Beiträge von Sofian

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    Sofian hockte noch immer vor dem Jungen, der sich nun unter den Händen des Sklaven, der ihn hielt, wand. Die Tränen rannen hemmungslos und vollkommen offen über seine Wangen und einen Moment lang hatte es den Anschein, als würde er den Worten, die die junge Herrin nun sprach gar nicht zuhören. “Beruhige dich!“, sagte Sofian wieder sanft, wobei er seine Hand hob, um dem Jungen sachte über den Haarschopf zu streichen, was allerdings nicht gelang, da dieser den Kopf rasch zur Seite wendete. Sofian wusste sehr gut, dass Familien mit vielen Kindern, welchen der Vater fehlte in dieser Stadt oftmals nicht viele Möglichkeiten hatten und wenn der Junge nicht log, so war ein Großeteil der Familie auch noch erkrankt. Dennoch wäre es vielleicht möglich, eine Arbeit für ihn zu finden, die allen aus dem Gröbsten heraus half, auch wenn es gewiss nur ein Tropfen auf einem heißen Stein wäre.


    Als Sisenna sagte, dass die kranken Familienmitglieder nicht gleich sterben würde, schluchzte der Junge wieder auf, jedoch schaute er nun der kleinen Herrin entgegen, um ihr nun tatsächlich zuzuhören. Dabei war erkennbar, dass sich ein wenig Hoffnung in seine Miene geschlichen hatte. Besonders, als die kleine Herrin nun den Medicus erwähnte, den sie vorbeischicken wollte. Dann sah Paullus auf die Hand, die sich ihm entgegen streckte, während er sich die Tränen aus dem rechten Auge wischte. Zögerlich hob er nun die linke Hand und ließ den Geldbeutel los, sodass er auf Sisennas Handfläche landete. Dass es ihm nicht wirklich recht war, konnte man nun ebenfalls an seinen Gesichtszügen ablesen.


    “Und wer ist dein Onkel?“, wollte er dann wissen. “Und was ist mit meinem Geschwistern, während ich arbeite? Ich kann sie nicht alleine lassen.“ Nun sah er Sofian an, der ihm bestätigend zunickte. Der Junge tat ihm leid und dennoch war es gewiss nicht recht auf dem Markt stehlen zu gehen. “Du kannst der jungen Herrin ruhig vertrauen,“ sagte er dann sanft und lächelte dabei. Hoffnungsvoll richtete Paullus Blick wieder auf die kleine Claudierin und man konnte erkennen, dass auch ein gehöriges Maß an Entschlossheit hinzu trat. “Ich bin Paullus Faberius und ich werde bestimmt nicht dein Sklave werden!“ Seinen Kopf erhob er nun etwas stolz, auch wenn der Kontrast zum verheulten Gesicht ein wenig verzweifelt wirkte. Sofian legte Paullus die Hand auf die Schulter und bedeutete dem anderen Sklaven, dass er den Jungen loslassen sollte. Er war noch immer umringt und würde gewiss nicht so schnell davonrennen können.

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    Es war wirklich dreist, in aller Öffentlichkeit Geld zu stehlen und es nicht herauszurücken, obwohl man in der Falle saß. Sofian hatte nur ruhig genickt, als sich seine kleine Herrin bei ihm rückversicherte, ob er die Worte des Diebes gehört hatte. Die junge Claudia ärgerte sich. Vollkommen zurecht, doch galt ihre größte Sorge noch immer den Tieren, die sie kaufen wollte. Wieder nickte Sofian und spürte die kleine Hand, die sich an seiner Tunika verkrallte und daran zog. “Wir werden Tiere kaufen!“, bestätigte er dann, ehe Sisenna ein ernstes Wort an den Jungen richtete, der sich nun mit dem Rücken gegen die Mauer presste. Sie erklärte ihm, dass man fremdes Geld nicht nehmen durfte. Sie selbst dürfe es nicht einfach von ihrem Onkel nehmen. Man müsse fragen oder es sich verdienen. Der Junge, der bei näherer Betrachtung eine recht ärmliche Erscheinung war, verzog das Gesicht, als könne er die Worte kaum glauben. Sein Gesicht war schmutzig, das Haar strähnig und seine Tunika wirkte an einigen Stellen recht zerschlissen.


    Man erkannte auch deutlich, dass ihm bereits die Tränen in die Augen traten, die darunter verdächtig zu schimmern begannen. Die Geldbörse drückte er sich noch weiter an die Brust. “Tiere kaufen?“, fragte er dann mit ein wenig Panik in der Stimme. Dann glitt sein Blick flüchtig über die anwesende Sklavenschar und richtete sich dann wieder auf Sisenna. “Ich habe schon gebettelt!“, stieß er dann beinahe atemlos hevor. “Was soll ich tun? Mein Vater ist tot und Mutter, Ati und die Zwillinge sind krank!“ Verzweiflung brach wieder aus seiner Stimme hervor und nun floss die erste Träne. “Titus und Livia können nicht arbeiten, die sind noch viel zu klein. Wer soll sich um die Familie kümmern?“ Hastig und fast schon in Ärger über die Tränen, wischte er sich diese fort. “Ich bin der Älteste und muss auf Livia und Titus aufpassen und Geld beschaffen!“, sprach er dann deutlich aggressiver weiter, doch es war nur weitere Hoffnungslosigkeit, die aus ihm sprach. “Wir brauchen Essen, Medikamente und einen Heiler!“ Mit seiner Selbstbeherrschung war es nun fast vorbei. “Was ist denn, wenn Mutter und Ati sterben?“, heulte er nun, stieß sich unter einem heiseren Schrei von der Wand ab und rannte gegen einen der Sklaven, den er mit seinen Fäusten versuchte, zur Seite zu drängen. Dieser jedoch hielt den Jungen fest. Sofian löste sich von Sisenna und trat ebenfalls auf den Dieb zu.
    “Hey!“, sprach er ihn mit beruhigender Stimme an. “Jetzt beruhige dich doch!“ Der Dieb begann nun hemmungslos zu weinen, während der andere Sklave ihn an den Armen festhielt. Sofian blickte zu seiner kleinen Herrin hinüber, der er weiterführende Dramen gerne ersparen wollte. Doch dafür war es nun schon fast zu spät.

