aber lag der graue Blick des Dominus Cerretanus, der den weiten Weg gekommen war, auf ihm und ebenso sahen ihn die braunen Augen seiner neuen Domina an.
Sie waren freie römische Bürger und warteten doch darauf, dass er, der griechische Sklave, über sein eigenes Schicksal entschied. Sie hätten ihn mitnehmen, einsperren oder sich vor Gericht um ihn streiten können, doch das taten sie nicht. Sie waren edelmütige, großherzige Menschen, alle beide. Tiberios liebte sie. War es das, weshalb seine Tyche ihn nach Caesarea geführt hatte? Um ihn zu lehren, eine Entscheidung zu treffen? War auch so etwas ein Teil der Freiheit? Etwas aufgeben zu müssen, um etwas anderes nicht zu verlieren?
Tiberios dachte an Domina Stella und Dominus Aulus, an die Casa Furia in Roma, und einen Moment lang an all die Möglichkeiten, die ihm Roma eines Tages, wenn er älter wäre, bieten würde. Er wäre nicht der erste Grieche, der aus dem unfreien Stand zu Ansehen gelangen konnte.
Und dann dachte er an sein Leben hier in Caesarea, welches so viel einfacher war, an das tiefe Gefühl der Zufriedenheit, das ihn zuweilen überkam, wenn er den Hühnern Körner hinstreute und er auf die Berge in der Ferne blickte oder wenn er den Hof fegte, an die wohlige Müdigkeit, die er abends fühlte, weil er umher gelaufen war und nicht, weil er sich den Kopf zerbrochen hatte und daran, dass er hier einfach Tibi war und Demetrios wie ein Vater oder guter Onkel. Demetrios würde vielleicht auch nicht mehr lange leben, da konnte er sich nichts vormachen. Würde Tiberios nach Roma zurückkehren, würde er unter dieser Sonne Demetrios nie wieder sehen.
Der Grieche ging auf die Knie, wie er es in Alexandria getan hatte und hob beide Hände, um um Gnade zu bitten:
"Dominus Cerretanus, ich danke dir dafür, dass du gekommen bist.", sprach er:
"Aber... ich möchte eigentlich noch nicht fort von hier. Ich glaube, ich sollte gerade hier sein.", er warf einen Blick zu Domina Proxima, die gesagt hatte, sie wolle ihn nicht verkaufen:
"Ich glaube auch, dass wir alle glücklicher sind wenn alles so bleibt wie es gerade ist.", endete er und wartete darauf, dass jemand das Wort an ihn richtete.