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    Es geschah nicht häufig, dass Sofian das Wohl seiner kleinen Herrin vollkommen in den Hintergrund drängte, doch dieses Mal war es so weit. Mit dem Hoffen darauf, dass die kleine Claudia ihnen allen folgen konnte, war er dem Dieb nachgejagt. Dieser war in der Tat nach links gehastet und er rannte weiter. Hinter sich hörte Sofian Sisenna rufen, doch was sie sagte drang kaum zu ihm vor. Seine Aufmerksamkeit lag voll und ganz auf dem Knaben, der nun einige Bretter umwarf, welche an eine Wand gelehnt dagestanden hatten. Sofian sprang einfach über diese hinweg, auch wenn eines dieser Bretter sein Schiebein touchierte, was augenblicklich einen infamen Schmerz herauf beschwor. Selbst darauf wollte er sich nicht einlassen. “BLEIB ENDLICH STEHEN!“, brüllte er stattdessen, nun seinerseits wütend. Die Schritter hinter ihm kamen immer näher. Das mussten die anderen claudischen Sklaven sein und hoffentlich auch Sisenna! Dann, recht abrupt, war die Hatz vorbei. Drei Häuserwände trafen aufeinander, was die kleine Gasse zu einem Ende kommen ließ. Unrat und einiges Brackwasser war auf dem Boden und trotz der Sonne herrsche nun ein wenig Zwielicht in diesem Schatten der schönen Roma. Der Junge fluchte laut und fuhr herum. Seine Wortwahl ließ dabei eher auf einen Haudegen von einem Tavernenbesitzer schließen als auf ein Kind. Sofian blieb stehen. Nun, da der Knabe nicht mehr entkommen konnte, schaute er zurück und erblickte seine Herrin, die lautstark eine Strafe gefordert hatte. Auch die andern Sklaven bildeten nun soetwas wie eine vierte Wand, durch welche der Dieb nicht mehr hindurch konnte. Er saß in der Falle.


    Auch Sofians Atem ging nun schnell und hastig und er fuhr sich durch sein dichtes, langes Haar. Dann schnaubte er aus. Nun, von Nahem betrachtet, sah der Bursche noch jünger aus als neun, doch in Wirklichkeit hatte Sofian keine Ahnung. Seine Kenntnisse mit Kindern beschränkten sich auf seine Herrin, wo die Frage nach dem Alter kein Thema war. Er trat einen Schritt vor und auf den Jungen zu, der nun zurückwich und recht bald gegen die Wand stieß. “Gib das Geld zurück!“, forderte er. Sofian konnte genau sehen, dass der Bursche den Geldbeutel noch in der Hand hielt. Doch während sich in seinem eigenen Gesicht eine gewisse Wut und Gereiztheit spiegelte, war es im Gesicht seines kindlichen Gegenübers nun Trotz und auch ein gehöriges Maß an Verzweiflung. “Mache ich nich‘! Schlag‘ mich doch!“, brachte er heraus, als wolle er die Worte Sofian vor die Füße spucken. “Schmeißt mich vor die Löwen, ich geb‘ das Geld nicht her!“ Wie zur Untermauerung seiner Worte, presste er nun den Geldbeutel an seine Brust. Sofian ging noch einen Schritt auf ihn zu, jedoch lag ihm wenig daran, nun überbordende Gewalt anzuwenden. Sicher musste der Junge die Beute herausrücken. “Geh‘ weg!“, erklärte der Junge nun wieder, jedoch schon mit deutlich brüchigerer Stimme. “Ich brauch‘ das Geld doch!“ Sofian sah seiner jungen Herrin entgegen. Natürlich wäre es wohl kein Problem, hier wirksam einzugreifen und dem Knaben den Geldbeutel zu entwenden. Das ging sicherlich ohne großartige Schläge. Auch die Sklavenschar war nun näher heran gerückt. Doch wie auch immer. Ihre Beute saß in der Falle und wie es aussah, erging sie sich nun in einem Schluchzen, wobei sie ihnen allen dennoch tapfer entgegen schaute.

    Es war kein Wunder, dass der jungen Domina das steigende Pferd besonders gut gefiel. Doch dieses nun als Geschenk zu erwerben und obendrein auf dem Tiermarkt noch echte Schafe und Ziegen zu kaufen, würde wohl nun ein schwieriges Unterfangen werden. Nicht wegen dem Preis, nach dem sich die Herrin Sisenna noch erkundigt hatte, sondern wegen der Tatsache, dass nun an seinem Gurt keine Spur von einem Geldbeutel verblieben war. Sofian klopfte ein paar Mal gegen die Stelle, an der er sich eigentlich immer befand und unter weiterem Klopfen prüfte er, während seine kleine Herrin sich nun über seinen Ausruf verwunderte, ob dieser vielleicht verrutscht war, doch es änderte nichts. Das Geld war gestohlen worden. Ja, sie mussten es zurückholen und Sofian nickte Sisenna zu, ehe seine Blicke wieder in der Richtung waren, in welche der kleine Strauchdieb in der Masse verschwunden war. “HALTET DEN KLEINEN DIEB!“, brüllte er dann laut und für alle vernehmlich los und setzte sich augenblicklich in Bewegung, wobei er die Umstehen einfach zur Seite stieß. Auch die Sklaven-Gefolgschaft der jungen Herrin folgte nun, wobei Sofian entigng, ob auch Sisenna selbst schritthalten konnte.


    Immer wieder stieß er den ein oder anderen Leib davon und recht zügig bildete sich auch eine kleine Gasse zwischen den Umstehenden, sodass man den Dieb nun erblickten konnte. Dieser war recht schnell gegangen – so schnell es dichter Trubel auf dem Markt nun einmal zuließ – doch nun drehte er sich herum, erspähte Sofian und setzte sich neuerlich in Bewegung. Er war schon am Rande der Menge angekommen und versuchte nun, sich in eine Seitengasse zu schlagen. Sofian war ihm auf den Fersen, wild entschlossen ihn nicht aus dem Blick zu lassen. “ACHTET AUF DIE JUNGE HERRIN!“, brüllte er dann zu irgendeinem aus dem Gefolge. Dann rannte auch er in die Seitengasse hinein. Hier war der Boden feucht und glitschig und zwischen den engen Hauswänden spannten sich Wäscheleinen von Fenster zu Fenster. Eine Katze, die vor einer Tür Siesta gehalten hatte, stürzte unter einem lauten Schrei davon und eine alte Dame zog sich rasch hinter ihre Tür zurück, als würde sie vermuten, dass jemand auch sie überfallen würde. “BLEIB STEHEN!“, brüllte Sofian laut, doch der Junge – ein etwa neunjähriges Kind – rannte einfach weiter und schlug einen Haken nach links, in eine noch engere Biegung, die allerdings in eine Sackgasse zu führen schien.

    “Ach, blinzeln! Natürlich!“ Sofian hatte genickt, als ihm seine kleine Herrin nun erklärte, dass Holz nicht zwinkern konnte. An dieser Stelle aber war es schon besser gewesen, nicht darauf einzugehen und die Belehrung dankbar hinzunehmen. Sisenna mochte es überhaupt nicht, wenn man mit ihr Scherze trieb und selbst wenn sie nur den Verdacht hegte, konnte es durchaus ungemütlich werden. Auch wenn sie noch so klein und jung war. Dann resümierte sie seine Aussage und dachte über Lämmer, Zicklein und Fohlen nach. “Nein, Fohlen werden in der Regel nicht geopfert,“ meinte er dann fest. “Pferde sind höhere Tiere und man braucht sie doch, um auf ihnen zu reiten.“ Am Stand angekommen, erhob sich Sisenna auf die Zehenspitzen und überschaute so die Ware am Stand. In der Tat waren exotische Tiere ebenso zu finden wie die einheimischen und sie alle schienen von routinierter und überaus künstlerischer Hand hergestellt worden zu sein. Sofian staunte nicht schlecht. Etwas weiter hinter dem Stand, auf einem Schemel an einer Mauer hockend, saß ein älterer Mann, der mit nichts als einem Messer diese fantastischen Tiere aus einem Stück Holz schnitzte. Gerne wäre Sofian näher zu ihm getreten und hätte sich mit ihm unterhalten. Sein Herz schlug immerhin sehr für Holzarbeiten und Statuen. Genauso sehr wie für das Zeichnen und die Kunst im Allgemeinen. Deshalb war er auch ein wenig abgelenkt, als seine Domina ihn nun ansprach.


    Schnell war aber seine volle Aufmerksamkeit wieder bei ihr und ihrer Frage. Was ihm gefallen würde, wenn er eine Frau wäre? Sofian lächelte überrascht und lachte dann leise auf. “Wenn ich eine Frau wäre?“ Diese Frage hatte er sich noch nie gestellt, denn sie war so weit weg gewesen wie der Mond. “Ich….ahm…,“ wieder musste er leicht auflachen. Doch dann überlegte er schnell, da sich Sisenna mit dieser Reaktion ganz sicher nicht begnügen würde. “Ich denke, ich würde einen Löwen haben wollen. Oder ein traumhaft schönes Pferd...“ Er deutete auf einen wunderschöne Statuette, die ein steigendes Pferd mit wehender Mähne und Schweif darstellte. “Dieses würde mir sehr gefallen,“ erklärte er. Er bemerkte dabei nicht, dass am anderen Ende des Standes sich jemand ebenfalls einen Weg durch die Menge bahnte. Man sah ihn jedoch auch nicht sonderlich gut, da es diesem Jemand noch gehörig an körperlicher Größe fehlte. Doch die Interessenten merkten es wohl, denn sie schauten auf einmal verärgert drein und murmelten neuerlich. Sofians Blicke waren noch immer auf den Stand und das Pferd gerichtet, als nun auch er spürte, dass jemand gegen ihn rempelte. Überrascht schaute er nun zur Seite, doch er entdeckte auf Anhieb niemanden. Wie von selbst aber tasteten seine Hände hin zu dem Gurt, an welchem er für gewöhnlich die Münzen in einem Lederbeutel bei sich trug. Kurz schaute er erschrocken drein, doch dann entdeckte er den Dieb. Auf kurzen Beinen sah er ihn geschickt davon huschen, denn nicht einmal die anderen Sklaven schienen etwas zu erahnen. Ein Kind? “Das Geld!“, schnappte Sofian nun. “EIN DIEB!“, stellte er nun laut und deutlich fest und schaute in die Richtung, in die dieser verschwunden war.

    Sisenna war ihre Enttäuschung, dass an dieser Stelle keinen echten Tieren geben würde, deutlich anzusehen. Immerhin sollten Tiere warm sein und über die Fähigkeit des Zwinkerns verfügen. Sofian musste grinsen, als der dies vernahm. “Zwinkern?“ hakte er dann noch einmal nach und nickte dann noch immer amüsiert. Dennoch wollte er keinesfalls den Anschein erwecken, dass er einen Versuch unternahm, sich über die kleine Herrin lustig zu machen. “Verzeih‘, junge Herrin, aber ich habe gerade versucht mir vorzustellen, wie es wäre, wenn all diese Holz- und Keramiktiere den Käufern zuzwinkern.“ Hätten sie diese Fähigkeit, wären sie vielleicht sogar für Sisenna interessant gewesen, doch so waren sie es jedenfalls nicht. Sofian folgte der Claudierin an den Stand, während die anderen Sklaven ihr Platz verschafften. Einige Menschen, die auf diese Weise angerempelt und davon geschoben wurden, blickten wütend drein oder begannen zu murren, doch seine Aufmerksamkeit war ganz bei Sisenna. Natürlich würde sie niemals ein Tier verschenken oder eines übel behandeln. Nicht einmal mit ihren Bienen hatte sie das getan, was eine Episode war, über die er sich heutzutage köstlich amüsieren konnte, auch wenn ihm die Angelegenheit damals mächtig Schweiß auf die Stirn getrieben hatte.


    Ein wenig hatte er sich zu Sisenna hinunter geneigt, als diese nun flüsterte, dass manche Menschen Tiere einfach schlachten würden. Auch er nickte nun seriös und blickte bedauernd drein. Leider schmeckten einige Tiere mit den richtigen Gewürzen auch gut, was ein Kommentar gewesen wäre, den er aber besser für sich behielt. “Natürlich werden wir dann Tiere suchen,“ versprach er. “Zu dieser Jahreszeit wird es viele kleine Lämmer und Zicklein geben. Vielleicht auch das ein oder andere Fohlen.“ Auch kleine Kätzchen hatte er auf dem claudischen Anwesen schon gesehen, die mir ihren stolzen Müttern die Umgebung erkundet hatten. “Bestimmt sind aber die Tiere am Stand, die nicht echt sind ein recht gutes Geschenk,“ sagte er. “Da sind auch Tiere dabei, die man nicht so leicht auf dem gewöhnlichen Tiermarkt kaufen kann. Elefanten und Giraffen!“ Erst jetzt fiel ihm auf, dass er hoffentlich nichts Falsches gesagt hatte. Der Dominus wäre sicherlich überhaupt nicht erfreut, wenn sich aufgrund dieser Bemerkung bald wilde Tiere aus Afrika in seinem Garten aufhalten würden.

    Sofian hatte grinsen müssen, als die junge Herrin sich in Abetracht der Garküchen die Nase zuhielt, was quasi eine Steigerungsform des Naserümpfens war. Auf ihre Behauptung hin, dass es stinken würde nickte er dann aber geflissentlich und setzte eine ernste Miene auf. Eigentlich roch es recht doch recht vielversprechend nach ein wenig gebratenem Fleisch, sofern man den Hunger hatte. Gerüche waren immerhin schon immer ein Lockmittel gewesen, mit welchem die Küchen hantierten und sah in der claudischen Culina nicht einmal anders aus. Er zumindest fühlte sich stets von derartigem angelockt.


    Erst jetzt fiel ihm auf, dass Sisenna ob ihrer Größe die Tierfiguren gar nicht sehen konnte und nun nahm sie fälschlicherweise auch noch an, dass es sich um echte Schafe, Ziegen und Ponys handelte. Auf jeden Fall war sie sogleich Feuer und Flamme und wollte all diese Tiere retten. Als sie sich vor die Stirn schlug und zum Tiermarkt wollte musste Sofian unwillkürlich ein weiteres Mal grinsen. “Der Tiermarkt ist ein ganzes Stück entfernt von hier,“ erklärte er dann. “Ich meinte eher die Tiere, die dort drüben am Stand zu finden sind. Tiere aus Holz und Keramik.“ Zur Sicherheit deutete er nun noch einmal zum Händler hinüber, auch wenn dies gewiss nichts bringen würde. Zumindest nicht so, denn die junge Herrin konnte es wohl noch immer nichit überblicken. “Gehen wir doch einfach mal hin und gucken und das an,“ schlug er vor. “Vielleicht ist ja ein schönes Stück dabei, das als Geschenk passend wäre. Ich denke nicht, dass man heutzutage noch echte Tiere verschenkt, zumal man ja auch gar nicht weiß, wie die Leute diese dann behandeln.“ Von seiner Seite aus war es jedenfalls ein Versuch, die Suche nach einem tatsächlichen Tiermarkt zu unterbinden, auch wenn man bei Sisenne nie wissen konnte. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte...

    Es war nun eine kleine Weile, seit er in der Stadt gewesen war. Eine schlimme Erkältung hatte Sofian für eine Weile zurück gehalten, doch war die körperliche Ruhe, die diese mit sich gebracht hatte vielleicht gar nicht so übel gewesen. Zumindest hatte er auf diese Weise Zeit, um gewisse Dinge seiner Vergangenheit für sich zu ordnen und mit seinem weiterem Los im Leben Frieden zu schließen. Seine kleine Herrin Sisenna war ihm dabei sowieso schon stets eine große Hilfe gewesen und Sofian hätte sich nicht ausmalen wollen, wie schwer sein Schicksal wohl unter Knute von irgendwem sonst gewesen wäre. Nein, auch wenn das Leben ihm übel mitgespielt hatte, hätte es noch sehr viel schlimmer kommen können. So hatte er auf jeden Fall noch die Chance nach seiner Familie zu suchen und ein Leben zu führen. Dass er auch hätte tot sein können, hatte sich spätestens in den Wirren des Aufstandes herausgestellt.


    Nun aber war er wieder bei Kräften und schon die ganzen letzten Wochen hatte er eine große Lust verspürt wieder zu zeichnen. Allein von seiner kleinen Domina hatte er inzwischen eine große Menge Skizzen und Bilder angefertigt und ganz klammheimlich hatte er sich sogar daran gemacht, ihr Bildnis in Stein zu bannen, wann immer er dafür die Möglichkeite fand. Natürlich hatte Sisenna heraus gefunden, dass er ihr irgendetwas verheimlichte, denn schließlich hatte sie eine Nase für derartiges, doch bisher hatte er es ihr immer verschwiegen, so gut es eben möglich war. Immerhin sollte es eine Überraschung werden und der Spaß wäre schnell vorbei, wenn er ihn verderben würde, indem er das Geheimnis verriet. Bisher hatte er sich stets gut herausreden können bei den Dingen, die er ‚anstellte‘, sobald die junge Dame zu Bett ging.


    Auch heute war ein guter Tag und Sofian lief guter Dinge über den Markt, wobei er Sisenna folgte, welche sich in den Kopf gesetzt hatte, einige Einkäufe zu tätigen. Die Straßen waren gut gefüllt und es herrschte ein reges Gedränge vor den Händlersständen, deren Besitzer laut tönend ihre Waren anpriesen. Die verschiedensten Düfte hingen in der Luft, wobei jene der umliegenenden Garküchen besonders prominent war. “Wir könnten zu diesem Stand hinüber gehen!“, sagte er dann in Richtung seiner kleinen Herrin. “Ich habe dort einige schöne Figuren gesehen. Ponys und Ziegen und Schafe...“ Unter einem Lächeln sah er nun auf Sisenna hinunter. Genug Geld hatten sie auf jeden Fall dabei, was vielleicht auch ein gewisses Risiko war. Doch hieß heute die Weisung immerhin ‚etwas Schönes‘ kaufen, wobei ‚schön‘ natürlich immer im Auge des Betrachters lag.

    Die Sonne stand bereits am Himmel und entsendete ihre Stahlen als goldene Himmelssboten in Richtung der Sterblichen. Diese brachen hell und ungehindert durch die Fenster der Villa und in den Hof und tauchten sie in ein hoffnungsfrohe Licht, in dem kleine Staubpartikel tanzten, wenn man genau hinsah. Sofian fand, dass es ein wenig überirdisch wirkte, dieses Licht und es war bestens geeignet, um sich irgendwo der Malerei hinzugeben, doch so recht Muße, um sich darob um eine freudvolle Stimmung zu bemühen hatte er nicht. In der letzten Zeit war es ihm schon des Öfteren aufgefallen, dass ihn das Heimweh drückte. Kein Heimweh um einen bestimmten Ort, obwohl er bisweilen Alexandria durchaus vermisste, doch am meisten fehlte ihm
    seine Familie, ihr Kunsthandwerksgewerbe und natürlich die Freiheit. Hinzu kamen immer wieder die Erinnerungen an die grausame Entführung wie schwarze Galle empor und er sorgte sich noch immer sehr um Schwester und Vater. Allein der Gedanke an sie machte ihn sorgenschwer und wehmütig, was er aber kaum nach außen hin zu zeigen bereit war. Viel gab er der Welt, sofern sie denn wie er in Sklavenschaft lebte ehe seine mürrische und verschlossene Seite preis. Er kapselte sich ab, gab nur kurze und wahrscheinlich wenig unzureichende Antworten und kämpfte alles in allem mit der finsteren Stimmung, die auf seinen Verlust zurückzuführen war. Sicher brachte Sisenna einige Lichtblicke und ihr gegenüber gab er sich stets zugewandt und freundlich. Sie war ein Kind, sie war unbedarft und unschuldig und gab sich die beste Mühe so zu wirken wie eine zu klein geratene Erwachsene. Er mochte sie sehr und sie imponierte ihm und in ihrer Gegenwart gelang es ihm sogar sein Schicksal für einige Momente zu vergessen. Und doch fehlte ihm ein großer seines Herzens, sodass es sich anfühlte, als wäre es inzwischen zu klein, verkümmert oder gar finster geworden.


    Beim morgendlichen gemeinsamen Mahl in der Culina hatte sich Sofian stets zurück und abseits gehalten und war kaum bereit gewesen, sich in Gespräche verwickeln zu lassen. Für ihn war es belanglos, welche Gäste im Haus waren, was sie gesagt und getan hatten. Auch das Geschwätz über die Niederungen Roms interessierten ihn nicht und auch nicht ob Sklavin A mit Sklave B vielleicht doch eine Stunde im Garten hinter Büschen verschwunden war. Dies alles waren Nichtigkeiten und er wollte sich nicht in das Gewäsch verstricken lassen. Stattdessen hatte er Morrigan beobachtet, die den Küchensklaven zur Hand ging. Auch wenn er selten zuhörte, was die anderen zu tratschen hatten war ihm nicht entgangen, dass viele Morrigan schon kannten. Angeblich sei sie eine Entlaufene aus eben diesem Haushalt gewesen, die es ob eines Gönners in die Freiheit geschafft hatte und nun mehr als unehrenhaft erneut zur Sklaverei in diesem Haus verurteilt worden war. Eine hässliche Geschichte, wenn man es genau bedachte und doch zeigte sie, dass es wohl in Rom so etwas wie Gerechtigkeit geben musste: Selbstgerechtigkeit. Seinen Fall hatte man nicht anhören wollen. Niemand außer Sisenna hatte sich für das Unrecht interessiert, welches ihm widerfahren war und auf dem Markt hatte an ihn angeboten wie ein lausiges Stück Vieh. Und? Dennoch hatte er bisher nicht an Flucht gedacht oder daran die Freiheit auf eine unwürdige Art und Weise zu erhalten. Sich an einen Gönner zu klammern, ihm womöglich zu Willen zu sein war nur eine weitere Art des Verderbens. Es musste bessere Wege geben.


    Doch wie man sah, hatte Morrigan einen hohen Preis bezahlt und war nun weniger wert als der Küchenjunge, der für die Abfälle zuständig war. Aber wie hieß es so schön? Hochmut kommt vor dem Fall. So schätzte Sofian es ein und wenn er es nicht schaffte, sich gegen das Unrecht aufzulehnen, dann sollte es auch kein anderer tun. Nein, er hatte kein wirkliches Mitleid mit Morrigan. Höchstens Mitleid für sich selbst. Deshalb beachtete er sie auch kaum, als sie einmal mehr auf den Knien lag und mit sich redlich mühte die Mosaike des Bodens im Atrium zum Erstrahlen zu bringen. Besucher brachten immer viel Dreck mit ins Haus. Er selbst balancierte ein Tablett mit erfrischendem Zitronenwasser und einem Leckerbissen aus der Küche für Claudia Sisenna, in deren Räumlichkeiten er gerade unterwegs war. Nun warf er doch einen Blick auf die Sklavin und bemerkte zu spät, dass er mit dem Fuß gegen einen der kleineren der Pflanzenbottiche gestoßen war. Der Krug und der Becher gerieten ins Wanken und landeten sodann klirrend auf dem Boden, da seine Bemühungen ihren Sturz aufzuhalten ins Leere gelaufen waren. “Mist!“, knurrte er wütend über sich selbst hervor und betrachtete sich die Lache die sich nun neben dem Impluvium erstreckte und den Krug, der in zwei Teile zerbrochen war. Unter einem unwilligen Schnaufen bückte er sich und sammelte die zwei Teile und den Becher wieder auf, ehe er erneut zu Morrigan hinüber sah. “Mach das hier weg!“, sagte er dann vielleicht etwas zu schroff, doch die anderen Sklaven im Haushalt behandelten sie mit wenigen Ausnahmen ja auch nicht besser. Und wenn sie schon dabei war zu putzen, konnte ein wenig Wasser ja kein großes Problem darstellen.

    Naja... es wäre auf jeden Fall eine merkwürdige Art und Weise zu einem Märtyrer zu werden. Hm. Ich glaube, das würde die Christengemeinde nicht anerkennen.... -.-

    Vielleicht gibt es ja unterirdische Gebetsräume. Da würde es gar nicht auffallen, wenn man da ist.... Also so eine Versammlung zu besuchen wäre sicherlich... segensreich...*zu Sisenna lins*

    Sofian bezweifelte, dass er die Haare so gut flechten konnte wie die gute Cara. Deshalb verzog er ein wenig den Mund zu zuckte dann mit den Schultern, während der Zweifel ihm ins Gesicht geschrieben stand. Irgendwie wirkte das Mädchen nun wie eine Medusa, der wild gewordene kleinen Schlangen vom Kopf wuchsen. “Ja, fertig,“ bestätigte er noch einmal und grinste dann schief, als sie auf den Eierkopf zu sprechen kam, den sie ansonsten nicht hatte. “Ja, morgen ist Cara wieder da.“ Seine Worte klangen ein wenig beruhigend und in der Tat wäre er froh, wenn dem so sein würde. Er wusste nicht genau, was mit der Sklavin war und ob sie sich gut fühlte oder nicht, denn so oft war er mit ihr nicht in Kontakt gekommen. Überhaupt ging Sofian seinen Mitsklaven gerne aus dem Weg, weil er glaubte, dass ihre servile Art auf ihn abfärben würde, was bestimmt auch schon geschehen war. Außerdem war er eher ein Eigenbrödler, der es vorzog zu beobachten, als mitten im Geschehen zu stehen.


    Dann trat er zurück, als Sisenna verkündete, dass sie nun zu schlafen gedachte. “Marsyas,“, wiederholte er noch einmal und nickte dazu. Das würde er sich gewiss merken können und wenn nicht, so war er sich sicher, dass das Kind ihn ebenfalls nicht vergessen würde. Aber warum wollte sie einen Wagenlenker treffen? Diese Frage spiegelte sich kurz in seinen Gesichtszügen, doch er sprach sie nicht aus. “Dann wünsche ich eine gute Nacht, kleine Domina,“ sagte er stattdessen und wartete noch einen Moment, nicht sicher darüber, ob er nun entlassen war oder ob Sisenna noch etwas bemerken wollte.

    Insgeheim war Sofian froh, dass das Theaterstück nun dem Ende zugegangen war. Er stand nunmehr am Rande des Geschehens und ließ seine Blicke in die Zuschauermenge schweifen, die offenbar durch das Spiel recht erheitert worden war. Nun sollten sie auch entscheiden, was zu tun war. Für ihn selbst stand der Plan schon fest. Er würde die Bühne verlassen und sie nicht mehr betreten. Innerlich seufzend trat er von einem Bein auf das andere und wartete ab.

    Sofian schmunzelte, als das Mädchen seine Bedenken äußerte, dass der Wagen umkippen könne. Es tat gut zu wissen, dass es jemanden gab, der das Leben seines Sklaven offenbar wert schätzte und es besänftigte ihn in gewisser Weise, auch wenn er seine Freiheit noch immer schmerzlich vermisste. Zwar hatte er es gut getroffen und mehr oder weniger Glück im Unglück gehabt, aber dennoch konnte er nicht aus seiner Haut. Jahre der Freiheit waren eben nicht immer mit Besorgnis aufzuwiegen. Doch welche Überraschung hatte Sisenna nun geplant? Nun war er doch ein wenig gespannt, während die junge Herrin kicherte und von ihrem Sessel sprang. “Ja, Tunikas sind nicht besonders spannend und du hast recht, eine Großmutter bist du wirklich nicht,“ erklärte er besänftigend, während Sisenna sich nun mit verschränkten Armen vor ihm aufbaute. Sofian erhob sich aus der Hocke und staunte dann nicht schlecht. Zöpfe sollte er flechten? “Ähm,“, ließ er verlauten und bemerkte, dass sich das Mädchen in ihren hastig hervor gebrachten Worten nun selbst ausbremste, ganz so als hätte sie kurz davor gestanden sich zu verplappern. Was war wohl diese Überraschung? Immerhin konnte diese von einem neuen Pony bis hin zu einem Garten für die Bienen reichen. “Gut, machen wir Zöpfe,“ sagte er dann aber und seufzte leise. Diese Art der Betätigung war nun nicht gerade seine Spezialgebiet. Zwar hatte er schon einmal die Haare seine Schwester geflochten als sie noch sehr viel kleiner gewesen waren, doch das war gewiss keine gute Grundlage, um zum Experten zu werden. Sisenna saß auch gleich darauf schon bereit.


    Sofian seufzte und griff nach einer Bürste und tauchte sie in Wasser, um die Haarpracht zunächst einmal zu kämmen und anzufeuchten. So weit war er also gekommen. Von einem anerkannten und guten Handwerker zu jemanden, der die Haare eines Kindes bürstete. In seinen Augen ein echter Fall, der an ihm nagte. Im Anschluss mühte er sich, einzelne Haarsträhnen zu finden und diese derartig übereinander zu legen, dass es zu einem guten Ergebnis kam. “Ich bin wohl kein guter Frisör,“ stellte er fest. Die Zöpfe waren krumm und schief, aber immerhin hielten sie einigermaßen und sie würden wohl auch ein nächtliches Lager überleben. Er warf die Bürste von sich, sodass sie auf dem kleinen Tischchen landete, von dem er sie genommen hatte. “Fertig!“ Er trat um Sisenna herum, um sie zu betrachten.

    Sofian konnte nicht anders als sich bemustert zu fühlen. Die junge Herrin schaute ihn mit schräg geneigtem Kopf an und sie sah irgendwie nach kindlichen Selbstzweifeln aus. Ganz so, als ob sie irgendetwas verunsichern würde. Sie betätigte, dass sie auf ihn gewartet hatte. Etwas zu gedehnt, um wirklich eine spontane Aussage zu sein. Ob er ihr böse war? Sofian stutzte sofort und zog die Augenbrauen zusammen. Weil sie sich nicht um ihn gekümmert hatte? Er hob schon an zu sprechen, als Sisenna schon weiter redete. Also blieb er noch einen Moment stumm und hörte sich ihre neue Idee an, als Zuschauer zu einem Wettrennen zu gehen, wo kostenlos für Speis‘ und Trank gesorgt wurde. “Hm,“ stieß er aus und kam weiter in den Raum hinein. So weit, dass er schließlich vor ihr stand und fragend auf das Mädchen hinab blickte. Dieses äußerte nun, dass es eine Überraschung für ihn hätte. “Überraschung?“, wollte er wissen. Ihr Blick verriet ihm, dass sie nun eindeutig auf eine Reaktion von ihm wartete. “Ahm…,“ entkam es ihm aber nur. Ob er raten wollte? “Ich weiß nicht. Ich… eine Überraschung… also ich...“ Sofian zuckte mit den Schultern, lachte dann leise auf und ging schließlich vor Sisenna in die Hocke, um in etwas auf Augenhöhe mit ihr zu sein. Irgendwie schaffte sie es immer wieder, dass sie eine eigene mürrische Laune vertrieb, so wie sie es schon vor Wochen immer wieder geschafft hatte. “Ich weiß nicht, junge Domina. Vielleicht eine neue Tunika? Oder soll ich als Wagenlenker bei dem Rennen mitmachen?“ Seine Stimme klang nur sehr sanft und genau so, wie man zu einem Kind sprach. Dann lächelte er ein wenig einseitig.

    Sofian war in der Küche und hatte an einem Stück Brot herum gespielt, welches er mit ein wenig Olivenöl zu essen gedachte. Seine Laune war in letzter Zeit nicht die beste gewesen, denn er hatte nicht allzu viel zu tun gehabt, was ihm die Gelegenheit gegeben hatte, sich mit seinem Schicksal auseinander zu setzen. Noch immer hatte er keinen blassen Schimmer wo seine Schwester und sein Vater waren und ob diese überhaupt noch lebten. Außerdem hatte begonnen mit seinem Schicksal zu hadern und sich klar zu machen, was es denn bedeutete als Sklaven leben zu müssen. Immerhin hatte sein glückliches, wenn auch hartes Leben als freier Mann recht abrupt ein Ende gefunden gehabt. Er vermisste seine Familie und sein altes Leben, wobei ihm immer deutlicher wurde, dass er er es niemals zurück erhalten würde. Immer mehr wurde ihm auch bewusst, wie sehr die Bildhauerei vermisste, all das kreative und handwerkliche in seinem Leben, welchem er nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr nachgegangen war. Alles in allem hatte es ihn mürrisch und unzufrieden gemacht. Die junge Herrin hatte er ebenfalls nicht mehr sehr oft zu Gesicht bekommen, seit sie sich mit den Erinnerungen an die Brandschatzungen und dem Aufruhr in der Stadt quälte.


    Mit brütendem Blick beschaute er sich also sich also sein Brot, während er nachdachte, bis eine junge Sklavin, die eilig die Küche betreten hatte, ihn ansprach. Sie teilte ihm mit, dass er in das Cubiculum der jungen Herrin zu gehen hatte, da diese nach ihm verlangte. Sofian nickte, doch er machte zunächst keine Anstalten sich zu erheben. Stattdessen tunkte er das Brot in das Öl und kaute gemächlich, was ihm einen bösen Blick vor der Sklavin einbrachte. Diesen ignorierte er gekonnt, aß in Ruhe sein Brot auf und erhob sich erst dann von dem kleinen Schemel, auf dem er gesessen hatte.
    Langsam machte er sich auf den Weg zu Sisenna und brütete dabei noch immer über seinen Gedanken. An der Tür angekommen klopfte er an, öffnete und trat dann dann ein. Eigentlich war er auch neugierig, wie es der jungen Herrin ging und es würde sich zeigen, ob ihre Lebensgeister wieder erwacht waren, was ein wenig Abwechslung im grauen Alltagstrott darstellen würde, dem er gefolgt war, auch wenn es für ihn nicht allzu viel zu tun gegeben hatte. Fast hatte sich ein wenig Müßiggang einstellen wollen, was Sofian noch niemals gut bekommen war. Er wollte etwas schaffen, etwas um die Hand haben. Am liebsten wollte er einen Stein bearbeiten oder aber einen blanken Untergrund bemalen. “Du hast mich rufen lassen?“, fragte er dann, als er den Raum betreten hatte und sein Blick traf die junge Herrin, in deren Gesicht so etwas wie Schuldbewusstsein stand.

    Sofian beobachtete, wie Maximus, der Hausherr, nun auf ihn zu kam und nach dem dargebotenen Teller forschte. Mit ausgestreckten Armen. Dann sah der Sklave es kommen. Teller samt Obst landeten auf dem Boden. Ob er dachte, dass der Hausherr auf dem Boden essen wollte? Anklagend klang die Stimme, wie immer, wenn ein Herr einen Fehler beging, den er gut und gerne seinen Bediensteten in die Schuhe schieben konnte. Ein wenig unbekümmert zuckte er mit den Schultern, ehe er ein “Nachdem es offenbar dein Wunsch war, Dominus,“ ertönen ließ. Dann trat er vorsichtshalber einen Schritt zurück. Man konnte nie wissen. Plato war so gut in seiner Rolle verhaftet, dass gewiss damit zu rechnen war, dass er nun mit der Hand ausholen würde. Dann kroch auf einmal Helena in seiner Nähe auf dem Boden herum und angelte nach einem Apfel. Allerdings ließ sich Licht am Horizont erkennen, denn die Sklaven mit den Lampen erschienen, die das Szenario auch für die Schauspieler erhellten. Insgeheim war Sofian froh, dass es nun vorbei war und er in der allernächsten Zukunft die Bühne wieder verlassen durfte. Das Publikum jedoch amüsierte sich köstlich, und damit war doch der Pflicht genüge getan, wie er fand.
    Schnell bückte er sich noch, um im angekommenen Lichterschein die verloren gegangenen Apfelstücke aufzulesen, um sie wieder auf dem Teller zu drapieren. Dann erkannte Maximus den Berater und Sofian war selbst gespannt, wie dieser nun reagieren würde.

    Sofian tastete noch immer auf dem Boden herum, nachdem der Hausherr hatte wütende Worte ertönen lassen. Ihm war mit Prügeln gedroht worden, sollte er die Nahrung verunreinigen. Ob er das verstanden hatte? “Natürlich, Dominus!“, hatte er so vernehmlich wie möglich mit seinem Zeigefinger im Mund gesagt und sich dann auf die Suche nach dem Apfel begeben. Hastig erfühlte Sofian vor sich das Terrain des Bodens und tat so, als würde er den Apfel gar nicht sehen. Statt diesen also zu ergreifen, fummelte er flüchtig an den Füßen des Hausherren herum, die definitiv nicht zu der verschollenen Frucht gehörten. Doch dann schmeckte dem Dominus wieder etwas nicht. Er solle nicht mit dem Essen spielen! Ein Fuß wurde bewegt und Sofian sah es schon kommen, ehe der Fuß der handfest gegen seine Seite krachte. Er ließ er erschrockenes Ächtzen ertönen und hasste seine heutige Rolle als Serviersklave einmal mehr. Dennoch schien es dem Publikum sehr zu gefallen, was sie hier boten. “Verdammt!“, stieß er leise aus, fasste nach dem Apfel und begab sich dann wieder auf die Beine. Maximus schien seine Rolle wirklich sehr ernst zu nehmen. Im Anschluss erkundete er wieder den Tisch und schnitt den Apfel in kleine Stücke, so gut es in der „Dunkelheit“ eben ging. Dann verfrachtete er die Stücke auf einen Teller und hielt diesen dem Hausherren hin. Zumindest reckte er den Teller in die Luft und war gespannt, ob Plato ihn ergreifen und die „Dunkelheit“ um sich herum vergessen würde. “Dein Obst, Dominus!“, erklärte er dann noch sachlich.

    Sofian, in seiner Rolle als Polybus, wäre beinahe aus dieser heraus gefallen, als er Marcos Antwort auf die Lebensfrage der Inkontinenz vernahm. Beinahe hätte er gelacht, doch er verkniff es sich im letzten Moment. Dann sah er dabei zu, wie Marco nach dem Becher tastete und … blickte dann an sich hinunter, als der kleine Weinschwall, der sich trotz seiner „Ungeschicklichkeit“ noch im Becher befunden hatte, seine Brust traf. “Hmmm,“ stieß er vernehmlich aus, wischte sich über die Tunika, die er trug und nahm dann wieder Haltung an. Schließlich wäre es unschicklich gewesen, das Verhalten eines „Gastes“ zu kommentieren. Als Maximus in den Raum hinein lauschte, wurde es kurzzeitig etwas still auf der Bühne, ehe er der Befehl erteilt wurde, Lampen zu suchen. Julius verschwand auch gleich, während Sofian sich daran machte wie befohlen das Obst zu schneiden. Er tastete unbeholfen nach den Früchten, fischte ein Bündel Weintrauben und ein paar Feigen heraus, bis er etwas größeres fand. Einen Apfel. Um sicher zu gehen, dass es tatsächlich einer war, führte er sich diesen unter die Nase und roch geräuschvoll daran. Ja, ein Apfel. Seine nächste Suche galt einem Messer, welches er allerdings nicht aufspüren konnten. Fahrig fuhren seine Hände über den Tisch, erreichten den zweiten Obstteller und pflückten diesen auseinander, bis er schließlich das doch das Obstmesser fand und zu fasste. Dann jedoch tat er so, als ob er sich an dessen kleiner Klinge geschnitten hätte, brachte ein vernehmliches “AUA!“ hervor und zog seinen Finger zurück, um ihn sich in den Mund zu schieben. Der Apfel lag noch immer vor ihm auf dem Tisch und mit der freien Hand wagte er nun einen Versuch, das Obst in zwei Hälften zu zerteilen, wobei er allerdings abrutschte und der Apfel vom Tisch sprang. Er fiel direkt auf den Boden und rollte dem Hausherren vor die Füße. Sofian eilte mit einer Hand tastend hinterher, fand ebenfalls seinen Weg vor den Hausherren, vor dem er nun herum kroch und nach der verlorenen Frucht suchte.